A 1340 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 27|
9. Juli 2010S
eit dem Jahr 2007 ist ein dras- tischer Rückgang von klini- schen Studien zu verzeichnen, was zu einer Gefährdung der Patienten- versorgung führen kann. Dieses düs- tere Bild zeichnete die Europäische Kommission, wie Prof. Dr. med.Joerg Hasford, München, auf der elf- ten Sommertagung des Arbeitskreises medizinischer Ethikkommissionen Mitte Juni in Berlin berichtete. Doch es gebe auch zahlreiche Bemühun- gen der Europäischen Union (EU), diesen Missstand zu beheben. So ha- be sie beispielsweise versucht, durch die Einführung der Clinical Trial Directive (CTD) im Jahr 2001 in Europa einheitliche Bedingungen zu schaffen. „Doch“, sagte Hasford, „die- ses Ziel hat man bisher nicht erreicht.“
So sei die Europäische Kommis- sion in einer Bewertung der CTD zu dem Schluss gekommen, dass es zum Teil mehrfache und divergie- rende Bewertungen von klinischen Prüfungen durch die Arzneimittel- behörden und Ethikkommissionen gebe. „Wir haben in der EU mehr als 27 nationale Arzneimittelbehör- den und mehr als 1 900 Ethikkom- missionen, davon allein 1 300 in Italien“, berichtete Hasford. Außer- dem werde die Direktive in den
Mitgliedstaaten uneinheitlich um- gesetzt. Das Flickwerk an unter- schiedlichen Prüfungsvorschriften führe schließlich zum Sicherheits- nachteil für Teilnehmer an klini- schen Prüfungen.
„Unattraktives Forschungsumfeld“
Die Europäische Kommission habe daher Verbesserungsvorschläge vor- gestellt und unter anderem eine stär- kere Vernetzung der Ethikkommis- sionen der Mitgliedstaaten gefor- dert. Der Arbeitskreis medizinischer Ethikkommissionen habe diese Vor- schläge aufgenommen und kom- mentiert. Hasford empfahl, sich auch mit den „kompetenten Stel- lungnahmen von Patientenverbän- den“, unter anderem der European Cancer Patient Coalition, zu be- schäftigen. Darin wird ganz klar festgestellt, dass die CTD das Ziel der Harmonisierung nicht geschafft habe. Im Gegenteil. Sie behindere sogar massiv die Optimierung von Krebstherapien. Sie verdränge die akademische Krebsforschung zu- gunsten von Industrieforschung, und sie beeinträchtige onkologische Stu- dien in der Pädiatrie. Verbesserungs- vorschläge der Patientenorganisati-
on sind unter anderem, so Hasford, die zentrale Einreichung von Bewer- tungsunterlagen, eine Überprüfung der Versicherungsbedingungen, eine Einbeziehung von Patienten in die Ethikkommissionen sowie mehr Transparenz bezüglich aller Aspekte klinischer Studien.
Auch Dr. med. Ingrid Kling- mann, Vorsitzende des European Forum for Good Clinical Practice, bedauert den dramatischen Rück- gang an klinischen Prüfungen. Ein Grund dafür ist ihrer Ansicht nach unter anderem, „dass unser ganzes Forschungsumfeld nicht mehr at- traktiv ist“. Es müsse für Universi- täten wieder möglich werden, auch mit kleineren Budgets Studien durchzuführen. Vorbildlich in Be- zug auf die Ethikkommissionen ist Klingmann zufolge das deutsche System: „Zwar setzt sich auch in Deutschland die federführende Ethik- kommission ins Benehmen mit an- deren beteiligten Ethikkommissio- nen, aber sie schafft es schließlich, zu einer einzigen Bewertung zu kommen.“
Der Vorsitzende des Arbeitskrei- ses der medizinischen Ethikkom- missionen, Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld, berichtete über die Not- wendigkeit der Neustrukturierung des Arbeitskreises, da die finanzielle Förderung der Bundesärztekammer am 30. Juni endete. „Der Vorstand des Arbeitskreises hat für seinen Vorschlag, den Arbeitskreis weiter- zuführen und die Finanzierung aus Mitgliedsbeiträgen sicherzustellen, einhellige Zustimmung gefunden.
Der Arbeitskreis hat sich inzwischen konsolidiert, sein Bestand ist gesi- chert.“ Dem Arbeitskreis gehörten weiterhin alle Ethikkommissionen der medizinischen Fakultäten und der Landesbehörden an. Auch acht Ethikkommissionen der Landesärz- tekammern hätten sich für einen Verbleib entschieden. Es bestehe wohl grundsätzliche Zustimmung zu dem Ziel, die einheitliche Ver - tretung aller Ethikkommissionen wiederherzustellen. Man habe ihm zugesichert, dass die Bundesärzte- kammer sich baldmöglichst mit der Angelegenheit befassen werde, kün- digte Doppelfeld an. ■ Gisela Klinkhammer
ARBEITSKREIS MEDIZINISCHER ETHIKKOMMISSIONEN
Flickwerk in Europa
Die Bemühungen der Europäischen Union, dem Rückgang von klinischen Studien entgegenzuwirken, sind bisher nach Ansicht von Experten gescheitert.
Foto: Joker