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Archiv "Kurskorrektur in französischen Krankenhäusern: Klage über zu hohe Zahl ausländischer Ärzte" (22.03.1996)

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Z

ur medizinischen, psychischen und politischen Beurteilung von Haftfolgeschäden nach 1945 in Deutschland“ – unter diesem Titel fand in Magdeburg am 26. Oktober 1994 eine Fachkonferenz statt1). An ihr nahmen als Zuhörer Be- troffene der Repression der SED- Diktatur sowie mit dieser Problematik befaßte Landesbedienstete teil. Aus- gerichtet wurde die Konferenz von der „Gedenkstätte für die Opfer poli- tischer Gewalt in Sachsen-Anhalt 1945 bis 1989“, der Friedrich-Ebert- Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stif- tung sowie dem Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicher- heitsdienstes der ehemaligen DDR, Berlin. Themen waren Fragen der ge- sundheitlichen und medizinischen Re- habilitierung, der Anerkennung von Haftfolgeschäden sowie Wege zur Verbesserung und Erleichterung der Antragstellung für die Betroffenen.

In ihren Ansprachen betonten die Veranstalter, daß zur historischen und juristischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nun auch ver- stärkt die gesundheitlich-rehabilitie- rende hinzukommen müsse. Die Ver- treterin der Gedenkstätte, Susanne Duchstein, berichtete, daß sich seit Gründung der Gedenkstätte mehr als 500 ehemalige politische Häftlinge

mit dem Wunsch nach Hilfe und Bera- tung an sie gewendet hätten. Bei vie- len sei die Verurteilung immer noch nicht aufgehoben, die Suche nach Ar- beit bereite Probleme, Täter würden vielfach vor Gericht Freisprüche er- zielen. Als Ziel der Konferenz stellte sie heraus, das Wissen um die Haftbe-

dingungen zu erweitern und Ver- ständnis für die politische Situation der Betroffenen zu wecken.

Die Landesregierung Sachsen- Anhalt dokumentierte den Stellen- wert der Konferenz durch die Anwe- senheit von Sozialministerin Dr. Ger- linde Kuppe. Ausgehend von der wei- teren Notwendigkeit der Offenhal- tung der Akten sowie weiterer straf- rechtlicher Verfolgung von Tätern, betonte Kuppe, daß die Landesregie- rung sich um eine zügige Umsetzung des 1. und 2. SED-Unrechtsbereini- gungsgesetzes bemühe. Um die Ab- wicklung zu beschleunigen, widme man sich verstärkt der Schulung und Weiterbildung der mit Häftlingsfra- gen/Rehabilitierung befaßten Mitar- beiter des Ministeriums sowie der Landesversorgungsämter.

Geringe

Anerkennungsqote

Die Hauptklage der Verbände be- zog sich auf ein Ungleichgewicht der Anerkennungsquote von Haftfolge- schäden bei NS- im Vergleich mit Stali- nismus-Opfern. Der Vorsitzende der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), Klaus Schmidt, sagte, daß von 100 000 nach dem Häftlingshilfegesetz als politisch verfolgt Anerkannten nur insgesamt knapp zwei Prozent als schwerbehindert beziehungsweise in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt anerkannt seien. Dem stünden circa A-741 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996 (29)

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Menschenrechtsverletzungen (V)

Haftfolgeschäden bei Bürgern der DDR

Wer in der Deutschen Demokratischen Republik aus poli- tischen Gründen verurteilt und inhaftiert wurde, für den ist dieses Kapitel seines Lebens oft äußerlich noch nicht abgeschlossen. Bei manchen Bürgern ist die eigene Ver- urteilung noch nicht aufgehoben, oder die Täter wurden teilweise freigesprochen. Innerlich wird dieser Teil des Lebens wohl nie abgeschlossen sein. Unter welchen Haft- folgeschäden ehemalige politische Häftlinge der DDR

leiden, was Ärzte erkennen und bedenken sollten, wenn sie sie als Patienten begleiten, ist Thema des folgenden Aufsatzes. Er beruht auf einer Fachkonferenz, die be- reits im Herbst 1994 in Magdeburg veranstaltet wurde.

Der Autor arbeitet am Hannah-Arendt-Institut für Totali- tarismusforschung in Dresden. Er hat wichtige Ergebnis- se der Veranstaltung für die Serie „Menschenrechtsver- letzungen“ im Deutschen Ärzteblatt zusammengefaßt.

