Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Deutscher Ärztinnenbund
Diplom-Psychologin Christa Meves, Uelzen, schilderte die Gefahren ei- ner „falsch verstandenen Tiefen- psychologie im Bereich der Erzie- hung" besonders in bezug auf die Frühaufklärung an Grundschulen.
Die verordnete Aufklärung durch unzureichend ausgebildete Lehr- kräfte auf der Basis falsch verstan- dener Freudscher Theorien wäh- rend einer physiologischen Latenz- zeit der sexuellen Entwicklung von Kindern führe in einem erschrek- kenden Maße zum späteren Auftre- ten von Verhaltensstörungen — nicht nur auf sexuellem Gebiet.
Das Referat von Dr. Ermann, Forschungsstelle für Psychothe- rapie, Stuttgart, über „Gruppenkul- tur oder Gruppenkult? — Gefähr- dende Wirkungen des Trends zur Gruppe" führte über den engeren Bezugsrahmen der Schule hinaus.
Der Trend zur Gruppe sei ein Zei- chen für den Mangel an Geborgen- heit und die immer häufiger auftre- tenden Kommunikationsstörungen vor allem bei jungen Erwachsenen.
Die gesunde, therapeutisch wirksa- me Gruppe müsse die gefühlsmäßi- ge Besetzung des eigenen sozialen Standpunktes und das Erleben der eigenen Möglichkeiten des einzel- nen Gruppenmitgliedes im partner- schaftlichen Austausch ermögli- chen. Nur so gelinge die jeweils notwendige Lösung in die Selb- ständigkeit. Die kranke Gruppe da- gegen erstarre in der Abwehr not- wendiger Entwicklungen und sei, indem sie zum Selbstzweck werde, Symptom für individuelle Ängste und ungelöste Probleme. Es drohe die Gefahr einer Ideologisierung der Gruppe auf Grund eines Miß- verständnisses vom Menschen als ausschließlich kommunikativem We- sen. Nur das Anerkennen von Indi- viduum und Sozietät könne davor bewahren. Der Erfolg der Gruppe sei abhängig vom Selbstverständ- nis der Einzelpersonen.
In der Diskussion zeigte sich sehr deutlich die persönliche Bereitschaft der Anwesenden, an der Lösung der aufgezeigten Fragen mitzuwir- ken. Es wurde aber auch deutlich, daß die Ärzte darauf vorbereitet
werden müssen, solche Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu ver- arbeiten. Nur auf Grund einer sachbezogenen Ausbildung, Wei- ter- und Fortbildung können sie sich als kompetente Gesprächs- partner Gehör verschaffen. Die Forderung nach der Aufnahme so- zialpädiatrischer Themen in Fort- bildungsveranstaltungen wurde in einer Resolution zum Ausdruck ge- bracht. Eine weitere Entschließung richtete sich an die Öffentlichkeit und die für die Bildungspolitik und die Medien Verantwortlichen, so- zialpädiatrische Erkenntnisse und Ergebnisse der Entwicklungsphy- siologie und -psychologie zum Wohle der Kinder mehr als bisher zu berücksichtigen.
Dr. med. Gertrud Zickgraf 5 Köln 41
Richard-Strauß-Straße 7
—ZITAT
Angriffspunkt Honorar
„... Die niedergelassenen Ärzte haben in den letzten Jahren in oft unerträglicher Weise als Angriffspunkt für die Probleme der Kranken- versicherung herhalten müs- sen. Mit ihren Honoraren wurde in der Öffentlichkeit, oft durch irreführendes Gleichsetzen der persönli- chen Einkommen mit der Höhe der Praxis-Umsätze, künstlich Stimmung gemacht.
Vergleiche wurden gezogen, ohne die sehr hohe Stunden- zahl der Beanspruchung des Arztes und die Mitarbeit von Familienangehörigen zu be- rücksichtigen; überhaupt nicht in Rechnung gestellt wurde, daß das gesamte Ärz- te-Einkommen nicht aus- reicht, Lirn soviel in eine Ver- sicherung zahlen zu können, daß eine Altersversorgung beispielsweise in Höhe einer vergleichbaren Beamtenpen- sion erreicht wird..."
Dr. Magda Menzerath in „me- dizin heute", Heft 12/1975.
AUS DEM BUNDESTAG
Rheumatische Erkrankungen besser statistisch dokumentieren
Umfassende Untersuchungen über Rheumaerkrankungen, die einer differenzierten Fragestellung ge- recht werden könnten, sind in der Bundesrepublik Deutschland ge- genwärtig nicht verfügbar. Dies teilte der Parlamentarische Staats- sekretär des Bundesarbeitsministe- riums, Hermann Buschfort, auf Grund einer Anfrage von Abgeord- neten aller drei Fraktionen kürzlich mit. In der Antwort heißt es: 1971 seien rund 173 000 stationäre Rheumaerkrankungen registriert worden. 1973 seien es 211 000 ge- wesen, davon 122 500 Männer und 88 500 Frauen. Für die stationäre Heilbehandlung von Rheumaer- krankten würden Kosten von etwa 400 Millionen DM aufgewandt. Eine genaue Feststellung der Kosten sei nicht möglich.
Der Regierungssprecher wies dar- auf hin, daß neben den in den eige- nen besonderen Rheumakliniken durchgeführten Forschungen die Rentenversicherungsträger Grund- lagenforschungen sowie Untersu- chungen im Bereich der Rheuma- vorsorge durchführen ließen.
Ein Programm, das es erlauben würde zu prüfen, ob Früherken- nungs-Untersuchungen ins Auge gefaßt werden können, läge jedoch nicht vor. Die Bundesregierung mißt dem Ausbau leistungsfähiger Einrichtungen der Rehabilitation große Bedeutung zu. Soweit Rheu- matiker durch berufliche Ausbil- dungs- bzw. Umschulungsmaßnah- men in das Erwerbsleben einge- gliedert werden könnten, seien Sondereinrichtungen nicht erfor- derlich. Die Bundesländer beab- sichtigten derzeit nicht — so der Regierungssprecher — einen Facharzttitel für Rheumatologie einzuführen. Allerdings sei eine Zu- satzbezeichnung Rheumatologie im Gespräch, um die Ärzte auszuwei- sen, die sich auf diesem Gebiet be- sonders qualifiziert hätten. PM/DÄ 3436 Heft 50 vom 11. Dezember 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATT