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Nolizen und Correspondenzen. 461

Aus einem Briefe des Dr. Socin

an Prof. Nöldeke.

29. April 1870. An Bord des „Mosnl"

auf dem Tigris.

Zwei Ihrer Briefe hahe ich Ihnen zu beantworten, den einen

vom 14. Januar, den mir der englische Consul nach Hille schickte,

als ich eben vou Kerbelä zurückkam. Nach Kerbelä führte mich

mein .persischer Lehrer, damit ich dort Bücher kaufe, und zwar

gerade während des Beiramfestes , wo man vor der Masse Pilger

kaum athmen konnte. Ich habe so gegeu 80 Mss. und Drucke

gekauft, worunter auch einige primae qualitatis, ein Stück vom

Diväu des el-A'shä etc. Vou dort giug ich nach Hille, um mir

Babylon etwas anzusehen; man sieht ausser dem Birs Nimrud fast

nur Schutthügel und iu Antiquitäten war leider wenig zu machen.

Alles wird aufgekauft für die Engländer. Hille ist im Vergleich

mit Kerbelä eiu Paradies vou Sauberkeit. Von da wollte ich

Nedshef besuchen uud mir die Ruinen von Hira ansehen; aber da

kam Ihr erster Brief und da man vor der Hitze jeden Tag benutzen

soll, ritt ich nach Bagdad zurück, um noch einige Erkundigungen

über die Subba' einzuziehen. Von alleu Seiten wies man mich au

Jahja den Lehrer Petermanns in Süq es-Siüch; vou Schechen in

Persien wollte man nichts wissen, der sei Oberschech uud habe

fast allein noch Kenntnisse. In dieser Jahreszeit, d. h. Ende März,

konnte man gut noch iu die untern Gegenden der Ströme, ich bestieg

also mit meinem armenischen Individuum (ein Armenier aus Isfahan,

er kann fast keiu Arabisch) einen der 5 Flussdampfer und zwar

den „Eufrat", nach 2^/2 Tageu iu Kurna ein mesbhiif eines der

schmalen aber schnell gehenden Schiffchen, die meist mit Stangen

dem Ufer uach gestossen werden, und uach 2 Tagen wurde ich in

dem höchst elenden Nest Süq es Siüch ans Land gesetzt. Ich

liess mich auf das andere linke Ufer des Flusses setzen, wo, etwas

weiter oberhalb des Dorfes, die Subba hausen, iu Häusern von Rohr

(s rife X.ajj*o). Der Schech Jahja ist eiu alter Mann mit ehrwürdigem

weissem Bart; hat aber in seinem Gesicht etwas ungemein Listiges

und Misstrauisches, so dass ich gleich mich mit ihm in Acht nahm.

Er spricht „leider" Englisch und weiss viel von Europa, d. h.

natürlich von Allem ein Achtel; er meint aber, er wisse Alles.

Während des regelrecht geführten Handels, d. h. man spricht fünf

Minuten vom Geschäft, einigt sich nicht und spricht 1/4 —1/2 Stunde

zwischen hinein von anderen Dingen und Gemeinplätze , fragte er

mich viel nach europäischen Zuständen, erkundigte sich auch leb¬

haft nach dem Dr. Petermann u. s. w. sandte mir halTb und ex¬

cellente zibde, die (echt arabisch) zu den Datteln gegessen wurde.

Er erklärte sich bereit, mir Unterricht zu geben; aber an die Er¬

klärung der Bücher wollte er nicht. Zuerst musste ich ihm nun

(2)

462 Notizen und Correspondenzen.

ausreden, dass eine solche Uehersetzung ihre Religion gefährde,

^jJI g..öai) hlosslege etc. dass ich es nur wegen ihrer alten

Sprache wolle etc. nicht von einer Regierung geschickt sei. Kurz

es erfolgten 3—4 Tage Unterhandlungen, ich liess ihm immer mehr

bieten von 200 Qrän (persische Münze, 1 Qrän etwa = 1 Fr. 8—9

Qämeri's, d. h. '/g Piasterstücke von ^^i Mond, 1 Qrän ist etwas

weniger als ein türkischer Beschliq) von 200 Qrän an aufwärts bis

500; er liess mir sagen, er thue es nicht für 200 Liren, d. h. Na-

pol6onsd'or. Darauf konnte ich nicht eingehen; ich sah deutlich,

er wollte nicht. Er sagte immer, er wolle mich lehren, wie Peter¬

mann , d. h. lesen und einige Vocabeln, oder wie einen Engländer,

der vor einigen Jahren zu ibm kam, ihm für den Monat 1000 Qräu

versprach für Unterricht und ihm nach Monat Unterricht im

Lesen etc. auszahlte und davonging. Solche Anerbietungen erwartete

der Schech von mir auch: und eine seiner ersten naiven Fragen

an mich war, wie viel Geld ich mitgebracht hätte, ganz direet. Hatte ich nicht dem englischen Vieeconsul, als er mir den Empfehlungs¬

brief an Jahja gab, ins Gesicht gesagt, ein solcher Eingeborener, der Englisch rede, flösse mir Mistrauen ein? Aber eine Empfehlung

nusste ich haben , zudem Schech Jahja eben beim Consulat eine

Bittschrift eingereicht hatte, man möge ihn von seiner gewaltsamen

Internierung (seit 2 Jahren) in Süq durch die Regierung befreien.

Endlich brachte ich ihn dahin, dass er mir sagte, wir wollten es

probieren morgen; bukra (in diesen Ländern = bätshir) bedeutet

aber bei vielen Arabern so viel als „niemals", weswegen ich ihm

auch gar uicht glaubte, sondern als er den andern Morgen gegen

11 Uhr wirklich in das Zimmer meines elenden Chäns trat, sich

setzte und seine alten Litaneien und Entschuldigungen wieder

anfing, so gab ich ihm ein präpariertes Telegramm an besag¬

ten englischen Vieeconsul , besagend La^=vJ ^'k^J*S,A Li^bc!

vLäüI Ui y^itj L<i5^ U ^ÜJj .«.is" ^Ai:s iCjL*j LAläjtj . Wir haben Jahja euren Brief gegeben, er verzögert uns mit 100 Zierereien, sehr begelirerisch , er bat nicht eingewilligt uns das Buch zu erkläreu (man kann auf den Bureaux, die nicht „iuternational" siud, nur in der Landessprache telegraphieren) ; sagte dann dem Schech, ich bäte

mir nun eiu Ja oder Nein aus (kilme frändshije) und als er wieder

mit Ausflüchten anfing, schickte ich meinen Diener vor ihm aufs

Telegrapbenbureau. Die Antwort liess 11/2— '^ Tage auf sich warten,

während welcher ganzen Zeit ich viel Aerger hatte, sie so unnütz

verstreichen zu sehen, endlich kam sie und war an Jahja gerichtet,

ihm categoiisch anempfehlend zu thun, was ich wünsche; Jahja

widerstrebte und liess sich gar uicht auf den bäzär (das Feilschen)

ein. Nun blieben andere Mittel; ich hatte kräftige Empfehlungen

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Notizen und Correspondenzen. 463

an den Qaimmaqäm des Ortes. Ich ging zn ihm und liess zu

Jahja schicken, nm zu unterhandeln. Unterdessen hatte ich anch

von Regierungswegen ein eigenes Häuschen angewiesen hekommen,

wie die Häuser an diesem Orte sind, von Backsteinen und ohne

Fenster, von Mäusen, Fliegen, Ameisen etc. wimmelnd. Der Schech

weigerte sich standhaft; da ich so weit mit ihm auseinander war,

so fürchtete ich mit Gewalt gar nichts, oder nur Unrichtiges zu

erreichen, selbst als mir der Qaimmaqäm wiederholt fragend anbot

„nedüqquh", sollen wir ihm Prügel aufzählen, erlaubte ich es

nur aus Menschlichkeitsrücksichten nicht; sie hätten es gethan, da

sie die Subba's recht hassen. So verging eine kostbare Zeit mit

Warten ; nach einigen Tagen ging ich mit dem Qaimmaqäm zum Schech

der Montefitsh um noch das letzte zu probieren. Dieser Schech

suchte nun noch mit dem Wakfl der Subba' zu unterhandeln, d. h.

