• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hauptversammlung des Hartmannbundes 1994: Das politisch verordnete Zwangsbudget muß weg" (04.11.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hauptversammlung des Hartmannbundes 1994: Das politisch verordnete Zwangsbudget muß weg" (04.11.1994)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEMEN DER ZEIT

;.;

D

as zu Jahresbeginn 1993 in Kraft getretene Gesundheits strukturgesetz Marke Seeho- fer/Dreßler hat nach Auffas- sung der Hartmannbund-Delegier- ten zu einer Reihe von Unzuträglich- keiten, systembedingten Fehlern und Fehlsteuerungen geführt, die weder mit Retuschen noch mit weiteren Ex- perimenten aus der Welt geschafft werden könnten. Die Zukunft zu ge- stalten und innovative Elemente in das Gesundheitswesen zu implemen- tieren, erfordert, so der HB, eine konsequente Abkehr von zentralisti- schen Maßnahmen und staatsdiri- gierten Interventionen. Die Medizin dürfe nicht weiter einseitig von fiska- lischen und wirtschaftspolitischen Vorgaben dominiert werden. Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. med. Hans-Jürgen Thomas, Arzt für Allgemeinmedizin aus Erwitte/Westfalen, führte sechs „Be- weise" an, mit denen der Gesetzge- ber im Strukturgesetz die vorgegebe- nen Ziele selbst konterkariert:

— Schlagartig habe der Gesetz- geber die in der ärztlichen Versor- gung praktizierte langjährige Ver- tragspolitik der Selbstverwaltung zunichte gemacht;

— eine Politik, begleitet von vie- len Jahren der freiwilligen Budge- tierung und einem Verzicht auf har- ten Auseinandersetzungen. Zu star- re Budgetdeckel und die strikte Grundlohnanbindung hätten fle- xible strukturelle Maßnahmen un- terbunden. Ebenso seien Möglich- keiten verbaut worden, rechtzeitig auf die Herausforderungen zu rea- gieren, nämlich die hausärztliche Versorgung zu stärken, Operatio- nen in den ambulanten Sektor zu verlagern und eine Infrastruktur und ein Leistungsanbot im Hinblick auf die gesetzliche Pflegeversiche- rung vorzubereiten.

— Exemplarisch für die vielen Fehlkonstruktionen im GSG sei das ambulante Operieren. Trotz des zehnprozentigen Zuschlags zum Operationsbudget (über den Grundlohnanstieg) sei wegen der Mengenkomponente ein ständiger Punktwertverfall bis zur Rentabi- litätsgrenze zu beklagen. Der Punktwert wäre heute schon auf die magische Grenze von fünf bis sechs

TAGUNGSBERICHT

Pfennige abgerutscht, wenn nicht Interventionsmaßnahmen der Kas- senärztlichen Vereinigungen zu La- sten aller Vertragsärzte erfolgt wären. Trotz der staatlich verordne- ten Förderung zahlen die Kranken-

Drei „offene" Diskussionspapiere standen im Mittel- punkt der diesjährigen Hauptversammlung des Hartmannbundes am 14./15. Oktober in Baden-Ba- den: zur Reform der Leistungs- und Vergütungs- strukturen in der ambulanten ärztlichen Versorgung

; zur Krankenhaus- und zur Seniorenpolitik. Unser Foto: Dr. med. Hans-Jürgen Thomas, Arzt für Allge- meinmedizin aus Erwitte, Vorsitzender des Hart- mannbundes (Verband der Ärzte Deutschlands e.V.).

kassen jetzt in manchen KV-Berei- chen nur zwei Drittel dessen für ambulantes Operieren, was bei ei- nem „normalen" Punktwert erfor- derlich wäre.

— Der Haftungs- und Aus- gleichsmechanismus beim Arznei- und Heilmittelbudget führt nach Meinung des HB zu „absurden Auswirkungen". So wird bei regio- nalen Arznei- und Heilmittelbud- gets eine KV auch dann ausgleichs- pflichtig, wenn alle anderen KVen ihr Budget unterschreiten. Dies führt dazu, daß solche Vertragsärz- te, die schon immer sparsam rezep- tiert haben, zur Solidarhaftung her- angezogen werden mit der Folge, daß jetzt die Ersatz- und Betriebs- krankenkassen „den Reibach ma- chen". Es sei ein Skandal, wenn die Krankenkassen mit Duldung der Aufsichtsministerien ihre Beiträge

„einfrieren" — mit dem Hinweis auf angeblich noch vorhandene Ratio- nalisierungsreserven, auf das Stabi- litätspostulat und den sich verschär- fenden Kassenwettbewerb. Der Ge- setzgeber und die Aufsichtsministe- rien müßten einschreiten, wenn die auf Kosten Dritter herausge- quetschten finanziellen Mittel in

