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Archiv "AMG-Novelle und Anhänge: Eine Nacht-, aber keine Nebelaktion" (03.07.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009 A1395

P O L I T I K

U

m Mitternacht müssen die letzten Besucher den Bundes- tag verlassen. Keine Schulklassen ziehen dann mehr durch die Trep- penhäuser, keine Touristen tummeln sich in der Glaskuppel, keine Wahl- kreisgäste schauen den Volksvertre- tern von der Besuchertribüne aus auf die Finger. Nachts sind die Abgeord- neten im Bundestag fast unter sich.

So war es auch in den frühen Morgenstunden des 19. Juni, als das Parlament nach monatelangen Bera- tungen die 15. Novelle des Arznei- mittelgesetzes (AMG) verabschie- dete. Für Gedränge auf den Besu- chertribünen hätte das mehr als 140 Seiten starke Paragrafenwerk aller- dings ohnehin nicht gesorgt, denn

das meiste ist für Laien unverständ- lich. Doch mit dem Sammelsurium unterschiedlicher Detailregelungen stellt die Bundesregierung letzte gesundheitspolitische Weichen in dieser Legislaturperiode. Einige sind dabei für Ärzte und Patienten von größerer Bedeutung.

So wurde unter anderem eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, damit private Anbieter weiter die Abrechnung von ärztlichen Leistun- gen übernehmen können. Allerdings ist diese bis 30. Juni 2010 befristet.

Danach sollen unbefristete Vorga- ben greifen. Von der Übergangsre- gelung profitieren beispielsweise Krankenhäuser, die ambulante ärzt- liche Leistungen im Rahmen einer Notfallbehandlung bislang über Rechenzentren, wie privatärztliche Verrechnungsstellen, mit den Kas- senärztlichen Vereinigungen ab- rechneten. Das Bundessozialgericht hatte Ende 2008 diesen Abrech- nungsweg im Fall von gesetzlich Krankenversicherten mit Hinweis auf den erforderlichen hohen Schutz von Sozialdaten moniert und ver- langt, bis zum 30. Juni 2009 eine ge- setzliche Grundlage zu schaffen.

Dies ist im Rahmen der AMG- Novelle nun unbefristet geschehen.

Von einer ähnlichen Regelung profitiert der Deutsche Hausärztever- band (HÄV), dem nach § 73 b SGB V eine Monopolstellung beim Ab- schluss von Hausarztverträgen zu- kommt. Er wickelt seine Verträge mithilfe der Hausärztlichen Vertrags- gemeinschaft ab, was von Experten nach dem Richterspruch ebenfalls als unzulässig erachtet wurde. Kritiker, darunter die Kassenärztliche Bun- desvereinigung, hatten in den letzten Wochen bezweifelt, dass auch bei solchen Selektivverträgen und ihrer Abwicklung der hohe Schutz von So- zialdaten gewahrt bleiben könne. Im

Kern ging es aber erneut grundsätz- lich um das Für und Wider von Haus- arztverträgen, wie sie § 73 b derzeit ermöglichen soll.

Nun werden im Hinblick auf die Verträge des HÄV, aber auch auf mögliche Partner von Integrations- verträgen nach § 140 a–d SGB V an verschiedenen Stellen im Gesetz (darunter § 295 SGB V und § 78 a SGV X) Vorgaben für die Weiterga- be und Verarbeitung von Daten ge- macht. Der Hausärzteverband be- grüßte die Neuregelung. Sein Bun- desvorsitzender Ulrich Weigeldt be- tonte: „Wir gehen davon aus, dass uns der sichere Umgang mit Sozial- daten auch über den 30. Juni 2010 hinaus bestätigt werden wird.“

Bewertungsausschuss: Daten rascher ans Ministerium

In Berlin kursiert aber noch eine an- dere Lesart: Die Begrenzung sei ein Hinweis darauf, dass unter den Par- lamentariern eine grundlegende Ge- sundheitsreform mit Wirkung vom Jahr 2011 an für unumgänglich ge- halten wird.

