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Die Stufen der Verhaltensänderung für die Verbesserung der Mundhygiene

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Academic year: 2022

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Aus dem Lehr- und Forschungsbereich Medizinische Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover

Leitung: PD Dr. Karin Lange

Die Stufen der Verhaltensänderung für die Verbesserung der Mundhygiene

DISSERTATION

zur Erlangung des Doktorgrades der Zahnheilkunde in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Larissa Dehne aus Stadtoldendorf

Hannover, 2005

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 01.02.2006

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer der Arbeit: Priv.-Doz. Dr. Karin Lange Referent: Prof.’in Dr. Meike Stiesch-Scholz Korreferent: Prof. Dr. Hans-Werner Künsebeck Tag der mündlichen Prüfung: 01.02.2006

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. Matthias Schönermark Prof.’in Dr. Brigitte Lohff

Priv.-Doz. Dr. Thomas Schwarze

(3)

INHALTSVERZEICHNIS

I. Abkürzungsverzeichnis ... IV II. Abbildungsverzeichnis ...V III. Tabellenverzeichnis ... VI

1. Einleitung ...1

2. Literaturübersicht ...3

2.1 Mundhygieneniveau von Erwachsenen in Deutschland...3

2.2 Ätiologie der Karies und Parodontopathien ...4

2.3 Prophylaxe-Programme ...7

2.4 Psychologie des Gesundheitsverhaltens ...10

2.4.1 Psychologische Grundlagen für Prophylaxe-Programme...10

2.4.2 Psychologische Theorien und Modelle der Verhaltensänderung ...13

2.5 Transtheoretisches Modell (TTM) ...18

2.5.1 Ursprung des TTMs...18

2.5.2 Kernkonstrukte des TTMs ...20

2.5.3 Anwendungsgebiete des TTMs ...29

2.5.4 Anwendung des TTMs in der Zahnheilkunde ...31

2.5.5 Vor- und Nachteile der Stufentheorie...33

2.5.6 Anwendung des TTMs für diese Untersuchung ...36

2.6 Problemstellung ...41

3. Methodik ...42

3.1 Studiendesign ...42

3.2 Teilnehmende Zahnarztpraxen ...43

3.3 Stichprobe...43

3.4 Untersuchungsgruppe ...44

3.5 Instrumente zur Datenerhebung ...45

3.5.1 Subjektive Erhebung: Fragebögen...45

3.5.2 Objektivierte Erhebung: Befunde ...46

(4)

3.6 Einteilungskriterien für die Stufen des Transtheoretischen Modells ...48

3.7 Datenauswertung ...50

4. Ergebnisse ...51

4.1 Analyse der Untersuchungsgruppe ...51

4.1.1 Vergleich der Mittelwerte der Mundhygieneindizes innerhalb der Stufen ...52

4.1.2 Vergleich der Mundhygieneindizes mit Prophylaxekenntnissen ...53

4.2 Einteilung der Patienten in das Transtheoretische Modell...56

4.2.1 Stufeneinteilung für die oral self care...56

4.2.2 Stufeneinteilung für die professional care...64

4.3 Wo liegen mögliche Ursachen für die unterschiedlichen Stufeneinteilungen im TTM für die zahnärztlichen Patienten?...70

4.3.1 Einteilung der Patienten nach Prophylaxe- und Nicht-Prophylaxe-Praxen...75

4.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ...78

5. Diskussion...79

5.1 Methodik...79

5.1.1 Untersuchungsdesign...79

5.1.2 Stichprobe und Untersuchungsgruppe...79

5.1.3 Instrumente zur Datenerhebung...80

5.1.4 Einteilungskriterien in das TTM...80

5.2 Ergebnisse...82

5.2.1 Ergebnisse der Untersuchungsgruppe ...82

5.2.2 Ergebnisse der Stufeneinteilungen ...83

5.2.3 Erkenntnisse über die Prophylaxe in den Zahnarztpraxen/ Stufeneinteilungen der einzelnen Praxen...89

5.3 Ausblick ...91

6. Zusammenfassung ...92

7. Literaturverzeichnis ...94

(5)

A. Anhang

A.1 Patienten-Fragebogen A.2 Beteiligte Zahnarztpraxen A.3 Zahnarzt-Fragebogen

A.4 Kurzfragebogen für den Zahnarzt A.5 Stufeneinteilung oral self care A.6 Stufeneinteilung professional care

(6)

I. Abkürzungsverzeichnis Abb. = Abbildung

Anh. = Anhang

bzw. = beziehungsweise ca. = circa

d. h. = das heißt et al. = und Mitarbeiter evtl. = eventuell ggf. = gegebenenfalls Kap. = Kapitel

o. J. = ohne Jahresangabe s. = siehe

S. = Seite Tab. = Tabelle u. a. = unter anderem usw. = und so weiter vgl. = vergleiche z. B. = zum Beispiel

DGZMK = Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

DMF-T-Wert = Anzahl der kariösen, durch Karies und Parodontitis verlorengegangenen und mit Füllungen versehener Zähne pro Gebiss (28 Zähne)

IDZ = Institut der Deutschen Zahnärzte HI = Hygieneindex

PBI = Papillenblutungsindex TTM = Transtheoretisches Modell

Die Begriffe „Zahnarzt“ und „Patient“ werden in der männlichen Form erwähnt, beinhalten jedoch ebenso männliche wie weibliche Personen.

(7)

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ätiologische Faktoren der Kariesentstehung ...5

Abbildung 2: Die Theorie der Handlungsbegründung...14

Abbildung 3: Health Belief Model...15

Abbildung 4: Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns ...16

Abbildung 5: Transtheoretisches Modell ...20

Abbildung 6: Strategien der Verhaltensänderung für die entsprechenden Stufen ...25

Abbildung 7: Verlauf von Vor- und Nachteilen über die Stufen des TTMs ...27

Abbildung 8: Verlauf von Selbstwirksamkeit und Versuchung über die Stufen des TTMs ...28

Abbildung 9: Ausbildungsabschluss der Stichprobe...44

Abbildung 10: Ausbildungsabschluss der Untersuchungsgruppe ...45

Abbildung 11: Stufeneinteilung der Untersuchungsgruppe für die oral self care...51

Abbildung 12: Mittelwerte des HI für die Stufen der oral self care der Untersuchungsgruppe ...52

Abbildung 13: Mittelwerte des PBI für die Stufen der oral self care der Untersuchungsgruppe ...53

Abbildung 14: Mittelwerte des HI der Prophylaxe-Patienten und der Nicht-Prophylaxe-Patienten der dritten Stufe der oral self care...54

Abbildung 15: Mittelwerte des PBI der Prophylaxe-Patienten und der Nicht-Prophylaxe-Patienten der dritten Stufe der oral self care...55

Abbildung 16: Stufeneinteilung für die oral self care...56

Abbildung 17: Darstellung der Zahnprobleme für die Stufen der oral self care...57

Abbildung 18: Grund für Zahnarztbesuche für die Stufen der oral self care...58

Abbildung 19: Abstand der zahnärztlichen Kontrollbesuche für die Stufeneinteilung der oral self care ...59

Abbildung 20: Kenntnisse in der professionellen Zahnreinigung für die Stufen der oral self care...60

Abbildung 21: Vorstellung der optimalen Putztechnik für die Stufen der oral self care...61

Abbildung 22: Mittelwerte der Summenscore der Einstellungen zur Zahnpflege und Zahngesundheit ...62

Abbildung 23: Motivation zur Verbesserung der Zahnpflege für die Stufen der oral self care...63

Abbildung 24: Stufeneinteilung für die professional care...64

Abbildung 25: Darstellung der Zahnprobleme für die Stufen der professional care...65

Abbildung 26: Grund für Zahnarztbesuche für die Stufen der professional care...66

Abbildung 27: Mittelwerte der Summenscore der Einstellungen zur Zahnpflege und Zahngesundheit ...67

Abbildung 28: Darstellung der Anzahl zusätzlich zur Zahnbürste verwendeten Pflegeartikel für die Stufen der professional care...68

Abbildung 29: Verbesserung des Zahnpflegeverhaltens für die Stufen der professional care...69

Abbildung 30: Stufeneinteilung der Patienten pro Praxis für die oral self care...70

Abbildung 31: Stufeneinteilung der Patienten pro Praxis für die professional care...71

Abbildung 32: Skala der für die Prophylaxe leicht zu motivierenden Patienten ...72

Abbildung 33: Skala der für die Prophylaxe leicht und schwer zu motivierenden Patienten ...72

Abbildung 34: Skala der Patienten, die an der Prophylaxe teilnehmen ...73

Abbildung 35: Einteilung in die Stufen der oral self care nach Praxen geordnet...76

Abbildung 36: Einteilung in die Stufen der professional care nach Praxen geordnet ...76

(8)

III. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: DMF-T-Werte bei 35- bis 44jährigen aus dem Jahre 1983, 1989, 1992 und 1997...3

Tabelle 2: Beschreibung der Zahnarztpraxen...43

Tabelle 3: Die Stufen des Transtheoretischen Modells...48

Tabelle 4: Faktoren für den Algorithmus der Stufeneinteilung ...48

Tabelle 5: Kriterien für die Stufeneinteilung der oral self care...49

Tabelle 6: Kriterien für die Stufeneinteilung der professional care...50

Tabelle 7: Mittelwerte der zusätzlich zur Zahnbürste verwendeten Zahnpflegeartikel...68