Klaus-Dieter Müller

Über die Offenhaltung der Stasi-Akten ist in den alten wie den neuen Bundesländern viel debattiert worden.

Notwendig ist die Akteneinsicht in vielen Fällen auch für all jene, die in der DDR aus politischen Gründen verurteilt und inhaftiert wurden und nun um ihre Re- habilitation und/oder die Anerkennung von Haftfol- geschäden kämpfen. Das Foto zeigt Mitarbeiterinnen der Gauck-Behörde in der ehemaligen Zentrale des DDR-Staatssicherheitsdienstes in der Berliner Nor- mannenstraße bei der Aktensichtung. Foto: dpa 1)Eine gleichnamige Broschüre mit den Refe-

raten kann gegen eine Schutzgebühr von 5 DM bezogen werden über die Gedenkstätte Mo- ritzplatz, Postfach 74, 39028 Magdeburg, Tel und Fax 03 91/2 52 34 58.

(2)

80 Prozent anerkannte Anträge bei NS-Opfern gegenüber, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz zuer- kannt würden. Vehement wurde von ihm wie auch vom Vertreter des Bun- des der Stalinistisch Verfolgten eine Gleichbehandlung aller Opfer gefor- dert, das heißt die Gleichstellung mit den NS-Opfern. Der Vorsitzende der Hilfsorganisation für die Opfer politi- scher Gewalt in Europa (HELP) un- terstützte dies aus-

drücklich.

Dr. med. Ferdi- nand Haenel, Arzt am Behandlungszentrum für Folteropfer in Ber- lin, stellte in den Mit- telpunkt seiner Aus- führungen über „Die Auswirkung der Lang- zeithaft und psychi- sche Symptome bei Stasi-Untersuchungs- häftlingen“ ein Einzel- schicksal. Es handelte sich dabei um eine Fa- milie, die einen Aus- reiseantrag gestellt hatte. Verstärkter staatlicher Druck, Ent-

lassung, Überwachung und alle typi- schen Repressionshebel der Stasi kul- minierten schließlich in der Verhaf- tung des Ehepaares. Es folgte lange Untersuchungs-Einzelhaft. Schließ- lich das Urteil: 6,5 Jahre. Nach gut ei- nem Jahr wurde das Ehepaar freige- kauft, der wider Erwarten nicht in ein Heim gesteckte Sohn des Ehepaares konnte wenig später nachziehen.

Das Ehepaar hat Schwierigkeiten, sich in Westdeutschland einzugewöh- nen. Erinnerungen an die Haft, Alp- träume treten häufig auf. Hinzu kom- men Ängste, andere Menschen zu se- hen und enge Räume zu betreten.

Haenel charakterisierte den Zustand so: „Antriebsarmut und Depressivität, allgemeine Freudlosigkeit am Dasein und Abstumpfung der Gefühle bei gleichzeitiger innerer Übererregbar- keit und Gereiztheit, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen.“ Die Diagnose des Nervenarztes lautete

„passagere Anpassungsstörungen mit leichter vegetativer Übererregbarkeit“.

Erst nach Jahren lindern sich die Be- schwerden, treten allerdings nach dem Fall der Mauer wieder verstärkt auf.

Haenel klassifizierte die geschil- derten Symptome als „Posttraumatic Stress Disorder“. Er plädierte insbe- sondere dafür, seelische Schäden wichtiger zu nehmen als körperliche:

„In den allermeisten Fällen sind die seelischen Verletzungen schwerwie- gender, sie heilen nicht oder sehr sel- ten spontan, wirken statt dessen wie ein Seelenfremdkörper, der unerträg- liche Angst und Schamgefühl verur-

sacht und meist abgespalten vom Be- wußtsein in der Seele ruht, der aber unter besonderen Umständen immer wieder in Nacht- und Tagträumen ins Bewußtsein gelangt.“ Die psychi- schen Folgen der Folter seien schwer zu erkennen, weil jahrelang fast be- schwerdefreie Zyklen aufträten oder symptomgeminderte. Doch gerade W.

Baeyer habe in seiner „Psychiatrie der Verfolgten“ (Basel 1963) gezeigt, daß es bei NS-Opfern oft jahrelange symptomfreie Intervalle ohne er- kennbare Brückensymptome gebe.

