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ass der Patientenschutz verbes- sert werden muss, ist unumstrit- ten. Deutschland verfügt über ein effektives System der Pharmakovi- gilanz, das Nutzen und Risiken von Arzneimitteln nach ihrem Marktein- tritt fortlaufend bewertet. So müssen seit In-Kraft-Treten der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Jahr 2004 Verdachtsfälle einer uner- warteten schwerwiegenden Nebenwir- kung (Suspected Unexpected Serious Adverse Reactions, SUSAR) innerhalb von 15 Tagen (sieben Tage bei Todes- folge) durch den Sponsor und/oder den Prüfer an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet werden. Das be- richtete Prof. Dr. med. Ignaz Wessler von der Ethikkommission der Ärzte- kammer Rheinland-Pfalz auf der Jah- restagung des Arbeitskreises der Me- dizinischen Ethik-Kommissionen Mit- te November in Berlin. Probleme bei der Meldung der SUSAR sieht Priv.- Doz. Dr. med. Thomas Sudhop, Leiter der Abteilung Wissenschaftlicher Ser- vice beim BfArM in Bonn, vor allem in der Flut der Meldungen. Bis Ende 2004 habe es nur ein marginales Auf- kommen an Verdachtsfällen einer un- erwarteten schwerwiegenden Neben- wirkung gegeben. Zurzeit liefen 60 bis 80 Meldungen am Tag ein, davon seien allerdings nur zehn bis 20 Meldungen relevant. Ein Problem besteht laut Sudhop auch darin, dass anders als im Rest Europas für die Erfassung von SUSAR für nichtkommerzielle Spon- soren keine Verpflichtung zur elektro- nischen Meldung bestehe. In Deutsch- land genüge bisher die Papierform.Wessler schlug vor, dass künftig nur sol- che SUSAR mitgeteilt werden sollten, die in der konkreten klinischen Prü- fung beobachtet wurden. In angemes- senen Zeiträumen (alle drei Monate) sollte eine Auflistung aller SUSAR produktbezogen inklusive einer zu- sammenfassenden Bewertung zur Si- cherheit und einer tabellarischen Zu- sammenfassung aller SUSAR erfol- gen. Sofort (innerhalb von 15 Tagen) sollte jeder Sachverhalt mitgeteilt werden, der zu einer erhöhten Gefähr- dung der Studienteilnehmer führt, so- wie jeder Sachverhalt, der die Sicher- heit der Studienteilnehmer oder die Studiendurchführung beeinträchtigen kann. Außerdem fordert Wessler, je- den Todesfall im Rahmen einer klini- schen Prüfung einer Obduktion zuzu- führen. Eine Entblindung könne ver- langt werden.
Verschuldensunabhängiger Direktanspruch
Neben der Patientensicherheit war der Schutz der Probanden ein weiterer Themenschwerpunkt des Arbeitskrei- ses. Rechtsanwalt Burkhardt D. Swik, Geschäftsführer der Pharma-Rückver- sicherungs-Gemeinschaft und des Pro- banden-Covers, vertritt die Auffas- sung, dass für Probanden derzeit kein ausreichender Schutz durch die gesetz- liche Haftpflicht bestehe. Nach dem Arzneimittelgesetz (§ 40 Abs. 1 Nr. 8) und dem Medizinproduktegesetz (MPG
§ 20 Abs. 1 Nr. 9) müsse die Proban- denversicherung für den Fall der Tö- tung beziehungsweise der Körper- und
Gesundheitsverletzung bei Durch- führung dann Leistungen gewähren, wenn kein anderer für den Schaden hafte. Versichert sei nicht die gesetzli- che Haftpflicht des Durchführenden, Veranlassers beziehungsweise Spon- sors. Es bestehe ein verschuldensunab- hängiger Direktanspruch des Proban- den gegen den Versicherer (Zugun- stenversicherung). Nach einem Modell des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungsgesellschaft, das sich weit- gehend mit den Allgemeinen Versiche- rungsbestimmungen im AMG und im Medizinproduktegesetz deckt, ist der Patient beziehungsweise Proband, bei dem die klinische Prüfung durchge- führt wurde, die versicherte Person.
Zusätzlich versichert sei die bereits ge- zeugte Leibesfrucht. Die Kausalität sei vom Antragsteller zu beweisen, ein Verschulden beziehungsweise eine Rechtswidrigkeit sei nicht erforder- lich. Bei Objektverträgen lägen ange- messene Versicherungssummen zwi- schen fünf und 50 Millionen Euro, mit einer Beschränkung pro Proband auf 500 000 Euro.
Medizinische Forschung – ein europäisches Thema
Bei Jahresverträgen lägen angemessene Versicherungssummen bei 50 Millionen Euro pro Versicherungsjahr.Auch nicht- versicherungspflichtige Prüfungen seien weitgehend an die Allgemeinen Versi- cherungsbedingungen in AMG und MPG angeglichen worden.
Dass medizinische Forschung im- mer mehr ein europäisches Thema wird, darauf wies der Vorsitzende des Arbeitskreises, Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld, hin. So berichtete er, dass der Europarat eine Empfehlung zur Forschung mit asserviertem menschli- chem Gewebe und damit verbunde- nen Daten verabschiedet und an den Ministerrat zur weiteren Beratung zu- geleitet habe (dazu DÄ, Heft 46/
2005). Das Menschenrechtsüberein- kommen zur Biomedizin sei inzwi- schen von 31 Staaten gezeichnet und von 19 Staaten ratifiziert worden. Ob Deutschland die Konvention ratifizie- ren und zeichnen werde, sei zurzeit nicht abzusehen. Gisela Klinkhammer P O L I T I K
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A3304 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 48⏐⏐2. Dezember 2005