• Keine Ergebnisse gefunden

Psychologische Theorien und Modelle der Verhaltensänderung

2. Literaturübersicht

2.4 Psychologie des Gesundheitsverhaltens

2.4.2 Psychologische Theorien und Modelle der Verhaltensänderung

Bandura [62] beschreibt die Selbstwirksamkeit als eine Überzeugung, durch die sich eine Person für kompetent hält, ein Verhalten realisieren zu können. Nicht die Belohnung für eine durchgeführte Handlung wirkt motivierend, sondern vielmehr die Erwartung der Belohnung.

Synonyme der Selbstwirksamkeit sind die Kompetenzerwartung und die Selbstwirksamkeits-erwartung [58].

Nach Bandura gibt es vier Möglichkeiten, Kompetenzerwartungen zu erwerben:

1.) Direkte Erfahrungen: Ein Patient pflegt seine Zähne regelmäßig nach einer speziellen Putztechnik und bemerkt, dass sein Zahnfleischbluten zurückgegangen ist.

2.) Indirekte Erfahrungen: Ein Patient beobachtet jemand anderen bei der Benutzung von Zahnseide.

3.) Symbolische Erfahrungen: Der Zahnarzt ist davon überzeugt, dass sein Patient die Interdentalraumpflege regelmäßig durchführt.

4.) Gefühlserregung: Der Patient ist aufgeregt, wenn er erstmalig seine neuerworbene elektrische Zahnbürste benutzt und sie, wie gezeigt, richtig anwenden möchte.

Die Selbstwirksamkeit wird durch das Setzen und Erreichen von realistischen Zwischenzielen verstärkt. Entscheidend sind zum Erreichen der Ziele nicht die Fähigkeiten oder Fertigkeiten, sondern die Überzeugung, diese realisieren zu können. Eine Person mit großer Selbstwirksamkeitserwartung kann einen Misserfolg eher tolerieren und verarbeiten als jemand mit geringer Selbstwirksamkeit, der unter Umständen sein Ziel als gescheitert sieht und keine weiteren Bemühungen mehr unternimmt.

Handlungsplanung und Handlungsbegründung (planned behavior, reasoned action)

Diese beiden Theorien basieren auf den klassischen motivationspsychologischen Erwartungstheorien. Die Handlung wird umso wahrscheinlicher ausgeführt, je größer die Überzeugung ist, damit ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Ebenso wichtig stellt sich der subjektiv empfundene Wert des Zieles dar [58]. Die Erwartung das Ziel zu erreichen und der subjektive Wert des Ziels stehen in enger Beziehung zueinander und führen zu einer Verstärkung der Handlungsintention. Ist einer der beiden Faktoren jedoch überhaupt nicht ausgeprägt, ist auch die Handlungsumsetzung eher unwahrscheinlich. Als Beispiel dient ein Patient, der nicht davon überzeugt ist, durch eine adäquate Zahnpflege Karies verhindern zu können. Dieser Patient wird seine Zähne nicht pflegen, auch wenn schöne schmerzfreie Zähne ihm viel bedeuten. Er muss sozusagen den Zusammenhang verstehen, um handeln zu können.

In der Theorie der Handlungsplanung bestimmen drei Faktoren die Verhaltensänderung [63, 64]:

1.) die Einstellung gegenüber einer bestimmten Handlung mit der Überzeugung über die Auswirkungen und die Bewertung der erwarteten Auswirkungen eines Verhaltens, 2.) die subjektiven Normen zusammengesetzt aus normativen Überzeugungen und der

Motivation, die Wünsche anderer zu befolgen und

3.) der wahrgenommenen Kontrolle über das Verhalten (internale Kontrollüberzeugung).

Überzeugungen Einstellungen Intention Verhalten

Abbildung 2: Die Theorie der Handlungsbegründung [65]

Verhaltensbezogene Überzeugungen

Überzeugungen hinsichtlich des Ergebnisses einer Handlung Bewertung des Ergebnisses der Handlung

Normative Überzeugungen

Überzeugungen hinsichtlich der Meinung anderer

Motivation, mit der Meinung anderer übereinzustimmen

auf die Verhaltensweise bezogene Einstellungen

subjektive Norm für die Verhaltensweise

Verhaltensbezo-gene Intention Verhalten

Die Theorie der Handlungsbegründung legt den größten Stellenwert auf die Bildung einer Intention, welches nach Schwarzer [49] noch nicht ausreichend ist für die Realisierung der Handlungsdurchführung.

Health Belief Model

Das Health Belief Model wurde von Hochbaum, Kegeles, Leventhal und Rosenstock entwickelt, um die Einflussfaktoren für ein präventives Gesundheitsverhalten zu untersuchen und die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen [vgl. 66, 67, 68]. Die Basis des Modells bilden vier Gesundheitsüberzeugungen [58]:

1.) die wahrgenommene eigene Krankheits-Anfälligkeit (Vulnerabilität) 2.) die wahrgenommene Schwere und Bedrohlichkeit der Krankheit 3.) wahrgenommene Hindernisse bzw. Unterstützung für Maßnahmen 4.) eingeschätzter Nutzen der Maßnahmen

Ein Patient, der sich von einer Erkrankung betroffen fühlt und diese Erkrankung als bedrohlich wahrnimmt, ist eher geneigt, präventive und krankheitsbewältigende Maßnahmen zu ergreifen. Ein erleichternder Faktor stellt die Unterstützung für diese Maßnahmen und das Wahrnehmen von wenigen Hindernissen zur Durchführung der Prävention dar. Eine günstige Kosten-Nutzen-Abwägung führt zu einer erfolgreichen Etablierung eines präventiven Verhaltens.

Individuelle Modifizierende Faktoren Wahrscheinlichkeit des Handelns Wahrnehmungen

Abbildung 3: Health Belief Model [69]

Wahrgenommene Anfäl-ligkeit für eine Krankheit Wahrgenommene Schwere Erinnerungs-schreiben vom Arzt oder Zahnarzt, Krankheit eines Familienmitgliedes oder Freundes, Zeitungsartikel

Wahrgenommene Vorteile der vorbeugen-den Maßnahme

abzüglich der wahrgenommenen Barrieren gegen die Präventivmaßnahme

Wahrscheinlichkeit für die Befolgung der präventiven Gesundheitsmaßnahme

Das Health Belief Model dient eher dazu, die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an Vorsorge-Maßnahmen zu bestimmen als den Patienten konkret zu motivieren [65]. Das Modell beschreibt den Prozess der Verhaltensänderung nur bis zu der Bildung einer Intention, die häufig nicht in Handlung umgesetzt wird [58]. Schwarzer [52] kritisiert, dass die Selbstwirksamkeitserwartung in dem Modell nicht miteinbezogen wurde, weshalb der Erfolg der Umsetzung der präventiven Maßnahmen in Frage gestellt sei.

Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach)

Das Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns nach Schwarzer [52] setzt die Risiko-wahrnehmung, d. h. die wahrgenommene Bedrohung bzw. Vulnerabilität durch die Krankheit an den Anfang. Von der Risikowahrnehmung werden die Ergebniserwartungen beeinflusst, die wiederum die Selbstwirksamkeit bestimmen [vgl. 58]. Diese drei Faktoren wirken auf die Zielsetzung, ein Verhalten durchzuführen. Diese Zielsetzung wird in eine konkrete Planung umgesetzt. Nach dieser Motivationsphase folgt die Handlungsphase mit der Intention die Handlung durchzuführen, der Aufrechterhaltung der neuerworbenen Verhaltensweise und der Erholung als zyklischer Prozess. Verstärkung erfährt dieser Prozess durch vorhandene Ressourcen, z. B. einen Partner, der ebenso gründlich und zeitaufwendig seine Zähne pflegt.

Als Hindernisse oder Barrieren werden z. B. hohe Kosten oder ein zu großer Zeitaufwand für die Zahnpflege erachtet. Diese Barrieren wirken störend auf den Handlungszyklus. Wenn die Ressourcen ausreichend groß und die Barrieren besonders klein sind, mündet der Handlungszyklus in die Etablierung der Handlung. In diesem Modell werden die Motivationsphase und die eigentliche Handlung gleichermaßen in die theoretischen Konstrukte miteinbezogen.