Übertragung des Traumas

Am Beispiel des Sohnes, der – sehr leistungsorientiert und erfolg- reich in der Schule – schließlich im Al- ter von 22 Jahren an einem zu spät er- kannten Magenkarzinom stirbt, ent- wickelte Haenel die These, daß auch in diesem Fall – ähnlich wie bei KZ- Opfern – eine Transmission stattge- funden habe: „Kinder, auch wenn sie nicht direkt die leidvollen Erfahrun- gen der Eltern mitbekommen haben

(im vorliegenden Fall haben die El- tern nicht über die Haft gesprochen, es war ein absolutes Tabu-Thema, Anm. d. V.), erfahren oft eine unbe- wußte Transmission des elterlichen Traumas. Äußerlich dadurch, daß entweder gar nicht über das Thema gesprochen wird oder fast nur und ausschließlich darüber.“

In der anschließenden Diskussi- on fanden die Ausführungen von Haenel weitgehend Zustimmung. Ein Nervenarzt aus Halle plädierte aus- drücklich dafür, psychische Folgen der Haft als medizinische, das heißt psychosomatische Folgen anzusehen.

Mehrere der Betroffenen schilderten zudem ähnlich gelagerte Fälle und Er- fahrungen. In einem Fall war eine Pa- tientin – mehrere Jahre Haft im Frau- engefängnis Hoheneck –, obwohl sie jahrelang Schmerzen hatte, als völlig befundlos und damit als Simulantin gekennzeichnet worden, bis schließ- lich die Diagnose erfolgte: Autoag- gression des Immunsystems.

In einem zweiten Referat wurde vom Autor eine Übersicht über die Lage der medizinischen Versorgung in den Haftanstalten der ehemaligen DDR vorgelegt. Darin wurde zum Ausdruck gebracht, daß angesichts der Haftbedingungen sowie der medi- zinischen Versorgung in den Lagern und Gefängnissen der SBZ und DDR bei politischen Häftlingen eine Be- weislastumkehr notwendig wäre: Im Einzelfall hätte dann die entsprechen- de Versorgungsinstitution den Nach- weis zu erbringen, daß Schäden nicht von der Haft herrühren.

Im Vortrag der Hallenser Ärztin Ricarda Lukas über „Langzeitschä- den von Sowjetischen Militärtribunal- Inhaftierten“ wurde ein bedrückendes Kaleidoskop von Brutalität, Leiden und Schmutz des Häftlingslebens in den Internierungslagern und Gefäng- nissen in der SBZ deutlich. Lukas hat mit 18 ehemaligen Insassen zum Teil ausführliche Gespräche über deren Leben geführt. Es tauchen Berichte über Erkrankungen der Wirbelsäule, der Lungen, des Magen-Darm-Trakts, über Arthritis, Nierenleiden und Hauterkrankungen auf. Depression, Schlafstörungen, nächtliche Angstzu- stände sind häufige Begleiterschei- nungen für die Überlebenden. Sie wei- sen, so Lukas, Ähnlichkeiten zum KZ- A-742 (30) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Das Ministerium für Staatssicher- heit, das auch im Aufsatz von Dr.

Klaus-Dieter Müller angesprochen wird, hat bekanntermaßen auch Ärzte, Psychologen und Psycho- therapeuten für seine Zwecke be- nutzt. Zu diesem Thema ist ein Buch erschienen: Klaus Behnke, Jürgen Fuchs (Hg.): „Zersetzung der Seele – Psychologie und Psychiatrie im Dienste der Stasi“

(Rotbuch-Verlag, Hamburg, 1995, 346 Seiten, 24,90 DM). Darin set- zen sich mehrere Autoren mit den Methoden der Stasi auseinander, mit den Beweggründen der „Zu- arbeiter“ und mit allgemeinen Aspekten des Mißbrauchs von Psy- chologie und Psychiatrie. th

(3)

Überlebenssyndrom auf. Einige ihrer Interviewten berichten von schwerer Haftfolter, zu denen in der Psychiatrie Elektroschocks hinzukamen. Die Be- schwerden dieser Häftlinge seien deutlich umfangreicher als die ver- gleichbarer Personenkreise.2) Auch hier wurden von mehreren Betroffe- nen unter den Zuhörern die Schilde- rungen bestätigt.