ihrem Repräsentanten bei ihm ; derselbe verfolgte mich ordentlich mit Bitten, doch um Himmels willen nicht weiter darauf zu bestehen;

ibre „mille" (Religionsgenossenschaft) sei schon so unterdrückt, und

unter dem Daumen, dass es nur eines Wortes, einer Anschwärzung

bedürfe, sie vollsländig zu ecrasieren; ich zahlte ibm zuerst in

Gegenwart von Muslimen mit etwas Hohn heim ; sie hätlen Bücher,

die sie selbst nicht verstäuden, die nicht einmal ihr geistliches

Oberhaupt erklären könne etc. Darauf lief mir der Mann wieder

nach, kurz er machte so drohende Mienen, dass ich nuu schon aus

Furcht nicht weiter drängen mochte, denn obwohl es nun uicht

mehr so unsicher ist in Süq es-^iüch, als früher, so hörte man

fast alle paar Tage, dass man eineu oder den andern kalt gemacht

habe. Die Subba's wären das auch im Stande, sie sind Diebe und

Lügner. Schüler hat der Schech gar nicht; einer seiner Söhne, ein

junger netler Mensch von etwa 12—14 Jahren, kann ihre Sprache

lesen, aber versteht wenig. Es existirt noch ein Schech iu Süq,

aber der war auf der Reise; in Persien soll es keine Scheche

geben; aber dort muss noch ein mandäisches Kauderwelsch existiren,

nach welchem ich mich in Süq vergebens erkundigte ; es muss aber

auch noch daselbst so etwas geben, obwohl ich sie nur Arabisch

sprechen hörte. — Was sollte ich nun thun? Ich musste noch et¬

was warten, ob der Muntefitsh Schech nicht doch noch etwas vermöge;

inzwischen sucbte ich mir einen Sänger aus dem- Negd., ,, Aber das

tshetir temmd' von meiner obigen Depesche'jiässt-auf ziem¬

lich alle Leute von Süq; nichtsdestoweniger arbeitete ich etwa

eine Woche mit einem solchen Mann und als er hun endlich

etwas auf das Erklären der Lieder eingeschult war, lief er mir

fort; der gute Musfir, sonst ein ächter Negdi aus der Nähe von

'Aneze, fand, dass ich für 3 Qrän per Tag viel zu viel Ansprüche

an ihn maclie. Es ist überhaupt eines der schwierigsten Geschäfte,

das shi'er näbat Lieder in der modernen Negdsprache (opp.

shi'er 'ärabi altarab.) zu sammeln. Nimmt män einen.gebildeten

Mann, so bekommt man keine rechten Beduinen-, sondern Qoranaus-

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464 Notizen und Correspondenzen.

spräche, und auch nicht die rechten Beduinenlicder, sondern ver¬

wässertes städtisches Zeug mit Kämüs uud Kur'än gemacht. Ein

ächter Beduine liingegen ist fast gar nicht zu einer vernünftigen

Weise des Erklärens zu erziehen und hat kein Sitzfleisch; es wird

ihn einen halhen Tag interessiren, bei einem Frendshi zu sitzen,

dann wird er leicht fortlaufen. Ebenso schwierig ist es, sich von dem

einen dictiren und von einem andern erklären zu lasseu; der

letztere, wenn ihm eine Erklärung schwer wird, sagt dann einfach,

es sei das ein Fehler, er verstehe das nicht. Nach Musfir nahm

ich einen Mann, der absolut nicht erklären konnte, und als ich

nun endlich einsah, dass ich keine Hoffnung hatte, für das Man¬

däische etwas zu thun, auch mich mit Schech Jahja vollständig

überworlen hatte, dachte ich an die Abreise. Ich schrieb noch

eine Reihe grosser Qasiden, um sie mir in Bagdad von meinem

früheren guten Lehrer erklären zu lassen, kaufte zuletzt ein Buch

voll solcher moderner Negdpoesie für den gleichen Zweck uud reiste

nach Basra. Ich glaube nieht, dass Sie mir vorwerfen könuen, für

eine Erlangung der Erklärung mandäischer Bücher nicht Alles gethan

zu habeu; es bleibt mir einige Hoffnung, durch Juden einige Mssc.

zu bekommen. Ich habe Geduld gehabt; aber die Jahreszeit war

im Grunde schon zu weit vorgerückt, als dass ich hätte noch lauge

dort verweilen können, und ich fühlte mich um so mehr verpflichtet,

dem Willen meiner Eltern, nicht zu weit in den Sommer hinein in

diesen Climaton zu bleiben, nachzugeben, als ich die letzte Woche

meines Verweileus in Süq recht unwohl war, und von Aerzteu ist

in Bagdad kaum eine Spur, geschweige in Süq, wo kein Mensch

existirt, der eine europäische Sprache spricht. Kurz ich hielt es

uicht mehr aus und ich stehe nicht an, Ihnen auch noch andere

gewichtige Gründe zu schreiben, die sonst auf Reisen im Orient

viel zu wenig beachtet werden. stellten sich nämlich mit zu¬

nehmender Wärme in den Zimmern des ('häns (ich war wieder

ausgezogen an einen dritten Ort) eine furchtbare Masse Flöhe ein,

die eineu Nachts kein Auge scbliessen liesseu. Ich liess daher

mein serir, eine Art rohe Bettstelle aus qasab Rohr geflochten, iu

die tarma, die Galerie, die oben um deu ersten Stock des Hauses

innen rings um den Hof geht, stellen, wo mau dieser Plage theil¬

weise entging; aber die Abkühlung mit Than, die in der Luft

I bis 2 Stunden naeh Mitternacht eintrat, spürte ich ausser uud

namentlich an den Augen , auch im ganzeu Körper. Zudem ist es

dieses Jahr ausserordentlich früh warm geworden und es begann

Musquitos zugeben. Sobald aber die Musquitos kommen, so ist es

für den Europäer, namentlich ohne Musquitiere (nämüsi'je) nicht

auszuhalten; auf der andern Seite hält ein solches Schutzmittel die

freie Luft ab. Auf der Fahrt nach Basra überfiel uns die Nacht

mitten im Hör, d. h. den endlosen Sümpfen auf dem linken Ufer,

und ich wurde so entsetzlich verstochen, dass ich nicht nur jene

Nacht uicht schlief, sondern auch in einen tieberähnlichen Zustand

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Notizen und Correspondenzen. 465

gerieth; die melalrh (Ruderer) meines Scliiffes hatten die Unvor¬

sichtigkeit begangen, bei einer verlassenen Niederlassung der Beni

Sa'«d ihr Abendgebet zu verrichten; auch wir waren ans Ufer ge¬

stiegen, und fanden in den halb verstörten Rohrhütten alles braun

von Flöhen. Jene Nacht war schrecklich, ebenso die folgende, wo

wir in Ma'akfl bei Basra übernachten mussten in einer strife, vor

Flöhen und Ameisen musste die Nacht bei Caffe uud Tabak zuge¬

bracht werdeu. In Basra war es recht heiss; an einem Tag wo

Ostwind war, hatten wir (am 26.) im Mittag 32" Reaumur im

Schatten, au den anderu Tagen 28—30; die Nächte kühlten etwas

ab; aber man muss doch schou halb im Freien schlafen, in Bagdad

schadet das nichts; aber dort unten fällt Tbau iu der Nacht. Kurz

alle diese Umstände habeu mich zum Rückzug bewogen und auch

uoch die Rücksicht darauf, dass, weun ich mich einmal mit der

Sprache des Negd einlassen will, es gut ist gerade eine tüchtige

Partie des nun immer leichter zu sammelnden Materials aufzu¬

bringen; die 1000 Doppelverse, die ich bis jetzt habe, d. h. etwa

60 Qa.siden , wollen noch nicht viel sagen, ich glaube nun in

hoffentlich kurzer Zeit in Bagdad wenigstens das zwei- oder drei¬

fache zusammenbringen zu können ; bevor man nicht ein Jahr

Arabisch gesprochen hat, ist es sehr schwer Beduinenlieder zu

sammeln. Wenn ich also auch in Süq wenig geleistet habe, so bin

ich doch wieder einige Wochen in rein arabischer Umgebung ge¬

wesen, uud davon kommt einem immer auch indirect vieles zu gut.