Selbstwirksamkeit

Ergebniserwartungen

Risikowahrnehmung

MOTIVATIONSPHASE HANDLUNGSPHASE Abbildung 4: Prozess-Modell gesundheitlichen Handelns [52, 58]

Ziele Planung Absicht Aufrecht-erhaltung

Erholung

Aufgabe der Handlung

Ressourcen &

Barrieren

Interventionsmodell nach Weinstein, Getz, Milgrom

Speziell für die Zahnheilkunde wurde ein Modell von Weinstein et al. [47] entwickelt, mit welchem der Patient zur Durchführung einer optimalen häuslichen Mundhygiene (oral self care) motiviert werden soll. Das Modell umfasst im Vergleich zu den oben genannten einen Stufenprozess mit den sechs Schritten der Verhaltensänderung [vgl.70].

1. Schritt: Problemeignerschaft

Der Patient muss erkennen, dass die unzureichend durchgeführte Zahnpflege sein persönliches Problem darstellt und nicht Problem des Zahnarztes ist. Der Zahnarzt sollte jedoch dem Patienten mit Plaqueanfärbung und Blutungsindizes verdeutlichen, dass ein Problem besteht.

2. Schritt: Verhaltensanalyse

Das bereits vorhandene Mundpflegeverhalten des Patienten muss eruiert und protokolliert werden. Die Gründe für eine unzureichende Pflege müssen festgestellt werden. Zum einen können Fähigkeitsdefizite vorliegen (Wissensdefizit und/oder Fertigkeitsdefizit) oder ein Durchführungsdefizit. Bei einem Wissensdefizit weiß der Patient nicht, was er tun soll oder warum dies wichtig ist. Das Fertigkeitsdefizit ist dadurch charakterisiert, dass der Patient nicht weiß, wie er seine Zähne reinigen kann. Bei einem Durchführungsdefizit ist der Patient über das wie und warum der Zahnpflege informiert, führt es aber aufgrund von mangelnder Motivation nicht aus.

3. Schritt: Zielbestimmung

Das langfristige Endziel der für den Patienten wichtigen Zahnpflegemaßnahmen wird festgelegt. Dieses Ziel soll über festgelegte kurzfristige Zwischenziele erreicht werden.

4. Schritt: Interventionsplanung

Dieser Schritt beschreibt die konkrete Interventionsplanung. Bei einem vorliegenden Wissensdefizit müssen dem Patienten die nötigen Informationen vermittelt werden. Ein Fertigkeitstrainig dient zum Ausgleich von Fertigkeitsdefiziten. Durchführungsdefizite werden mit einer Motivationsanalyse behoben. Die Motivationsanalyse erhebt die Gründe für ein Nichtdurchführen des Verhaltens und versucht den Patienten spezifisch zur Annahme des optimalen Verhaltens zu motivieren.

5. Schritt: Interventionsdurchführung

Der Interventionsplan wird in diesem Schritt unter Beachtung von lernpsychologischen Prinzipien durchgeführt. Für die erfolgreiche Durchführung sind Verhaltens-aufzeichnungen, ein schrittweises Vorgehen und Verstärkungsprinzipien somit ausschlaggebend.

6. Schritt: Festigung des neuen Gewohnheitsmusters/Rückfallprophylaxe

Damit das neu erlernte Verhalten gefestigt wird, bedarf es bestimmter Vorkehrungen.

Diese beziehen sich auf den Abbau der zahnärztlichen Unterstützung und die damit verbundene Selbstverantwortung des Patienten sowie eine Diskussion über mögliche Rückfälle und einen Recalltermin zur Kontrolle.

Besonders das Interventionsmodell nach Weinstein, aber auch die anderen beschriebenen Modelle zielen auf die face-to-face-Methode zwischen Behandler und Patient zur Verhaltensänderung ab. Diese Methode wird mit den beschriebenen Modellen erfolgreich praktiziert. Ein weiteres Modell bezieht sich auf die face-to-face-Methode und versucht durch eine mediengestützte Anwendung größere Bevölkerungsgruppen zu erreichen [57]. Dieses Transtheoretische Modell (TTM) nach Prochaska und DiClemente [71, 72, 73, 74] wird im folgenden Kapitel beschrieben.