„unsinnige Werbemaßnahmen"

fehlinvestiert werden. Viele Arzt- praxen krebsten bereits am unteren

Hauptversammlung des Hartmannbundes 1994

Das politisch verordnete Zwangsbudget muß weg

Die im Hartmannbund (Verband der Ärzte Deutschlands e.V.) organisierten Ärzte sind es leid, einseitig und auf Dauer als lastträger der Gesundheitsstrukturre- form und weiterer dirigistischer Eingriffe in das gegliederte Versicherungssystem mißbraucht zu werden. Der „Rigorismus zentraler staatlicher Planung" und die politisch motivierte sektorale Budgetierung hätten dazu geführt, daß die ambu- lante Medizin zunehmend stranguliert werde. Sture Kostendämpfung sei unge- eignet, um die Reform- und Strukturprobleme in den kommenden Jahren zu lö- sen. So der Tenor des gesundheitspolitischen Grundsatzreferates und der ein- mütig gefaßten Resolutionen während der diesjährigen Hauptversammlung des Hartmannbundes (HB) am 14./15. Oktober im Kongreßhaus zu Baden-Baden.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 44 ,4. November 1994 (35) A-3007

(2)

T H E M E N DER ZEIT

Limit des Existenzminimums. Ar- beitsplätze würden in der „Gesund- heitswirtschaft" vernichtet, und vie- le Arztpraxen würden als Kleinbe- triebe geräuschlos zugrunde gehen, nur weil sich die Politik über die Warnungen der Betroffenen leicht- fertig hinwegsetzt.

— Die Situation in den neuen Bundesländern spitzt sich immer mehr zu: Trotz aller Beschwichti- gungen und der Vorschrift, daß das Honorar um jeweils mehr als drei Prozent stärker als die Grundlohn- summe in den Jahren 1993 und 1994 wachsen darf, werde dies dadurch konterkariert, daß in keinem der ostdeutschen Bundesländer es bis- her gelungen ist, die garantierte

„Honorar-Ernte" tatsächlich einzu- fahren. Der HB übertreibt nicht, wenn er feststellt: Die meisten Sek- toren im Gesundheitswesen haben mit dem West-Ausgabenniveau gleichgezogen, nur die niedergelas- senen Ärzte bilden mit einem Ab- stand von rund 35 Prozent das Schlußlicht.

— Zu schaffen macht den Nie- dergelassenen auch der Zulassungs- boom, der sich mit mehr als 10 000 Ärzten (Nettozahl) bis Oktober 1993 in den ambulanten Bereich er- goß. Dies könnte auch Qualitätsein- bußen mit sich gebracht haben, weil viele der sich neu niederlassenden Ärzte keine abgeschlossene Weiter- bildung aufwiesen, geschweige denn über genügend praktische Er- fahrungen verfügen. Hinzu kommt:

Die starre Bedarfsplanung und die völlige Zugangsdrosselung verhin- dern jede „intelligente Verzah- nung" mit dem stationären Sektor.

Catch as catch can ist an der Tages- ordnung, die Honorarverteilungs- kämpfe überborden, und ein dichte- res Leistungsangebot, Fallzahlstei- gerung und vermehrte Überweisun- gen führen zu den beklagten Ausga- benschüben.

Gegen

Alternativ-Vereinigungen Eine klare Absage erteilt der Hartmannbund den in einigen Re- gionen beabsichtigten (oder bereits vollzogenen) Gründungen von so-

TAGUNGSBERICHT

genannten Vertragsärztlichen Ver- einigungen (als „Konkurrenz" zu den Kassenärztlichen Vereinigun- gen als K.d.ö.R.). Es sei zu kurz ge- dacht, wenn man das „KV-Mono- pol" anprangere und stiekum in ein Vertragsarztvereins-Monopol hinü- berretten wolle. Schließlich könne man eine alte Politik nicht mit neu- en Namen und alten Köpfen ma- chen wollen. Statt dessen sollten die ärztlichen Körperschaften die Akti- vitäten der Ärzteverbände nutzen und mit ihnen kooperieren. Unei- nigkeit im eigenen Lager nütze nur dem „Gegner" und der Politik.

Honorarpolitische Essentials

Große Erwartungen stellt der HB an die avisierte Reform des Ein- heitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), dessen Eckpositionen von der KBV mit den Krankenkassen bereits vereinbart worden sind. Ein- zelleistungen oder Leistungskomple- xe müßten so vergütet werden, daß alle notwendigen Kosten und vor al- lem der zeitliche Einsatz des Arztes, sein Know-how und die Erfahrun- gen vergütet werden. Zeitliche Vor- gaben für die Bewertung einzelner Leistungspositionen, ermittelt über Refa-Methoden der Industrie, lehnt der Verband als nicht adäquat ab.