Vergleiche zulassen – im Interesse der Betroffenen

Unter dem Titel „Psychotrauma- tische Schäden infolge der Haft und Probleme bei der Anerkennung – ein Fallbeispiel“ betrachtete Dr. Werner Seifert die Problematik psychischer Traumata: „Gemeint ist damit, daß die psychische Selbstorganisation durch punktuelle oder dauerhafte Überlastungen in ihren Bewälti- gungsmöglichkeiten (Coping-Mecha- nismen) nachhaltig überfordert, schließlich sogar zerbrochen wird, so daß sie dann gezwungen ist, in eine andere Organisation überzugehen.“

Der Übergang, so Seifert, geschehe dabei eher in Sprüngen als in einer all- mählichen Bewegung.

Wie Haenel betonte auch Sei- fert, daß Folgewirkungen solcher psychischen Traumata sich über meh- rere Generationen erstrecken kön- nen. Diese Traumata sind für die kli- nische Psychologie etwa beschrieben in dem DSM-III-R3). Das Thema sei seit der Beschäftigung mit den Folgen des NS-Systems in der Diskussion.

Die Problematik von KZ- und Stasi- Haft ansprechend, zitierte Seifert aus einem Aufsatz von Prof. U. H. Peters, dem Leiter der Klinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität zu Köln: „Es gibt bedeutende Unter- schiede ... zwischen den Verfolgun- gen im Holocaust und den Stasi-Ver- folgungen ... Sie sind immerhin so be- deutend, daß manche einen Vergleich überhaupt nicht in Betracht zie- hen möchten. Eine solche Haltung schlägt aber offenbar zum Nachteil der Stasi-Verfolgten aus, weil leicht der Eindruck entsteht, als sei die Er- fahrung der Stasi-Verfolgung etwas, was jeder Mensch ohne besondere Schwierigkeiten verwinden kann.

Dagegen sprechen ... die ärztlichen Erfahrungen gerade mit den Überle- benden des Holocaust. Sie haben un- sere Kenntnisse über die seelischen Folgen von Verfolgungen und deren

Behandlung so sehr erweitert, daß sie unbedingt auch den Überlebenden anderer, aller Verfolgungen zugute kommen sollten. Ein Vergleich ist deshalb ... keineswegs zu vermeiden, sondern geboten.“4)

Eine Beobachtung von Hannah Arendt aufgreifend, beschrieb Seifert das Gefühl des Verlassenseins, den Verlust der Verläßlichkeit als schwie- rigste Herausforderung des Stasi-In- haftierten und zitierte dazu einen Häftling: „Das Schlimmste war die Ungewißheit.“ Die Stasi führte, so Seifert, auch einen Kampf gegen die Seele mit den Zielen „zu zersetzen, zu zersplittern, zu lähmen, zu desorgani- sieren und zu isolieren“.

Integrität und

Individualität untergraben

Das DSM-III-R nennt eine Rei- he von Situationsfaktoren (Stresso- ren), die sich traumatisch auswirken können: Bedrohung des eigenen Le- bens; Verletzungen; Bedrohung der Kinder oder Verwandter; Zeuge zu sein, wie eine nahestehende Person verletzt wird oder stirbt; Naturkata- strophen oder absichtliche Katastro- phen wie Folter in der Haft; Undurch- schaubarkeit der Situation. Peters hat diese Stressoren dann auf die Stasi- Haftopfer angewendet und kommt zu zwölf verschiedenen, sich gegenseitig verstärkenden Merkmalen. Ziel der Erniedrigungen und Mißhandlungen während der Haft – die keine Entglei- sungen einzelner waren – war es nach den Worten Seiferts, „die Integrität und Individualität der Inhaftierten zu untergraben“.

Eine Befragung – das Bitten um schriftliche Beweise – bei Rehabilitie-

A-744 (32) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

SED-Unrecht: Verlängerung der Antragsfristen

Der Bundestag hat Ende 1995 die Antragsfristen zu den SED-Unrechtsberei- nigungsgesetzen verlängert. Darauf hat das Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit hingewiesen. Damit haben Betroffene bis zum 31. Dezember 1997 die Möglichkeit, Anträge zur verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung (Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, die mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats unvereinbar waren) und Anträge auf berufliche Rehabilitierung (politisch motivierte Eingriffe in den Beruf) zu stellen. Dieselbe Frist gilt nun bei Anträgen zur Aufhebung einer strafrechtlichen Entscheidung eines Gerichts der DDR sowie bei Anträgen auf Gewährung von Kapitalentschädigung wegen einer zu Unrecht erlittenen Inhaftierung.