Tabelle 8: Summenscore des Prophylaxe-Angebots an wen sich die Prophylaxe richtet und die geschätzte Akzeptanz der Prophylaxe seitens der Patienten...74

Tabelle 9: Korrelationen der Stufeneinteilung mit der zur Prophylaxe zu motivierenden Patienten...75

(9)

1. Einleitung

Wie die Dritte Deutsche Mundgesundheitsstudie bestätigt [1], ist die Mundpflege von vielen zahnärztlichen Patienten in Deutschland nicht optimal. In der erwachsenen Population treten sowohl Karies als auch Parodontitis als häufige Erkrankungen auf. Diese Erkrankungen sind jedoch durch eine adäquat durchgeführte Mundhygiene weitgehend vermeidbar. In vielen Zahnarztpraxen wird seit 10-15 Jahren vermehrt Prophylaxe zur Vermeidung der oralen Krankheiten angeboten. Die Prophylaxe gliedert sich zumeist in die Entfernung der bakteriellen Zahnbeläge, die in der Praxis durchgeführt wird und in Instruktionen an den Patienten, seine Zähne optimal zu pflegen. Dennoch nehmen nicht alle Patienten prophylaktische Leistungen in Anspruch und pflegen ihre Zähne nicht optimal. Gründe für dieses Verhalten sind möglicherweise neben den Kosten in den Prophylaxe-Programmen selbst zu suchen. Studien zur Untersuchung von Instruktionen und Präventivprogrammen zeigen, dass für eine erfolgreiche Mitarbeit des Patienten psychologische Kompetenzen des Behandlers vorhanden sein sollen. Zunehmend mehr Prophylaxe-Programme basieren auf psychologischen Modellen für die Verhaltensänderung. Beispiele für in der Zahnmedizin angewendete Modelle sind das Health Belief Model und das Interventionsmodell nach Weinstein und Mitarbeitern.

Mit einem in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelten Modell der Einstellungs- und Verhaltensänderung wurden große Erfolge in der Raucherentwöhnung und in anderen Verhaltensbereichen erzielt. Dieses „Transtheoretische Modell“ (TTM) wurde von Prochaska und DiClemente entwickelt. Grundlage für die erfolgreiche Verhaltensänderung ist die zeitliche und inhaltliche Gliederung des Änderungsprozesses über mehrere Stufen. Die Verhaltensänderung erfolgt nicht vom einen auf den anderen Tag, sondern wird abhängig vom jeweils erreichten Stand der Motivation mittels unterschiedlicher Prozesse in kleinen Schritten vorgenommen.

Erste Untersuchungen über die Anwendung des TTMs in der Zahnheilkunde wurden durchgeführt. Weitere Untersuchungen und Überprüfungen des Modells zur Verbesserung der Mundhygiene sind notwendig. In der vorliegenden Untersuchung sollen die Einsatzmöglichkeiten des TTMs für die Verbesserung der häuslichen Mundpflege und die vermehrte Inanspruchnahme von prophylaktischen Leistungen in der Zahnarztpraxis geprüft werden. Zahnärztliche Patienten werden nach ihrem Mundgesundheitsverhalten und nach ihrer bisherigen Teilnahme an Prophylaxe-Programmen in die Stufen des TTMs eingeteilt. Es

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wird überprüft, ob nicht nur im Mundpflegeverhalten Unterschiede vorhanden sind, sondern auch in den Einstellungen zur Mundgesundheit, wodurch die Einordnung der Patienten auf verschiedene Stufen bestätigt werden soll.

Für die Stufeneinteilungen werden die Patienten gebeten, einen erarbeiteten Fragebogen über ihre Mundpflegeverhaltensweisen und ihre Einstellungen zur Mundpflege zu beantworten.

Um einschätzen zu können, ob die Fragen ehrlich beantwortet werden oder eine gewisse Verzerrung zugunsten eines positiveren Verhaltens vorliegt (sozial erwünschte Tendenz), wird eine Untersuchungsgruppe gebildet, die den selben Fragebogen beantwortet. In dieser Gruppe werden Mundhygieneindizes und der Zahnbefund erhoben und mit den angegeben Antworten im Fragebogen verglichen. Somit wird die Anwendbarkeit des Fragebogens überprüft. Durch den Fragebogen sollen spezielle Fragen herausgearbeitet werden, die für die Einteilung nach dem TTM wichtig sind.

Des Weiteren wird versucht, Gründe und Ursachen für die verschiedenen Mundhygieneverhaltensweisen zu finden. Mögliche Gründe für eine optimale Mundpflege können die Motivierung durch den Zahnarzt oder die Eigeninitiative des Patienten sein.

Insgesamt soll die Anwendbarkeit des TTMs für die Verbesserung der Mundhygiene geprüft werden, um neue Leitlinien zur Patientenmotivation zu entwickeln und vorhandene Präventionsprogramme im zahnärztlichen Bereich wirksamer gestalten zu können.

(11)

2. Literaturübersicht

2.1 Mundhygieneniveau von Erwachsenen in Deutschland

Von Patz und Naujoks [2] wurde in einer kariesepidemiologischen Studie nachgewiesen, dass von 14491 Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren nur 22 Personen ein naturgesundes Gebiss aufweisen. Dies entspricht einer Gesamtkarieshäufigkeit von 99,85%. Die Untersuchungen fanden in diversen Zahnarztpraxen statt. Auch nach fünf Jahren konnten Naujoks und Hüllebrand [3] keine Verbesserung der Inzidenzrate feststellen. Krasse [4] bezeichnet die Karies als ein „ernstes sozialmedizinisches Problem“, da fast 100% der Bevölkerung betroffen sind.

Repräsentative Studien zur Kariesprävalenz wurden in den Jahren 1983 [vgl. 3], 1989 [5], 1992 [6] und 1997 [1] von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) durchgeführt. In den Untersuchungen wurde u. a. der DMF-T-Wert erhoben, welcher die Anzahl der kariös zersörten (Decayed), fehlenden (Missing) und gefüllten (Filled) Zähne (Teeth) angibt. Die Werte sind in der Tabelle 1 dargestellt. Es ist bei den Erwachsenen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren eine leichte Verbesserung zu bemerken.

Studie Jahr DMF-T

A5 [3] 1983 17,7

IDZ (W) [5] 1989 16,7

IDZ (O) [6] 1992 13,4

IDZ [1] 1997 16,1

Tabelle 1: DMF-T-Werte bei 35- bis 44jährigen aus dem Jahre 1983, 1989, 1992 und 1997

W= Westdeutschland, O= Ostdeutschland

Diese Untersuchungen zeigen, dass von 28 Zähnen bei erwachsenen Patienten durchschnittlich 16 Zähne Karies aufweisen, restauriert sind oder extrahiert wurden. Diesen Wert gilt es zu senken.

Neben der Karies gilt auch die Parodontitis als weit verbreitete Krankheit, an der etwa 70- 75% der Personen leiden [7]. Anhand einer epidemiologischen Studie in Hamburg konnten nur 2,8% der Probanden als parodontal vollkommen gesund eingestuft werden [8].

In der Dritten Deutschen Mundgesundheitsstudie [1] ist die Mundhygiene nach einem Verhaltensindex beschrieben, der das Mundpflegeverhalten der Personen beschreibt, jedoch

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die Qualität der Mundhygiene nicht überprüft. Eine gute Mundhygiene liegt vor, wenn mindestens zweimal täglich die Zähne geputzt werden und dieses mindestens zweimal nach einer Mahlzeit oder vor dem Schlafengehen angegeben wird. Außerdem soll eine mindestens zweiminütige Putzdauer vorliegen. Personen, die dieses Verhalten nicht in allen Forderungen erfüllen, weisen eine unzureichende Mundhygiene auf. Nach dieser Definition pflegen 15,5%

der männlichen und 27,0% der weiblichen 35- bis 44jährigen Personen ihre Zähne gut. Von den männlichen 35- bis 44jährigen weisen 84,5% und von den weiblichen 73,0% eine unzureichende Mundhygiene auf.

2.2 Ätiologie der Karies und Parodontopathien

Die Ursachen für einen hohen DMFT-Wert liegen in der Zerstörung der Zahnsubstanz durch Karies und durch parodontale Erkrankungen.

Ätiologie der Karies:

Karies ist definiert als lokalisierte Infektionserkrankung der Zahnhartgewebe, die durch das Zusammenwirken potentiell pathogener Mikroorganismen und potentiell pathogener ökologischer Faktoren entsteht [vgl. 9]. Ohne die Beseitigung der Ursachen führt die Karies zum progredienten, irreversiblen Zahnsubstanzverlust.

Miller [vgl. 10] stellte im Jahre 1898 die chemoparasitäre Theorie der Kariesentstehung auf, die in modifizierter Form bis heute ihre Gültigkeit hat. Diese Theorie betrachtet die Zahnoberfläche als Wirt für Mikroorganismen, die bei einem Überangebot von aus der Nahrung aufgenommenen kariogenen Substanzen geschädigt wird.

Das modifizierte Modell der Kariesentstehung beschreibt den Zahn als Wirt. Auf dem Zahn bildet sich ein Schmelzhäutchen (acquired pellicle) aus Proteinen des Speichels [vgl. 10]. An dieses Pellikel heften sich innerhalb weniger Stunden grampositive Kokken und Aktinomyzeten. Weitere Bakterienarten wie z. B. Streptokokken folgen und bilden zusammen die Plaqueanlagerung. Diese Mikroorganismen verstoffwechseln Kohlenhydrate aus der aufgenommenen Nahrung. Durch diese Glykolyse kann Strepptococcus mutans organische Säuren bilden, die den pH-Wert senken und bei längerer Einwirkzeit die Zahnhartsubstanz demineralisieren. Wenn die Plaque nicht entfernt wird, folgen weitere Schädigungen der Zahnsubstanz bis zur Ausbildung einer Kavität.