Allerdings könnten in einigen Sekto- ren Honorarpositionen zu Lei- stungskomplexen zusammengefaßt werden. Die vertragsärztliche Ge- samtvergütung müsse aus der strik- ten Grundlohnbindung und der Budgetdeckelung herausgenommen werden. Dies sei dann möglich, wenn vor allem die medizinisch nicht indizierte Mengenausweitung diszi- pliniert wird. Der HB schlägt ein viergesplittetes Honorarmodell vor:

1. Für alle Leistungen der Pra- xisverwaltung und Betriebsführung, soweit sie nichtärztliche Entschei- dungsbefugnisse betreffen, soll ein Fixum gezahlt werden. Dadurch könnten nichtärztliche Leistungen besser delegiert und außerhalb der ärztlichen Vergütung abgedeckt werden.

2. Ebenfalls mit einem Fixum

„bedient" werden sollen organisato-

rische und administrative Leistun- gen in Verbindung mit der Durch- führung sozialmedizinischer Maß- nahmen. Damit könne der Arzt leichter bestimmte Funktionen an Fachpersonal delegieren, sie aber unter ärztlicher Aufsicht belassen.

3. Ein „Technik-Fixum" wird für den Bereich der Apparatemedi- zin und der Technik vorgeschlagen.

Das Honorar könnte in diesem Sek- tor in ein leistungsmengenunabhän- gig bleibendes Honorar für ärztli- che Leistungen und in eine lei- stungsmengenabhängige Kostener- stattung für technikabhängige Lei- stungen geteilt werden. Es sei dabei notwendig, die Kosten eines Gerä- tes ebenso wie die Kostendegressi- on zu ermitteln und einen prozen- tualen Aufschlag für Gemeinkosten zu kalkulieren. Der Arzt würde dann für jede Leistung das gleiche Honorar erhalten, aus der Kosten- degression keinen Nutzen mehr zie- hen können.

4. Schließlich wird ein Doku- mentations-Fixum für die notwen- dige Betreuung, Koordination und Dokumentation angesetzt. Als An- haltswert wurde der Stundensatz von EDV-Service-Zentren gegriffen (etwa 42 DM pro EDV-Stunde) und davon ausgegangen, daß je Behand- lungsfall in einer Hausarztpraxis ein Aufwand von 30 Minuten anfällt.

Der Fixumbetrag pro Stunde läge dann bei einer Vergütung von 21 DM. Hinzu käme noch ein Zu- schlag für die spezielle ärztliche Leistung bei der Dokumentation und Koordination.

Die originäre ärztliche Vergü- tung sollte nach definierten, be- schriebenen und abgegrenzten Lei- stungen (Einzelleistungen oder Komplexe) erfolgen. Dabei müßten die ärztlichen Leistungen je Einzel- vergütung deutlich höher bewertet werden. Die Bewertung der einzel- nen Leistungen müßte zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt werden. Für Einzelvergütungen könnten im Rahmen einer Band- breite Zu- und Abschläge berech- net werden, um so eine preisähnli- che, leistungsgerechtere und von staatlichen Vorgaben unabhängige flexible Vergütung zu bewirken.

Dr. Harald Clade A-3008 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 44, 4. November 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dies würde ich mir sehr für Deutsch- land wünschen: statt permanentes Einschlagen auf die Ärzte, statt im- mer weiterer Honorarkürzungen, statt immer mehr Bürokratisierung

Mein Vorschlag: Bei Anfragen hinsichtlich fraglicher Medika- mentenverordnung müssten die Kassen dazu gezwungen werden, analog zu Anfragen bei einer Arbeitsunfähigkeit,

Dabei ist es nicht zu beanstanden, wenn für den anläßlich der Gründung einer Sozietät auf- gedeckten Praxiswert eine betriebsgewöhnliche Nut- zungsdauer von sechs bis zehn

Selten kann es, insbesondere bei Patienten m eingeschränkter Nierenfunktion, Kollagenkrankheiten oder gleici zeitiger Therapie mit Allopurinol, Procainamid oder bestimmte

Das Landes- berufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsge- richt Münster hat die Beru- fung eines Arztes gegen das erstinstanzliche Urteil des Heilberufsgerichts beim

Mehrere Wochen liegt es zurück, dass der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestellten-Kran- kenkassen, Herbert Rebscher, am Telefon mit der „Welt“ über

Bei Patienten, die von ih- rer Familie zu Hause gepflegt werden, wirkt sich dies natür- lich nicht auf die Intensität der Zuwendung aus (nur auf den Geldbeutel), aber es ist

Inhaber von Arztpraxen müs- sen damit rechnen, dass alle vier Jahre durch einen Prüfer der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte in den Räumen der Arztpraxis oder des