Sie haben mir in Ihrem Briefe geschrieben, ich möchte mir doch

die Gegend, das Land auch ein wenig ansehen. Da ich Ihnen nicht

Mandäisches, was für Sie seiu sollte, bringen kann (definitiv glaube

ich, dass der Schech sich selber die Erklärung nicht zutraute),

so möchte ich Ihuen wenigsteus zum Dank für Ihre beiden Briefe

(den zweiteu habe ich in Ba.sra erhalten) etwas davon erzählen.

Leider kann ich hier aus Mangel an Büchern nichts ausarbeiten,

aber so etwas vom modernen Zustand des Landes kann ich schon

aus meinen Notizen excerpiereu und ich überlasse Ihnen ganz, ob

Sie dieselben des Druckes würdig halten ; am ausführlichsten schreibe

ich immer nach Ilause; Briefe kommen im Einsehluss von meiuem

Vater sicher an mich.

Es giebt iu Bagdad eiu Sprüchwort: jä d debil mäs er

mitlak uliif, d. h. von Egypten brauchst du uus nicht wie von

einem Wunderland zu erzählen, denn es sind Tausende dort ge¬

wesen. Aber von 'iräq kanu man doch nicht so sagen; trotz der

leichten und vieleu Verbindungeu, die dieses Land heut zu Tage

mit Europa hat, ist noch so vieles hier unbekannt für uns. Der

jetzige Pasha, MTdäd, Nachfolger des strengen Alttürken Nämyk

Pasha, ist zur Abwechslung Europa- und Europäer-freundlich, uud

will viel machen, führt aber seiue und seiner Effendis Rathschläge

oft jämmerlich aus. Er ist zum Beispiel mit Recht auf Vermehruug

der Verkehrsmittel bedacht, er möchte deu englischeu Flussdampferu

(2 ausser dem englischeu Gouvernementsschiffj Concurrenz macheu

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466 Notizen nnd Correspondenzen.

und kauft daher Schiffe über Scliiffe. Das besteingerichtete seiner

Flussschiffe ist der Mosul, auf dem ich mich befinda, dann der

Frät; der Bagdad ist viel kleiner; ebenso die beiden Schiffe Basora

und Rusäfe, welche im Moment auf einer Explorationsfahrt mög¬

licherweise bis Biredshik sich befinden, da jetzt jener Shatt den

Höhepunkt seines Wasserstandes erreicht hat. Nun hat der gute

Manu bisweilen aber auch Unglück und lässt sich alte, aber „bilhge !"

Schiffe aufbinden; so einen sechsten Flussdampfer, der bis gegen

Bahrein bugsiert werdeu konnte, aber nun dort in einem solchen

Zustand vor Anker liegt, dass ihn die medde Fluth wohl ver¬

schlungen haben wird, ehe die abgesandte Rettungscommission, lang¬

sam voran, ihu erreicht. Eiu anderes Project ist die Concurrenz

mit den über Bombay nach Basra laufenden englischen Schiffen

durch directe Sendung von Schiffen nach Suez, ich glaube in

21—22 Tagen; das erste Schiff, welches den Weg machte,

hat durch Pilgertransport nach Dshidda ein hübsches Geld ge¬

macht; ein zweites soll nun gehen, der Assur, kein übles Schiff,

aber mit einem ganz unwissenden Capitain, der Pasha nimmt aber

von Europäeru ziemlich Alles, wie's kommt, in seinen Sold; ver¬

gleiche das Capitel der Militairärzte , fast lauter Europäer, aber

nicht immer summa cum laude oder überhaupt promovirte; Muhen¬

de sin. Geometer, hat er auch viele sich kommen lassen, aber da er

uie Geld in der Tasche hat, so bleibt dieseu Leuten oft ihr Sold über

ein halbes Jahr rückständig; weun die Casse trostlos leer ist, so

hat er dann wieder das Sparfieber und hält den Dampfern die

Steinkohlen zurück; an dieser Finanzwirthschaft wird er wohl zu

Grunde gehen ; um sich Geld zn machen , macht er oft die curio-

sesten Sprünge, um es mild zu sagen ; verkauft Sachen, die er nicht

hat, wofür ein gewöhnlicher Meusch in civilisirten Ländern ius

Zuchthaus käme; wie viel er „frisst" ist schwer zu beurtheilen; ob

er etwas für künftige Zeiten zurücklegt, wird sein späteres Leben

erweisen, wenn, wie man schon zweimal stark davon geredet hat,

er nach Stambul berufen und wahrscheinlich dem Pasha von Damask

Rashid seine Stelle abtreten würde. Inzwischen thut er aber wirk¬

Uch etwas für die Soldaten; die seiner Pashaliks sehen relativ besser

aus, als die syrischen; er erwartet nun von Stambul 10,000 Zünd-

nadelgewehre , ich weiss nicht welchen Systemes, denn die alten

Steinschlossflinten sind doch nur wenig besser, als die Lundenflinten

der Beduinen; er will sogar Cameelcavallerie, wenn man so sagen

darf, einrichten, gegen die Beduinen, wie die Regierung in Syrien

eine ganze Kette gegeu die „Araber" i)ar excellence in Bosra,

Homs u. s. w. aufgestellt hat, die gute Dieuste thun. Er erhält

in Bagdad eine ziemlich zahlreiche Polizei, matrosenartig gekleidete

junge Leute mit langen Dolchen; aber ich glaube, dass er ihnen

zu weuig bezahlt; denu man hört alle zwei bis drei Tage von

einem grossen Einbruch von Dieben, denen es auch auf einen Mord

nicht ankommt, d. h. Europäern geschieht nichts; sie haben kein

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Notizen nnd Correspondenzen. 467

Geld im Hanse, aber Waffeu. Neulieb ist es Midad sogar ein¬

gefallen, sich eine Druckerei aus Europa zu verschreiben ; es existirt zwar eine für die halb türkisch, halb arabisch geschriebene Zeitung

Ijjij, welche man nicht Local- sondern Seräiblatt nennen könnte,

er will, wie Ismail Pasha iu Bülaq, arabische Werke drucken. Sein

Haupt-„will" ist uun aber die Eisenbahn; zuerst hörte ich etwas

von einer Schienenlegung nach Basra ; nun spricht man davon, vor¬

läufig einen Versuch zwischen Bagdad und Musijjib, vielleicht Ker¬

belä zu machen; aber ich zweifle daran, dass ein solcher rentiren

würde; Waarenverkehr dorthin würde kaum viel sein, und die

allerdings unzähligen Pilger, welche jährlich zu den beiden Meshheds, dem Höseins und dem 'Alis pilgern , bringen aus den entferntesten

Gegeuden, wie ich selber die Turkmanen habe hinziehen sehen, ihre

Reitthiere mit, Zeit gilt dem Orientalen nichts, und nur weuige

würden von der Eisenbahn profitiren, namentlich Schiiten, von denen vielleicht viele in der Eisenbahn einen „Küfer", sehen würden.

Eine andere Sache wird es sein, wenn die beiden oben genannten

Flussdampfer von ihrer Expedition gute Kunde zurückbringen, oder

weun man im Nothfall den Eufrat soweit ausbaggern könnte, dass

man zu jeder Jahreszeit nach Biredshik käme; wenn man dauu

noch Biredshik mit Haleb und Iskenderün durch eine Eisenbahn

verbände, wäre ein grosser Schritt zur Verbindung des hiesigen

ferneu Ostens gethan; die Eufratbahu ist nach meiner Meinung

auch so nur eine Frage der nächsten 25 Jahre. Die grösste Neuig¬

keit ist, dass Engländer neuerdings in Stambul Concession dazu

erhalten habeu sollen. Auch nach Mosul hat der Pasha eiuen

Dampfer geschickt, aber die Schifffahrt auf dem Tigris würde schwie¬

riger sein, als aul dem Eufrat und wenig reutabel. Die Eufratufer

siud durchschnittlich viel besser bekannt, als die des Tigris; der

Eufrat hat, wie der Nil, seine regelmässigen Steigungen, auf die der

Landbau zählen kann, um durch unzählige Canäle die Aecker und

Palmgärten zu bewässern, während der Tigris von der Schnee¬

schmelze iu Kurdistan abhängt; seine Ufer von Bagdad abwärts

sind zum grossen Theil Wüste, worin Beni Läm, und etwa auch

einige Shämmar hausen: Wüste, die auch zum Theil und zu ge¬

wissen Zeiten überschwemmt wird , deren rebi Weide , aber auch

sehr vom Regen abhängt; dieses Jahr fiel leider fast keiner. Man

sieht wohl so etwas Grün, bisweilen auch ganze Strecken mit Tarfa-

bäumen besetzt, man sieht Canäle und noch mehr Spuren alter

Wasserleitungen; einzelne gut bebaute Strecken namentlich bei Bag¬

dad, aber wo ist der die Ufer begleitende Palmenwald, der von

Kurna aus hinaufgeht bis Hille und weiter? Die Dörfer, aus gros¬

sen Rohrhütlen bestehend (deu serife), liegen so versteckt, dass

ich sehr weuig von den auf Kieperts Karte stehenden controliren

konnte; S'/g— 4 Stunden von Kurna, das sehr hübsch gerade auf

der Spitze des grossen Zusammenflusses liegt, übernachtete ich ge¬

genüber von Medfue iu einem grosseu Dorf el-Hash am linken Ufer;

dann fuhr ich einen gauzeu Tag in dem hier so viel gebrauchten

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468 Notizen und Correspondenzen.