(13)

Das modifizierte Modell differenziert zwischen den verschiedenen Bakterienspezies in der Plaque. Besonders Streptococcus mutans wird als aggressiver Keim betrachtet und induziert Karies im Tierexperiment. Die Anwesenheit von Streptococcus mutans im Speichel korreliert mit dem Auftreten von Karies, welches für die Kariesdiagnostik von Bedeutung ist. Auch Laktobazillen üben einen schädigenden Einfluss auf den Zahn aus. Die Anzahl der Laktobazillen korreliert in gewissem Umfang mit der Aufnahme von Kohlenhydraten. Daher ist in diesem Modell die Zusammensetzung der Nahrung und die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme sowie die Erziehung und das Verhalten berücksichtigt. In der Vipeholm- Studie [11] konnte ein Karieszuwachs durch die Aufnahme von 24 Toffees als Zwischenmahlzeiten pro Tag von fast vier kariösen Flächen innerhalb eines Jahres bestätigt werden. Durch eine bewusste zahngesunde Ernährung und die regelmäßige Elimination der Plaque kann Karies vermieden werden. Allerdings werden genetische Variablen, die den Speichel beeinflussen ebenfalls im Modell berücksichtigt. Die Zusammensetzung des Speichels mit seiner Pufferkapazität und der Fließrate kann einen günstigen oder aber einen ungünstigen Einfluss auf die Kariesentstehung haben. Eine verminderte Fließrate mit einer geringen Pufferkapazität liegt z. B. bei einer Erkrankung vor, die zur Mundtrockenheit (Xerostomie) führt und erhöht die Kariesanfälligkeit.

Abbildung 1: Ätiologische Faktoren der Kariesentstehung [vgl.10, 12]

Plaque

pH

Plaque

pH

Zahn Karies

Zahnarzt Genetische

Variablen

Gesundheits- politik

Nationalität Speichel

Fließrate Pufferkapazität Zusammenset- zung Abwehrstoffe Zuckerelimi- nationszeit Plaque

Bakterienspezies Nahrung

Zusammensetzung Häufigkeit

Fluoride

Zeit Soziales Umfeld

Ein- kommen

Bildung

Erwartungshaltung Erziehung

Verhalten

Zahn

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Ätiologie der Parodontopathien

Unter Parodontopathien werden entzündlich bedingte und nicht entzündlich bedingte Erkrankungen der Gingiva und des Parodontiums (Zahnhalteapparat) verstanden. Die Ätiologie dieser Erkrankungen benennt den primären und den sekundären Ursachenkomplex.

Der primäre Ursachenkomplex bezeichnet die Plaque mit den entzündlichen Reaktionen und der sekundäre umfaßt lokale und systemische Faktoren, die den primären Komplex beeinflussen können [vgl. 9].

Die Plaque lagert sich wie bei der Kariesätiologie beschrieben an die Zahnoberfläche an und kann bei ausreichender Zeitdauer eine Entzündung der Gingiva hervorrufen. Plaque ist ein weicher, bakterieller Zahnbelag, der nicht abspülbar ist [13]. Löe et al. [14] stellten 1965 in einem Humanexperiment den Zusammenhang zwischen der mikrobiellen Plaque und der Entstehung einer Gingivitis dar. Zwölf Probanden mit perfekter Mundhygiene wurde 21 Tage lang untersagt, die Zähne zu putzen. Bereits nach drei Tagen waren Entzündungszeichen der Gingiva sichtbar, die im weiteren Verlauf zunahmen. Die Gingiva war gerötet, angeschwollen und blutete bei Stimulation. Nach 21 Tagen der unterlassenen Mundhygiene erfolgte eine professionelle Zahnreinigung und die Mundhygienemaßnahmen wurden wieder aufgenommen. Nach weiteren neun Tagen waren keine Entzündungszeichen mehr zu erkennen und der Gingivazustand entsprach dem vor dem Experiment.

Dieses Experiment stützt die unspezifische Plaquehypothese, die die Quantität der bakteriellen Beläge als ätiologischen Faktor für die Gingivitis und Parodontitis betrachtet.

Erst die Entdeckung spezifischer Bakterienarten bei bestimmten Formen der Parodontitis konnte die Bedeutung der Qualität der Plaque hervorheben. Diese Art der Infektion beschreibt die spezifische Plaquehypothese. Besonders pathogene Keime für die Entstehung einer Parodontitis sind z. B. Actinobacillus actinomycetemcomitans, Bacteroides forsythus und Porphyromonas gingivalis. Dennoch kann der Verlauf der Parodontitis trotz Vorhandensein spezifischer pathogener Keime langsam sein, wenn generell eine stabilisierende Mundflora mit protektiv agierenden Keimen vorliegt. Dies wird in der Hypothese der opportunistischen Plaqueinfektion verdeutlicht.

Ein Tierexperiment am Beagle-Hund [15] bestätigt die Gingivitis als Vorläufer der Parodontitis. Ohne das Vorhandensein der Gingivitis kann keine Parodontitis entstehen, jedoch folgt nicht jeder Gingivitis eine Parodontitis [16]. Die Gründe dafür sind in der spezifischen Plaquehypothese und der opportunistischen Infektion zu finden.

(15)

Sowohl die Karies als auch die Parodontitis können durch gründliche und regelmäßige Plaqueentfernung verhindert werden. Einwag [17] bezeichnet diese Erkrankungen als verhaltensbedingt, da die Entstehung bzw. Nichtentstehung von der Mundhygiene des Patienten abhängig ist. Abdellatif und Burt [18] konnten den Zusammenhang zwischen einer schlechten Mundhygiene und dem Vorhandensein einer Parodontitis belegen. In der Studie hatten 95% der untersuchten Personen mit einer guten Mundhygiene keine parodontale Erkrankung.

2.3 Prophylaxe-Programme

Durch präventive Maßnahmen kann die Entstehung von Karies und Parodontopathien verhindert werden. Die verschiedenen Möglichkeiten der Prävention werden eingeteilt in [vgl.

13, 19, 20]:

- Primär-Primärprävention: Maßnahmen für die Beratung von Schwangeren, die durch ihre gute Mundhygiene und Instruktionen keine Bakterien auf ihr Kind übertragen sollen

- Primäre Prävention: Maßnahmen, die das Auftreten von Erkrankungen verhindern oder verzögern sollen, durch z. B. Zähneputzen oder Fissurenversiegelungen

- Sekundäre Prävention: Früherkennung und -behandlung der Erkrankung um weitere Schäden zu vermeiden, z. B. minimal-invasive Frühbehandlung einer Karies

- Tertiäre Prävention: Rehabilitative Maßnahmen, um die vorhandenen Schäden zu behandeln und somit weitere Schäden zu verhindern, z. B. prothetische Versorgungen

Besonders die Primäre Prävention kann aktiv vom Patienten und vom Zahnarzt gestaltet werden. Der Zahnarzt kann seine Patienten in der Plaquereduktion unterstützen, indem er eine Prophylaxe-Sitzung anbietet. Die Prophylaxe beeinhaltet die professionelle Zahnreinigung (professional care) zur Entfernung der Beläge mittels Ultraschallgerät, Scalern, Küretten oder Air Flow, die Politur der Zahnflächen und deren Fluoridierung sowie ggf. der Versiegelung von Fissuren [21]. Zudem sollen dem Patienten die optimale Zahnputztechnik und die interdentale Reinigung erklärt werden, damit er selbst die Plaque entfernen kann (oral self

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care) [22]. Der Patient wird zur Selbsthilfe befähigt und bemüht sich aktiv um seine Mundgesundheit, wohingegen er bei der professional care passiv bleibt [23]. Instruktionen über eine zahngesunde Ernährung sind ebenfalls Bestandteil einer Prophylaxe. Diese Maßnahmen lassen sich als die vier klassischen Säulen der Karies- und Parodontitisprophylaxe zusammenfassen [24]:

1. zahngesunde Ernährung 2. regelmäßige Fluoridierung 3. Fissurenversiegelung 4. effiziente Mundhygiene

Staehle [25] sieht die Individualprophylaxe als fundierte Grundlage für die mögliche lebenslange Erhaltung eines funktionsfähigen natürlichen Gebisses. Doch nicht nur die Funktionalität der Zähne hat einen Stellenwert in der Gesellschaft, sondern auch die Ästhetik.

Gesunde und schöne Zähne sind ein Teil der Persönlichkeit und gelten als erstrebenswert [26]. Die orale Gesundheit wirkt sich positiv auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die allgemeine Zufriedenheit aus [27].

