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11—12 überhaupt nicht die Rede

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Von Jan Düs, Horni Reprice

Eissfeldt' hat unlängst gezeigt, daß der am Ende des Propheten¬

buches Micha bewahrte Psalm in Nordisrael entstanden sein muß, wenn

hier Jahwe als ,,Der du wohnst einsam im Walde mitten im Karmel"

(v. 14) prädiziert wird. ,,Ein Judäer hätte seinen Gott niemals als

Bewohner des Karmels bezeichnet"^. Von ,, Rückkehr der jüdischen

Diaspora in die Heimat" sei in v. 11—12 überhaupt nicht die Rede. ,,Was verheißen wird, ist vielmehr dies, daß Völker aus aller Welt herbeieilen,

um die Mauem der hier angeredeten ... Stadt zu bauen"^. Was aber

die zeitliche Ansetzung des Psalms angeht, gibt Eissfeldt keine ein¬

deutige Antwort. ,,Da unser Psalm eine schwere Heimsuchung ... vor¬

aussetzt, liegt der Gedanke an die Katastrophe Samarias von 732 oder

die von 722 sehr nahe, wobei die Möglichkeiten, daß eine ältere, rms

unbekannt bleibende oder eine jüngere, durch einen Aufstandsversuch

des 722 niedergeworfenen Nordstaates veranlaßte Heimsuchung in

Betracht kommt, offen zu halten sind"*.

Nun ermöglichen zwei Stellen unseres Psalmes eine sehr frühe Datie¬

rung von Micha 7, 7—20. Es ist erstens die Spottfrage der ,, Feindin"

V. 10: ,,Wo ist er, Jahwe, dein Gott ?" und zweitens eben die von Eiss¬

feldt unlängst beleuchtete Prädizierung Jahwes „Der du wohnst einsam

im Walde mitten im Karmel" v. 14.

1.

Die Frage, „wo" sich Jahwe oder andere Götter ,, befinden" (v. 10),

kann als Frage nach der Macht und Treue und keineswegs buchstäblich

nach der Wohnslätte Jahwes oder der Götter gemeint werden. Wo habe

sich der Gott versteckt, daß ihn die Gebete seiner geplagten Verehrer

nicht zu erreichen vermögen ? Wo gebe er zur Zeit seine angebliehe

Macht kund ? In diesem Sinn ist die Prahlrede von Rabsake zu verstehen :

,,Wo sind die Götter von Hamath imd Arpad ? Wo sind die Götter von

Sepharwaim, Hena und Iwa?" (II Reg 18, 34, ef. Deut 32, 37 und

Jer 2, 28). In Jes 63, 11 steht ähnlich keineswegs der Wohnort Jahwes,

sondern, wie v. 15 zu erkennen gibt, sein , .Eifer" und seine ,,Kraft- erweisungen" zur Frage (ef. Ps 89, 50; Jde 6, 13; II Reg 2, 14).

Sollte auch Micha 7, 10 nach dem Vorbild von II Reg 18,34 ausgelegt

werden ? Es ist Psalm 79, 10, der hier zur Vorsicht mahnt. Auch hier

1 ZDMG 112, 1962, S. 259fF. ^ Op. cit., S. 263f. » Op. cit., S. 265.

* Op. cit., S. 264.

(2)

fragen die Fremden die Israeliten, „wo" sich Jahwe „befinde", allein

hier fragen sie offenkundig in erster Linie buchstäblich nach dem Wohnort

Jahwes. Wie II Reg 19, 14 f. beweist, haben die Judäer geglaubt, daß

Jahwe auf der im Jerusalemer Tempel aufgestellten Lade wohne

(cf. Jer 3, 16 f.). Bei ihrem Aufstand gegen den babylonischen König

rechneten sie damit, daß Jahwe seinen Wohnsitz, den Tempel von

Jerusalem, den Feinden nieht ausliefern könne (Jer 7, 4. 12). Müssen

dann naeh dem Fall Jerusalems die umwohnenden Völker an die Is¬

raeliten nicht die Spottfrage gerichtet haben, wo Jahwe zur Zeit, da

seine Thronlade versehollen sei und sein ,,Haus" in Trümmern liege,

eigentlich wohne ?