meshhflf weiter; bei einem Dorf Hammar am rechten Ufer war der

Eufrat zu einem grossen unabsehbaren See geworden, von hier hat¬

ten wir noch 5 '/j Stunden nngefähr bis zum grossen Dorf Heishnava

auf beiden Seiten des Flusses, hier übernachteten wir nochmals und

waren den andern Morgen nach i/jj stündiger Fahrt in Süq es-äiüch.

Die Dörfer am Ufer sind theils Fellahendörfer , theils auch von

Fischern und Schiffleuten bewohnt, die dann noch etwas Vieh¬

zucht haben; die Schifffahrt ist nicht unbedeutend. Aus dem hör

den endlosen Versumpfungen auf dem linken Ufer, dessen Ca¬

näle oft befahren werden um den Windungen des Flusses aus¬

zuweichen, bringen sie Strohmatten (hasfre) oder Rohr als Brenn¬

material nach Basra; auch Reis pflanzen sie, wo sie festen Fuss

fassen könuen. Es sind kräftige Leute, uud reden ein curioses

mir etwas unverständliches Arabisch. Sie siud dunkelfarbig, auch

manche Neger unter ihnen; sie tragen noch meist die Beduinen¬

locken. Sie sind ausdauernd und stossen mit ihren langen Stangen

(merdi) Tag und Nacht ein Schiffchen dem Ufer nach, oder rudern

os, namentlich wenn es stromab geht, mit dem ganz kurzen Ruder,

gurafe oder gurefe auf der Mitte des Stroms. So das meshhuf das

kleine ganz schmale Boot, dessen Ränder oft keinen metre von

einander abstehen, indem eiuer vorn auf dem hohen spitz zulaufen¬

den Vordertheil des Schiffchens steht, der dose, der andere auf

der puppis dem elechfr. Das meshhuf ist nur geschaffen, um auf ein

Mal eine oder zwei Personen schnell an Ort und Stelle zu bringen ;

es ist so .characteristisch für diese Zone, wie das kellek für den

oberen Tigris, wie die qüffe, das runde Boot aus Rohr und Holz

mit Pech überzogen, für Bagdad, und das „holend" für Basra.

Letzteres ist eiu grösseres Boot und kommt wahrscheinlich aus

Indien; ursprünglich ist es ein ausgehöhlter Baum, wie ich auch

uoch welche aus einem Stück gesehen habe. Daneben laufen auf

beiden Flüssen sogenannte terrdden, grössere hohe Schiffe für

Waaren; so sieht man selbst viele neben den Dampfschiffen auf

dem Tigris; entweder werdeu sie mit langen Stangen, wie das

meshhflf gestossoL, indem 3 oder 4 Männer mit aller Kraft sich

auf die bis zum Grund des Wassers eingetauchten Stangen

stützen und dem Rand der sefine des Schiffes entlang laufen,

oder am Ufer an Seilen ziehen. Solche Terrdden gehen auch uach

Kuwet. — Den Flüssen nach geht überhaupt aller Personen- uud

Waarenverkehr zu Wasser, die Ufer sind unsicher, und selbst der

Fluss im Gebiet der Beni Sä'^d bei Nacht nicht gut zu passiren;

als ich nach Kurna zurückkehrte, hatten diese letzteren (Mitte April)

eine grosse Fehde unter eiuander; ihre Wohnungen am Flussufer

waren alle verlassen ; diese Beni Sä cd siud Halbbeduinen, nnd folgeu der Regierung nicht gern.

Süq es-Siflch, öfter nur es-siiq genannt, ist das Centrum nament¬

lich auch für die Beduinen aus dem Negd, und für die Muntefic.

Es ist ein kleines Städtchen mit schlechten Backsteiuhäusern,

(9)

Notizen und Correspondenzen. 469

schmutzig, mit einem für fränkische Bedürfhisse nicht berechneten

Markt mitten durchgehend. Etwas ausserhalb des Kerns des Städt¬

chens stehen Wohnungen aus Rohr, so wohnen die Mandäe^- in

ihrem ganz abgetrennten Viertel; auch ein kleines Jndenquartier

findet sich. Der Grundstock der Bevölkerung Süq's ist schiitisch,

wie die ganze Umgegend; man merkte es am Fest 'Alfs; einige

Tage lang hörte man die Leute heulen; aber sie sind hier so fana¬

tisch, dass es selbst für einen Europäer nicht gerathen ist, ihren

wahnsinnigen Andachtsübungen zuzusehen; sie zerfleischen sich oft

die Brust u. s. w. Für einen Christen ist Süq noch heute ein

schwieriges Terrain, weun auch uicht mehr, wie vor eiuigen Jahren.

Ich lernte in Süq zwei christliche Kaufleute kennen, ßagdader, die

eine gewisse Zeit des Jahres dort zubringen; noch vor zwei, drei

Jahren gaben sie sich als Muslimen, beteten mit den Muslimen,

aus Furcht, denn für jene Schiiten ist es ja entsetzlich, nur schon

aus einem Gefäss Wasser zu trinken, welches einmal die Lippen

eines Juden oder Christen berührt hat. Noch jetzt hat mau in den

Caf6s von Süq wie iu den schiitischen Bagdäds, besondere Fäss¬

chen fin^dls für Käfirs, Ungläubige. Die flottante Bevölkerung,

selbst die Wahhabis, die gern die Fremde zum Tabakrauchen be¬

nutzen, sind weniger fanatisch; eine Reise ins Negd ist mit solchen

Leuten heut zu Tage keine zu gefährliche Sache. Man muss sowohl

bei Leuten, als namentlich auch bei den Gedichten aus dem Negd,

das städtische nnd beduinische ebeuso streng unterscheiden, wie

in Iräq. Es giebt im Negd grosse und reiehe Ortschaften, Kauf¬

leute, die eiu bedeutendes Vermögen haben und denen nichts zu

theuer ist, wenn sie nach Süq, Basra, Kuwet kommen; goldgestickte

'Abäjen vou feinem Tuch kaufen sie sich und ihren.Weibern gerna.

Daneben die Beduinen aus dem Negd, sie bringen auch Pferde,

schöne Thiere, mit welchen ein bedeutender Handel nach Bombay

getrieben wird. Dass die Städter und Banern viel bessere Mus¬

limen sind, als die Bedninen, brauche ich wohl nicht zu sageu ; den¬

noch ist es für die Qaside noch kein sicheres Criterium, dass sie

von einem Mann der stabil ansässigen Bevölkerung gedichtet ist,

wenn sie viele Anspielungen auf den Qorän enthält; das kommt

auch bei Beduinen vor. Die Qaside ist entweder ganz nach der

Form der alten gebildet; beim Recitiren wird auf ein Metrum nicht

die geringste Rücksicht genommen. Oder es geht ein Reim in

alleu ersten Halbversen durch, und eiu anderer in allen zweiten

Halbversen, so zwar, dass öfters die Reime sehr ähnlich sind, z. B.