Datenlieferungen und -sicherheit spielten aber noch bei anderen Än- derungen eine Rolle. So wird der Bewertungsausschuss durch eine Änderung von § 87 SGB V ver- pflichtet, dem Bundesgesundheits- ministerium (BMG) vierteljährlich vorläufige wie endgültige Daten und Berichte zur Entwicklung der ärztlichen Vergütungsstruktur zu liefern. Außerdem soll er seine Be- schlüsse darauf hin analysieren, wie sie sich angesichts der künftigen Steuerung des ärztlichen Niederlas- sungsverhaltens über Zu- und Ab- schläge auf das Honorar auf die re- gionale Verteilung auswirken.

Die Informationen seien erfor- derlich, „um die vielfach an das BMG herangetragenen Forderun-

AMG-NOVELLE UND ANHÄNGE

Eine Nacht-, aber keine Nebelaktion

Für gesundheitspolitische Weichenstellungen vor der Sommerpause bleibt dem Parlament nur noch wenig Zeit. Deshalb wurden vor Kurzem zu später Stunde noch kleine und größere Gesetzesänderungen mit Auswirkungen auf das Gesundheitswesen vorgenommen.

Still ruht nur die Spree – bei der Op- position im Bundes- tag schlugen die Wellen wegen eini- ger Änderungen der AMG-Novelle höher.

Foto:Caro

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A1396 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009

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gen nach Anpassungen der Be- schlüsse sinnvoll bewerten zu kön- nen“, heißt es dazu im Bericht des Gesundheitsausschusses, dessen Mit- glieder alle Änderungswünsche be- raten hatten.

Diagnosemanipulationen sollen verhindert werden

Beschlossen wurden mehrheitlich auch Änderungen, die dazu beitra- gen sollen, den Krankenkassen mit mehr Erfolg auf die Finger sehen zu können, wenn sie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte für Diagnose- manipulationen gewinnen wollen.

Deshalb erhält das Bundesversiche- rungsamt (BVA) nun unter anderem durch Ergänzungen im § 268 SGB V weitergehende Kompetenzen zur Überprüfung von Diagnosedaten und Arzneimittelkennzeichen im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs. Im Be- richt des Gesundheitsausschusses wird gleichzeitig betont, „dass das BVA keine Prüfung bei den Leis- tungserbringern vornehmen darf, insbesondere darf es nicht die Zulässigkeit und Richtigkeit der von Leistungserbringern erfassten Diagnosen überprüfen“.

Hinter den Kulissen wurde über manche Änderung heftig gestritten.

Die Opposition kritisierte, dass als Anhang der AMG-Novelle wichti- ge gesundheitspolitische Regelun- gen im „Hauruckverfahren“ über die parlamentarischen Hürden ge- bracht wurden. „Um gravierende Defizite ihrer Gesundheitspolitik der letzten Jahre auszugleichen, werden ganz viele Themen in einem Rutsch mit erledigt, die es verdient hätten, eigenständig behandelt zu werden“, beklagte Frank Spieth, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion.

Die grüne Gesundheitsexpertin Biggi Bender sah sich von der Ko- alition nur unzureichend informiert.

Gerade einmal zwölf Stunden vor den abschließenden Beratungen im Gesundheitsausschuss habe sie die letzten Änderungsanträge erhalten:

„Das Verfahren war an Unüber- sichtlichkeit kaum zu übertreffen.“

Daniel Bahr, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, merkte an, die kontroverse Debatte innerhalb der Koalition über das Gesetz habe ge- zeigt, dass diese ihr eigenes Ende herbeisehne.

Die Neuregelungen werden die Koalition jedoch überleben. So wur- de trotz erheblicher Kritik der be- troffenen Berufsverbände die Kran- ken- und Altenpflegeausbildung auch für Hauptschulabsolventen mit einer zehnjährigen allgemeinen Schulbildung geöffnet. „Dadurch wird frühzeitig dem im Bereich der Pflege zu befürchteten Fachkräfte- mangel vorgebeugt“, urteilte das BMG zufrieden.

