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Archiv "Kassenärztliche Bundesvereinigung: Keine Honorarreform ohne Aufhebung der Budgets" (07.08.2006)

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n dem wohl temperierten Konferenz- raum der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) im sommerlich heißen Berlin ging es am 28. Juli nicht hitzig zu. Aber die Diskussion der Ver- treterversammlung über die Honorar- reform offenbarte doch Gegensätze – in der Sache und im Selbstverständnis führender Repräsentanten der Kassen- ärztlichen Vereinigungen (KVen).

Die KBV wird sich, das machte Vor- standsvorsitzender Dr. med. Andreas Köhler klar, bei den Entscheidungen zur Gesundheitsreform 2006 nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen. „In den kom- menden Wochen werden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt. Und wir sitzen im Stellwerk.“ Deshalb werde die KBV bis spätestens Mitte September ein tragfähiges Konzept zur Vergütungsre- form vorlegen müssen.

Die Formulierungen dazu in den Re- formeckpunkten rechnet Köhler zu den erfreulichen Absichtserklärungen der großen Koalition. Das KV-System werde nicht infrage gestellt. Positiv wertete der KBV-Vorstandsvorsitzende zudem die Ankündigungen, die Vorschriften zur Qualitätssicherung auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Wirtschaftlichkeits- prüfungen auf rund fünf Prozent der Praxen zu beschränken und die Disease- Management-Programme zu vereinfa- chen. Zustimmung finden auch die Höchstpreise für Arzneimittel, von de- nen die Apotheken nach unten ab- weichen können, die Kosten-Nutzen- Bewertung von Arzneimitteln und die Einholung einer Zweitmeinung bei der Verordnung besonders teurer Wirkstof- fe, sofern dies klar definiert und die The- rapiefreiheit nicht eingeschränkt werde.

Dass die Koalition aber Volkskrank- heiten wie Diabetes in größeren Regio-

nen ganz über die Integrierte Versor- gung abdecken will, höhlt nach Köhlers Ansicht den Sicherstellungsauftrag aus.

Überdies lehne die KBV alle Regelun- gen vehement ab, die den staatlichen Einfluss verstärkten. Das gilt für den Zu- griff auf die Krankenkassen, die mit Ein- richtung des Gesundheitsfonds ihre Bei- tragshoheit verlieren, und generell für die gemeinsame Selbstverwaltung, die weiter von der ärztlichen Basis abgekop- pelt werden soll.

Köhlers Gesamtbeurteilung der Re- formeckpunkte fällt denn auch nicht positiv aus. Zum einen, weil manche

„kryptische Formulierung“ Raum für unterschiedliche Auslegungen lasse. Vor allem aber, weil die Finanzprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht gelöst würden. „Vorhan- dene Löcher werden nur notdürftig ge- stopft, die geplante Steuerfinanzierung ist eine Farce, und für Mehrausgaben aufgrund von Morbidität und medizini- schem Fortschritt steht kein zusätzli- ches Geld zur Verfügung“, hob Köhler hervor. Die KBV werde aber keine Ru- he geben, bis die unerträgliche Unterfi-

nanzierung der ambulanten Versorgung gelöst sei. „Wir brauchen mehr Geld für die Arzthonorare“, forderte Köhler un- ter dem Beifall der Versammlung. Bei den Delegierten überwog die Einschät- zung, dass die Politik an dem geplanten Gesundheitsfonds festhalten werde.Auch wenn die Umstellung jetzt keine Ver- besserung bringe, biete sie die Chance, dass künftig mehr Geld ins System komme.

Im besonderen Blickpunkt der Ver- tragsärzte steht die Vergütungsreform.