„dra" und „är" wechselnd. Dann die qaside meröba'a mit vier¬

zeiligen Strophen, von denen die drei ersten Zeilen (misra') unter

sich reimen, während der Reim der vierten durch das ganze Lied

durchgeht. Das „zeheri" wie mau hier das mawwäl nennt, ist wohl

bei Beduinen wenig zu finden, während bei ihnen uoch Kriegs- uud

Reiterlieder existiren, alle nach eiu und derselben Melodie, ganz

kurz, oft nur aus einer Zeile bestehend, z. B. singen die Muntefid

Bd. XXIV. 31

(10)

470 Notizen und Correspondenzen.

auf ihren Schech : elhorral, äshgar 'ändinä, mit'lilfahäd ndfnus aieh

(g bezeiÄhnet die weichere Aussprache des q, wie ich sie auch im

Neusyr. von Urmia viel gehört habe) der ganze Falke ist bei uns,

wir jagen mit ihm wie mit dem lX^ö^ dem bekannten Jagdthier.

Ausser diesen nnd etwa noch dem gasfdenähnlichen „fänn"

dem Hochzeitlied, habe ich keine Gedichtarten gefnnden. Interessirt es Sie vielleicht, zn vernehmen, dass die Negdier das » der Feminin¬

endung sehr häufig vernehmbar anssprechen, z. B. hormeh, 'anezeh,

bredeh? Die ächte Bedninenpoesie spricht wie die alte, fast nur vom

Kameel, und es giebt eine Unzahl Ausdrücke für dessen Körper¬

theile, Bewegnngen; ein guter Theil mag sich im altarabischen

Wörterbnch als navädir, Seltenheiten vorfinden, wie ich mich manch¬

mal des einen oder des andem erinnere, und das lexicaliscbe In¬

teresse treibt mich von dieser bei uns unbekannten Sprache nur

noch möglichst viel zu sammeln. Ein Hauptkennzeichen der Sprache

der Muntefic und von Süq ist die Aussprache des - als j ; z. B.

väjid »Aifclj = viel; n^'ejje (Diminutiv) oder nä'jet mdi Si..^\*j

der schöne schwanähnliche Vogel mit langem Schnabel, Pelican;

räjjäl Mann. Fremde, die sich in Süq niederlassen, nehmen diese

Aussprache bald au ; ich suchte immer nach Leuten , die erst vor

ganz kurzer Zeit aus dem Innern gekommen waren. Es giebt viele

Auswanderer, die für einige Zeit nach 'Iräq kommen, mit oder

ohne ihre Familie, um sich Geld zu erwerben, zu bereichern ; dieses Streben steckt fast allen Negdiern, die ich kenne, im Blut, im buch¬

stäblichen Sinn „dichten" und trachten sie nur darnach, einige

Neri's (Mariatheresienthaler) Liren oder einen Sack Shdrai's (l —2

Beshliq) nach Hanse zu bringen. Von Geld sprechen sie den ganzen

Tag; meine Affaire mit dem Schech der Mandäer, die jömije, das

tägliche bachshish, das ich meinem Sänger gab, war langes und

interessantes Stadtgespräch, ebenso wie viel Geld der Fräflgi wohl

mit sich gebracht habe etc. Und für was geben sie ihr Geld aus ?

Für Waffen, namentlich aber für Kleider. Ein schöner zebiin

(qumbäz in Damascus) eine reiche tshefffje mit agdl, davon könuen

sie nicht genug haben. Die Auswanderung nach dem Tiefland hat

wohl nie aufgehört. So ist der Theil der 'Agelbeduineu , welcher

seit lange in Bagdad sitzt, dort nun stabil gewordeu, und besorgt

alle Botschaften {».Si^^jid tarshe) durch die Wüste, Post, Geleit von

Personen und Karawanen; aber immer wandern auch wieder einzelne

des Stammes nach ihrem geliebten Vaterland Negd ab und zu. So

sind die nun mit Recht so gefürchteten und kriegerischen Shämmar

ein noch keine 50 Jahre zuerst als kleine Truppe in das Pashalik

MSsul ausgewanderter Stamm aus dem Negd. — Die Negdier bringen

weni^-'Waaren aus ihrem Lande, etwas Datteln und Dattelsyrnp

(dibs) vorzüglicher Qualität; die Negddattelu sind nach meinem

Geschmack nur zu süss. Desto mehr kaufen sie aus 'Iräq; Tabak,

(11)

Notizen tmd Correspondenzen. 471

der hier meist aus Kurdistän kommt, grob, trocken und heiss ist;

sie rauchen natürlich alle den sebfl (plur. sibläu) die kurze Beduinen¬

pfeife, an die ich mich auch gewöhnt habe und von denen ich eine

Collection nach Europa bringen will. Dann Stoffe, und oft habe

ich sie in Süq die Fabrikate mit der Etiquette unsrer Glarner

Fabricanten kaufen sehen. Ebenso Waffen , aber alles altes bei uns

aus der Mode gekommenes Zeng. Die Ausfuhr von Süq besteht

namentlich ausser Pferden in Häuten von Büffeln (gämiis) und

Rindern (hosh), auch einigen Ottern, nicht Bibern, wie Ritter sagt

(kelb elmai). Die Lebensmittel in Süq sind billig, es giebt Fleisch,

Hühner, Enten, Eier im Ueberfluss; die Beduinenweiber, lauter

kleine Gestalten, bringen Milch und röba, saure Milch in kleinen

hölzernen Näpfen bürma im Ueberfluss; „leben" heisst die saure

Milch hier erst, wenn man sie in einem Säckchen einige Zeit auf¬

gehängt und alle wässrigen Bestandtheile hat austropfeu lassen, was

man in Syrien „leben kis" kennt. In der Umgegend, namentlich im

hör giebt es unendlich viele Wildschweine, die man gar nicht jagt;

manchmal bringt man den Kindern ganz junge solcher Bestien zum

Spielen mit, wovor manche Leute auch Abscheu haben. Ebenso

sah ich beim Schech der Muntefic einen hübschen kleinen Löwen,

den mau eben im tshol, der Wüste gefunden hatte; er war au

einer Kette; das anderthalb Fuss lange Thierchen wies aber schon

gewaltige Zähne, so dass man es kaum wird lange leben lassen

köunen. Der Eufrat ist so fischreich, dass diese Thiere fast nichts kosten; als ich ins Munteficlager fuhr, sprang uns ein S'/g —3 Fuss

langer blnui, also ein Fisch der besten Art, von selbst ins Boot;

der getän, der l^/^ —2 Fuss lang wird, und sehr gut schmeckt, gilt

auf dem Bazär von Süq eineu gameri, d. h. ^/^ Piaster; der gessäu

ist grösser uud ebeufalls gut; der „shilig" ist armlang und nicht

besonders. Man muss aber die Fische dort wenn möglich, lebend

kaufen; denn nicht nur tödten die Fischer dieselben nicht und

lassen sie auf dem Strand (dem ^urf) elend umkommen, sonderu die

Einwohner von Süq lieben das Fisehfleisch erst, wenn es ein paar

Wochen alt ist, und recht stark stinkt (je^fO. Von Vögeln wimmelt

es auf dem Shatt. Da ist der „ch^derl" die schwarz-weisse Ente;

eine audere Art Eute zörgi; der semmäc eine Art weisse Möwe;

der rechevi ein kleines wohlschmeckendes buntes Vögelchen mit

langem Schnabel, der mit der selläbe einer Art Falle gefangen

wird; weiss und schwarze Raben sitzen besonders gern auf dem

Telegraph. Auf den Dattelpalmen am Ufer des Flusses hält sich

der Vogel sleliga auf, von der Grösse einer jungen Taube, schwarz, weiss und noch etwas gesprenkelt; mit sehr langem, spitzen Schnabel;

er schwebt über dem Fluss und stösst plötzlich auf ein Fischchen

herunter, das er daun auf der Palme verzehrt. Ebenfalls halb

Wasser- halb Landthier ist eine grosse Art Schildkröte räfash uud im

hör ist ein anhaltendes Froschconcert , das Billionen dieser Thiere

vermuthen lässt. Zum Botanisireu strich ich oft in den Gärten

(12)

472 Nötigen und Correspondenzen.

von Süq herum und wenn ich auch seitdem die noch viel üppigere

Vegetation um Basra gesehen hahe, so scheint mir die von Sflq

doch immer noch reich. Allerdings schlingen sich die Reben nicht

so gewaltig von Ast zu Ast ; man sieht nicht diese Monstretrauben,

wie ich vor Basra nie welche gesehen hatte ; aber sie werden viel¬

leicht eben so gut. Am schönsten machen sich im April in den Gärten

die feurigen Granatblütheu, des rummän hilü und des hämud der

süssen und sauren Granate, wozu in Süq uoch eine Mittelsorte

kommt; der Rasen unter deu Dattelpalmenpflanzungen ist Kraft

der Bewässerung grün wie in einem Alpenthal; daneben steht ein

hoher Klee für die Pferdezucht gesät. Die Apricosen, zuerst eine

sehr kleine Art, und Maulbeeren sind in Basra mit Ende April

reif, in Süq etwas später ; die Leute essen die Apricosen auch hier,

wie in Damasc grün und unreif. Birnen und Aepfel sind nun schon

gross, und auch das Korn wird bald zeitigen. Man könnte auf

diesem Terrain alles pflanzen; Opium würde prächtig kommen,

ebenso Baumwolle, von der ich wundergrosse Stauden gesehen habe ;

aber nur einzelne; die Leute sind vom Urahn her nur an die Palm¬

zucht gewöhnt, und sehen, wie die Regierung, uicht in die Ferne,

dass sie im zweiten Jahr mit der Baumwollencultur viel mehr ver¬

dienen würden, als mit ihren ewigen Datteln. Und wenn man nur

etwas Geld an Canäle wendete, könnte man die. Gegend wieder zu

dem machen, was sie vor Zeiten geweseu sein muss; deu Spuren

der alten Canäle nachzugehen, wäre endlos, diese Hügelchen, die

immer wieder sich iu der heutigen Wüste zeigen neben Gräben,

siud alles Wasserleitungen gewesen; nun breitet sich hinter einem

dem Fluss nach, angelegten Gartensaum, die Wüste aus, und der

Tigris fliesst unbenutzt durch eine Ebene prächtigsten Bodens.

Aber unter diesem Regiment kann es nie anders werden. Freilich

während man früher keine paar Stunden sich von Bagdad entfernen

konnte, ohne den Beduinen in die Hände zu fallen, und in Süq

die Sicherheit der Person eine höchst zweifelhafte war , ist jetzt eine

Verbindung zwischen MIdad Pasha und dem Schech der Muntefic

eingetreten, die für das Land uur gut ist. Näsir, der jetzige

Schech dieser Beduinen, stammt aus der alten, reichen und mäch¬

tigen Familie Sa dun; er soll unermesslich reich sein, wie an baarem

Geld, so au liegenden Gütern; natürlich darf man den Leuten viel¬

leicht kaum den zehnten Theil glauben, weuu sie von seinen 10

Millionen Liren (Napol^ousd'or) schwatzen ; aber Thatsache ist, dass dieser kleine Fürst über etwa eine Million Araber gebietet, 30—35000

Reiter unter sich hat (obwohl mir diese Angabe etwas hoch vor¬

kommt) und etwa 50000 Flinten; er besitzt auch Kanonen, freilich

kein» 'Zji fürchterlichen Mordinstrumeute. Vor ungeföhr zehn Jahren hat er, ah' er nQch nicht Schech der Muntefic war, die Regierungs-

truppeu Nämyk-Pashas wiederholt geschlagen ; vor drei Jahren aber

unterlag sein Bruder Mansür, damaliger Schech der Muntefic einem

verhältnissmässig kleinen Heere, WelcliesiCdmyk unter dem „commandur

(13)

Notizen und Correspondenzen. 473

ef asker" Obergeneral Häfyd Pasha gegen ihn geschickt hatte. Man¬

sür wurde abgesetzt, nach Bagdad gebracht nnd sein bei den Mun¬

tefic beliebter Bruder Näsir wurde Oberschech. MIdäd Pasha, der

Kriege nicht gern hat uud sich mit den Beduinen viel lieber durch

Geld und anderes gut stellt, fing bald nachdem er etwas mehr als

vor einem Jahre das wichtige Grosspashalik Bagdad bekommen

hatte, au zu unterhandeln. Näsir Pasha ging sogar darauf ein, von

ihm grosse Dattelwälder, ich glaube am Shatt el 'Arab dem ver¬

einigten Fluss, abzukaufen; sein vakfl Geschäftsmann dort unten

ist der eben so verschlagene Schech von Zuber; kurz nach man¬

chem Hin- und Hergehen wurde der Muntefic mit dem Pashatitel

und der Oberhoheit über Süq es-^iüch und Umgegend, was er schon

hatte, geködert; man schickte ihm einen regelrechten Meglis, d. h.

einige türkische Effendis in langen schwarzen Tuchröcken, wohl

mehr, um ihm aufzupassen; man schickte ihm Soldaten; denn so

weit gings doch nicht, dass er der osmanischen Regierung die Aus¬

hebung freier Muntefic Araber gestattet hätte. Seit 6 Monaten hat

er sich nun an einem Ort auf dem linken Ufer des Eufrats sta-

tionair niedergelassen, da soll nun eine „Stadt" gebaut werden.

Als ich dort war, zeigte mir eiu europäischer Geometer, d. h. ein

Armenier ans Stambul, der 12 Jahre in Paris zugebracht hat, die

Pläne; grosse Kasernen für GOO Mann (merkez Soldatenstation) sollen

am Schaft gebaut, dahinter ein süq eingerichtet, eine Brücke über

den Eufrat geschlagen werden; Bad und Moschee und ein grosses

Regierungsgebäude entstehen, der Telegraph soll dann auch her¬

geführt werden; diese schönen Dinge sollen von dem Geld des

Mlrl (Grundsteuer) bezahlt werden; Näsir hat aber freiwillig wie

man sagt 500 Kis (Beutel ä 100 grän) dazu gegeben. Eiu Beduine

thut aber nie etwas freiwillig und gerade Näsir Pasha traue ich

nur selbstsüchtige Absichten zu, ich glaube er hat nur Absichten,

sich auf irgend eine Weise zu bereichern und sein Ansehen zu

befestigen, vielleicht hat er auch aus Furcht vor seinem Bruder

Mansür, mit dessen Wiedereinsetzung man ihm gedroht haben mag,

zu so vielem eingewilligt. Thatsache ist, dass er die Eufratschiff- fahrt, wenn Midäd Pasha dieselbe durchsetzt, gewaltig hindern könute, und wenn ihm eines Tages diese türkisch plappernden Schwarzröcke,

die ihm nun vorn uud hinten mit saädetkum und hadret elpäshä

schmeicheln, unbequem werden , er sie ganz ruhig in Stücken haut ;

und es heisst, er habe den Platz für die Kaserne so schlau gewählt,

um sie nöthigenfalls binnen kurzer Zeit unter Wasser setzen zu

können. Einer seiner Söhne sitzt vielleicht deswegen iu Shatra am

Shatt el-Hai, der andere war draussen bei den Kameelen, der

jüngste ein Kind von 12 Jahren, machte ganz regelrecht die Be¬

duinenhonneurs, wenn seiu Vater nicht zugegen war. Ob sich nun

die Beduinen ansiedeln, ob sie hier wie die Delem zwischen Hit

und Musijjib Fellaheu werden wollen ? Der Pasha pflanzt ' nun

PaLoaen und will Baumwolle säen, aber ich zweifle bei alle dem

(14)

474 Notizen und Correspondenzen.

etwas an seinem (ob wirklich guten?) Willen. Jedenfalls würde

dann wohl das Beduinenhafte an ihm noch viel mehr verloren

gehen, als er es nun schon, z. B. der Sprache nach verloren hat.

