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Archiv "Ethikkommissionen in Europa: Bunte Vielfalt" (22.05.1992)

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Fragen der ethischen und recht- lichen Zulässigkeit neuer Verfahren bewegen unter dem Gesichtspunkt

„Würde des Menschen" schon lange nicht mehr ausschließlich Ärzte in Forschung und Krankenversorgung, die sich zum Beispiel mit dem Gen- fer Gelöbnis und der Deklaration von Helsinki einen einschlägigen Pflichtenkodex gegeben haben. Viel- mehr nimmt die Öffentlichkeit in zu- nehmendem Maße teil an der Erör- terung ethischer Fragen im Zusam- menhang mit der Forschung in der Medizin und anderen Bio-Wissen- schaften. Neben der Wissenschaft kristallisieren sich weitere, oft übri- gens als schwerer wiegend empfun- dene Problemfelder heraus, für die als Beispiele Intensivtherapie, Ver- teilungsgerechtigkeit im Gesund- heitswesen, Anfang und Ende des Lebens stehen mögen.

Problembewußtsein und Lö- sungsansätze haben in den europäi- schen Staaten einen unterschiedli- chen Stand erreicht. Es lag daher na- he, daß im Hinblick auf das Zusam- menwachsen dieser Staaten der Eu- roparat im Zusammenhang mit der 15. Tagung seines „Comite ad hoc d'experts sur la bio&hique (Cahbi)"

zum „Ersten Rund-Tischgespräch von Ethikkommissionen" einlud (Madrid, 24. bis 25. März 1992).

In den Verhandlungen ließ sich sehr schnell eine „bunte Vielfalt" er- kennen, die im wesentlichen durch unterschiedliche kulturelle Entwick- lungen, religiöse Bekenntnisse oder Rechtstraditionen in den Ländern bedingt sein dürfte.

In einigen Ländern bestehen so- genannte nationale Ethikkommissio- nen, in anderen Staaten nehmen ähnlich zusammengesetzte Gremien vergleichbare Aufgaben wahr, und schließlich gibt es auch Länder ohne entsprechende Institution. Die Zu- ständigkeiten sind unterschiedlich definiert: teils befaßt man sich so- wohl mit ethischen Fragen in der Forschung als auch mit der Ethik schlechthin. Diese „6thique globale"

bildet bei manchen Gremien den Schwerpunkt der Tätigkeit, die dann den Bereich „Forschung" besonde- ren Komitees — „Institutional Review Boards" — überlassen.

Empfehlungen

-1■11M■SEZMil3F._

Die Zusammensetzung der Kommission variiert von Land zu Land: neben Vertretern der un- terschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen — ob und in welchem Umfange Ärzte oder Vertreter ärzt- licher Organisationen beteiligt wer- den sollen, wurde durchaus kontro- vers diskutiert — finden sich Laien, verstanden als Menschen ohne wis- senschaftliche Ausbildung, sowie Repräsentanten der Öffentlichkeit.

Diese Repräsentanten werden zum Teil von den Parlamenten gewählt, teils gehen Überlegungen dahin, die Vertretung der Öffentlichkeit sach- kundigen Vertretern der Medien an- zuvertrauen.

Auch die Institutionalisierung der Kommissionen oder der ihnen vergleichbaren Gremien ist unter- schiedlich geregelt: Berufungen

durch den Ministerpräsidenten, die Regierung oder das Parlament eines Landes sind ebenso möglich wie die Bildung des Kollegiums durch die relevanten Fachgesellschaften mit mehr oder weniger ausgeprägter staatlicher Unterstützung.

Selbstverständlich war es nicht möglich und vielleicht auch von den Veranstaltern nicht beabsichtigt, nach der Bestandsaufnahme eine für alle Mitgliedsländer des Europarates akzeptable „idealtypische" Lösung zu erarbeiten. Immerhin fanden in den Verhandlungen einige Gesichts- punkte mehr oder weniger deutliche Zustimmung:

Nationale Ethikkommissio- nen sollten sich vorrangig mit der ,Ahique globale" beschäftigen und hierzu grundsätzliche Empfehlungen verabschieden. Dabei wird die For- schung, wiewohl schwerpunktmäßig den „Institutional Review Boards"

zuzuordnen, von der Zuständigkeit grundsätzlich nicht ausgenommen.

Die Kommissionen sollen Regierungen und Politiker bei der Gesetzgebung beraten und insbe- sondere prüfen, welche ethischen Grundsätze in eine gesetzliche Rege- lung einfließen sollten.

Nationale Ethikkommissio- nen, von welcher Institution auch im- mer berufen, administrativ unter- stützt und finanziert, müssen in ga- rantierter Unabhängigkeit arbeiten.

Bei der Zusammensetzung sollten die relevanten wissenschaftli- chen Disziplinen — neben Medizin und sonstigen Biowissenschaften zum Beispiel Philosophie, Theologie, Rechtswissenschaften — ebenso be- rücksichtigt werden wie die Öffent- lichkeit, wer immer in den einzelnen Ländern ihre Vertreter bestimmt.

Die Berufung von Laien wur- de nahezu als unverzichtbar angese- hen, eine angemessene Anzahl weib- licher Kommissionsmitglieder als selbstverständlich vorausgesetzt.

Auch die Befürworter einer Berufung der Kommissionen durch Regierungen oder Parlamente stimmten überwiegend dem Grund- satz zu, daß Politiker selbst nicht Mitglieder nationaler Ethikkommis- sionen werden sollten.

Der Grundsatz, daß nur Per- sönlichkeiten mit angemessener

Ethikkommissionen in Europa:

Bunte Vielfalt

Die wissenschaftliche Medizin bietet in erlebter, kontinuierli- cher Entwicklung erweiterte Möglichkeiten zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten an. Gleichzeitig fordert sie Uber- legungen über den verantwortungsbewußten Umgang mit eben diesen Fortschritten heraus. Damit beschäftigten sich (unter anderem) Ethikkommissionen. Der Europarat versuchte eine Bestandsaufnahme - ein Tagungsbericht.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 21, 22. Mai 1992 (47) A1-1949

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Qualifikation in Ethikkommissionen zu berufen sind, fand ebenso Zustim- mung wie die Forderung, daß die Mitglieder dieser Gremien nicht als Repräsentanten oder gar Interessen- vertreter der sie vorschlagenden oder entsendenden Institutionen/Or- ganisationen tätig werden dürfen.

Europäische Ethikkommission?

Die „Erste Round Table Kon- ferenz der Ethikkommissionen" hat ihr Ziel „Bestandsaufnahme und Diskussion allgemeiner Grundsätze"

Jährlich werden mehr Fälle ge- meldet, die Dunkelziffern sind hoch

— sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen gehört immer noch zu den Tabu-Themen unserer Gesellschaft. Weil es so schwierig ist, angemessen zu reagieren, zögern vie- le, die im Beruf oder Privatleben da- mit konfrontiert werden, einzugrei- fen, oder verschließen die Augen.

Deshalb waren die Vorstellung von regionalen Hilfsangeboten für mißhandelte Kinder und der interna- tionale wissenschaftliche Austausch über Diagnostik und Therapie Schwerpunkte eines medizinischen Symposiums über den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugend- lichen in Düsseldorf.

Dr. med. Eugen Jungjohann, Leiter der Kinderschutzambulanz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf: 1 069 Kinder und Ju- gendliche aus 887 Familien wurden bis Dezember 1991 an die Ambulanz überwiesen. 40 Prozent davon wur- den sexuell mißbraucht, der Rest an- derweitig mißhandelt oder vernach- lässigt. 70 Prozent der sexuell miß- handelten Kinder waren Mädchen.

Die Hälfte der behandelten Kinder war unter sieben Jahre alt. Ein über- raschend großer Anteil von 46 Pro- zent besuchte keinen Kindergarten.

Ein Kind, bei dem heute sexuel- ler Mißbrauch festgestellt wird, ist nach Aussage von Dr. Jungjohann

durchaus erreicht. Ein weitergehen- der Plan, nämlich die Bildung einer europäischen Ethikkommission, wie sie C. Lalumiere, die Generalsekre- tärin des Europarates, für die näch- ste Zukunft vorschlug, wird wohl noch längere Zeit auf seine Verwirk- lichung warten müssen. Zunächst soll jährlich ein Erfahrungs- und Ge- dankenaustausch der Vertreter der nationalen Ethikkommissionen und der sonstigen in Madrid beteiligten Gremien stattfinden.