Die Individualprophylaxe zur Karies- und Parodontitisvermeidung und zum Erhalt der Funktionalität und Ästhetik der Zähne wird in Zahnarztpraxen durchgeführt. Nach Schätzungen deutscher Zahnärzte lassen sich durchschnittlich nur ein Fünftel der Patienten für Prophylaxemaßnahmen gewinnen, wobei eine große Varianz dieses Wertes zwischen den einzelnen Zahnärzten vorliegt [28]. Nicht alle Patienten lassen sich zu Prophylaxeterminen überzeugen. Die Kosten der Individualprophylaxe werden von den gesetzlichen Krankenkassen nur für Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren übernommen und müssen von Erwachsenen selbst bezahlt werden. Hendriks und Schneller [29] konnten durch ihr Prophylaxe-Programm den Anteil der Patienten, die ihre Zähne weitgehend selbst gesund erhalten konnte, von 11% auf 24% anheben. Weitere 16% der Patienten ließen die Prophylaxe im empfohlenen Umfang durchführen. Doch insgesamt nahmen 60% der Patienten weniger Betreuung in Anspruch als empfohlen oder kamen nicht wieder. Daraus ergibt sich die Frage nach den Maßnahmen, die berücksichtigt werden müssen, um die Patienten zur Inanspruchnahme der Prophylaxe zu überzeugen. Dazu wurden Studien durchgeführt, die die Faktoren untersuchen, die für die Umsetzung einer guten Mundhygiene verantwortlich sind.

Albandar et al. [30] führten eine Studie zur Verbesserung der Plaqueeliminierung und Gingivitis mit Jugendlichen durch. Eine Gruppe der Jugendlichen bekam ein Prophylaxe-

(17)

Training mit Erklärungen zur Ursache und Vermeidung von Karies und Gingivitis sowie Demonstrationen zur Zahnpflege. Eine zweite Gruppe wurde lediglich in der richtigen Zahnputztechnik unterrichtet und die Kontrollgruppe erhielt keine Instruktionen. Die erhobenen Indizes der Jugendlichen mit dem ausführlichen Prophylaxe-Training waren signifikant besser als die der anderen beiden Gruppen, die sich nicht signifikant voneinander unterschieden. Somit konnte der Erfolg eines umfassenden Prophylaxe-Programms mit Ursachenerklärung und Instruktionen bestätigt werden.

Ähnliche Untersuchungen bei Erwachsenen wurden von Fiebranz et al. [31] durchgeführt.

Eine Experimentalgruppe wurde nach einem speziellen verhaltenstherapeutischen Plan und einer Parodontitis-Vorbehandlung therapiert. Die Kontrollgruppe bekam lediglich die Parodontalbehandlung. Am Beginn der Behandlungen waren die Entzündungsindizes und Plaquewerte bei der Experimentalgruppe schlechter. Nach Abschluss der Behandlung lag eine signifikante Verbesserung der Experimentalgruppe gegenüber der Kontrollgruppe vor. Dieses Ergebnis konnte auch durch eine Kontrollsitzung nach sechs Monaten bestätigt werden.

Lediglich Erklärungen zur Putztechnik oder die Reinigung der Zahnflächen sind demzufolge für eine optimale Mundhygiene der Patienten nicht ausreichend. Es werden spezielle präventivorientierte Programme und Modelle benötigt, die psychologisch aufgebaut sind und den Patienten zu einem optimalen Mundhygieneverhalten motivieren können [27, 32, 33].

Unter optimaler Mundhygiene wird das mindestens zweimalige tägliche Zähneputzen [vgl.

34] und die Interdentalraumreinigung, die dreimal oder häufiger in der Woche durchgeführt werden soll, verstanden [35, 36, 37, 38]. Für die Interdentalraumpflege können Zahnseide, Superfloss, Zahnhölzchen oder Interdentalbürstchen verwendet werden. Schmage et al. [39]

konnten die Effektivität der Zahnzwischenraumpflege mit einer Studie belegen. Patienten reinigten täglich mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen und erzielten nach vier Wochen signifikant bessere Plaque- und Entzündungsindizes als die Kontrollgruppe. Das Handling von Interdentalbürstchen wurde seitens der Probanden besser bewertet als Zahnseide.

Die Kombination von regelmäßigem Zähneputzen, Interdentalraumpflege und jährlicher Prophylaxe-Sitzung führt zu einer zeitlich längeren Zahnerhaltung [40].

Die Umsetzung einer optimalen Mundhygiene seitens des Patienten und die Teilnahme an Prophylaxe-Programmen erfordern psychologische Kompetenzen und Strategien in der Beratung. Besonders bedeutsam ist die kompetente Gesprächsführung des Zahnarztes und der Prophylaxe-Assistentin, um den Patienten zu motivieren [41]. Die moderne Prophylaxe- Praxis betreut ihre Patienten nach einem strategischen Konzept [42]. Im folgenden Kapitel

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werden die Grundlagen für psychologisch aufgebaute Präventionsprogramme, die den Patienten zu einer optimalen Mundhygiene leiten sollen, beschrieben.

2.4 Psychologie des Gesundheitsverhaltens

2.4.1 Psychologische Grundlagen für Prophylaxe-Programme Motivation und Motivierung

Die Motivation umfaßt nach Heckhausen [43] Phasen des Wünschens, Wählens und Wollens, d. h. Motivation ist die Gesamtheit all derjenigen Beweggründe, die eine einzelne Handlungstendenz bestimmen. Mit Motivation wird die Bereitschaft bzw. eine Art innere Energie beschrieben, eine Tätigkeit auszuführen. Diese Tätigkeit zielt darauf ab, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, wobei unter Bedürfnis das Erleben eines Mangelzustandes verstanden wird, den der Organismus auszugleichen versucht [44]. Diese Art der Motivation geht von dem Individuum selbst aus.

Wenn jemand versucht, einen anderen zu motivieren, spricht man von Motivierung. Die Motivierung ist als eine gezielte, absichtliche Verhaltensbeeinflussung definiert [45]. Dieses Modell ist häufig im Gesundheitsbereich zu finden, wenn z. B. der Zahnarzt seine Patienten zu einer besseren Mundpflege motivieren möchte. Diese Motivierung kann durch Sachinformationen erfolgen [46], welche der Anfangsmotivation und Intentionsbildung für eine Verhaltensänderung dienen. Dies wird als Gesundheitsaufklärung und –beratung betrachtet. In der Praxis sind diese Informationen allein nicht ausreichend, um eine langfristige Verhaltensänderung zu unterstützen. Vielmehr muss der Zahnarzt dem Patienten verdeutlichen, dass er ein Problemverhalten aufweist, indem er dem Patienten die Folgen seiner unzureichenden Mundhygienebemühungen erklärt [44, 47]. Auch die Aufklärung über Krankheitsursachen ist ein fester Bestandteil einer erfolgreichen Motivierung [48]. Patienten müssen in dem Prozess der Änderung begleitet werden, indem sie Unterstützung zur Überwindung von Schwierigkeiten erhalten und somit die Durchhaltemotivation gestärkt wird. Dies wird als Gesundheitserziehung bezeichnet und soll zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen motivieren [46].

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Volition

Nach der Phase der Motivation, in der die Absicht einer Verhaltensänderung ausgebildet wird, folgt die volitionale Phase, in welcher diese Intention in konkretes Handeln umgesetzt wird [49]. Die volitionale Phase umfasst ebenfalls die Aufrechterhaltung dieser Handlung über einen längeren Zeitraum [50]. Die Volition wird in eine präaktionale, eine aktionale und eine postaktionale Phase unterteilt. In der präaktionalen Phase findet die Handlungsplanung statt, die in der aktionalen Phase in eine kontrollierte Handlung umgesetzt wird. Die postaktionale Phase dient der Bewertung der Handlungseffizienz und der Etablierung des neuerworbenen Verhaltens [43, vgl. 51].

Während der Handlungsplanung wird ein Vorsatz gebildet. Dieser wird in die Realität umgesetzt, wenn die Ausführung vorteilhaft erscheint und wenige konkurrierende Handlungen und Widerstände, die gegen diese Handlung sprechen, vorhanden sind [vgl. 52].

Die Handlungsrealisierung wird durch die Volitionsstärke gesteuert. Je größer die Volitionsstärke ist, desto besser können andere Reize ausgeschaltet werden, die eine Realisierung des Verhaltens nicht ermöglichen. Die Volitionsstärke wird davon beeinflusst, wie erfolgreich die gerade ablaufende Handlung subjektiv bewertet wird.

Compliance

Unter Compliance ist in der Zahnheilkunde die Befolgungsbereitschaft und das Befolgungsverhalten des Patienten gegenüber zahnärztlichen Anordnungen zu verstehen [53], welches eine Grundvoraussetzung für die Krankheitsbewältigung und Gesundheitsförderung darstellt [49]. Eine ähnliche Definition liefert Linden [54]. Er beschreibt die Compliance als das Ausmaß, inwieweit ein tatsächlicher Behandlungsvollzug mit dem optimalen übereinstimmt.

