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Archiv "Ethikkommissionen: Keine Komplizen der Forscher" (26.06.2009)

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A1342 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 26⏐⏐26. Juni 2009

D

ass Ethikkommissionen zum Schutz der Patienten und Probanden unentbehrlich sind, dar- an besteht wohl kein Zweifel. Denn man kann keinesfalls davon ausge- hen, dass bereits das Gewissen des Forschers ihm die notwendigen Rücksichten auferlegen wird. Auch Prof. Dr. jur. Wolfgang van den Daele, Berlin, ist der Meinung, dass es externer Kontrolle bedarf und Ethikkommissionen Teil dieser ex- ternen Kontrollen sind.

Doch sind sie tatsächlich immer unabhängig von jeglichen Forscher- interessen? Dieser Frage ging van den Daele bei der zehnten Sommer- tagung des Arbeitskreises Medizini- scher Ethik-Kommissionen Mitte Juni in Berlin nach. An der Unab- hängigkeit würden immer Zweifel geäußert, unter anderem, weil die Abhängigkeit der Forschung von finanziellen Interessen extrem zu- genommen habe. Eine große Gefahr der Einschränkung der Autonomie besteht seiner Ansicht nach auch darin – vor allem bei universitären Ethikkommissionen –, dass „Loya- lität die Selbstkontrolle der Profes- soren konterkarieren kann“. Van den

Daele hält es jedoch für ausge- schlossen, dass die Ethikkommis- sionen davon infiziert sind. „Sie sind von der Profession her zum Wächteramt berufen, und in diesem Amt sind sie ausdrücklich von Loyalitäten entbunden.“ Das heißt aber auch van den Daele zufolge, dass sie nicht Schuldvorwürfe aus- sprechen müssen, nachdem der Schaden eingetreten ist. Sie sollten vielmehr im Vorfeld Schaden ver- meiden und damit präventiv Skan- dale verhindern. „In dieser Konstel- lation muss man nicht befürchten, dass sich Ethikkommissionen zu Komplizen der Forscher machen.“

„Kontrolle der Kontrolleure“

Ein weiteres Problem könnte darin bestehen, dass die Wissenschaftler in den Ethikkommissionen mit den von ihnen beratenen Forschern das Interesse am Erkenntnisgewinn teil- ten. „Sie halten diese für berechtigt und wünschenswert, wenn das Wohl der Patienten und Probanden ge- wahrt bleibt.“ Schließlich hätten die Ethikkommissionen ebenfalls ein Interesse am Ausgang des Falls, den sie beurteilten, insofern als sie selbst

ja auch Forschung ermöglichen wollten. Van den Daele betrachtet es als selbstverständlich, Mitglieder einer Ethikkommission nicht als Richter der eigenen Sache auftreten zu lassen. Sie sollten daher sat- zungsgemäß von der Beratung der Forschungsprojekte ausgeschlossen werden, an denen sie selbst unmit- telbar oder auch nur mittelbar betei- ligt sind. Vollständige Transparenz hält er jedoch für unrealistisch. Van den Daele regt jedoch an, eine

„Kontrolle der Kontrolleure“ in Er- wägung zu ziehen.

Auch dass die Rekrutierung von Patienten und Probanden von Fir- men mit der Zahlung erheblicher Honorare gefördert wird, hält van den Daele nicht für unproblema- tisch. Um die Zahl der Versuchsper- sonen zu erhöhen, würde den For- schern außerdem häufig die Erstau- torenschaft zugesagt. Van den Daele fordert die Ethikkommissionen auf, sich intensiv mit diesen Fragestel- lungen zu befassen.

Die Mitglieder des Arbeitskreises stimmten dem Rechtswissenschaft- ler in seiner Einschätzung zu. Eine kontroverse Diskussion entstand al- ETHIKKOMMISSIONEN

Keine Komplizen der Forscher

Wie unabhängig sind Ethikkommissionen? Wie lässt sich die Einwilligungsfähigkeit von dementen Patienten feststellen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich

der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen.

Foto:Mauritius Images

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lerdings darüber, ob die universi- tären Ethikkommissionen tatsäch- lich größeren Loyalitätskonflikten ausgesetzt seien als diejenigen der Ärztekammern. Der wiedergewähl- te Vorsitzende des Arbeitskreises, Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld, wies darauf hin, dass Integrität und Ehrenhaftigkeit viel wichtiger seien als organisatorische Vorgaben. Er sieht keine Unterschiede in Bezug auf Loyalitätskonflikte bei univer- sitären und bei den Kammern ange- siedelten Ethikkommissionen.

Der Arbeitskreis beschäftigte sich in seiner Sommertagung auch mit Problemen der Aufklärung und Einwilligung (informed consent) und der Zustimmung von Einwilli- gungsfähigen. Prof. Dr. med. Dr.

Jochen Vollmann, Bochum, wies darauf hin, dass einerseits in der klinischen Medizin die Beachtung der Selbstbestimmung des Patien- ten immer mehr an Bedeutung gewinne, wohingegen andererseits der informed consent in der psy- chiatrischen Praxis zunehmend Pro- bleme aufwerfe.