Im Bereich der Haftentschädigungen wurden nach Angaben des Ministeri- ums in Thüringen bisher von rund 12 000 Betroffenen Anträge auf Ausgleichslei- stungen gestellt. Über 90 Prozent der Anträge seien bereits erledigt. An die Be- rechtigten wurden knapp 67 Millionen DM ausgezahlt. Im Bereich der berufli- chen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung können erst seit Inkrafttreten des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes am 1. Juli 1994 die Anträge bearbeitet werden. Bis 31. Dezember 1995 sind im Landesamt für Rehabilitierung und Wie- dergutmachung 5 401 Anträge auf berufliche Rehabilitierung eingegangen. Bis Ende letzten Jahres wurden 980 davon erledigt. Die Bescheide bewirken im we- sentlichen einen Nachteilsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Von 2 250 Anträgen auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung betreffen al- lein 896 Anträge die Aufhebung von Zwangsaussiedlungen. Bislang sind insge- samt rund 50 Prozent der Anträge entschieden. Besondere Schwierigkeiten erge- ben sich wegen ungeklärter Erbfolgen und wegen umfangreicher Recherchen bei

Grundbuch- und Katasterämtern. EB

2) siehe hierzu den Bericht von Dr. Joachim Haager, Die Tuberkulose im Gelben Elend 1950/54, in: DÄ, Heft 41/1992, sowie Klaus- Dieter Müller, Zwischen Hippokrates und Le- nin. Gespräche mit ost- und westdeutschen Ärzten über ihre Zeit in der SBZ und DDR, Köln 1994, speziell zu den Haftbedingungen, sowie: Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller, Anpassung–Widerstand–Verfolgung. Hoch- schule und Studenten in der SBZ und DDR 1945–1961, Köln 1994, Kap. 5.4.

3) Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen (Diagnostic and statis- tical manual of mental disorder): DSM-III-R, Weinheim und Basel, 2., korr. Auflage 1989.

4) U. H. Peters, Über das Stasi-Verfolgten- Syndrom, in: Fortschr. Neurol. Psychiatrie 59 (1991), S. 251–265, S. 252

(4)

rungsverfahren kann nach seiner Dar- stellung geradezu „retraumatisie- rend“ wirken. Hier komme es beson- ders auf die Erfahrung des begutach- tenden Arztes an: „Es geht nicht, daß mit der Begutachtung von posttrau- matischen Belastungsstörungen infol- ge der Verfolgung durch die Staatssi- cherheit der DDR ein Arzt beauftragt wird, der seines Zeichens Lenin- Preisträger ist und einem in Stasi-Ge- fängnissen Drangsalierten auf des- sen Schilderung der erlittenen Haft- umstände hin sagt: ,Das hat es in der

DDR nicht gegeben.‘ “ Vielen Betrof- fenen falle es schwer, über ihre Lei- den zu sprechen. Seifert: „Bei der Be- urteilung von traumatischen Schäden und Folgeschäden steht die medizini- sche Betrachtungsweise noch zu sehr im Vordergrund. Ich räume ja ein, daß es schwer ist, Wirkungen und Folge- wirkungen von etwas einzuschätzen, worüber Betroffene (noch) nicht sprechen können. Und das eben ist das Problem. Sprachlosigkeit ist ein Symptom für ein ,sprachloses‘ Lei- den.“ In diesem Sinne plädierte der

Referent zum Schluß für mehr Ver- ständnis bei ärztlichen Gutachtern so- wie auch in der Öffentlichkeit.