Da der Psalm Micha 7, 7—20 nordisraelitischen Ursprungs ist, kann

er nicht die Katastrophe von 587 im Auge gehabt haben. Nun war es

im J. 587 nicht zum ersten Male, daß die Frage nach dem Wohnort

Jahwes für die Israeliten akut geworden ist. Auch die im Tempel von

Silo aufgestellte Lade wurde als Thron Jahwes betrachtet (I Sam 3, 3.10;

4, 3. 7). Nachdem sie von den Philistern in der Sehlacht bei Eben Eser

I Sam 4 cca 1100 gefangen genommen war, haben sich gewiß die Israeliten

voll Entsetzen gefragt-, ob sich Jahwe zur Zeit wirklich mit der Lade

zu Füßen Dagons in Asdod befinde (I Sam 5, 1), und die Philister

haben sich gewiß keine Gelegenheit entkommen lassen, den Israeliten

dieses quälende Problem durch die Spottfrage ,,Wo befindet sich euer

Gott?" noeh unerträglicher zu machen. Dann aber müssen wir fragen,

ob der Psalm Micha 7, 7 — 20 nicht durch die Schlacht bei Eben Eser

veranlaßt wurde.

2.

War der Glaube, Jahwe sitze unsichtbar auf der Lade, vor der Sehlacht

bei Eben Eser wirklich von solcher Bedeutung für Israel, daß die Feinde

des Jahwevolkes durch die Aufstellung der Lade in Asdod zur Spott¬

frage nach dem Wohnort Jahwes provoziert worden sein müßten ? Wir

werden in kurzem zeigen, wie leidensehaftlich und mühsam sieh Israel

die Vorstellung, Jahwe sitze auf der Lade, aneignete, was für eine

Katastrophe also der Verlust des Jahwethrones für das Volk gewesen

sein muß.

Bis Josua. Das spätere sehr schmerzliehe Problem, wo Jahwe wohne,

war eigentlich schon in der Vorgeschichte Israels beschlossen. Das

„Volk Jahwes" entstand am „Landtag zu Sichem" Jos 24 durch die

Vereinigung einiger von Haus aus in politischer und religiöser Hinsieht

gegeneinander selbständigen und seit längerer Zeit in Palästina seßhaft

gewordenen kleinviehnomadisehen Verbände'. Nun haben sieh einige

1 In einer Studie über die „Entstehung Israels" werden wir uns dem

Zweifel Noths, es habe ja eine „Moseschar" gegeben, anschließen.

(3)

Verbände der nachmaligen Israeliten ihren Patrongott seit jeher im Himmel vorgestellt (so zweifellos die Verehrer des „Gottes Abrahams", die des „Gottes Isaks" und die des „Gottes Jakobs"'), während andere

sich ihren Patrongott unten auf Erden dachten. Von den letzteren waren

für die Folgezeit besonders zwei Verbände bedeutsam: der eine ließ

sich noeh in der Wüste durch seinen auf einer Lade unsichtbar thronenden

Gott begleiten und führen, während der andere sich seinen Patrongott

auf einer stierbildförmigen Standarte als unsichtbar stehend dachte*.

Nach ihrem Seßhaftwerden in Palästina haben die Verehrer des Stier¬

bildes ihr Gottespostament auf die Dauer zu Bethel aufgestellt*, während

die Ladeverehrer ihrem Gott regelmäßig die Möglichkeit gaben, sich

mittels eines Kühepaars auf dem vom Verband bewohnten Territorium

je eine andere Wohnstätte zu erwählen*.

Bei der Begründung Israels. Auf die Verkündigung Josuas hin haben

alle in Palästina seßhaften Hebräer in ihren Patrongöttern Jahwe als

den Gott, der Josua erschienen ist imd sie von der kanaanäischen Ober¬

herrschaft befreite, erkannt und haben sich bei Sichem (Jos 24) zum

,,Volk Jahwes" Namens Israel zusammengeschlossen^. Nun brauchte

die Frage, wo „Jahwe, der Gott Israels" wohne, für Josua weder vor

der Begründung Israels noch nachher von wesentlicher Bedeutung zu

sein. Die Hauptsache muß für ihn sein Offenbarungsempfang und das

gnädige Verhältnis Jahwes zu den Israeliten gewesen sein. Josua hat

auch die Frage, wo Jahwe wohne, offenbar in der Sehwebe gelassen.