Als ich in Süq nichts ausrichtete, lud mich der Kaimmaqäm des

Ortes Fahid Aga, ein ehemaliger Sciave Näsirs und ein ächter

beduinischer Haudegen ein, mit ihm zu Näsir zu gehen, wir fuhren

in der Nacht in einem meshhüf stromaufwärts mehr als 9 Stunden

weit, aber doch unterhalb der Einmündung des Shatt el-Hai; die

Orte werden besser durch mein Herunterfahren bestimmt, das viel

regelmässiger ging und wozu ich 6 Stunden brauchte, 3 Stunden

nach Küt Mu ammar (das el-Küt der Karte), 1 Stunde nach 'Aleijät ;

1/2 Stunde Mehshia 1. Ufer (daselbst giebt es Mandäer) 1/2 Stunde

weiter 1. U. Sebba uud 1/2 Stunde nach Süq. Der Ort der

Niederlassung Näsirs hiess elferehe, soll nun aber ihm zu Ehren

deu Namen Näsirfje erhalten. Eine Stunde nach Sonnenaufgang

landeten wir daselbst nach kalter und unangenehm zugebrachter

Nacht, in mein meshhüf war Wasser eingedrungen. Fahid mein

Gönner führte mich durch einige Reihen Strohhütten, wo die Sol¬

daten und Effendis wohnen, und an einigen llaarzelten vorbei zu

eiuem grossen offenen Halbzelt. Mit Sonnenaufgang verfügt sich

der Schechpasha aus seinem nahen grossen Beduinen „beit" dort

hin, und setzt sich ziemlich im Hintergrund auf ein Purpurkissen;

nebeu ihm die Effendis und sein Serräf Gassier, ein bagdader Christ,

an den ich, wie au den Fürsten, gut empfohlen war. Als ich mit

Fahid eintrat , machte ich auf sein marhabä die regelrechte

Erwiederung, und da ich das schöne Kisseu sah, auf dem die

Effendije sassen, fing ich au meine Halbstiefelchen (Kondra) aus-

zuzieheu. Da rief der Schech, mä jechälif, badä külluh 'ändinä

franga, es thut nichts, das geht bei uns alles fränkisch zu, und ich

musste mich mit deu Schuhen auf den Teppich niederlassen. Dann

brachte Näsir zuerst den stereotypen Gruss sabbähkum alläh biieher,

was man erwiedern muss. Danu kommt 4, .5, 6 mal die Frage

tshef hdlkum, tshef chätirkum ; der ersteu Frage antwortet mah mit

allah jesellirakum und fragt das nämliche. (Bei ächten Beduinen

tshef änt, Antwort allah jetshäuwwik ^^t^ÄJ «.Ii! ovjI ^aJ" danu

tshef mä varäk, d. h. zu Hause etc.). Fahid hatte nicht den Rang

neben Näsir zu sitzen, er stellte sich in den Hintergrund des Zeltes ;

nach eingenommenem Kaffe, der immer gleich gebracht wird, sass

ich eine ganze Stunde da, nur durch einen Effendi vom Schech

getrennt. Es ist ein wirklich schöner Mann, gross, kräftig; nach

Beduinenart hat er den Kopf mit einer reichen Tshefffje mit einem

'agäl aus Cameelshaaren bedeckt, aber nicht geschoren, sondern ein

reiches schwarzes Haar sieht lockig aus der Tshefffje heraus,

1) Küt soll „Umzaiimung" bedenten; es ist glaub ich ein alter Name?

Von einer .Cutha_ spricht Ritter; es kommt_ oft vor, vgl. Küt el-'Amara am Tigris; Küt elfräiigi wie die Araber Ma'agll nennen, den Platz des englischen Consulats obeu an Basra; viele Schiffe liegen daselbst.

(15)

rtotizen und Correspondenzen. Alb

beduinenmässig; er hat ein dünnes langes Gesicht und einen unge¬

mein freundlicheu, ich möchte fast sagen, weiblicheu Ausdruck

darin, wenn nicht manchmal eiu Blick aus den glänzenden Augen

bewiese, dass er auch anders als mild sprechen und lächeln kann.

Er ist ein wirklicher absoluter Fürst und hat sehr gut das Be¬

wusstsein davon; er mag oft im Innern über diese jämmerlichen

Mäuse von Effendis lachen, die um seiue Löwentatze herum spielen.

Er mag etwa 45 Jahre alt sein, hat aber schon einiges Weisse in

dem kurzen und dünnen schwarzen Bart. Er trug einen zebun

von leichtem weissen, wohl seidenem Stoff, in den Gold und Silber¬

blümchen eingewoben sind; darüber eine reich mit Gold verbrämte

Abäje. An seinem Hofstaat war alles geregelt, aber alles nahte

sich ihm mit der unbedingtesten Ehrfurcht ; der Kreis im Zelt und

weit ausserhalb desselben füllte sich nach und nach, einer kam

nach dem andern ; vor zum Theil alten ehrwürdigen Schechen stand

Näsir auf und je nach Rang oder Grad der Verwandtschaft küsste

ihm ein solcher dann den Hals, die Hand, den Fuss oder das Kleid ;

niedriger gestellte nahen ihm nur auf 8—10 Schritte und bringen,

die rechte Hand aufs Herz legend, ihren saläm dar; die Ver¬

wandten setzen sich entweder auf den Boden hinter ihm oder rechts

im grossen Kreis auf die Erde. Dann werden die Geschäfte von

den Effendis vorgetragen, den Schreibern, die hinten stehen, über¬

antwortet, dazu natürlich fortwährend geraucht, sebi'l gärshe von

Silber (Art Nargile, in Damasc goze genannt, weil das Wasser,

wodurch der Rauch eingezogen wird, sich in einer Cocosnuss befindet).

Auch ich trug ihm nun mein Begehren vor; aber der Erfolg hat

bewiesen, dass er mir nichts verschaffen konnte. Darauf machte

er mir in das Zelt des serräf einen Gegenbesuch, liess mir einen

shd'ir Sänger holen, einen Negersciaven, der nach seiner Idee sehr

schön, nach der raeinigen herz- und ohrzerreissend eine mir gauz

unverständliche gasfde, raedfh Lohgedicht auf den Fürsten abbrüllen

musste. Er hat sehr viele Sclaven, überhaupt ist in 'Iraq noch

viel Sciaverei, selbst bei Christen, aber uur den Armeniern. Der

Schech hat vier Frauen uud hat schon einer furchtbaren Unzahl

den taUiq die Scheidung gegeben. Abends araüsirt er sich gern

rait der tdvula dera Trictracspiel. Ara Abend sandte er mir von

seiuem Tisch eiu 'ashä Abendessen; aber ich sass schon bei den

Effendis und als drittes nahm der serräf es übel, dass ich das

seinige ausgeschlagen hatte. Ich sah mir danu noch etwas den Ort

an; so weit raan geht und sieht, dehnt sich das Zeltlager der

Muntefic aus; hier in der Wüste ist eiue viel bessere Luft, als in

Süq. In Zeltlagern kann ich aber nie etwas arbeiten; will ich

Lieder, so muss ich einen Mann, den ich rair wähle, auf meinem

Ziraraer mit aller Gewalt bei der Sache halten; bei den Beduinen

sammelt sich gleich eiu Kreis, den raan ohne grosse Unhöflichkeit

nicht herauswerfen kann , der eiuen aber rait Dazwischenreden

ganz schrecklich stört. Ich lobe niir die Städte, Damasc, Bagdad.

3 3 •

(16)

476 Notizen und Correspondenzen.

Ob sich hier nun wirlilich eine Stadt Näsirije entwickeln wird?

es ist wohl noch etwas zu früh, wenn Prof. Kiepert sie auf seine

Karte setzt-, dennoch ist es merkwürdig, wie hier mitten im Lande,

wo die Spureu gewaltiger Jahrtausende, wo alles, uud besonders

auch die Menschen elend nivelliert sind, neue Städtchen entstehen.

Wo auf Kieperts Karte (der vierblättrigen) der Sidd el-Chudd auch

Tshhäla genannt, nach Persien geht, 1 Tagereise nördlich von Qiirna,

liegt etwas unterhalb auf besagtem 1. Ufer ein Städtchen Namens

'Amära, dasselbe ist entstanden aus einem Lager, das Nämyk Pasha

vor 7 Jahren dort im Kriege mit den Arabern Abu Muhammed

(vom Stamm Mö'dän) einrichtete, nun haben sich dort Kaufleute

angesiedelt und einen Markt gebildet, es ist nun eine bedeutende

Station für die Dampfschiffe hat eine kleine Garnison, einen

Mutaserrif, und es haben sich sogar einige Mandäer daselbst ange¬

siedelt. Ein anderes kühnes Project einer Städtegründung ist nun,

Basra von den ^/^ Stunden, die es im Lande drin liegt, ans Fluss¬

ufer, an den dort majestätisch breiten Shatt zu verlegen ; dort steht

gegenüber den vielen Schiffen nun schon der Zoll (Gumruk) mit

seinen Zöllnern uud die Quarautaine ; die Regierung will das

Serai und die Kasernen dorthin verlegen; bequemer wäre es schon,

sich die Fahrt im „belem" erspart zu seheu; aber Basra ist so

umgeben von Gärten, dass die Eiuwohner schwerlich sobald an

einen entfernteren Ort übersiedeln werden. Die Luft in Basra be-

hagte mir so wenig, als die vou Süq e^-f^iüch; erst jetzt wo ich

nach Norden fahre, wohl für immer, erhole ich mich. Das geringste

Unwohlsein in Süq wird gleich schlimm und die geringste Wunde,

ein Musquitostich eitert in Basra. Die Vegetation ist schön, aber

das Wasser, welches dieselbe, durch so unzählige Canäle geleitet,

hervorruft, doch immer etwas weniger salzig, selbst, wenn es bei

Ebbe geschöpft wird ; die Canäle aber sind zur Ebbezeit alle trocken.

