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Archiv "Novelle des Arzneimittelgesetzes: Risiken und Nebenwirkungen" (27.01.2012)

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A 134 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 4

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27. Januar 2012

NOVELLE DES ARZNEIMITTELGESETZES

Risiken und Nebenwirkungen

Die Europäische Union will das Arzneimittelrecht vereinheitlichen. Die Bundes - regierung setzt nun entsprechende Vorgaben in deutsches Recht um. Dabei gehe sie nicht geradlinig vor, kritisiert die Bundesärztekammer.

B

islang sind Nebenwirkungen

„die beim bestimmungsge- mäßen Gebrauch eines Arzneimit- tels auftretenden schädlichen unbe- absichtigten Reaktionen“. Das soll sich nun ändern. Der Referenten- entwurf zur 16. Novelle des Arznei- mittelgesetzes (AMG) sieht vor, dass der Begriff Nebenwirkung künftig auch Reaktionen umfasst, die „infolge von Überdosierung, Fehlgebrauch, Missbrauch und Me- dikationsfehlern“ auftreten. Mit dieser und weiteren Änderungen will die Bundesregierung europä - isches Recht in nationales umwan- deln, namentlich die in den vergan- genen Jahren zweimal geänderte EU- Richtlinie 2001/83/EG zur Schaf - fung eines Gemeinschaftskodexes bei Arzneimitteln.

Auch Patienten sollen Nebenwirkungen melden Erstmals sollen mit dem Gesetzent- wurf auch Patienten ihren Ärzten und Apothekern jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung melden. Ärzte und andere Gesundheitsberufe sol- len zudem in den Fachinformatio- nen eines Arzneimittels dazu aufge- fordert werden, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung an die zustän- dige Bundesoberbehörde zu mel- den, also an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Robert-Koch-Institut oder das Paul-Ehrlich-Institut.

„Wir begrüßen grundsätzlich die vorgesehene Regelung, da damit der in Deutschland überwiegenden Praxis entgegengewirkt wird, Ne- benwirkungen vorrangig an die pharmazeutischen Unternehmen zu melden“, schreibt die Bundesärzte- kammer (BÄK) in Abstimmung mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in ihrer Stellungnahme zum Referen-

deutsches Recht umzusetzen. Denn zur Verbesserung der Arzneimittel- therapiesicherheit müssten Fach- kreise diese Informationen erhalten.

Andernfalls seien sinnvolle Inter- ventionen und Handlungsempfeh- lungen für Ärzte und Patienten kaum vorstellbar.

BfArM: Pharmavertreter nicht mehr stimmberechtigt Die EU-Richtlinie sieht weiterhin eine Harmonisierung der Pharma- kovigilanzsysteme ihrer Mitglied- staaten vor. So werden mit dem Ge- setzentwurf die zuständigen Bun- desoberbehörden dazu verpflichtet, ein solches System zu betreiben.

Die Behörden müssen nun jeden Verdachtsfall einer schwerwiegen- den Nebenwirkung innerhalb von 15 Tagen an die Eudra-Vigilance- Datenbank der Europäischen Arz- neimittelagentur und erforderli- chenfalls an den Hersteller des ent- sprechenden Arzneimittels schi- cken. Sie können darüber hinaus die Risikomanagementsysteme der

Foto: Fo tolia

tenentwurf. Die bewährte berufsrechtliche Melde- pflicht der Ärzte und Apo- theker gegenüber ihren Arzneimittelkommissionen, von der im Gesetzentwurf nicht die Rede sei, dürfe je- doch nicht infrage gestellt werden. Deshalb fordert die BÄK, diese Meldepflicht gegenüber den Arzneimit- telkommissionen auch im Gesetz aufzunehmen.

Die BÄK kritisiert zudem, dass künftig in der Packungs- beilage und in den Fachin - formationen nur Nebenwir- kungen der Arzneimittel „bei bestimmungsgemäßem Ge- brauch“ enthalten sein sollen.

