A 1994 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 41|
9. Oktober 2009„AQUIK“ steht für „Ambulante Qualitätsindikato- ren und Kennzahlen“. Bisher steht ein Set von 48 solcher Indikatoren zur Verfügung, das in rund 100 Praxen getestet wurde. Ziel der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV) ist es, mithilfe von „AQUIK“ die Versorgungsqualität besser dar- zustellen. Darüber hinaus will die KBV aber auch Qualitätszuschläge in der Honorarordnung, dem
Einheitlichen Bewertungsmaßstab, verankern. Da- durch soll eine qualitätsbezogene Vergütung, in- ternational als „Pay for Performance“ bezeichnet, möglich werden. Auch andere Institutionen verfol- gen derartige Ansätze. Vor Kurzem hat der AOK- Bundesverband sein Projekt „QISA“ vorgestellt.
Weitere Beiträge im Deutschen Ärzteblatt zum Thema: www.aerzteblatt.de/091994.
AQUIK: HONORAR FÜR QUALITÄT
AMBULANTE QUALITÄTSINDIKATOREN
Kritik am Konzept der KBV
Die KBV plant, die Bezahlung der Ärzte teilweise von der Qualität ihrer Leistungen abhängig zu machen. Kritiker meinen, dass ihr Konzept „AQUIK“ zu wenig mit der Versorgungsrealität zu tun habe.
D
as ärztliche Honorar wird sich immer mehr an der erbrach- ten Qualität orientieren.“ Diese Überzeugung hatte Dr. med. Andre- as Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung (KBV), Ende Juli öffentlich vertreten, als er über den Stand des Projekts „AQUIK“ berichtete.AQUIK steht für Ambulante Qua- litätsindikatoren und Kennzahlen (siehe Kasten).
Doch Ansätze zur qualitätsorien- tierten Vergütung wie dieser sind umstritten. So haben vor Kurzem rund 60 Hausärztinnen und Haus- ärzte, zum Teil aus der AQUIK-Ar- beitsgruppe (AG), das Vorhaben in der jetzigen Form kritisiert. Quali- tätsindikatoren steuerten nicht nur Honorare, sondern auch die Ver- sorgung, gibt der Bremer Allge- meinmediziner Dr. med. Günther Egidi zu bedenken. Er ist einer der Initiatoren der Stellungnahme und in die AG eingebunden. Des- halb müssten Indikatoren nicht al- lein medizinisch definiert werden, sondern auf der Basis klar formu- lierter, priorisierter und gesell- schaftlich legitimierter Vorgaben.
Die KBV hatte in umfangreichen Vorarbeiten zu AQUIK eine Fülle internationaler Studien ausgewer- tet. Doch die Ergebnisse, meint die kritische Hausarzt-Gruppe, seien nicht eins zu eins auf Deutschland
übertragbar. Das liege vor allem daran, dass in anderen Ländern ab- gestufte Versorgungssysteme domi- nierten, in denen Hausärzte „gate- keeper“ für den fachärztlichen Be- reich seien. Daher verteilten sich dort Patienten ganz anders auf Haus- und Fachärzte als hierzulan- de. Aus diesem Grund ließen sich Leitlinien, aber auch Indikatoren für eine qualitätsorientierte Vergü- tung nicht einfach übernehmen, sagt der hessische Allgemeinme- diziner Dr. med. Uwe Popert, Mit- unterzeichner der Stellungnahme.
Ein Hindernis: andere Länder, andere Versorgungsebenen
„In unserem Versorgungssystem ist es unmöglich, Indikatoren über alle Fachgruppen zu entwickeln“, er- gänzt Egidi. Besser sei es, eigene Indikatoren für den haus- wie für den fachärztlichen Bereich heraus- zufiltern. Der Allgemeinarzt be- gründet dies auch damit, dass Haus- ärzte oft eine andere Behandlungs- perspektive als Fachärzte hätten.
Dazu kommen weitere Herausfor- derungen. Ein Beispiel von Egidi:
Wer wird für eine bestimmte Quali- tät bei der Behandlung eines Epi- leptikers belohnt, wenn dieser wechselt? Der Hausarzt oder der Nervenarzt? Als eine Variante des Hausarzt-Facharzt-Konflikts will er seine Kritik nicht verstanden wis-
sen: „Manchen Fachärzten in der Arbeitsgruppe ging es ähnlich.“
Die Einwände reichen aber noch weiter. „Bestimmte Interventionen sind in der Praxis zwar machbar, dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass mit der Dokumentation auch Qualität nachgewiesen wäre“, heißt es in der Stellungnahme. Exempla- risch führt Egidi das Bestreben an, bei einem bestimmten Prozentsatz der Patienten einen normalen Blut- druck zu erzielen. „Das ist beliebt, auch weil der Blutdruck einfach zu messen ist“, sagt er. „Nur ist die Fi- xierung allein darauf oft falsch. Bes- ser ist es, das kardiovaskuläre Risi- ko eines Patienten einzuschätzen.“
Die Kritiker von AQUIK fürchten zudem, dass Qualitätsindikatoren ausufern: Erst würden gut erreichba- re Ziele gesetzt, dann die Latte im- mer höher gelegt. Am Ende sei mög- licherweise das Arzt-Patienten-Ver- hältnis gefährdet, weil der Arzt mit Blick auf sein Honorar Druck aus- übe. Verschiedene unerwünschte Ef- fekte kenne man aus dem Ausland, sagt Egidi. Die Deutsche Gesell- schaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin hat sich deshalb gerade dafür ausgesprochen, Quali- tätsindikatoren nur nach Versuchen in Testregionen einzuführen. An- ders könne man nicht ergründen, ob sie mehr schadeten als nützten.
Dr. med. Franziska Diel und Dr.
med. Susanne Kleudgen vom De- zernat Sektorenübergreifende Qua- litätsförderung und -darstellung bei der KBV kennen die Kritik. Sie sind jedoch der Auffassung, dass sowohl auf Stärken und Schwächen des gesamten Ansatzes als auch auf spezifische Probleme bei der An- wendung von AQUIK in der AG ausreichend eingegangen wurde.
Die Auswahl der Themengebiete wie Bluthochdruck, Raucherbera- tung oder Demenz spiegelt ihrer Meinung nach klar priorisierte und gesellschaftlich legitimierte Berei- che wider. Auch die Unterschiede in den Versorgungssystemen ande- rer Länder habe man bei der Indi- katorenauswahl berücksichtigt. Das gelte auch für weitere kritische Punkte wie Einflussfaktoren auf der Patientenseite. ■
Sabine Rieser