Basra ist eine grosse Ruine, man geht weit durch ganz oder

verlassene Quartiere, bis man die Thore erreicht; die eigentliche

Stadt, ohne die Rohrhäuservorstädte soll nur etwa 4000 Menschen

entbalteu ; der Süq ist viel weuiger belebt, selbst zur besten Tages¬

zeit, als der von Bagdad, und die fränkischen Bedürfnisse, die dort

fehlen, mangeln so ziemlich alle auch hier. Die Cholera von

anno 65 muss furchtbar aufgeräumt habeu. Von Moscheen sieht

man gar nichts besonderes, etwa noch ein glasiertes Minaret mit

Kuppel ; der Mutaserrif Pasha Untergebener von Midäd heisst Häfid

und soll ein ausserordentlicher gerechter Mann sein und wirklich

nicht stehlen; das reinste Gegenstück zu seinem uun in Anklage

gesetzten Vorgänger. Nicht nur unter deu türkischen Würden¬

trägern, sondern im Allgemeinen wird in Basra ziemlich vie'

getrunken , sowohl europäische Getränke , als anch namentlich

Dattelbranntweiu ; ein wenig unter das Wasser soll vor Fieber

schützen; Türken und Araber aber stürzen immer gleich Gläser

voll hinunter. Um Basra herum giebt es einige gemachte Sträss-

3 3 *

(17)

Notixen und Correspondenzen. 477

chen, was in der Wüste ura Bagdad nicht existirt. Es ist mir

vorgekommen, dass die Ra^e vou Basra sich durch ein ungemein

kleines Kinn auszeichuet ; natürlich sieht man auch viel Fremde,

Perser, Araber, Indier; aber im Allgeraeinen soll in Basra sehr

wenig religiöser Fanatismus sich finden, so dass Shiiteu sogar mit

Christen essen. Es existirt eine arraenische Gemeinde, die mit den

Armeniern um Isfabän in Verbindung stehen; 15—20 Familien

und eine kleine chaldäisch unierte Christengemeinde, deren Priester

das Syrische aber nur lesen, nicht verstehen konnte. Ich suchte

in Basra nach arabischen Msscr. an eiuem Ort, wo so viel für die

arabische Wissenschaft geschehen war; einmal war ich iu einer

Bücherversteigerung und bot einige Zeit mit dera Qädi ura die Wette, der da sass wie ein deutscher Professor im höchsten Neglige ; aber es

waren gewöhnliche Sachen Abu Nowäs etc. zu unsinnigen Preisen.

Am liebsten fahnde ich noch nach einem divän nabat, der bei den

Gelehrten nicht nur nichts gilt; sondern sie machen sich lustig

über das Bemühen, diese Sprache zu verstehen. Das Leben in

Basra ist nicht wohlfeil ; wer freilich nur Datteln essen will , braucht allerdings nicht viel auszugeben. In fünf Tagen fährt man beim jetzigen

Flussstand nach Bagdad hinauf. Wohin nun? Nach Hamadän wollen

Sie mich schicken, leider habe ieh nicht die Mittel, dasjenige dort

zu thun, was Sie wünschten. Und auch kaura irgend genügende

archäologische Kenntnisse. Ferner denke ich nun doch an den

Heiraweg, Mardin hat jetzt wieder am meisten Chance auf meinen

Besuch ; ich kann dort viel treiben. Aderbeidshän wäre mir lieber,

aber die Wege sind etwas unsicher, wie überall iu Persien. Doch

ich muss schliesseu, meine Zeit zum Briefschreiben ist beschränkt.

(18)

478

Bibliographische Anzeigen.

Traveh of Fah Hian and Sung- Yun , Buddhist pilgrims from China

to India (400 AD and 518 AD). Translated from the Chinese by

Samuel Beal, a Chaplain in H. M.'s fleet. London, Trubner & Co.

1869. pagg. LXXIII. 210. klein 8vo. 10 sli. 6 d.

Die Pilgerfahrten chinesischer Buddhisten nach Indien, aus dem öten bis Zten Jahr. u. Z. , bilden bekanntlich nicht blos ftir unsere Kenntniss Indiens und des Buddhismus überhaupt, sondern insbesondere anch für unsere Kunde von den nördlich und nordwestlich vom Himälaya gelegenen Landstrichen, durch welche der Weg dieser Pilger ging, eine äusserst wichtige Quelle. Die Nachrichten z. B. über die nordwestlichen Qrenzdistrikte Indiens , die Nachbar¬

länder des Hindukush , berichten von einer Zahl, Blüthe und Cultur der Bevöl¬

kerung, gegen welche die jetzigen Verhältnisse auf das Traurigste abstechen, ein Resultat, welches eben einfach auf Rechnung der Verwüstungen, welche der Islam und die Mongolen angerichtet haben, zu setzen ist, während jeue Blüthe auf der humanistischen Kraft des Buddhismus beruhte, die ja später auch die wilden Mongolen wieder in ein friedliches Hirtenvolk umzuwandeln vermocht hat. Der älteste dieser Berichte ist der des Fa Hian, dessen nahezu fünfzehn¬

jährige Reise (400—414) den Zweck verfolgte (und erreichte), sichere Hand¬

schriften der heiligen Texte für China zu acquiriren. Derselbe wurde im Jahre 1836 iu Abel Remusat's Uebersetzung, mit einem trefflichen Commentar, als

posthumes Werk desselben von Lau dresse uuter dem Titel Foe Koue Ki

in Paris herausgegeben, nachdem auch Klaproth Uber der Herausgabe ge¬

storben war, von dessen Hand der Commeutar von Cap. 21 an zum grössten Theile herrührt. In der Einleitung gab Landresse , vielfach mit Remusat's eiguen Worten , einen guten Bericht Uber die Bedeutung des Werkes , und der

„Foe Koue Ki" wird jedenfalls stets einen Ehrenplatz uuter den Arbeiten der französischen Orientalisten einnehmen. Im Jahre 1853 kündigte Stan.

Julien eine neue Uebersetzung an, wobei er sich ziemlich hart über seiue Vorgänger aussprach, in der Vorrede nämlich zu seiner histoire de la vie de Hiouen-Thsang. Seine eignen hochwichtigen Arbeiteu Uber den Si-yu-ki dieses Letzteren u. s. w. scheinen ihm indess jenen Plan einer neuen Ueber¬

setzung des Berichtes des Fa-Hian wieder ferner gerückt zu haben. Es ist daher mit Dank anzuerkeimen , dass sich Beal dieser Aufgabe unterzogen hat, zu der er durch verschiedene ähnliche Uebersetzungen aus dem Chinesischen sich im Voraus wohl legitimirt hatte. Er zieht dabei die R^musatsche Ueber¬

setzung durchweg heran, wo er sich genöthigt findet, von ihr erheblich abzu¬

weichen , und es unterliegt wohl keinem Zweifel , dass er sich , wie dies uacb

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unser Eustatbius von einem Homonymus nicht getrennt, und

^yM&gt;jai\ ein ziemlich starker Octavband, Pr. Gedruckt in der Druckerei des Wädi el-Nil. 0... Von grammatischen nnd lexicalischen

wie er auch den Gegner Gorgis nicht als Christen bezeichnet, was.. jedoch der Namen

deu — auch dort citirt, wo originelle Producte vorliegen, dass wir.. billig voraussetzen dürften, es seien Entlehnungen

eine zweite Handschrift finden wird, am Ende der Annalenausgabe.

Eigennamen hier eine mit einem vollständigen Satze, — meines.. Wissens die erste , welche