Etwas anderes wäre ihm auch im Fall, daß er sieh um die Frage nach

dem Wohnort Jahwes ernst gekümmert hätte, kaum möglich gewesen,

weil, wie die weitere Entwicklung zu erkennen gibt, sowohl die Verehrer

des Stierbildes als auch die Verehrer der Lade die Gleichsetzung ihres

angestammten Patrongottes mit Jahwe mit der Erklärung begleitet

haben, ihr aus der Wüste gebrachte Führersymbol sei der einzige Wohn-

1 Zu diesen Göttern cf. Alt, Der Oott der Väter, 1929.

2 Cf. Eissfeldt, ZAW, 58, 1940—1, S. 199ff. Die sehr wichtige Feststel¬

lung EissFELDTS, daß ein „goldenes Kalb" schon von einer hebräischen

Gruppe in der Wüste umhergetragen worden sein muß, ist weithin unbeachtet geblieben.

ä Cf. J. Dus, Communio Viatorum 4, 1961, S. 41 ff.

* Cf. J. Dus, Theol. Zeitschrift 17, 1961, S. 1—16; Communio Viatorum 6,

1963, S. 61—80. Damit die den „neuen Wagen" führenden Kühe nicht das

von den Benjaminiten bewohnte Territorium verlassen, haben die Benjami-

niten zweifellos den „neuen Wagen" noch vor der Einspannung der Tiere in

der Richtung gestellt, wo sich ausschließlich benjaminitische Siedlungen

befanden.

' In der oben angekündigten Studie vertreten wir die Auffassung, daß

Josua als Begründer der israelitischen Religion sekundär durch Mose ersetzt wurde.

(4)

ort Jahwes. Unseres Erachtens hat ihnen Josua diese Behauptung weder

gutgeheißen noeh zurückgewiesen. (Die Parteinahme Josuas für eines

der unter den palästinischen Hebräern vorhandenen Führersymbole

hätte vor allem die Verehrer der übrigen Führersymbole äußerst empört.

Dafür aber, daß Josua als den Wohnsitz Jahwes den Himmel erklärt

hätte, gibt es keine Belege. Übrigens hätten die Verehrer von Führer¬

symbolen so etwas schwerlich ertragen.) Das Gros des Volkes aber muß

es schwer getragen haben, daß es darüber, wo der ,,Gott Israels" wohne, keine offizielle Lehre gab.

In der „sichemischen Itichterzeit" . Die Israeliten, die sich bei der Be¬

gründung Israels ihren neuen Gott Jahwe, wie vorher ihre angestammten

Patrongötter, im Himmel vorstellten, hingen am entfernten Himmel als

dem Wohnsitz ihres Gottes nicht so leidensehaftlich, wie die Verehrer

der Führersymbole an ihren Gottespostamenten, die ihnen die unmittel¬

bare Nähe ihres Gottes unten auf Erden in ihrer Mitte zu verbürgen

schienen und seit ihren Wanderungen in der Wüste von heiligen Über¬

lieferungen umgeben waren. Die Verehrer des Stierbildes nahmen sich

dazu aus dem Umstand, daß sie in der auf ihrer Standarte wohnenden

Gottheit „Jahwe, den Gott Israels" erkamrten, das Recht, in ganz Israel

für das Stierbild die Propaganda zu treiben. Die Israeliten, die sich

Jahwe im Himmel dachten, haben dieser Propaganda dermaßen nach¬

gegeben, daß nach einigen Jahrzehnten das Betheler Stierbild offiziell

als der Wohnsitz des „Gottes Israels" proklamiert und die israelitische

Zentralstätte dementsprechend von Sichem nach Bethel verlegt wurde'.

Somit wurde die ,, betheische Richterzeit" eingeleitet.

