S C H L U S S P U N K T
[100] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 13⏐⏐27. März 2009
VON SCHRÄG UNTEN
Am Wochenende
Dr. med. Thomas Böhmeke
F
reitagabend, endlich Wochenende! Ich freue mich unbändig darauf, das Stakkato der Sprech- stunde hinter mir zu lassen und von meiner geliebten Ehefrau mit einem köstlichen Mahl belohnt zu wer- den. Als Entree gibt es Markklößchensuppe; mein Lob fällt schwärmerisch aus: Die Klößchen gleichen ekto- mierten Kolonpolypen, die Suppe sieht aus wie eine Bronchiallavage. Der nächste Gang, bitte. Olfakto- risch verzaubernde Putenbrust, dekoriert mit Crème fraîche, die mich an einen gespaltenen Staphylokok- kenabszess erinnert. Dies tue ich schmeichelnd der Köchin kund. Der Nach-tisch, bitte. Va- nilleeis
mit Mandelsplittern, begleitet von meinem freudigen Kompliment: „So schön wie therapierte Schuppen- flechte!“ Meine Frau lässt mich gewähren, sie kennt das schon.
Es ist Samstagabend, es gibt Bœuf bourguignon.
Nachdem ich auch dem letzten Tropfen Rotweinsauce keine Chance mehr gelassen habe, blickt mich meine Frau erwartungsvoll an. Das Fleisch sei ein Genuss gewesen, so bin ich voll des Lobes, zart bis in die letz- te Faser; der Bordeaux habe die Aromen kraftvoll un- terstützt, ohne sich gebieterisch über die Zunge zu wälzen: einfach perfekt. „Keine Rhabdomyolyse?“
Nein, es ist alles in Ordnung. „Und die Sauce kam auch nicht aus dem mikrobiologischen Labor?“ Nein, alles ist einfach wunderbar.
Am Wochenende brauche ich mindestens 24 Stun- den, bis ich wieder ein normal ansprechbarer Mensch bin. Bis Samstagabend muss meine Frau, glaube ich, allerhand mit mir durchmachen. Glücklich ist, wer ei- nen Partner hat, der das ertragen kann.
Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.