Rationale Kriterien

Nach Vollmanns Ansicht kann auf- grund einer psychiatrischen Dia- gnose nicht automatisch auf feh- lende Einwilligungsfähigkeit ge- schlossen werden. Er hält daher eine möglichst objektive Feststellung der Einwilligungsfähigkeit für sinn- voll. Eine Testinstrument, das Voll- mann vorstellte, ist das MacArthur Competence Assessment Tool for Treatment (MacCAT-T), wonach für die Einwilligungs- beziehungs- weise Selbstbestimmungsfähigkeit die Kriterien Verständnis von Stö- rung und Behandlung, Urteilsver- mögen sowie Krankheits- und Be- handlungseinsicht heranzuziehen sind. Es gehe dabei um das tatsäch- liche Verständnis des Patienten und nicht um sein Erinnerungsvermö- gen: „Die Kriterien sollten nicht wie in einer Abiturprüfung an die Pati- enten und Probanden herangetragen werden.“ Die Heranziehung ratio- naler Kriterien bedeute auch nicht, dass man nicht versuchen solle, die Einwilligungsfähigkeit zu verbes-

sern. I

Gisela Klinkhammer

S

eriöses Bewertungsportal oder Ärztepranger? Für Aufregung sorgen derzeit Pläne des AOK-Bundes- verbands, Anfang 2010 einen „Arzt- Navigator“ ins Internet zu stellen, mit dem die Versicherten ihre Ärzte hin- sichtlich Leistungen, Behandlungs- qualität und Service anonym bewer- ten können. Die Reaktionen in den Medien reichen von „längst überfäl- lig“, „Aktionismus“, „unseriös“ bis hin zu „populistisches System mit Hitpa-

radencharakter“. Vor allem Ärztever- treter sparen nicht mit Kritik an dem Vorhaben. Allerdings ist noch völlig of- fen, wie das Portal genau aussehen soll. Einen entsprechenden Kriterien- katalog hierfür will die AOK gemein- sam mit Ärzten und der Bertelsmann- Stiftung erst erarbeiten.

Neu ist die Idee indes nicht: Seit ei- nigen Jahren bemühen sich Webportale wie Helpster, Docinsider, Imedo oder Jameda um den Aufbau entsprechen- der Datensammlungen und Rankings.

Großer Erfolg war bislang noch keinem der Portale beschieden, denn die Kon- zepte und Geschäftsmodelle sind noch nicht ausgereift, Manipulationsversuche schwierig zu unterbinden, und alle Plattformen kranken außerdem daran, dass mangels Masse an Kommentaren aussagekräftige Bewertungen zu einem bestimmten Arzt kaum zu finden sind.

Ob 24 Millionen AOK-Versicherte durch massenweise Nutzung des Arztbewertungssystems daran schnell etwas ändern werden, mag dahinge- stellt sein. Erkennbar ist aber ein Trend zu online abrufbaren „Qualitäts- profilen“, dem sich keine Berufsgrup- pe – auch nicht die Ärzte – auf Dauer wird entziehen können. Die dahinter stehende Forderung, Qualität „sicht- bar“ zu machen, kann man – wie et- wa die Patientenbeauftragte der Bun-

desregierung, Helga Kühn-Mengel – auch als Chance sehen. Für „beden- kenswert“ hält auch der Vorstandsvor- sitzende der Kassenärztlichen Vereini- gung Bayerns (KVB), Dr. med. Axel Munte, die Initiative. Im Prinzip liege es im Verantwortungsbereich der ärzt- lichen Standesvertretungen, den Pati- enten eine Richtschnur zu geben, wie sie den für sie passenden Ärzt finden.

Dafür gebe es objektive Kriterien wie die regelmäßige Teilnahme der Ärzte

an Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätsmaßnahmen, so Munte. Das in Bayern mit mehreren Krankenkas- sen gestartete Qualitätsprogramm zur

„Ausgezeichneten Patientenversor- gung“, bei dem Ärzte ein Gütesiegel der KVB erwerben können, sieht er als

„eine gute Basis, um ein Internetportal mit objektiven Fakten zu versehen“.

Ein weiteres Beispiel sind Online- Arztsuchdienste der ärztlichen Kör- perschaften, die teilweise bereits Zu- satzinformationen bieten, aber künftig noch weiter ausgebaut werden könn- ten. Denn Informationen etwa über Spezialkenntnisse und Zusatzqualifi- kationen, Fremdsprachenkenntnisse, Barrierefreiheit, Internetangebote oder besondere Sprechstundenzeiten ge- ben dem Patienten wichtige Hinweise.

Vor dem Hintergrund möglicher Ri- siken und Umsetzungsschwierigkeiten kommt es somit auf die konzeptionel- le Ausgestaltung des AOK-Portals und des zugrunde liegenden Katalogs von

„harten“ und auch „weichen“ Kriteri- en an – nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Selbstverständlich muss die Bewertung seriös sein und den Ärzten die Möglichkeit zur Stellung- nahme geben. Die Ärzte sollten jeden- falls die Regeln für die Qualitätsbe- wertung mitgestalten und das Feld nicht dem Zufall überlassen. I

KOMMENTAR

Heike E. Krüger-Brand, DÄ-Redakteurin

AOK-ARZTBEWERTUNGSPORTAL

Nicht unmöglich

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