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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 18, 5. Mai 2000
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it einem Zehn-Punkte- Programm hat der Präsi- dent der Bundesverei- nigung der Deutschen Arbeitge- berverbände (BDA), Dr. Dieter Hundt, an die Politik appelliert, die Gesetzliche Krankenversiche- rung (GKV) rundum zu erneuern und auf eine Basissicherung zu- rückzufahren. Den Arbeitgebern schwebt ein durchschnittlicher Beitragssatz von unter 12 Prozent vor, eine Marke, die bereits seit 15 Jahren wegen vielerlei Grün- den überschritten wurde. Die Ta- bula-rasa-Politik der Arbeitgeber:Festschreibung des Arbeitgeber- beitrages zur GKV per Gesetz auf höchstens sechs Prozent des ver- sicherungspflichtigen Arbeitsent- gelts, begrenzt auf höchstens 50 Prozent des paritätisch finanzier- ten Beitragssatzes der jeweils günstigsten wählbaren Kranken- kasse. Damit soll unterbunden werden, dass auch solche Kran- kenkassen paritätisch finanziert werden, die großzügig mit Sat- zungsleistungen umgehen und bei
denen sich schlechte Risiken kon- zentrieren.
Im Gegenzug sollen den Ver- sicherten mehr Wahlrechte bei der Bestimmung ihres Versicherungs- schutzes und des Versicherungs- trägers eingeräumt werden, etwa durch Senkung der Versicherungs- pflichtgrenze, dafür die Einfüh- rung der Pflicht zur Versicherung.
Die BDA propagiert: Ausweitung der Selbstbehalte, Bonussystem, Beitragsrückgewähr und Kosten- erstattung. Dies alles wird unter dem Vorzeichen einer notwendi- gen Entlastung der Solidargemein- schaft und einer Stärkung der Selbstbestimmungsrechte und der Eigenverantwortung der Ver- sicherten „verkauft“. Freilich soll die GKV nicht ganz ihrer sozia- len Sicherungsfunktion entkleidet werden: Für einkommensschwa-
che und chronisch Kranke sollen Überforderungs- und Härtefallre- gelungen weiter gelten. Allerdings sollen Bagatellfälle sowie versiche- rungsfremde Leistungen ganz in die Privatsphäre verlagert werden.
Auch Zahnersatz oder Kieferor- thopädie sollen aus der Leistungs- pflicht gestrichen werden.
Wie die Krankenkassen, an deren Selbstverwaltung die Ar- beitgeber hälftig beteiligt sind (au- ßer den Ersatzkassen), fordert die BDA Kapazitätsabbau in allen Be- reichen, vor allem im stationären Sektor. Durchweg müssten die Ef- fizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und die Qua- litätssicherung verbessert werden.
Von neuer Geldschöpfung für die GKV zur Verbreiterung der Finan- zierungsbasis halten die Arbeit- geber gar nichts. Dr. Harald Clade
Gesundheitsreform
Reprivatisierung
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chöne Ostertage, Politiker im verdienten Urlaub, kei- ne Pressetermine – so man- cher Medienvertreter mag da nach dem rettenden Strohhalm greifen.Mehrere Wochen liegt es zurück, dass der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestellten-Kran- kenkassen, Herbert Rebscher, am Telefon mit der „Welt“ über ein Modellprojekt der Gmünder Er- satzkasse sprach, bei dem sich die Pflegesätze für Reha-Kliniken bei Rücken- und Knieerkrankungen am Behandlungserfolg orientieren sollen. Dabei ging es auch um die Ausweitung dieser erfolgsorien- tierten Honorierung auf bestimm- te andere ärztliche Leistungsbe- reiche. Am Osterdienstag sorgte dann die Zeitung mit dem etwas in die Irre führenden Aufmacher
„Kassen wollen Ärzte nach Lei- stung bezahlen“ für bundesweite Aufmerksamkeit. Binnen kurzem wurde das Thema in unzähligen Presse- und Rundfunkkommenta-
ren behandelt – eine Medienlawi- ne war losgetreten, die zunächst al- le vorgebrachten Differenzierungs- versuche überrollte. Am nächsten Tag hatte sich der Sachverhalt be- reits zur „Bild“-Überschrift „Muss ich meinem Arzt mehr zahlen, wenn der Schnupfen früher weg ist?“ verdichtet.
Dabei sind die Vorstellungen Rebschers weder neu, noch stehen sie völlig im Gegensatz zur in- nerärztlichen Diskussion. Das machte der Vorsitzende der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, in einer ersten Stel- lungnahme deutlich. Allerdings sieht er in der Erfolgsorientierung nur eine mögliche Ergänzung der ärztlichen Vergütungsordnung. In
Westfalen-Lippe hat zum Beispiel die Kassenärztliche Vereinigung mit der Barmer Ersatzkasse ein erfolgsorientiertes Honorarmodell für die Behandlung von Diabeti- kern vereinbart. Beim Gros der ärztlichen Behandlungsfälle – und dem wird auch Rebscher zustim- men – können solche Modelle nicht zum Tragen kommen, da ein Behandlungserfolg nicht allein vom Arzt abhängt und darüber hinaus auch kaum messbar ist.
Wichtig ist es, eine qualitativ hoch- wertige medizinische Versorgung sicherzustellen. Richter-Reichhelm wies darauf hin, dass die KBV mit dem EBM zurzeit ein Gebühren- system vorbereite, das die Ein- haltung von Qualitätsleitlinien be- lohne. Dr. Thomas Gerst