Die Erhebung der Lade zum Zenlralheiligtum. Der Umstand, daß die

Vorfahren der Israeliten naeh Palästina aus der Wüste mehrere Führer¬

symbole brachten, hat das junge Volk in eine schwere Krise gebracht,

Seit der Proklamierung des Stierbildes als des einzigen Wohnsitzes

Jahwes mußten die Verehrer der Lade befürchten, die Bethelcr Stierbild¬

priester würden die Vernichtung ihres Gottesthrones erzwingen. Während

sie bis dahin offenbar für die Lade im übrigen Israel keine Propaganda

trieben* (rmd somit den Verehrern des Stierbildes ihren Erfolg ermög¬

lichten), haben sie sich jetzt offenbar schlechthin für den Sturz des

Stierbildes und seine Ersetzung durch die Lade eingesetzt. In der

„betheischen Richterzeit" muß ganz Israel durch die Frage ,,Wo befindet

sich Jahwe, unser Gott?" außerordentlieh stark bewegt worden sein.

1 Cf. J. Dus, Communio Viatorum 4, 1961, S. 41 ff.; zur Verlegung der

Zentralstätte von Sichem nach Bethel cf. Noth, Oeschichte Israels, 2. Aufl., 1955, S. 91 f.

2 Um das Recht, die anfängliche Richtimg dos „neuen Wagens" zu be¬

stimmen (s. o.), nicht zu verlieren.

2 ZDMG 116/1

(5)

Zwar haben die Ladeverehrer — nicht ohne eine blutige Auseinander¬

setzung, Ex 32,25—29 — den Sieg davongetragen', allein viele Israeliten,

deren erst vor kurzem begonnene und offiziell gutgeheißene Verehrung

des Betheler Stierbildes jetzt offiziell als Idololatrie verurteilt wurde, wurden in ihrem Glauben tief erschüttert.

In der „Richterzeit der Wanderlade"' und der — nach der Aufhebung

der Ladewanderung — unmittelbar folgenden „silonischen Richterzeit"

schien die brutale Unterdrückung des Sticrbildkultes (cf. Ex 32) gerecht¬

fertigt zu sein. Das Volk erlebte eine Blütezeit. Das wurde der segens¬

reichen Nähe Jahwes, der auf der Lade unten auf Erden inmitten seines

Volkes wohnend gedacht wurde, zugesehrieben. Der jeweilige Ruheort

der Lade und somit Jahwes selbst wurde sogar als die einzige legitime

Zentralstätte in Israel proklamiert (Dtn 12, 5). Es wurde für Jahwe

und seine Thronlade ein prächtiger übertragbarer Tempel, die „Woh¬

nung" Ex 25 ff., und nach der Aufhebung der Ladewanderimg der

Tempel von Silo erbaut. Zwei monumentale aus dieser Zeit stammenden

Werke, das Deuteronomium und die Priestersehrift, waren ganz auf der

Lade als dem Wohnsitz Jahwes orientiert*. Die Frage nach dem Wohnort

Jahwes, die als das Zentralproblem Israels seit seiner Begründung

bezeichnet werden kann, schien endlich gelöst zu sein.

Nach der Schlacht bei Eben Eser. Es war notwendig, die Geschichte

Israels im Hinblick auf die Frage nach dem Wohnort Jahwes seit Josua

bis zur Schlacht bei Eben Eser durchzugehen. Nur so können wir

begreifen, was für Israel die Nachricht bedeutete, der Thron Jahwes

sei von den Philistern geraubt und in Asdod aufgestellt worden. Befindet

sich Jahwe wirklich mit seiner Lade im Philisterland zu Füßen des

Dagonbildes in der schmachvollen Lage eines Kriegsgefangenen des

philistäischen Gottes ? Oder sitzt er nicht zu Füßen Dagons ? Hat dann

aber das Volk Jahwes lange Jahrzehnte hindurch kläglich geirrt, wenn

es in tiefer Ehrfurcht vor der Lade als der Wohnstätte seines Gottes

niederfiel? Und wo hat sich Jahwe seit jeher bis heute befunden, wenn

nieht auf der von den Philistern geschmähten Lade? Die Frage ,,Wo

befindet sich Jahwe, unser Gott ?" ist für Israel unerwartet wieder akut

geworden, schmerzlicher als je zuvor.

Selbstverständlich können die Nachbarn Israels jedes Unheil des

Jahwevolkes mit der Spottfrage ,,Wo befindet sich ihr Gott ?" begleitet

haben. Nur nach der Schlacht bei Eben Eser eca 1100 und darm das

zweite und letzte Mal nach der Vernichtung des salomonischen Tempels

' Cf. J. Dus, Communio Viatorum 4, 1961, S. 41 ff.