Damit werde im Hinblick auf die neue Definition der Nebenwir- kungen wieder eine Einschränkung vorgenommen, so die Bundesärzte- kammer. Dabei könnten Kenntnisse zu Medikations- und Anwendungs- fehlern die Patienten bei einer si- cheren Anwendung des Arzneimit- tels unterstützen. Und für Gesund- heitsberufe seien diese Kenntnisse von unmittelbarer Wichtigkeit und müssten auf jeden Fall in den Fach- informationen enthalten sein. Au- ßerdem soll bei allen Arzneimitteln, die sich unter besonderer Beobach- tung befinden, ein schwarzes Sym- bol neu auf die Packungsbeilage aufgenommen werden.

Die BÄK verweist darauf, dass ein Aspekt der geänderten EU- Richtlinie nicht in den Referenten- entwurf aufgenommen worden sei.

Dieser sieht vor, dass die Mitglied- staaten allen zuständigen Behörden in ihrem Land Meldungen über ver- mutete Nebenwirkungen infolge ei- nes Anwendungsfehlers zugänglich machen. Die BÄK fordert das BMG auf, auch diesen Aspekt in

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27. Januar 2012 A 135 Arzneimittelhersteller beurteilen

und die Pharmakovigilanzsysteme in den Betrieben überprüfen.

Auch die Pharmafirmen müssen künftig ein Pharmakovigilanzsys- tem betreiben, mit dem sie ihre Me- dikamente überwachen und das je- weilige Nutzen-Risiko-Verhältnis prüfen. Sie müssen ein Risikoma- nagementsystem für alle Arzneimit- tel vorhalten, die nach Inkrafttreten der AMG-Novelle zugelassen wer- den, und sie müssen ihre Pharma- kovigilanzsysteme auf Anfrage den Behörden zugänglich machen. Der Arzneimittelhersteller muss den Bundesoberbehörden zudem regel- mäßig aktualisierte Unbedenklich- keitsberichte zu seinen Arzneimit- teln zusenden, in denen unter ande- rem die Ergebnisse aller für die Zu- lassung relevanten Studien, eine wissenschaftliche Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und alle Daten zum Absatz des Medika- ments enthalten sind.

Darüber hinaus sollen die Bun- desoberbehörden die Öffentlichkeit künftig „unverzüglich“ über die Er- teilung einer Zulassung, über Pa- ckungsbeilage und Fachinformati- on oder die Risikomanagement- Pläne informieren. Auch die Rück- nahme eines Zulassungsantrags und die Versagung der Zulassung sowie deren Gründe sollen von den Be- hörden veröffentlicht werden. „Ei- ne Veröffentlichungspflicht zu die- sem Zeitpunkt ist gerechtfertigt, da Entscheidungen über die Versagung einer Zulassung oder einer Geneh- migung einer klinischen Prüfung insbesondere für Patienten und Ärz- te, aber auch für die in der Sozial- versicherung tätigen Institutionen von großer Bedeutung sind“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Änderungen soll es auch im Sachverständigenausschuss für Ver- schreibungspflicht des BfArM ge- ben. Denn dort sollen künftig die Vertreter „der pharmazeutischen In- dustrie und der Praxis“ kein Stimm- recht mehr haben. Zwar dürfen die Industrievertreter noch an den Be- ratungen teilnehmen, aber nicht mehr mit abstimmen. „Fragen der Arzneimittelsicherheit müssen auf Basis rein wissenschaftlich fundier- ter Voten entschieden werden“, be-

findet das Bundesgesundheitsmi- nisterium (BMG). Auch für die an- deren Ausschüsse des BfArM, den Ausschuss für Standardzulassung oder die Arzneibuchkommission, will das BMG in dieser Hinsicht neue Regelungen prüfen. „Wir be- grüßen ausdrücklich, dass hiermit einer ökonomischen Beeinflussung der Entscheidung von Sachverstän- digen entgegengewirkt werden soll“, betont die BÄK. Es müsse je- doch klargestellt werden, dass die Vertreter der medizinischen Praxis auch weiterhin ein Stimmrecht hät- ten. Zudem sollten als zusätzliche Sachverständige je ein Mitglied der Arzneimittelkommissionen der Ärzteschaft und der Apotheker in den Ausschuss berufen werden.