Köhler bekräftigte: „Die Budgets ge- hören hoffentlich bald der Vergangen- heit an. Ärzte werden künftig in Euro und Cent bezahlt, nicht mehr in Punkt- wert-Muschelwährung.“ Und er fügte hinzu, wenn die Vertragsärzte sich einig seien, gebe es gute Chancen, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Grund- züge einer Euro-Gebührenordnung hat- te der KBV-Vorstand Anfang Juli vorge- legt (siehe DÄ, Heft 27/2006). Die Aussa- gen dazu in den Eckpunkten sind nahezu deckungsgleich. Kernelemente der neu- en Gebührenordnung, mit der am 1. Ja- nuar 2009 die Honorarbudgetierung be- endet und das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übergehen soll, sind feste Preise und eine stärkere Pauscha- lierung der ambulanten Vergütung. Auf der Basis betriebswirtschaftlicher Daten aus den Arztpraxen sollen bundesein- heitliche Bewertungsgrundlagen für ver- tragsärztliche Leistungen und Orientie- rungswerte ermittelt werden, aus denen dann Euro-Preise zu bilden sind. Von P O L I T I K

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A2076 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006

Kassenärztliche Bundesvereinigung

Keine Honorarreform ohne Aufhebung der Budgets

Eine Abkehr vom Sachleistungsprinzip findet in der Vertreterversammlung wenig Unterstützung. Aber Vertragsärzte sollen das Recht erhalten, sich für Kostenerstattung zu entscheiden.

Andreas Köhler: „Die Budgets gehören hoffentlich bald der Vergangenheit an.

Ärzte werden künftig in Euro und Cent bezahlt, nicht mehr in Punktwert- Muschelwährung.“

Foto:Georg Lopata

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diesen Richtpreisen können Kassen- ärztliche Vereinigungen und Kranken- kassen auf Landesebene Zu- oder Ab- schläge vereinbaren, die für alle Arzt- gruppen gelten müssen. Diese Preise werden von allen Kassen bis zu der Lei- stungsmenge gezahlt, bei der eine Stan- dardpraxis ihre Fixkosten gedeckt hat.

Jenseits dieser Gewinnschwelle sind bundeseinheitliche Abstaffelungen der Preise vorgesehen. Für Haus- wie für Fachärzte soll die Einzelleistungsvergü- tung die Ausnahme werden. Die Ge- bührenordnung soll für Hausärzte Ver- sichertenpauschalen pro Quartal, diffe- renziert nach Alter und Geschlecht, enthalten. Für die Fachärzte plant die Politik nach Arztgruppen differenzierte Grundpauschalen, Zusatzpauschalen für besondere Leistungs- und Qualitäts- merkmale der Praxen und bis zu 20 dia- gnosebezogene Pauschalen für Patien- ten, die hohe Kosten verursachen.

Diese Pläne hatten Kritik ausgelöst.

So kündigte die Allianz Deutscher Ärz- teverbände, der unter anderen der NAV- Virchow-Bund, der Hartmannbund und MEDI Deutschland angehören, ihren Widerstand an: „Pauschalen sind grund- sätzlich intransparent und bieten keiner- lei Motivation für differenzierte, pa- tientenabgestimmte Vorgehensweisen“, heißt es in einer Erklärung der Allianz.

Die Honorarreform sei vernünftig, stell- te KBV-Vorstandsmitglied Ulrich Wei- geldt heraus. „Die Forderung nach Ablö- sung der Muschelwährung ist so alt wie das Punktwertsystem selbst.“ Vor allem Fachärzte sehen dem Paradigmenwech- sel mit gemischten Gefühlen entgegen.

Das klang auch in der Vertreterver- sammlung, vor allem in Gesprächen am Rande an. Köhler verwies auf den Hausärzteverband, der sich vehement für die Pauschalierung einsetze. Sein Ap- pell, die Entwicklung hin zu wenigen Krankenkassen mit immer größerer Marktmacht erfordere eine gruppen- übergreifende schlagkräftige Interessen- vertretung der Vertragsärzte, wurde ver- standen. Köhler mahnte zudem, man müsse sich dem Vorwurf stellen, die heu- tige Gebührenordnung begünstige eine ungerechtfertigte Ausdehnung der Lei- stungsmenge. Pauschalen setzten diesen Anreiz nicht. „Früher oder später“ stoße aber jede Pauschalierung an Grenzen.

Im EBM erreiche der Pauschalierungs-

grad heute je nach Arztgruppe 65 bis 80 Prozent. Über 80 Prozent gehe der Vor- schlag des KBV-Vorstands nicht hinaus.