" Zu dieser und den vorhergehenden Behauptungen cf. J. Dus, Vetus

Testamentum 13, 1963, S. 126—132 (die Berichtigruig eines Druckfehlers in

VT 13, 1963, No. 4 ist drmglich zu beachten).

(6)

im J. 587 aber konnte diese Spottfrage auch buchstäblich gemeint werden.

Eben in diesen zwei Fällen müssen dazu die Israeliten selbst in tiefer

Verzweiflung buchstäblich naeh dem Wohnort ihres Gottes gefragt

haben. Eben damals müssen sie dureh die Spottfrage der Feinde ,,Wo

befindet sich euer Gott?" unvergleichlich schmerzlicher als je vorher

oder nachher betroffen worden sein. Das müssen die Feinde Israels

genau gewußt haben und den Israeliten diese Spottfrage unvergleichlich

häufiger als je vorher oder nachher wiederholt haben. Schon aus diesem

Grunde müssen wir fragen, ob im Psalm Micha 7, 7—20 die Frage nach

dem Wohnort Jahwes nicht buchstäblich gemeint wurde, ob also der

fc Psalm, der wegen seines nordisraelitischen Ursprungs nicht nach 587

3 datiert werden kann, nicht die Schlacht bei Eben Eser und ihre Folgen

3 im Auge hatte.

3.

r Die Spottfrage der Feinde Israels nach dem Wohnort Jahwes wird

1 im Alten Testament außer Micha 7, 10 noch viermal beklagt oder ge-

r fürchtet. Es scheint uns, daß sie an allen diesen vier Stellen den Verlust

t der Lade Jahwes im Auge hatte, also buehstäblieh gemeint wurde.

l Psalm 79, 10 : Die Heiden, die an der Vernichtung des Jerusalemer

Tempels (v. 1) teilnahmen, haben gewußt, daß Salomo den Tempel für

i den Thron des israelitischen Gottes, die heilige Lade, errichtet hatte,

i Begreiflicherweise haben sie den besiegten Israeliten nicht die demüti-

r gende Frage erspart, wo nunmehr ihr Gott wohne, wenn sein Thron

3 verschollen ist und sein Haus in Trümmern liegt (v. 10). Auf diese Frage

b antwortet der Psalmist durch die Bitte, Jahwe sollte an den Heiden

ä Rache nehmen (v. 10).

3 Joel 2, 17: Vom Tempel Serubbabels haben die Nachbarn Israels

1 gewußt, daß in ihm der kostbarste Kultgegenstand des salomonischen

i Tempels, der ladeförmige Thron des israelitischen Gottes, fehlt. So oft

ä die nachexilisehe Gemeinde' von einer Plage betroffen wurde, wurde sie

i zweifellos von den umwohnenden Heiden befragt, ob ihr Unheil nicht

) darauf ziu-ückzuführen sei, daß Jahwe auf dem Sion (cf. v. 17 a), wo

!; er keinen Thron mehr habe, auch nicht mehr wohne (cf. v. 17 b). Die

Israeliten antworten mit der Bitte, Jahwe solle sein Volk segnen und

i somit zeigen, daß er sich, wenn auch ohne die heilige Lade, ,, inmitten

; Israels befindet" (cf. v. 27).

i Psalm 42, 4. 11: Die Not des Psalmisten besteht darin, daß er nicht

! „vor 'Jahwes' Angesicht erscheinen" (v. 3), also nicht in den Tempel

vor die heilige Lade als den Thron seines Gottes kommen kann. Aus welchem

Grunde wird er in dieser Lage eben mit den Worten ,,Wo befindet sich

i 1 Ihr ist das Buch Joel zuzuschreiben, cf. T. H. Robinson in Robinson-

HoBST, Die Zwölf Kleinen Propheten, 1938, S. 55.

2'

(7)

dein Gott?" verspottet (v. 4. 11)? Und was soll sein „Warten auf 'Jahwe'" konkret bedeuten ? (v. 6. 12.) Preilieh kann der Psalmist des¬

wegen verspottet worden sein, weil ihn Jahwe sei es von einer schweren

Krankheit oder von der Gefangenschaft im Fremdland (cf. v. 7) nicht

befreit habe und ihm somit die begehrte Pilgerfahrt zur sei es in Silo

oder in Jerusalem aufgestellten heiligen Lade („vor Jahwes Angesicht")

unmöglich gemacht habe. In diesem Fall hätten wie der Psalmist so auch

seine Feinde genau gewußt, daß sieh Jahwe in seinem Tempel auf der

Lade befindet, und die Frage ,,Wo befindet sich dein Gott ?" wäre bloß

als Frage, weshalb sich Jahwe dem Psalmisten untreu zeigt, zu verstehen.

Es wurde aber merkwürdigerweise noch nicht erwogen, ob die Frage

nach dem Aufenthaltsort Jahwes v. 4 nicht buchstäblich gemeint woirde,

als Frage naeh der heiligen Lade, entsprechend dem vorausgehenden v. 3,

wo das „Erseheinen vor dem Angesicht Jahwes" ohne jeden Zweifel die

Pilgerfahrt zur Lade als dem Thron des israelitischen Gottes meint. Dann

müßte der Psalm kurz nach der Sehlacht bei Eben Eser datiert werden.

Die heilige Lade ist in Asdod aufgestellt, so daß der betrübte Israelit

vom Psalm 42 nicht ,,vor 'Jahwes' Angesicht erscheinen" kann, auch

weim er die Länder, in denen er sich — nach der Sehlacht bei Eben

Eser — wohl als ein Kriegsgefangener befindet (v. 7), verlassen könnte.

Dureh die Spottfrage ,,Wo befindet sich dein Gott?" machen ihm die

Feinde die schmerzliehe Wirklichkeit, daß sieh sein Gott zur Zeit zu

Füßen des Dagonbildes befindet, noch unerträglicher. Allein der Psalmist

hat sich entschlossen, mit aller Leidenschaft seiner Seele ,,auf Jahwe

zu warten" (v. 6. 12). Er hofft, daß er dennoch bald (ef. rmtaj ,,wann"

v. 3) zur heiligen Lade pilgern und dort seinen Gott ,, preisen" wird

(v. 6. 12): er rechnet offenbar damit, daß Jahwe seiner Thronlade in

kürzester Zeit von den Philistern die Freilassung erzwingen und mit ihr

naeh seinem Land zurückkehren wird. Der Psalm 42 ist u. E. derselben

leidenschaftliehen Hoffnung auf die Rückkehr der Lade entsprungen,

die unmittelbar nach der Schlacht bei Eben Eser die Gerüchte I Sam 5,

Jahwe habe die Philister schon zur Rückgabe seines Thrones gezwungen

und sei also in den nächsten Tagen mit seiner Lade im israelitischen

Land zu erwarten, hervorgebracht hat'.

Psalm 115, 2: ,, Warum sollen die Heiden sagen : Wo ist doch ihr Gott ?

Ist doch unser Gott im Himmel; alles, was er will, tut er". Freilich

können hier die Heiden — auf Grund eines Unheils, das das Gottesvolk

betroffen hat — bloß auf die Ohnmächtigkeit Jahwes die Aufmerksam¬

keit gezogen haben. Dann hätte der Psalmist im v. 3 ihrer Lästerung

bloß ein altes israelitisches Bekenntnis, Jahwe herrsche wie seit jeher

' Diese Ansicht vertreten wir in einem in der Nederiands Theologisch

Tijdschrift bald erscheinenden Aufsatz.

(8)

vom Himmel her über die ganze Welt, entgegengehalten. baS§amajim

wäre hier letzten Endes entbehrlich gewesen. Wenn wir aber wissen,

1. daß in der „silonischen Richterzeit" ausschließlich die Lade als der

Wohnsitz Jahwes galt, 2. daß nach der Schlacht bei Eben Eser den

Feinden Israels die Frage nach dem Wohnort Jahwes so wie nie vorher

auf der Hand gelegen haben muß, 3. daß die Israeliten nicht auf die

Dauer ihren Gott auf der in Asdod aufgestellten Lade vorauszusetzen

vermochten', also für ihren Gott einen anderen Wohnort finden mußten,

dann müssen wir die Möglichkeit erwägen, ob der Psalm nicht aus der

Zeit nach der Schlacht bei Eben Eser stammt und ob im v. 2. 3 nicht

der Nachdruck eben auf den Worten ,,Wo?" und „Im Himmel!" liegt.

Im Ps 42 antworten die Israeliten auf die Spottfrage nach dem Wohnort

Jahwes noch mit der Vorsage, Jahwe werde in kürzester Zeit aus Asdod

nach seinem Land zurückkehren. Im Ps 115 haben sie auf die Vorstellung,

Jahwe sitze auf der Lade, schon verzichtet und als den Wohnort Jahwes

den Himmel erklärt.

Wenn die Frage der Fremdländer, wo sich der israelitische Gott

befinde, wie in Ps 79, 10 so aueh in Joel 2, 17 und Ps 42, 4. 11 und

Ps 115, 2 buchstäblich gemeint wurde und das Geschick der Thronlade

Jahwes im Auge hatte, ist es um so wahrscheinlicher, daß dasselbe auch

von Micha 7, 10 gilt. Dann aber wäre der nordisraolitische Psalm Micha

7^ 7—20 naeh dem Verlust der Lade I Sam 4 entstanden.

4.

Für die Ansetzung von Micha 7, 7—20 nach der Schlacht bei Eben

Eser spricht nicht nur die Frage der Heiden v. 10, sondern aueh die

Prädizierung Jahwes als ,,Der du wohnst einsam im Walde mitten im

Karmel". Wir glauben in diesen Worten die Antwort des Psalmisten

auf die Frage v. 10, der das israelitische Volk naeh der Sehlacht bei

Eben Eser ratlos und tief erschüttert gegenüberstand, sehen zu dürfen.

Der Gipfel vom Karmel wm-de gewiß schon vor dem Seßhaftwerden

der nachmaligen Israeliten in Palästina als Sitz einer Gottheit {ba'al

karmel^ ^ gehalten. Einige Hebräer haben die Verehrung des auf dem

Karmel wohnenden Gottes offenbar übernommen und diesen Gott

später, nach der Begründung Israels, mit ,, Jahwe, dem Gott Israels"

gleichgesetzt. Ihr Glaube, daß Jahwe seinen Wohnsitz auf dem Karmel

hat, wurde dureh die Dogmen, Jahwe wohne auf dem Betheler Jungstier¬

bild, und später, er wohne auf der Lade, zurückgedrängt. Nach dem

1 Die Philister haben die Lade erst zur Zeit Davids, also nach ungefähr

himdert Jahren, zurückgegeben, W. H. Kösters, 1893, bei Budde, Die

Bücher Samuel, 1902, S. 226.

2 Cf. Gauling, GeschicfUe und Altes Testament (Festgabe Alt), 19ö3, S. 119.

(9)

Verlust der heiligen Lade I Sam 4 aber ist er, wie Micha 7, 7—20 zu

erkennen gibt, wenigstens bei einem Teil des Volkes wieder zur Ehre

gekommen, da es einige Israeliten nach ihrem Verzicht auf die in Asdod

befindliche Thronlade vorgezogen haben, sich ihren Gott im eigenen

Land unten auf Erden als im fernen Himmel zu deirken. Der Karmel

kommt in der Bibel freilich nur ein einziges Mal als der Wohnsitz Jahwes

vor. Die meisten Israeliten haben Jahwe offenbar im Himmel oder, seit

David, wieder auf der Lade oder, seit Jerobeam, auf den wiederher¬

gestellten Jahwepostamenten in Bethel und Dan (I Reg 12, 28ff.)

gesucht.

5.