Verbessern soll sich in Zukunft die Finanzierung von ambulanten und stationären Hospizen. Bei sta- tionären Hospizen sollen die Kran- kenkassen die zuschussfähigen Kos- ten unter Anrechnung der Leistun- gen der Pflegeversicherung nun in vollem Umfang übernehmen. Bei ambulanten Hospizen müssen feste Zuschüsse zu den Personalkosten gezahlt werden. So sollen nicht zuletzt bundesweit gleiche Fi- nanzierungsbedingungen entstehen.

Zudem hat der Gesetzgeber klarge- stellt, dass auch in stationären Hos- pizen eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung erbracht wer- den kann und dann von den Kassen bezahlt werden muss.

Darüber hinaus hat das Parlament die Krankenkassen verpflichtet, mit ihren Vertragspartnern angemesse- ne Vergütungen zur qualifizierten sozialpsychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen so- wie zur qualifizierten onkologi- schen Versorgung zu vereinbaren.

Damit werden die Kassen vom Ge- setzgeber unter Druck gesetzt. Zu- vor hatten sie bestehende Verträge gekündigt und Anschlussregelun- gen verzögert. Die Neuregelung verpflichtet die Vertragspartner zu- gleich, Regelungen zur Qualitätssi- cherung onkologischer Leistungen zu treffen.

Hilfsmittel: Illegale Einflüsse werden weiter bekämpft

Von Bedeutung für alle, die frei- willig gesetzlich krankenversichert sind, ist die vorgesehene Korrektur der Krankengeldregelung. Zum 1.

Januar 2009 entfiel für betroffene Selbstständige und Freiberufler der Anspruch auf Krankengeld. Nun ist geplant, ihnen einzuräumen, sich für ein „gesetzliches Krankengeld“

zu entscheiden, wofür aber statt ei- nes ermäßigten der allgemeine Bei- tragssatz fällig wird.

Um Korruption und anderen For- men der illegalen Einflussnahme entgegenzuwirken, wurde der soge- nannte verkürzte Versorgungsweg für Hilfsmittel – also die Abgabe von Hilfsmitteln wie zum Beispiel Hörgeräte, die der Vertragsarzt vom Versandhandel bezieht – mit einer Vielzahl strenger Vorgaben weiter verschärft. Vertragsärzte sollen nach dem Willen der Koalition unbeein- flusst von eigenen finanziellen In- teressen über die Verordnung von Hilfsmitteln entscheiden.

Mit der 15. AMG-Novelle ver- bietet der Gesetzgeber auch Zuwen- dungen für Ärzte, die bestimmte Arzneimittel verordnen. Auch hier- mit will die Koalition ausschließen, dass finanzielle Vorteile bei der Ver- sorgung von Versicherten ohne Wis- sen und Beteiligung der Kassen ge- währt werden. Sie dürfen allerdings weiterhin finanzielle Anreize etwa für eine wirtschaftliche Verord- nungsweise oder bessere Qualität

setzen. I

Samir Rabbata, Sabine Rieser

GESETZ VOR TORESSCHLUSS

Mit der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) will die Koalition unter anderem die deutschen Regelungen etwa für Arzneimittel für Kinder und für neuartige Therapien an europäisches Recht anpassen.

Kontrovers diskutiert wurden die ursprünglichen Pläne der Koalition, mit der Novelle die zulassungsfreie Herstel- lung von Rezepturen aus zugelassenen Fertigarzneimitteln allein auf patientenindividuelle Zytostatikazubereitungen und parenterale Ernährungslösungen zu beschränken. Nun sind in medizinisch begründeten Fällen weitere Ausnahmen von der Zulassungspflicht möglich. Geregelt wurde auch die Höhe der Apothekenzuschläge für Medikamentenzube- reitungen, für die es keine Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Apothekenverband und den Krankenkassen gibt.

Abgelehnt hat der Bundestag Anträge von FDP und Linksfraktion zum Versandhandel. Diese sahen vor, soge- nannte Pick-up-Stellen für Medikamente etwa in Drogerien zu verbieten. Abgelehnt wurde auch die Initiative der Lin- ken, den Versandhandel auf OTC-Arzneimittel zu beschrän- ken. Der Bundesrat wird sich am 10. Juli mit dem nicht zu- stimmungspflichtigen Gesetz befassen. SR

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