AMG-NOVELLE
Werbung mit Krankengeschichten
Mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes will die Regierung zwei EU-Richtlinien umsetzen und auch das Heilmittelwerbegesetz an europäisches Recht anpassen – und das bedeutet: Das Werbeverbot wird gelockert. Das gefällt nicht jedem.
Z
urzeit darf für verschrei- bungspflichtige Arzneimittel nur gegenüber den Fachkreisen, zum Beispiel Ärzten und Apothe- kern, geworben werden. Das soll sich bald ändern. Denn mit der No- vellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) will die Bundesregierung den Arzneimittelherstellern erlau- ben, sämtliche behördlich autori- sierten Informationen über ver- schreibungspflichtige Arzneimittel im Internet oder auf Anforderung zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen beispielsweise Beipackzettel.Dasselbe soll für Verkaufskatalo- ge und Preislisten gelten, wie aus einem Informationspapier zum Ent- wurf für das „Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ hervor- geht. Aufgehoben werden soll das Werbeverbot für Arzneimittel ge- gen Schlaflosigkeit und die Beein- flussung der Stimmungslage. Er- laubt wird die Öffentlichkeitswer- bung mit Gutachten, Zeugnissen und wissenschaftlichen Veröffentli- chungen ebenso wie mit Kranken- geschichten, sofern sie nicht in
„missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise“ erfolgt.
Die Regierung verweist darauf, dass sie das Heilmittelwerbegesetz mit diesen Änderungen an die euro- päische Rechtsprechung anpasst.
Die Opposition spart dennoch nicht mit Kritik. Die arzneimittelpoliti- sche Sprecherin der SPD-Bundes- tagsfraktion, Marlies Volkmer, warf Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) vor, auf Kosten der Si- cherheit der Patienten Wirtschafts- förderung für die pharmazeutische Industrie zu betreiben. Die Mög- lichkeit, mit Patientenschicksalen und Krankengeschichten zu wer- ben, bezeichnete Volkmer als „mo- ralischen Tiefpunkt“.
Fälschungen verhindern Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), warnte vor „übertriebenen Werbebotschaften“. Diese schade- ten den Patienten und schädigten den Ruf der Industrie.
In dem Informationspapier vor- gesehen war darüber hinaus, Vertre- ter der Pharmaindustrie künftig aus den Gremien auszuschließen, die über die Apotheken- und Verschrei- bungspflicht von Arzneimitteln ent- scheiden. Von diesen Plänen hat sich Zöllers Parteikollege Johannes
Singhammer mittlerweile distan- ziert. „Wir haben entsprechende Vorschläge schubladisiert, weil wir sie nicht für sinnvoll halten“, sagte Singhammer dem „Handelsblatt“.
Mit der AMG-Novelle will die Regierung auch zwei Richtlinien der Europäischen Union (EU) zur Pharmakovigilanz und gegen Arz- neimittelfälschungen umsetzen. Da - nach werden die Arzneimittelher- steller verpflichtet, ein Pharmako- vigilanz-System einzurichten, mit dem sich die Nebenwirkungen ei- nes Medikaments erfassen lassen.
Die Hersteller sind außerdem dafür verantwortlich, die Unbedenklich- keit ihrer Arzneimittel laufend zu überwachen sowie nach der Markt- zulassung auf Verlangen der Behör- den Studien zur Unbedenklichkeit und zur Wirksamkeit vorzulegen.
Um Arzneimittelfälschungen zu verhindern, sollen Medikamente künftig mit kodierten Sicherheits- merkmalen versehen werden, an- hand derer der Apotheker bei der Abgabe des Arzneimittels erkennen kann, ob es sich um ein Original- präparat handelt. Zudem sollen die Vertriebswege der Arzneimittel, insbesondere beim Internethandel, stärker überwacht und dokumen-
tiert werden. ■
Heike Korzilius, Falk Osterloh
Behördlich auto- risiert: Beipack- zettel dürfen die Arzneimittelher- steller künftig all- gemein zugänglich im Internet veröf- fentlichen.
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