Wenn ein Patient von seinem Zahnarzt gesundheitlich beraten werden möchte, d. h. dass er von sich aus präventive Maßnahmen für seine orale Gesundheit ergreifen möchte, dann wird dieses Vorsorgeverhalten als präventive Compliance bezeichnet. Sie beruht auf Einsicht und Verständnis der Zusammenhänge der Krankheitsentstehung und dem Glauben, selbst krank werden zu können. Patienten mit einer guten Compliance erreichen das Behandlungsziel bzw.

eine gute Mundhygiene eher als Patienten mit einem Non-Compliance-Verhalten. Auf die Compliance wirken diverse Einflussfaktoren seitens des Zahnarztes und seitens des Patienten [vgl. 55]. Der Zahnarzt kann die Compliance seiner Patienten beeinflussen, indem er kommunikative Fähigkeiten zur Motivierung und beruflich eine präventive Orientierung

(20)

entwickelt. Der Patient sollte über eine bewusste Einstellung zu seiner Erkrankung und deren Behandlung verfügen. Auch die Fähigkeit, die Informationen des Zahnarztes aufzunehmen und zu verstehen, ist von Bedeutung. Eine komplizierte oder lückenhafte Therapieinstruktion durch den Arzt reduziert das Ausmaß der Compliance. Im zahnmedizinischen Bereich sollte die Bedeutung der Verhaltensänderung zu einer optimalen Mundhygiene durch den Zahnarzt oder die zahnmedizinische Prophylaxeassistentin dargestellt werden, denn der Patient nimmt sein individuelles Erkrankungsrisiko für Karies oder Parodontopathien nicht als für ihn bedrohliche Erkrankung wahr und ist daher weniger bereit, sein Verhalten zu optimieren. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, wie z. B. Herzinfarkten oder Tumoren, ist die Compliance zu einer gesundheitsfördernden Verhaltensweise wesentlich höher [44]. Magri [56] weist darauf hin, dass Karies und Parodontitis in den ersten Stadien völlig schmerzfrei verlaufen und der Patient anfangs keine Anzeichen von Erkrankung bemerkt. Daher ist ein Bewusstmachen des Risikos bzw. der bereits eingetretenen Erkrankung (wenn auch noch ohne Symptome) erforderlich.

Optimismus

Unter Optimismus werden Ergebniserwartungen verstanden, die sich auf die Zusammenhänge zwischen dem Handeln und dem Handlungsergebnis beziehen [52]. Optimismus gilt als positive Grundeinstellung, wenn jemand erwartet, dass Dinge im Leben immer gut ausgehen werden [57]. Eine optimistische Grundeinstellung beeinhaltet, angepeilte Ziele für erreichbar zu halten. Dies fördert als Schutzfaktor die Erhaltung von Gesundheit und eine effektive Bewältigung von Krankheit [58]. Im zahnmedizinschen Bereich ist eine Verhaltensänderung für Optimisten eher realisierbar, weil sie davon überzeugt sind, ihre gesetzten Ziele zur Verbesserung der Mundhygiene zu erreichen.

Gesundheitliche Kontrollüberzeugung (Health Locus of Control)

Rotter [59] definiert die Kontrollüberzeugung als Überzeugung, dass Ereignisfolgen entweder vom eigenen Handeln abhängig sind (internale Kontrollüberzeugung) oder von externen Einflüssen (externale Kontrollüberzeugung). Bei der internalen Kontrollüberzeugung sieht sich der Patient selbst für seine Gesundheit verantwortlich [58]. Die externale Kontrollüberzeugung wird unterteilt in eine Kontrollausübung durch andere Menschen oder durch Zufälle und das Schicksal [57]. In der Zahnheilkunde bedeutet dies, dass ein Patient mit einer großen internalen Kontrollüberzeugung, seine Zähne pflegt, um damit eine Karies oder

(21)

Parodontitis zu vermeiden. Ein Patient mit einer großen externalen Kontrollüberzeugung siedelt die Verantwortung für Karies- und Parodontitisvermeidung bei seinem Zahnarzt an.

Stomatogene Erkrankungen werden von fatalistisch-external-kontrollüberzeugten Patienten als Schicksal oder genetisch bedingt gesehen [vgl. 60]. Diese Patienten sind schwieriger zu einer Mundhygiene-Verhaltensänderung zu motivieren als internal-kontrollüberzeugte.

Die Kontrollüberzeugung wird mit der Dental Coping Beliefs Scale nach Wolfe et al. [61]

erfasst, welche die dentalen Überzeugungen in einem Fragebogen mit 25 Items abfragt. Die Items sind nach der internalen und externalen Kontrollüberzeugung, der Selbstwirksamkeit und dem Glauben über Zahngesundheit gruppiert.

2.4.2 Psychologische Theorien und Modelle der Verhaltensänderung Selbstwirksamkeitstheorie

Bandura [62] beschreibt die Selbstwirksamkeit als eine Überzeugung, durch die sich eine Person für kompetent hält, ein Verhalten realisieren zu können. Nicht die Belohnung für eine durchgeführte Handlung wirkt motivierend, sondern vielmehr die Erwartung der Belohnung.

Synonyme der Selbstwirksamkeit sind die Kompetenzerwartung und die Selbstwirksamkeits- erwartung [58].

Nach Bandura gibt es vier Möglichkeiten, Kompetenzerwartungen zu erwerben:

1.) Direkte Erfahrungen: Ein Patient pflegt seine Zähne regelmäßig nach einer speziellen Putztechnik und bemerkt, dass sein Zahnfleischbluten zurückgegangen ist.

2.) Indirekte Erfahrungen: Ein Patient beobachtet jemand anderen bei der Benutzung von Zahnseide.

3.) Symbolische Erfahrungen: Der Zahnarzt ist davon überzeugt, dass sein Patient die Interdentalraumpflege regelmäßig durchführt.

4.) Gefühlserregung: Der Patient ist aufgeregt, wenn er erstmalig seine neuerworbene elektrische Zahnbürste benutzt und sie, wie gezeigt, richtig anwenden möchte.

Die Selbstwirksamkeit wird durch das Setzen und Erreichen von realistischen Zwischenzielen verstärkt. Entscheidend sind zum Erreichen der Ziele nicht die Fähigkeiten oder Fertigkeiten, sondern die Überzeugung, diese realisieren zu können. Eine Person mit großer Selbstwirksamkeitserwartung kann einen Misserfolg eher tolerieren und verarbeiten als jemand mit geringer Selbstwirksamkeit, der unter Umständen sein Ziel als gescheitert sieht und keine weiteren Bemühungen mehr unternimmt.

(22)

Handlungsplanung und Handlungsbegründung (planned behavior, reasoned action)

Diese beiden Theorien basieren auf den klassischen motivationspsychologischen Erwartungstheorien. Die Handlung wird umso wahrscheinlicher ausgeführt, je größer die Überzeugung ist, damit ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Ebenso wichtig stellt sich der subjektiv empfundene Wert des Zieles dar [58]. Die Erwartung das Ziel zu erreichen und der subjektive Wert des Ziels stehen in enger Beziehung zueinander und führen zu einer Verstärkung der Handlungsintention. Ist einer der beiden Faktoren jedoch überhaupt nicht ausgeprägt, ist auch die Handlungsumsetzung eher unwahrscheinlich. Als Beispiel dient ein Patient, der nicht davon überzeugt ist, durch eine adäquate Zahnpflege Karies verhindern zu können. Dieser Patient wird seine Zähne nicht pflegen, auch wenn schöne schmerzfreie Zähne ihm viel bedeuten. Er muss sozusagen den Zusammenhang verstehen, um handeln zu können.

In der Theorie der Handlungsplanung bestimmen drei Faktoren die Verhaltensänderung [63, 64]:

1.) die Einstellung gegenüber einer bestimmten Handlung mit der Überzeugung über die Auswirkungen und die Bewertung der erwarteten Auswirkungen eines Verhaltens, 2.) die subjektiven Normen zusammengesetzt aus normativen Überzeugungen und der

Motivation, die Wünsche anderer zu befolgen und

3.) der wahrgenommenen Kontrolle über das Verhalten (internale Kontrollüberzeugung).

Überzeugungen Einstellungen Intention Verhalten

Abbildung 2: Die Theorie der Handlungsbegründung [65]

Verhaltensbezogene Überzeugungen

Überzeugungen hinsichtlich des Ergebnisses einer Handlung Bewertung des Ergebnisses der Handlung

Normative Überzeugungen

Überzeugungen hinsichtlich der Meinung anderer

Motivation, mit der Meinung anderer übereinzustimmen

auf die Verhaltensweise bezogene Einstellungen

subjektive Norm für die Verhaltensweise

Verhaltensbezo-

gene Intention Verhalten

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Die Theorie der Handlungsbegründung legt den größten Stellenwert auf die Bildung einer Intention, welches nach Schwarzer [49] noch nicht ausreichend ist für die Realisierung der Handlungsdurchführung.

Health Belief Model

Das Health Belief Model wurde von Hochbaum, Kegeles, Leventhal und Rosenstock entwickelt, um die Einflussfaktoren für ein präventives Gesundheitsverhalten zu untersuchen und die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen [vgl. 66, 67, 68]. Die Basis des Modells bilden vier Gesundheitsüberzeugungen [58]:

1.) die wahrgenommene eigene Krankheits-Anfälligkeit (Vulnerabilität) 2.) die wahrgenommene Schwere und Bedrohlichkeit der Krankheit 3.) wahrgenommene Hindernisse bzw. Unterstützung für Maßnahmen 4.) eingeschätzter Nutzen der Maßnahmen

Ein Patient, der sich von einer Erkrankung betroffen fühlt und diese Erkrankung als bedrohlich wahrnimmt, ist eher geneigt, präventive und krankheitsbewältigende Maßnahmen zu ergreifen. Ein erleichternder Faktor stellt die Unterstützung für diese Maßnahmen und das Wahrnehmen von wenigen Hindernissen zur Durchführung der Prävention dar. Eine günstige Kosten-Nutzen-Abwägung führt zu einer erfolgreichen Etablierung eines präventiven Verhaltens.