Professor Dr. med.

Elmar Doppelfeld, Köln

durchschnittlich schon zwei Jahre mißbraucht worden und hat bereits fünfmal versucht, sich jemandem in seiner Umgebung anzuvertrauen, be- vor es in der Ambulanz untersucht wird. Genaues Zuhören ist beson- ders wichtig, denn die meisten Sym- ptome dieser Kinder sind unspezi- fisch: Bauchschmerzen, Verstim- mungen, Asthma, starke Gewichts- schwankungen, schulisches Versa- gen, Konzentrationsschwäche.

Unsicherheit

Laut Dr. med. Karola Reusch, Oberärztin und Leiterin der kinder- gynäkologischen Ambulanz der Uni- versitätsfrauenklinik Köln, finden sich bei der Mehrzahl der wegen Mißbrauchs untersuchten Mädchen keine genitalen Veränderungen. Das liege vor allem daran, daß die Kinder nur äußerst selten nach der Tat in die Sprechstunde kommen. Die Mehrzahl werde von ihrer Mutter vorgestellt — entweder um den Ver- dacht des Mißbrauchs zu bestätigen, meist jedoch in der Hoffnung, daß nichts Auffälliges gefunden werde.

Auch die Kriminalpolizei bringe häufig Kinder zur Untersuchung.

Seit einiger Zeit wenden sich auch Erzieherinnen verstärkt an die kin- dergynäkologische Ambulanz.

Bei etwa 70 Prozent der sexuell mißbrauchten Mädchen ist der Täter

Mitglied des engeren Familienkrei- ses. Daß Kinder durch Kinderärzte an die Ambulanz überwiesen wer- den, sei eine Rarität, berichtete Ka- rola Reusch. Die Zahlen der Kinder- schutzambulanz zeigen eine ähnliche Tendenz: Im letzten Jahr seien die Überweisungen aus Praxen und Kli- niken um 50 Prozent zurückgegan- gen. Auch Richard Isselhorst, Leiter des Jugendamtes Düsseldorf, bestä- tigte eine geringe Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten. Neben Unsicherheit bei der sicher nicht ein- fach zu stellenden Diagnose und Ängsten, ein Tabu offenzulegen, könne dem Verhalten der Ärzte oft Unklarheit über die zuständigen An- sprechpartner zugrundeliegen.

Dr. med. Jane Wynn aus Leeds zeigte in ihrem Diavortrag grundle- gende Aspekte der Differentialdia- gnose genitaler Befunde bei Kin- dern. Therapie, Nachsorge, psycho- logische Beratung waren Schwer- punkt der Referate von Vertreterin- nen ähnlicher Ambulanzen aus Bel- gien und Irland.

Auf diesem Gebiet existieren auch für Eugen Jungjohann viele un- gelöste Probleme: Rückmeldungen von anderen Therapieeinrichtungen an die Kinderschutzambulanz bleiben fast völlig aus. Besonders in der Zu- sammenarbeit von Kriminalpolizei und Gerichten gebe es aufgrund der unterschiedlichen Ansichten über die Beweisfindung Spannungen. Auch seien die Mitarbeiter der Ambulan- zen durch die steigende Zahl von Hil- fesuchenden überlastet, da die Zahl der Planstellen nicht erhöht werde.

Spielräume für eine Neuförderung je- doch seien eng, erklärte Dagmar Schmelzle vom Ministerium für Ar- beit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen. Sie setzt daher verstärkt auf zusätzliche Qualifikati- on bestehender Beratungseinrichtun- gen und auf die Fortbildung für Kin- dergärtnerinnen und Pädagogen.

Auch Ansätze der Prävention existieren laut Eugen Jungjohann auf diesem Gebiet nicht. Als ersten Schritt in dieser Richtung schlug er verstärkte Medienarbeit vor: Eine Fernsehsendung könnte Erwachsene dazu anregen, ihr Verhalten gegen- über Kindern zu ändern.

Silke Schieber

Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen

Genaues Zuhören ist wichtig

A1-1950 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 21, 22. Mai 1992

Referenzen

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