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Psychologische Grundlagen für Prophylaxe-Programme

2. Literaturübersicht

2.4 Psychologie des Gesundheitsverhaltens

2.4.1 Psychologische Grundlagen für Prophylaxe-Programme

Die Motivation umfaßt nach Heckhausen [43] Phasen des Wünschens, Wählens und Wollens, d. h. Motivation ist die Gesamtheit all derjenigen Beweggründe, die eine einzelne Handlungstendenz bestimmen. Mit Motivation wird die Bereitschaft bzw. eine Art innere Energie beschrieben, eine Tätigkeit auszuführen. Diese Tätigkeit zielt darauf ab, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, wobei unter Bedürfnis das Erleben eines Mangelzustandes verstanden wird, den der Organismus auszugleichen versucht [44]. Diese Art der Motivation geht von dem Individuum selbst aus.

Wenn jemand versucht, einen anderen zu motivieren, spricht man von Motivierung. Die Motivierung ist als eine gezielte, absichtliche Verhaltensbeeinflussung definiert [45]. Dieses Modell ist häufig im Gesundheitsbereich zu finden, wenn z. B. der Zahnarzt seine Patienten zu einer besseren Mundpflege motivieren möchte. Diese Motivierung kann durch Sachinformationen erfolgen [46], welche der Anfangsmotivation und Intentionsbildung für eine Verhaltensänderung dienen. Dies wird als Gesundheitsaufklärung und –beratung betrachtet. In der Praxis sind diese Informationen allein nicht ausreichend, um eine langfristige Verhaltensänderung zu unterstützen. Vielmehr muss der Zahnarzt dem Patienten verdeutlichen, dass er ein Problemverhalten aufweist, indem er dem Patienten die Folgen seiner unzureichenden Mundhygienebemühungen erklärt [44, 47]. Auch die Aufklärung über Krankheitsursachen ist ein fester Bestandteil einer erfolgreichen Motivierung [48]. Patienten müssen in dem Prozess der Änderung begleitet werden, indem sie Unterstützung zur Überwindung von Schwierigkeiten erhalten und somit die Durchhaltemotivation gestärkt wird. Dies wird als Gesundheitserziehung bezeichnet und soll zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen motivieren [46].

Volition

Nach der Phase der Motivation, in der die Absicht einer Verhaltensänderung ausgebildet wird, folgt die volitionale Phase, in welcher diese Intention in konkretes Handeln umgesetzt wird [49]. Die volitionale Phase umfasst ebenfalls die Aufrechterhaltung dieser Handlung über einen längeren Zeitraum [50]. Die Volition wird in eine präaktionale, eine aktionale und eine postaktionale Phase unterteilt. In der präaktionalen Phase findet die Handlungsplanung statt, die in der aktionalen Phase in eine kontrollierte Handlung umgesetzt wird. Die postaktionale Phase dient der Bewertung der Handlungseffizienz und der Etablierung des neuerworbenen Verhaltens [43, vgl. 51].

Während der Handlungsplanung wird ein Vorsatz gebildet. Dieser wird in die Realität umgesetzt, wenn die Ausführung vorteilhaft erscheint und wenige konkurrierende Handlungen und Widerstände, die gegen diese Handlung sprechen, vorhanden sind [vgl. 52].

Die Handlungsrealisierung wird durch die Volitionsstärke gesteuert. Je größer die Volitionsstärke ist, desto besser können andere Reize ausgeschaltet werden, die eine Realisierung des Verhaltens nicht ermöglichen. Die Volitionsstärke wird davon beeinflusst, wie erfolgreich die gerade ablaufende Handlung subjektiv bewertet wird.

Compliance

Unter Compliance ist in der Zahnheilkunde die Befolgungsbereitschaft und das Befolgungsverhalten des Patienten gegenüber zahnärztlichen Anordnungen zu verstehen [53], welches eine Grundvoraussetzung für die Krankheitsbewältigung und Gesundheitsförderung darstellt [49]. Eine ähnliche Definition liefert Linden [54]. Er beschreibt die Compliance als das Ausmaß, inwieweit ein tatsächlicher Behandlungsvollzug mit dem optimalen übereinstimmt.