Individuelle Modifizierende Faktoren Wahrscheinlichkeit des Handelns Wahrnehmungen

Abbildung 3: Health Belief Model [69]

Wahrgenommene Anfäl- ligkeit für eine Krankheit Wahrgenommene Schwere

und Bedrohlichkeit der Krankheit

Bevölkerungsstatistische Variablen (Alter, Geschlecht, Rasse) Sozialpsychologische Variablen (Persönlichkeit, soziale Schicht, Gleichgestellte und Bezugsgruppen)

Empfundene Bedrohung durch die Krankheit

Aktivierende Momente Kampagnen von Massenmedien,

Rat von anderen, Erinnerungs- schreiben vom Arzt oder Zahnarzt, Krankheit eines Familienmitgliedes oder Freundes, Zeitungsartikel

Wahrgenommene Vorteile der vorbeugen- den Maßnahme

abzüglich der wahrgenommenen Barrieren gegen die Präventivmaßnahme

Wahrscheinlichkeit für die Befolgung der präventiven Gesundheitsmaßnahme

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Das Health Belief Model dient eher dazu, die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an Vorsorge-Maßnahmen zu bestimmen als den Patienten konkret zu motivieren [65]. Das Modell beschreibt den Prozess der Verhaltensänderung nur bis zu der Bildung einer Intention, die häufig nicht in Handlung umgesetzt wird [58]. Schwarzer [52] kritisiert, dass die Selbstwirksamkeitserwartung in dem Modell nicht miteinbezogen wurde, weshalb der Erfolg der Umsetzung der präventiven Maßnahmen in Frage gestellt sei.

Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach)

Das Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns nach Schwarzer [52] setzt die Risiko- wahrnehmung, d. h. die wahrgenommene Bedrohung bzw. Vulnerabilität durch die Krankheit an den Anfang. Von der Risikowahrnehmung werden die Ergebniserwartungen beeinflusst, die wiederum die Selbstwirksamkeit bestimmen [vgl. 58]. Diese drei Faktoren wirken auf die Zielsetzung, ein Verhalten durchzuführen. Diese Zielsetzung wird in eine konkrete Planung umgesetzt. Nach dieser Motivationsphase folgt die Handlungsphase mit der Intention die Handlung durchzuführen, der Aufrechterhaltung der neuerworbenen Verhaltensweise und der Erholung als zyklischer Prozess. Verstärkung erfährt dieser Prozess durch vorhandene Ressourcen, z. B. einen Partner, der ebenso gründlich und zeitaufwendig seine Zähne pflegt.

Als Hindernisse oder Barrieren werden z. B. hohe Kosten oder ein zu großer Zeitaufwand für die Zahnpflege erachtet. Diese Barrieren wirken störend auf den Handlungszyklus. Wenn die Ressourcen ausreichend groß und die Barrieren besonders klein sind, mündet der Handlungszyklus in die Etablierung der Handlung. In diesem Modell werden die Motivationsphase und die eigentliche Handlung gleichermaßen in die theoretischen Konstrukte miteinbezogen.

Selbstwirksamkeit

Ergebniserwartungen

Risikowahrnehmung

MOTIVATIONSPHASE HANDLUNGSPHASE Abbildung 4: Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns [52, 58]

Ziele Planung Absicht Aufrecht- erhaltung

Erholung

Aufgabe der Handlung

Ressourcen &

Barrieren

(25)

Interventionsmodell nach Weinstein, Getz, Milgrom

Speziell für die Zahnheilkunde wurde ein Modell von Weinstein et al. [47] entwickelt, mit welchem der Patient zur Durchführung einer optimalen häuslichen Mundhygiene (oral self care) motiviert werden soll. Das Modell umfasst im Vergleich zu den oben genannten einen Stufenprozess mit den sechs Schritten der Verhaltensänderung [vgl.70].

1. Schritt: Problemeignerschaft

Der Patient muss erkennen, dass die unzureichend durchgeführte Zahnpflege sein persönliches Problem darstellt und nicht Problem des Zahnarztes ist. Der Zahnarzt sollte jedoch dem Patienten mit Plaqueanfärbung und Blutungsindizes verdeutlichen, dass ein Problem besteht.

2. Schritt: Verhaltensanalyse

Das bereits vorhandene Mundpflegeverhalten des Patienten muss eruiert und protokolliert werden. Die Gründe für eine unzureichende Pflege müssen festgestellt werden. Zum einen können Fähigkeitsdefizite vorliegen (Wissensdefizit und/oder Fertigkeitsdefizit) oder ein Durchführungsdefizit. Bei einem Wissensdefizit weiß der Patient nicht, was er tun soll oder warum dies wichtig ist. Das Fertigkeitsdefizit ist dadurch charakterisiert, dass der Patient nicht weiß, wie er seine Zähne reinigen kann. Bei einem Durchführungsdefizit ist der Patient über das wie und warum der Zahnpflege informiert, führt es aber aufgrund von mangelnder Motivation nicht aus.

3. Schritt: Zielbestimmung

Das langfristige Endziel der für den Patienten wichtigen Zahnpflegemaßnahmen wird festgelegt. Dieses Ziel soll über festgelegte kurzfristige Zwischenziele erreicht werden.

4. Schritt: Interventionsplanung

Dieser Schritt beschreibt die konkrete Interventionsplanung. Bei einem vorliegenden Wissensdefizit müssen dem Patienten die nötigen Informationen vermittelt werden. Ein Fertigkeitstrainig dient zum Ausgleich von Fertigkeitsdefiziten. Durchführungsdefizite werden mit einer Motivationsanalyse behoben. Die Motivationsanalyse erhebt die Gründe für ein Nichtdurchführen des Verhaltens und versucht den Patienten spezifisch zur Annahme des optimalen Verhaltens zu motivieren.

(26)

5. Schritt: Interventionsdurchführung

Der Interventionsplan wird in diesem Schritt unter Beachtung von lernpsychologischen Prinzipien durchgeführt. Für die erfolgreiche Durchführung sind Verhaltens- aufzeichnungen, ein schrittweises Vorgehen und Verstärkungsprinzipien somit ausschlaggebend.

6. Schritt: Festigung des neuen Gewohnheitsmusters/Rückfallprophylaxe

Damit das neu erlernte Verhalten gefestigt wird, bedarf es bestimmter Vorkehrungen.

Diese beziehen sich auf den Abbau der zahnärztlichen Unterstützung und die damit verbundene Selbstverantwortung des Patienten sowie eine Diskussion über mögliche Rückfälle und einen Recalltermin zur Kontrolle.

Besonders das Interventionsmodell nach Weinstein, aber auch die anderen beschriebenen Modelle zielen auf die face-to-face-Methode zwischen Behandler und Patient zur Verhaltensänderung ab. Diese Methode wird mit den beschriebenen Modellen erfolgreich praktiziert. Ein weiteres Modell bezieht sich auf die face-to-face-Methode und versucht durch eine mediengestützte Anwendung größere Bevölkerungsgruppen zu erreichen [57]. Dieses Transtheoretische Modell (TTM) nach Prochaska und DiClemente [71, 72, 73, 74] wird im folgenden Kapitel beschrieben.

2.5 Transtheoretisches Modell (TTM)

2.5.1 Ursprung des TTMs

In den frühen 80er Jahren begannen James Prochaska, Carlo DiClemente und ihre Kollegen ein Stufenmodell der Einstellungs- und Verhaltensänderung zu entwickeln [71, 72, 73, 74].

Der Grundgedanke kennzeichnet den schrittweisen Vorgang der Verhaltensänderung von einer Stufe zur nächsten, so lange bis die höchste Stufe, welche dem Zielverhalten entspricht, erreicht ist.

Anfangs hielten sie an einem Modell mit vier Stufen (Absichtsbildung, Änderungsentscheidung, kurzzeitige Änderungshandlung, langfristige Änderungshandlung)

(27)

fest [75]. Prochaskas Analyse über die gemeinsamen Elemente der verschiedenen Psychotherapiesysteme bildet eine weitere Grundlage für die Entwicklung des TTMs.

Die „Stages of Change“ wurden empirisch entwickelt [76]. Man beobachtete, dass Menschen, die ein Problemverhalten ändern wollen, gewisse Änderungsperioden durchlaufen. 1982 wurden diese Prozesse anhand einer retrospektiven Studie über das Aufhören des Rauchens mit „Änderungsentscheidung“, „aktive Änderung“ und „Aufrechterhaltung“ benannt. Ein Jahr später wurde von McConnaughy et al. [77] eine Skala, bekannt als „University of Rhode Island Change Assessment“ [URICA], für die Einteilung in die Stufen entwickelt. Es konnten damit fünf Stufen („Absichtslosigkeit“, „Absichtsbildung“, „Handlung“, „Aufrechterhaltung“

und „Rückfall“) identifiziert werden. Diese wurden in einem Kreis dargestellt und mit einem Durchlaufen der Abschnitte in einer Richtung definiert. Später wurde die „Rückfall“-Stufe nicht als eigene Stufe, sondern als Rückfallbewegung auf eine niedrigere Stufe gesehen und das Modell wurde spiralförmig dargestellt, um zyklische Bewegung und stetiges Fortschreiten darzustellen [78]. Zwischen der Stufe der Absichtsbildung und der Stufe der Handlung konnte in den frühen 90er Jahren eine weitere Stufe durch eine Clusteranalyse identifiziert werden:

die Stufe der Vorbereitung [79]. Diese Stufe konnte bei der Verhaltensänderung des Rauchens nachgewiesen werden und bezieht sich auf einen zeitlich begrenzten Abschnitt des Änderungsprozesses. Daher ist sie möglicherweise nicht bei allen anderen Verhaltensänderungen nachzuweisen. Als letzte Stufe wurde die Stabilisierung des Verhaltens eingeführt.