Da die AMG-Novelle auch eine Änderung des Betäubungsmittelge- setzes vorsieht, schlägt die BÄK dort eine weitere Änderung vor.

Zurzeit sei es Ärzten in der pallia- tivmedizinischen Versorgung oder in der substitutionsgestützten Be- handlung Opiatabhängiger nur er-

laubt, ihren Patienten Betäubungs- mittel zum „unmittelbaren“ Ver- brauch zu überlassen. „Die straf- rechtliche Drohung schränkt die Bereitschaft von Ärzten ein, sich der Versorgung der aufgeführten Patientengruppen zu widmen“, kri- tisiert die BÄK und fordert den Ge- setzgeber auf, künftig das Überlas- sen von Betäubungsmitteln in einer eng kontrollierten Behandlung und für einen überbrückenden Zeitraum zu erlauben. Diese Forderung stößt im BMG auf offene Ohren. So plant das Ministerium, wie ein Sprecher gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt bestätigte, eine Öffnung betäu- bungsmittelrechtlicher Vorschrif- ten, damit Ärzte Schmerzpatienten in bestimmten Fällen Betäubungs- mittel über einen längeren Zeitraum überlassen können, zum Beispiel im Bereich der ambulanten Pallia- tivversorgung. Dies könne zum

Beispiel in der AMG-Novelle um- gesetzt werden.

Mit der Novelle will das BMG darüber hinaus auch das Heilmittel- werbegesetz (HWG) lockern. Bis- lang ist die Werbung für Arzneimit- tel mit Krankengeschichten verbo- ten. Künftig soll dieses Verbot nach dem Willen des BMG nur noch gel- ten, wenn die Werbung mit Kran- kengeschichten „in missbräuchli- cher, abstoßender oder irreführen- der Weise erfolgt“. Verboten ist heute auch eine Werbung mit Anga- ben, denen zufolge das Arzneimittel ärztlich empfohlen oder geprüft ist.

Künftig soll eine Werbung mit sol- chen Angaben nur noch verboten sein, wenn die Empfehlungen von Personen stammen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimit- telverbrauch anregen können. Ganz gestrichen werden soll das Verbot einer Werbung mit Gutachten.

Für BÄK und AkdÄ sind diese Änderungen absolut unnötig. „Das Heilmittelwerbegesetz hat sich in seiner geltenden Fassung bewährt“,

heißt es in ihrer Stellungnahme.

„Die europapolitische Strategie, Europa zu einer ,Innovationsunion‘

zu machen, rechtfertigt angesichts der Gewährleistung des Patienten- schutzes weder eine Liberalisierung der speziellen Werbeverbote im Be- reich der Publikumswerbung noch die damit zu befürchtende Aufwei- chung des generellen Werbever- bots.“ Das BMG erklärte, die Auf- gabe bestimmter Regelungen im HWG sei europarechtlich geboten, da diese in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen seien. „Das Ziel der Richtlinie ist verbindlich. Die Wahl der Mittel ist aber den Mitgliedstaa- ten überlassen“, betont dazu die BÄK. „Zur Gewährleistung des Pa- tientenschutzes sollte es der Bun- desrepublik daher freistehen, kon- sequente Regelungen beibehalten

zu können.“

Falk Osterloh

Die europäische Strategie, Europa zu einer

,Innovationsunion‘ zu machen, rechtfertigt keine Liberalisierung der speziellen Werbeverbote.

Stellungnahme der Bundesärztekammer

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