Anschrift des Verfassers:

Dr. phil. Klaus-Dieter Müller Hannah-Arendt-Institut Mommsenstraße 13 01062 Dresden

A-745 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996 (35)

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BLICK INS AUSLAND

V

on den Angehörigen der Frei- en Berufe waren die Ärzte die ersten, für die die Niederlas- sungsfreiheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft Realität wurde. Das französische Parlament hatte mit einigem Zögern die entspre- chende EG-Verordnung ratifiziert, die die gegenseitige Anerkennung der Diplome beinhaltet. Ärzte, die ihr Di- plom in einem Staat erworben haben, der nicht der EU angehört, können ih- re Anerkennung bei der zuständigen Kommission im Gesundheitsministe- rium beantragen. Sie müssen sich ei- ner mündlichen und schriftlichen Prü- fung unterziehen sowie eine klinische und therapeutische Synthese vorle- gen. Die Kommission bearbeitet jähr- lich rund 2 000 solcher Anträge, von denen 100 positiv beantwortet wer- den. 1993 erhielten beispielsweise 80 Ärzte die Genehmigung, sich nieder- zulassen oder im öffentlichen Ge- sundheitsdienst zu arbeiten.

Die Ärzte mit ausländischem Di- plom arbeiten im Krankenhaus unter der Verantwortung eines Stationsarz- tes. Von den rund 39 000 Ärzten, die in öffentlichen Krankenhäusern be-

schäftigt sind, haben derzeit rund 7 500 ein ausländisches Diplom. Sie erhalten in der Regel Zweijahres-Ver- träge, die jeweils verlängert werden können. Die ausländischen Kranken- hausärzte beziehen meist ein niedri- geres Gehalt als ihre französischen Kollegen.

Auch erfahrene Ärzte müssen sich qualifizieren

Zur Zeit sind in Frankreich rund 20 000 ausländische Studenten an den medizinischen Fakultäten einge- schrieben. Das Gesundheitsministeri- um vertritt die Auffassung, daß Aus- länder, die ihr Medizinstudium in Frankreich erfolgreich abgeschlossen haben, keineswegs automatisch be- rechtigt sind, auch ihren Beruf dort auszuüben. Die wenigen, die die Mög- lichkeit erhalten, in einem französi- schen Krankenhaus zu arbeiten, kön- nen nicht mit einer Festanstellung rechnen. Ihre Stellen sind auf zwei Jahre befristet.

Die Académie de médecine hält die gegenwärtige Situation in den

Krankenhäusern für untragbar. Häu- fig sei vor der Anstellung die Qualifi- kation des ausländischen Bewerbers nicht ausreichend überprüft worden.

Dies treffe vor allem auf die Bereiche Anästhesie, Chirurgie und Gynäkolo- gie zu. Unter dem Druck der Ärzte- verbände will nun der Gesundheits- minister die Zahl der ausländischen Ärzte begrenzen. Seit dem 1. Januar dürfen die Krankenhäuser keine Ärz- te mehr einstellen, die ihr Diplom außerhalb der EU erworben haben.

Ausnahmen bedürfen einer gesonder- ten Genehmigung des Gesundheits- ministers, die jedoch nur in seltenen Fällen erteilt wird. Mittlerweile hat die Regierung beschlossen, daß sich alle Ärzte ohne EU-Diplom einer be- sonderen Eignungsprüfung unterzie- hen müssen. Das gilt auch für die Ärz- te, die schon seit Jahren an französi- schen Krankenhäusern ihren Dienst versehen. Fachleute gehen davon aus, daß von den 7 500 Ärzten, deren Qua- lifikation überprüft werden soll, rund 2 000 die Prüfung nicht bestehen wer- den. Diese Maßnahme wird jedoch von einem Teil der Ärzteschaft abge-

lehnt. Joseph Hermann

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-741–745 [Heft 12]

Klage über zu hohe Zahl ausländischer Ärzte

Die Académie de médecine in Paris klagt, daß zu viele Stellen in französischen Krankenhäusern mit Ärzten be- setzt sind, die ihr Diplom außerhalb der Europäischen Uni- on erworben haben. Im Parlament wurde überlegt, die ausländischen Krankenhausärzte, vor allem die aus Alge-

rien, Marokko und Tunesien, auszuweisen. Auf der ande- ren Seite fehlen in den öffentlichen Krankenhäusern mehr als 2000 Ärzte, denn für diejenigen, die ein französisches Diplom haben, ist der Dienst im Krankenhaus wegen der geringeren Verdienstmöglichkeiten oft zu unattraktiv.

Kurskorrektur in französischen

Krankenhäusern

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