(28)

Abbildung 5: Transtheoretisches Modell

2.5.2 Kernkonstrukte des TTMs

Die Grundlage des TTMs bilden vier Komponenten: die Stufen der Verhaltensänderung (stages of change), die Strategien der Verhaltensänderung (processes of change), die Entscheidungbalance (decision balance) und die Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) mit ihrem Gegenspieler: der situativen Versuchung (temptation).

In diesen Komponenten sind Theorien verschiedener Forscher vereint, wie z. B. die Selbstwirksamkeitstheorie nach Bandura [62, 80] oder das Decision Making Model von Janis und Mann [81]. Konzeptuelle Ähnlichkeiten zur Theory of Planned Behavior von Ajzen [63]

sind ebenso festzustellen.

Stufen der Verhaltenänderung (stages of change)

Der Prozess der Verhaltensänderung lässt sich somit in fünf bzw. sechs aufeinander folgende Stufen einteilen. Das Durchlaufen aller Stufen und das Ausführen der stufenspezifischen Strategien sind für eine erfolgreiche Verhaltensänderung unumgänglich [78]. Auf klinische Anwendungen bezogen, erfolgt die Stufeneinteilung über einen einfachen Algorithmus mit

Absichtslosigkeit

Vorbereitung Absichtsbildung

Handlung

Aufrechterhaltung Stabilisierung

(29)

einander ausschließenden Antwortmöglichkeiten. Für die Raucherentwöhnung werden folgende Fragen gestellt [82]:

1. Rauchen Sie zur Zeit Zigaretten?

a) Ja, und ich habe nicht vor, in den nächsten 6 Monaten damit aufzuhören.

(Absichtslosigkeit, Stufe 1)

b) Ja, aber ich habe vor, in den nächsten 6 Monaten damit aufzuhören.

(Absichtsbildung, Stufe 2)

c) Ja, aber ich habe vor, in den nächsten 30 Tagen damit aufzuhören.

(Vorbereitung, Stufe 3 oder Absichtsbildung, Stufe 2) d) Nein, seit weniger als 6 Monaten nicht mehr.

(Handlung, Stufe 4)

e) Nein, seit mehr als 6 Monaten nicht mehr.

(Aufrechterhaltung, Stufe 5)

2. Wie häufig haben Sie in den vergangenen 12 Monaten bewusst versucht, für mindes- tens 24 Stunden nicht zu rauchen?

0 mal 1-2 mal 3-4 mal 5-6 mal ≥ 7 mal

Die Einteilung in die einzelnen Stufen erfolgt nach der ersten Frage. Personen, die Antwort c wählen, zählen nur zur Stufe der Vorbereitung, wenn sie mindestens schon einen Abstinenzversuch unternommen haben. Andernfalls werden sie der Stufe der Absichtsbildung zugeordnet.

Charakteristika der einzelnen Stufen

- Absichtslosigkeit (Precontemplation, „I won’t“ [83])

Personen dieser Stufe weisen keine Intention auf, ihr Verhalten in näherer Zukunft zu ändern.

Als nähere Zukunft wird ein Zeitraum von sechs Monaten verstanden. Oft sind sie sich ihres Problemverhaltens nicht bewusst, da ihnen Informationen über die Konsequenzen fehlen. Sie sind nicht davon überzeugt, dass positive Aspekte einer möglichen Verhaltensänderung die negativen überwiegen. Daher wird diese Stufe als die stabilste des Modells verstanden [82].

(30)

Mögliche Therapie: Einer Person dieser Stufe müssen Informationen über die Konsequenzen ihres Risikoverhaltens gegeben werden. Alternative Verhaltensweisen und die Nützlichkeit der gesünderen Lebensweise müssen aufgezeigt werden [83].

- Absichtsbildung (Contemplation, „I might“ [83], “knowing where you want to go, but not quite ready yet” [77])

Diese Stufe kennzeichnet eine aktive Auseinandersetzung mit dem Risikoverhalten. Das Bewusstsein über das vorhandene Problemverhalten ist anzutreffen, allerdings stehen die Vor- und Nachteile einer möglichen Verhaltensänderung im Gleichgewicht. Daher werden keine konkreten Handlungen vorgenommen. Die Absicht, das Verhalten zu ändern, soll in den nächsten sechs Monaten in Handlung umgesetzt werden.

Mögliche Therapie: Ein konkreter Plan für die Änderung muss erstellt werden (decision making).

- Vorbereitung (Preparation, „I will“ [83])

Patienten dieser Stufe sind hoch motiviert, ihr Verhalten in der nahen Zukunft, meist in den nächsten 30 Tagen [84], zu ändern. Typischerweise haben Sie erste Schritte zum Erreichen des Zielverhaltens unternommen. Sie sind besonders ansprechbar für konkrete Angebote oder Programme der Verhaltensänderung. Diese Stufe wird auch aufgrund des kurzen Zeitraums von 30 Tagen als Übergangsstufe bezeichnet.

Mögliche Therapie: Eine Unterstützung bei der Umsetzung der geplanten Verhaltensänderung sollte Bestandteil der Interventionen sein.

- Handlung (Action, „I am“ [83])

Das Zielverhalten des Änderungsprozesses ist erreicht. Dies bezieht sich z. B. bei der Raucherentwöhnung auf totale Abstinenz und wird seit mehr als einem Tag und kürzerer Zeit als einem halben Jahr durchgeführt. Diese Stufe wird als die aktivste bezeichnet, da sie mit einem großen Aufwand aktiver Leistungen verbunden ist. Daher ist das Risiko für Rückfälle erhöht [82].

Mögliche Therapie: Effektive Strategien und Techniken müssen eingesetzt werden, um die Annahme des neuen Verhaltens zu erleichtern.

(31)

- Aufrechterhaltung (Maintenance, „I have“ [83])

Diese Stufe ist erreicht, wenn das Zielverhalten seit über einem halben Jahr ausgeführt wird.

Es handelt sich weiterhin um eine aktive Phase, in der dem Rückfall vorgebeugt werden muss.

Personen dieser Stufe haben zunehmend mehr Selbstvertrauen und unterliegen somit weniger der Versuchung auf eine andere Stufe zurückzufallen. Empirischen Ermittlungen zufolge kann diese Stufe einen Zeitrahmen von einem halben Jahr bis zu fünf Jahren einnehmen. Bei Rauchern kommt es in 43% der Fälle zu Rückfällen nach einem Jahr und nur zu 7%

Rückfällen nach fünf Jahren [84]. In einigen Verhaltensbereichen, wie der Ausübung körperlicher Aktivität oder der Aneignung gesunder Ernährung verbleiben die Personen lebenslang auf dieser Stufe, da es sich um stetige aktive Prozesse handelt [82].

Mögliche Therapie: Rückfallsituationen muss vorgebeugt werden. Die Personen dieser Stufe müssen vor allem in ihrem Selbstvertrauen gesteigert werden, die neue Verhaltensweise auch unter schwierigen Bedingungen durchführen zu können.

- Stabilisierung (Termination)

Personen dieser Stufe sind zu 100% zuversichtlich, ihr Zielverhalten auch unter ungünstigen Umständen beizubehalten. Es besteht keine Tendenz zur Versuchung in alte Verhaltensmuster abzugleiten und damit auch kein Anzeichen auf eine niedrigere Stufe zurückzufallen [84]. Für die Raucherentwöhnung hat diese Stufe den Sinn, dass eine Person keiner Versuchung mehr unterliegt, wieder mit dem Rauchen zu beginnen. Der aktive Prozess der Verhaltensänderung ist somit abgeschlossen. Allerdings erlangen weniger als 20% der Tabakabstinenten diese Stufe. Es findet keine weitere Auseinandersetzung mit dem Problemverhalten statt, welches in anderen Bereichen wie der Steigerung körperlicher Aktivität oder dem Stressabbau wahrscheinlich nicht erreicht werden kann.

Im Normalfall bauen die Stufen aufeinander auf und eine änderungsmotivierte Person durchläuft sie von der ersten bis zur letzten Stufe. Es sind jedoch auch Rückschritte festzustellen, die als Regression bezeichnet werden, wenn sie von einer höheren auf eine niedrigere Stufe stattfinden oder als Rückfall, wenn sie von der Handlungs- oder Aufrechterhaltungsstufe in eine frühere Stufe vorkommen. Die Mehrzahl dieser Personen fällt auf die Stufe der Absichtsbildung zurück und muss in ihrem Änderungsprozess nicht wieder bei „Null“ beginnen, was durch die spiralförmige Gestaltung des Modells verdeutlicht werden soll.

(32)

Die Verteilung der untersuchten Personen auf die Stufen zu einem bestimmten Zeitpunkt ist abhängig vom jeweiligen Verhaltensbereich, von der Definition des Stufenalgorithmus und von kulturellen Faktoren [82].

Prozesse der Verhaltensänderung (processes of change)

Als Prozesse der Verhaltensänderung werden Handlungen, Ereignisse und Strategien bezeichnet, die den Personen helfen, ihr Verhalten zu ändern [85]. Diese werden in einem Fragebogen mit 40 Items erfasst. Zu jedem Item wird die Antwort auf einer Fünf-Punkte- Skala nach Likert angegeben.

Die Strategien sind Interventionen, die die Personen nutzen, um von einer Stufe auf die nächste voranzuschreiten. Diese beschreiben wie die Verhaltensänderung stattfindet. Ihre Grundlagen sind in Ansätzen aus verschiedenen psychologischen Gebieten zu finden, wie dem Steigern des Problembewusstseins aus der Freudschen Theorie, der Belohnung nach erfolgreicher Handlung aus der Skinnerschen Theorie oder der Zuhilfenahme von sozialen Beziehungen, welches in der Rogerianischen Tradition angewendet wird.

Durch empirische Ermittlung wurde belegt, dass nicht alle Prozesse in allen Stufen Anwendung finden, sondern ganz bestimmte sehr häufig in bestimmten Stufen. Daher wurden die Strategien bestimmten Stufen zugeordnet, um eine Intervention gezielter durchführen zu können. Dies erleichtert besonders den Therapeuten das Erstellen eines Therapieplans und bildet wichtige Richtlinien für Interventionsprogramme [84].

Die Einteilung der Strategien lässt sich in zwei große Gruppen vornehmen: zum einen die kognitiv-affektiven, die in den ersten drei Stufen von Bedeutung sind und zum anderen die verhaltensorientierten, die für die Stufen von der Vorbereitung bis zur Aufrechterhaltung relevant sind.

(33)

Die Stufenzuordnung gliedert sich wie folgt:

Absichtslosigkeit Vorbereitung Aufrechterhaltung Absichtsbildung Handlung

KOGNITIV AFFEKTIV

Steigern des Problem- Bewusstseins

Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen

Emotionales Erleben Selbstneubewertung Neubewertung der persönlichen Umwelt

VERHALTENSORIENTIERT

Selbstverpflichtung Nutzen hilfreicher Beziehungen

(Selbst-) Verstärkung Gegenkonditionierung Kontrolle der Umwelt

Abbildung 6: Strategien der Verhaltensänderung für die entsprechenden Stufen, aus Keller et al. [82]

Kognitiv-affektive Strategien (experiental processes)

- Steigern des Problembewusstseins (consciousness raising):

Ein bewussteres Wahrnehmen der Gründe, der Konsequenzen und der möglichen Schritte für eine Verhaltensänderung wird gefördert. Dieses wird mit Rückmeldung zum Problemverhalten, Aufklärung und Informationsvermittlung erreicht.

- Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen (social liberation):

Das aktive Wahrnehmen von erleichternden Bedingungen für eine Änderung wird vom Umfeld unterstützt. Als Beispiel sind Nichtraucher-Zonen zu nennen.

- Emotionales Erleben (dramatic relief):

Die persönliche Betroffenheit zu dem entsprechenden Problemverhalten und seinen Konsequenzen wird gefördert. Dies kann durch Rollenspiele oder das Erleben von Trauer und Verlust geschehen. Als Beispiel dient die Wahrnehmung von Krankheiten und deren Konsequenzen oder von Todesfällen in der Bekanntschaft durch Tabakkonsum.

(34)

- Selbstneubewertung (self-reevaluation):

Kognitive und emotionale Konsequenzen des vorhandenen Risikoverhaltens werden wahrgenommen. Es findet eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Wertvorstellungen statt. Die Person soll sich die positiven Aspekte vorstellen, wie es wäre, wenn sie ihr Problemverhalten abgelegt hat.

- Neubewertung der persönlichen Umwelt (environmental reevaluation):

Das bewusste Wahrnehmen von Konsequenzen des Problemverhaltens, aber auch des erstrebenswerten Zielverhaltens für das persönliche Umfeld wird gefördert. Wichtig ist es, die Aufmerksamkeit zu wecken, dass mit dem eigenen problematischen Verhalten andere Mitmenschen beeinträchtigt werden, z. B. die Familie eines Rauchers. Dieser Veränderungsprozess schließt das einfühlende Verstehen, die sogenannte Empathie, ein.

Verhaltensorientierte Strategien (behavioral processes) - Selbstverpflichtung (self-liberation):

Mit diesem Prozess wird der Glaube und die Selbstverpflichtung gekennzeichnet, das Verhalten ändern zu können. Es werden feste Vorsätze formuliert (z. B.

„Neujahrvorsätze“) und diese auch anderen mitgeteilt. Eine effektivere Umsetzung der Vorsätze wird durch alternative Zielsetzungen, wie z. B. eine Reduktion der Zigarettenanzahl oder die Verwendung von Nikotinpflastern, erreicht.

- Nutzen hilfreicher Beziehungen (helping relationships):

Hierbei spielt die Unterstützung von anderen Personen eine wichtige Rolle.

Regelmäßige Kontakte und das Einbinden von hilfreichen Personen fördern diesen Prozess. Beispielsweise trifft man sich mit Freunden, um regelmäßig sportlich aktiv zu werden.

- (Selbst-) Verstärkung (reinforcement management):

Diese Strategie setzt Belohnung für die erfolgreiche Umsetzung der geplanten Handlungen ein. Dieses kann ein Lob sein oder die Person unterstützt sich selbst mit einem Bonus, z. B. einem Kinobesuch.

- Gegenkonditionierung (counterconditioning):

Hier werden ungünstige Verhaltensweisen durch günstige ersetzt, wie z. B. die Anwendung von Autogenem Training bei erhöhtem Stress.

(35)

- Kontrolle der Umwelt (stimulus control):

Mögliche Auslöser von ungünstigen Verhaltensweisen, wie z. B. Aschenbecher oder eine Schale gefüllt mit Süßem, werden entfernt. Außerdem wird der Umgang mit Personen gemieden, die das Problemverhalten weiterhin ausführen.

Entscheidungsbalance (decisional balance)

Die Summe der wahrgenommenen Vor- und Nachteile des Zielverhaltens wird als Entscheidungsbalance bezeichnet [86].

Diesem Konstrukt liegt das Decision Making Model von Janis und Mann [81] zugrunde. Die Kernaussage beschreibt das Abwägen von Vorteilen und Nachteilen durch die mögliche Verhaltensänderung. Dies wird in vier Hauptkomponenten für die aus der Verhaltensänderung resultierenden Konsequenzen (Vorteile oder Nachteile für sich selbst, Vorteile oder Nachteile für andere, Zustimmung oder Ablehnung von anderen, Selbst-Zustimmung oder Selbst- Ablehnung) eingeteilt. Velicer et al. [87] entwickelten einen 24-Item-Fragebogen (24-item decisional balance measure), um die Entscheidungsbalance zu erfassen. Sie untersuchten den Entscheidungprozess mit mehreren Studien und kamen zu dem Ergebnis, dass diese vier Hauptkomponenten auf zwei reduziert werden können, nämlich die „Pro“- und die „Kontra- Argumente“ der Verhaltensänderung [88]. Die Gewichtung der Vor- und Nachteile ist von der Stufenzugehörigkeit der betreffenden Person abhängig. Auf der Stufe der Absichtslosigkeit überwiegen die Nachteile. Auf den Stufen der Absichtsbildung oder Vorbereitung kommt es zu einer Überkreuzung dieser Komponenten und es überwiegen die Vorteile. Wann das Kreuzen der Vor- und Nachteile stattfindet, hängt von der jeweilig untersuchten Verhaltensänderung ab.

Abbildung 7: Verlauf von Vor- und Nachteilen über die Stufen des TTMs

AL: Absichtslosigkeit, AB: Absichtsbildung, V: Vorbereitung, H: Handlung, AE: Aufrechterhaltung

AL AB V H AE

Vorteile Nachteile

(36)

Selbstwirksamkeit (self-efficacy) und situative Versuchung (temptation)

Banduras Theorie von der Selbstwirksamkeit [62] bildet die Grundlage für dieses Kern- konstrukt. Nach dieser Theorie gelingt es Personen ein Verhalten durchzuführen, wenn sie davon überzeugt sind, dass es ihnen gelingt. Personen, die von vornherein meinen, dieses Verhalten nicht ausführen zu können, schaffen es auch nicht [80]. Das Wahrnehmen der eigenen Fähigkeiten beeinflusst die Annahme und das Andauern von Bemühungen zur Verhaltensänderung [62]. Nach Bandura gibt es vier Quellen der Selbstwirksamkeit: die eigene Motivation, die Motivation durch andere, die verbale Überzeugung und die emotionale Verbindung zur Handlung.

Im TTM wird die Selbstwirksamkeit als Ausmaß der Zuversicht bezeichnet, das Zielverhalten auch unter ungünstigen Bedingungen durchzuführen. Ähnliche Aspekte dieser wahrgenommenen Verhaltenskontrolle sind auch in der Theory of Planned Behavior von Ajzen [63] zu finden. Die Selbstwirksamkeit nimmt von der ersten bis zur letzten Stufe stetig zu. Konträr dazu verhält sich die situative Versuchung [82]. Sie nimmt von der ersten bis zur letzten Stufe stetig ab. Die situative Versuchung beschreibt das Bedürfnis oder das Verlangen, das Problemverhalten ausführen zu müssen, besonders unter Stress oder negativen äußeren Einflüssen. Demzufolge weisen Personen der ersten Stufe eine große situative Versuchung und eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung und Personen der letzten Stufe eine geringe situative Versuchung und eine große Selbstwirksamkeitserwartung auf.

Abbildung 8: Verlauf von Selbstwirksamkeit und Versuchung über die Stufen des TTMs

AL: Absichtslosigkeit, AB: Absichtsbildung, V: Vorbereitung, H: Handlung, AE: Aufrechterhaltung

AL AB V H AE

Selbstwirksamkeit Versuchung

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