Wenn ein Patient von seinem Zahnarzt gesundheitlich beraten werden möchte, d. h. dass er von sich aus präventive Maßnahmen für seine orale Gesundheit ergreifen möchte, dann wird dieses Vorsorgeverhalten als präventive Compliance bezeichnet. Sie beruht auf Einsicht und Verständnis der Zusammenhänge der Krankheitsentstehung und dem Glauben, selbst krank werden zu können. Patienten mit einer guten Compliance erreichen das Behandlungsziel bzw.

eine gute Mundhygiene eher als Patienten mit einem Non-Compliance-Verhalten. Auf die Compliance wirken diverse Einflussfaktoren seitens des Zahnarztes und seitens des Patienten [vgl. 55]. Der Zahnarzt kann die Compliance seiner Patienten beeinflussen, indem er kommunikative Fähigkeiten zur Motivierung und beruflich eine präventive Orientierung

entwickelt. Der Patient sollte über eine bewusste Einstellung zu seiner Erkrankung und deren Behandlung verfügen. Auch die Fähigkeit, die Informationen des Zahnarztes aufzunehmen und zu verstehen, ist von Bedeutung. Eine komplizierte oder lückenhafte Therapieinstruktion durch den Arzt reduziert das Ausmaß der Compliance. Im zahnmedizinischen Bereich sollte die Bedeutung der Verhaltensänderung zu einer optimalen Mundhygiene durch den Zahnarzt oder die zahnmedizinische Prophylaxeassistentin dargestellt werden, denn der Patient nimmt sein individuelles Erkrankungsrisiko für Karies oder Parodontopathien nicht als für ihn bedrohliche Erkrankung wahr und ist daher weniger bereit, sein Verhalten zu optimieren. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, wie z. B. Herzinfarkten oder Tumoren, ist die Compliance zu einer gesundheitsfördernden Verhaltensweise wesentlich höher [44]. Magri [56] weist darauf hin, dass Karies und Parodontitis in den ersten Stadien völlig schmerzfrei verlaufen und der Patient anfangs keine Anzeichen von Erkrankung bemerkt. Daher ist ein Bewusstmachen des Risikos bzw. der bereits eingetretenen Erkrankung (wenn auch noch ohne Symptome) erforderlich.

Optimismus

Unter Optimismus werden Ergebniserwartungen verstanden, die sich auf die Zusammenhänge zwischen dem Handeln und dem Handlungsergebnis beziehen [52]. Optimismus gilt als positive Grundeinstellung, wenn jemand erwartet, dass Dinge im Leben immer gut ausgehen werden [57]. Eine optimistische Grundeinstellung beeinhaltet, angepeilte Ziele für erreichbar zu halten. Dies fördert als Schutzfaktor die Erhaltung von Gesundheit und eine effektive Bewältigung von Krankheit [58]. Im zahnmedizinschen Bereich ist eine Verhaltensänderung für Optimisten eher realisierbar, weil sie davon überzeugt sind, ihre gesetzten Ziele zur Verbesserung der Mundhygiene zu erreichen.

Gesundheitliche Kontrollüberzeugung (Health Locus of Control)

Rotter [59] definiert die Kontrollüberzeugung als Überzeugung, dass Ereignisfolgen entweder vom eigenen Handeln abhängig sind (internale Kontrollüberzeugung) oder von externen Einflüssen (externale Kontrollüberzeugung). Bei der internalen Kontrollüberzeugung sieht sich der Patient selbst für seine Gesundheit verantwortlich [58]. Die externale Kontrollüberzeugung wird unterteilt in eine Kontrollausübung durch andere Menschen oder durch Zufälle und das Schicksal [57]. In der Zahnheilkunde bedeutet dies, dass ein Patient mit einer großen internalen Kontrollüberzeugung, seine Zähne pflegt, um damit eine Karies oder

Parodontitis zu vermeiden. Ein Patient mit einer großen externalen Kontrollüberzeugung siedelt die Verantwortung für Karies- und Parodontitisvermeidung bei seinem Zahnarzt an.

Stomatogene Erkrankungen werden von fatalistisch-external-kontrollüberzeugten Patienten als Schicksal oder genetisch bedingt gesehen [vgl. 60]. Diese Patienten sind schwieriger zu einer Mundhygiene-Verhaltensänderung zu motivieren als internal-kontrollüberzeugte.

Die Kontrollüberzeugung wird mit der Dental Coping Beliefs Scale nach Wolfe et al. [61]

erfasst, welche die dentalen Überzeugungen in einem Fragebogen mit 25 Items abfragt. Die Items sind nach der internalen und externalen Kontrollüberzeugung, der Selbstwirksamkeit und dem Glauben über Zahngesundheit gruppiert.

2.4.2 Psychologische Theorien und Modelle der Verhaltensänderung