Gegen unsere Ansetzung von Micha 7, 7—20 nach der Schlacht bei

Eben Eser können u. E. keine ausschlaggebende Gründe angeführt

werden. Die ,, Feindin" v. 8. 10 kann Philistäa sein. Schon in der Riehter-

zeit müssen die Israeliten auch in Städten (v. 12) gewohnt haben. Assur

wird V. 12 in einer Reihe mit Ägypten, Tyrus und den Euphratländern

als eines der Länder genannt, die den Israeliten bei dem Wiederaufbau

ihrer Mauern helfen werden. Das spricht nicht dafür, daß Assur mit der

,, Feindin" v. 8 gleichzusetzen wäre. Nicht einmal die Nennung Basana

imd Gileads v. 14 spricht gegen unsere Auffassung, daß die ,, Feindin"

in Philistäa gesucht werden müsse: Wir können uns gut denken, daß

die östlichen Nachbam Israels die „Philisternot" der Israeliten aus¬

genutzt und sich besonders der israelitischen Territorien östlich des

Jordans bemächtigt haben.

6.

Vielleicht erscheint unsere Ansetzung von Micha 7, 7—20 in der

„nachsUonisehen Richterzeit" auch nach unseren Erörtemngen zu v. 10

und 14 allzu gewagt. Nun können wir uns wieder auf Eissfeldt bemfen,

der zwei spät und sehr spät datierte israelitische Gedichte in der Zeit

nach der Schlacht bei Eben Eser ansetzt.'

' Das Lied Moses Deuteronomium 32, 1—43 und das Lehrgedicht Asaphs

Psalm 78, Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der

Wissenschaften zu Leipzig, 1958.

(10)

der arabischen Gäbir-Schriften

Von Martin Plbssnek, Jerusalem (Israel)

Dem Andenken Alfreds von Outschmied (1831-1887)

Zwanzig Jahre nach dem Tode von Paul Kkaüs veröffentheht Füad

Sezgin einen GreneralangriflF auf dessen These von dem ismä'ilitisehen

Charakter der arabischen öäbir-Schriften und von der hieraus resul¬

tierenden Ansetzung dieser Schriften auf frühestens das Ende des 3.

Jahrhunderts d.H. Der Angriff geschah zuerst mündlich auf dem XV.

Deutschen Orientalistentag in Göttingen 1961; die Veröffentlichung ist

nunmehr in Band 114 dieser Zeitsehrift, S. 255—68 erfolgt.

Sezgin ist nicht der erste, der die von J. Ruska und Kbaus geleistete

Arbeit zur Erforschung der Anfänge und der Entwicklung der arabischen

Alchemie zu widerlegen unternommen hat. Auf dem IX. Internatio¬

nalen Kongreß für Gesehiehte der Wissenschaften in Barcelona und

Madrid 1959 hat M. Y. Haschmi, Aleppo, ein Schüler Paul Kahles,

einen in der Hauptsache gegen Ruska gerichteten Vortrag „Die An¬

fänge der arabischen Alchemie" gehalten', in dem er u.a. die Beschäf¬

tigung des sechsten Imams, öa'far as-Sädiq, mit Alchemie zu beweisen

sich bemüht, unter Hinweis auf ein von ihm arabisch verfaßtes Bueh,

das mir bis heute unzugänglich geblieben ist. Haschmis Buch und sein

Vortrag sind offenbar Sezgin nicht bekannt. Falls Haschmi recht hat,

kann die Berufung auf Öa'far in den Sehriften 'Öabirs' nicht mehr als

Verdachtsmoment gegen deren Entstehung im 2. Jahrhundert d.H. in

Anspruch genommen werden. An Kraus übt Haschmi Kritik nur in

Einzelheiten, da das Öäbirproblem nicht sein Hauptgegenstand ist.

Sezgin dagegen hat es ausgesproehenermaßen gerade damit zu tun.

Ich hatte Gelegenheit, Sezgins Kritik in ihren Grundzügen von ihm

selbst zu hören, als ich 1962 in Frankfurt a/M auf Einladung W.

Hartnbrs an dessen Seminar teilnahm. In der Diskussion äußerte ich

sogleich meine Bedenken, die damals wesentlich methodischer Art waren,

da das neue Material, auf das Sezgin sich stützt, mir damals noeh nicht

vorlag. In seinem Vortrag hat Sezgin es nun zum Teil bekannt gemacht;

es handelt sich hauptsächlich um von ihm gefundene und teilweise be¬

schriebene arabische Sammelhandschriften in Istanbul, aus denen die

Beweise stammen, soweit sie auf Material und nicht auf Argumentation

beruhen.

1 Actes du IXe Gongree International d'Histoire des Sciences, S. 290—95.

y-*^

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