THEMEN DER ZEIT
as seit 1976 gültige Arzneimit- telgesetz (AMG) wurde be- reits 1983, 1986, 1989, 1990, 1992 und 1993 geändert, um es den veränderten wissenschaftlichen und politischen Gegebenheiten anzu- passen. Am 9. August 1994 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bun- desrates die fünfte Novellierung be- schlossen (1, 2). In erster Linie dient dieses Gesetz der Umsetzung einer Reihe von Richtlinien der Europäi- schen Gemeinschaft aus den Jahren 1982 bis 1992. Insgesamt ist daraus aber kein Werk der großen Europa- schritte geworden, sondern es wurde alles „auf das europarechtlich
gebotene Minimum redu- ziert", wie es Deutsch (3) kürzlich formulierte. Hopf (4) hat angesichts des Tauzie- hens um dieses Gesetz zwi- schen Bundestag und Bun- desrat von einer „Zangenge- burt" gesprochen, durch die
„ein mittelprächtiges Kind mit einigen Geburtsfehlern hervorge- bracht" worden sei.
Nach den drastischen Auswir- kungen des Gesundheitsstrukturge- setzes auf die Arzneimitteltherapie hat es nach Inkrafttreten der fünften Novelle zum AMG in den vergange- nen Monaten viele besorgte Anfragen von Kolleginnen und Kollegen gege- ben, was denn nun zu beachten ist (6).
Zur Zulassung von Arzneimit- teln heißt es im § 25, Abs. 2, daß bei nicht nachgewiesener Wirksamkeit die Zulassung versagt werden darf.
Konkret wird ausgeführt: „Die thera- peutische Wirksamkeit fehlt, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nachweist, daß sich mit dem Arznei- mittel therapeutische Ergebnisse er- zielen lassen." Damit ist eine Anpas- sung an die Richtlinien 65/65 und 75/318 EWG erfolgt, wonach die Be- weislast für die therapeutische Wirk- samkeit beim Hersteller liegt.
Für die Zulassung nicht ver- schreibungspflichtiger Arzneimittel werden wie bisher bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete, Stoffgruppen oder Therapierichtun- gen gebildet. Was die Entscheidung über die Zulassungen beispielsweise
KOMMENTAR
von „Arzneimitteln einer bestimmten Stoffgruppe oder Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, An- throposophie)" betrifft, so ist die zu- ständige Kommission zu beteiligen.
Sie muß innerhalb von zwei Monaten Stellung nehmen.
Wie sich diese zeitliche Limitie- rung der Kommissionsarbeit in der Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten.
Auch künftig kann die Bundesober- behörde von den vorgelegten „Ergeb- nissen" der Kommission abweichen.
Zusammenfassend heißt das, daß es bezüglich dieser Arzneimittelgrup- pen nicht zu einer Anpassung an die
AMG-Novelle
bereits 1987 erhobenen Forderungen des Europäischen Parlaments gekom- men ist. Diese beinhalteten nämlich,
„sowohl aus gesundheitspolitischer Sicht als auch aus naturwissenschaftli- cher Betrachtung heraus alle Arznei- mittel ohne Diskriminierung und Ausnahme nach einheitlichen und wissenschaftlich zuverlässigen Krite- rien zu beurteilen", weil „mit Natur- heilmitteln die gleichen Gefahren und Risiken eingegangen werden wie bei synthetischen Arzneimitteln" (5).
Um das Frühmelde- und Früh- warn-System unter anderem über schwerwiegende Neben- oder Wech- selwirkungen noch effizienter zu ge- stalten, wird der Antragsteller zum Schutz der Patienten verpflichtet, der zuständigen Bundesoberbehörde
„unverzüglich, spätestens aber inner- halb von fünfzehn Tagen nach Be- kanntwerden" alle Verdachtsfälle an- zuzeigen (§ 29, Abs. 2, Sätze 2-8). In den beiden ersten Jahren nach der Zulassung müssen entsprechende Unterlagen alle sechs Monate, in den folgenden drei Jahren jährlich und da- nach in Abständen von fünf Jahren zusammen mit dem Antrag auf Ver- längerung vorgelegt werden.
Bei homöopathischen Arznei- mitteln, die bekanntermaßen nicht zugelassen, sondern nur registriert
werden, dürfen keine Angaben über Anwendungsgebiete gemacht wer- den. Es ist aber der Hinweis für den Anwender aufzunehmen, „bei wäh- rend der Anwendung des Arzneimit- tels fortdauernden Krankheitssym- ptomen medizinischen Rat einzuho- len", falls die Behandlung selbst oder beim Heilpraktiker erfolgt. Diese An- gaben entsprechen den Richtlinien 92/73 und 92/74 EWG.
Die gesetzliche Verankerung von nach Landesrecht gebildeten unab- hängigen Ethikkommissionen bei kli- nischen Prüfungen von Arzneimitteln kam erst auf Einspruch des Bundesra-
tes und auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu- stande. Nach dem Medizin- produkte-Gesetz sind dem- gegenüber auch Kommissio- nen in privater Trägerschaft zugelassen. Dies kann nach Auffassung des Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr.
med. Karsten Vilmar, zu ei- nem „unerträglichen Suchspiel nach wohlgesonnenen Ethik-Kommissio- nen" führen (6).
Betrachtet man die Novelle ab- schließend, bleibt die Feststellung, daß viele Forderungen insbesondere der Ärzteschaft aufgrund des „poli- tisch nicht Machbaren" unerfüllt ge- blieben sind. Positiv kann hervorge- hoben werden, daß ein weiterer er- heblicher Zugewinn an Patientensi- cherheit bei Arzneimittelprüfungen und -therapie zu verzeichnen ist.
Literatur
1. Fünftes Gesetz zur Änderung des Arznei- mittelgesetzes vom 9. August 1994, Bundesge- setzblatt (1994), Teil 1, 2071-2087
2. Dauth, S.: 5. AMG-Novelle: Vorschriften für Blutprodukte präzisiert und verschärft, Deutsches Arzteblatt 91 (1994), A-2155-2156 3. Deutsch, E.: Die fünfte Novelle zum Arznei- mittelgesetz — Gesetzgebung im Vermittlungs- ausschuß — NJW (1994), Heft 37, 2381-2383 4. Hopf, G.: 5. Arzneimittelgesetz-Novelle:
Maus- oder Normalgeburt? Deutsches Arzte- blatt 91 (1994) A-2096
5. Memorandum: Arzneibehandlung im Rah- men „besonderer Therapieeinrichtungen"
überarbeitete Auflage, spez. S. 48 ff. Hrsg.:
Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer, Deutscher Ärzte-Ver- lag, Köln 1993
6. Wagner, H.-J.: Arztrechtliche Aspekte zur Arzneibehandlung im Rahmen der „Schulme- dizin" beziehungsweise der „Besonderen The- rapieeinrichtungen". Saarländisches Ärzte- blatt 47 (1994) Heft 11, 538-545
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Wagner, Homburg-Saar
Kleine Schritte in Richtung Europa
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 10, 10. März 1995 (37) A-679