Über fünf Jahre habe man den EBM 2000plus entwickelt, sagte Dr. med.

Wolfgang Herz, stellvertretender Vor- standsvorsitzender der Kassenärztli- chen Vereinigung Baden-Württemberg,

„auch deshalb brauchen wir diese Ho- norarreform nicht“. In Baden-Würt- temberg hatte die Vertreterversamm- lung der KV mit großer Mehrheit gegen das Honorarkonzept des KBV-Vor- stands votiert. Herz geht es um die re- gionalen Kompetenzen: „Die Folge der Reform wäre die totale Entmachtung der KVen. Alles soll zentral gerichtet werden.“ Für regionale Honorarverein- barungen werde kein Geld da sein.

Köhler widersprach. Die regionale Einflussmöglichkeit auf die Preise blei- be groß. Aber klar sei, „dass die Ho- norarverteilung nicht mehr zentrale Aufgabe der KVen sein wird“. Dies habe man sich selbst zuzuschreiben.

„Wenn sich bestimmte Arztgruppen im- mer bei der Politik über die Honorar- verteilung beklagen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn das zentral gere- gelt wird.“ Nicht alle bedauern die Ent- wicklung. Mehrere KV-Vorstände hal- ten den Wandel für notwendig und be- fürworten es ausdrücklich, dass die Kas- senärztliche Vereinigung künftig ihre Existenzberechtigung nicht mehr aus der Entscheidung über die Honorarver- teilung bezieht, sondern sich beispiels- weise noch stärker der Qualitätssiche- rung widmet. Abgestimmt über das Ho- norarkonzept wurde nicht. Aber der KBV-Vorstand erhielt in der Diskussion

deutliche Unterstützung und auch Lob für erfolgreiche Interessenvertretung.

Zuvor hatte Köhler klargestellt, dass er mit der neuen Gebührenordnung Versi- cherten und Ärzten den Weg in die Ko- stenerstattung nicht verbauen will. Er lehnte es jedoch ab, auf eine vollständige Umstellung vom Sachleistungsprinzip auf die Kostenerstattung zu setzen, wie die freien Verbände das verlangen. Die Begründung in einem Argumentations- papier des Vorstands (www.aerzteblatt.

de/plus3106):

> Nur 0,04 Prozent der GKV-Versi- cherten machen bisher von der Möglich- keit Gebrauch, die Kostenerstattung zu wählen.

>Die finanzielle und administrative Mehrbelastung für die Patienten über- fordert einige Personengruppen, zum Beispiel pflegebedürftige Ältere und Einkommensschwache.

>Nach Erfahrungen im Ausland ist zweifelhaft, ob sich durch Kostenerstat- tung die finanzielle Situation der Ver- tragsärzte verbessern würde. Das Inkas- sorisiko ist hoch. Eine staatliche Ge- bührenordnung unterliegt außerdem immer der Gefahr, nach Kassenlage nach unten korrigiert zu werden.

>Eine politische Chance auf Reali- sierung der Kostenerstattung besteht mit der SPD nicht.

Mit einer Pauschalierung der ärztli- chen Vergütung in der GKV ist ein Ko- stenerstattungssystem nicht kompati- bel. Der KBV-Vorstand möchte die Op- tion für die Kostenerstattung aber er- halten: Nicht nur die Versicherten, die gemäß § 13 Absatz 2 SGB V Wahlfrei- heit haben, auch die Vertragsärzte sol- len sich künftig für Kostenerstattung entscheiden können, müssten sich dann aber auch für eine bestimmte Zeit bin- den. Diese Forderung beschloss die Ver- treterversammlung bei nur einer Ge- genstimme. Allerdings ist diese Positi- on, wie Köhler klarstellte, an eine Be- dingung geknüpft: Die Honorarbud- gets im Sachleistungssystem müssen tatsächlich aufgehoben werden. „An- dernfalls wird der Systemausstieg un- vermeidlich.“ Heinz Stüwe P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006 AA2077

Wolfgang Herz: „Wir brauchen diese Honorarreform nicht. Die Folge wäre die totale Entmachtung der KVen.

Alles soll zentral gerichtet werden.“

Foto:KV-Baden-Württemberg

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