Zur generellen Verneinung im Hebräischen
von Benedikt Hartmann, Zürich
Prof. Dr. Waither Eichrodt, Basel, zum 70. Gebm-tstag
In seiner Theologie des Alten TeMaments schreibt W. Eichrodt im
Kapitel über Jahwes Einzigkeit: „Und zu dieser unreflektierten An¬
nahme der Existenz vieler Götter stimmt nun, daß wir in den älteren
alttestamentlichen Schriften nirgends in klaren Worten den mono¬
theistischen Gedanken ausgesprochen finden. Erst das 7. Jahrhundert
kennt die monotheistische Formel von Jahwe". *
Wie müßte diese monotheistische Formel wohl lauten, wie muß sie
syntaktisch und lexikalisch gebaut sein und wo ist sie anzutrefifen ? Auf
den folgenden Seiten sollen einige Gedanken zu diesen Fragen erörtert
werden.
Die erste Frage nach der Form dieser monotheistischen Formel in
klaren Worten muß so beantwortet werden : Es gibt keinen Gott außer
Jahwe. Der erste Teil dieser Formel ist eine generelle Verneinung, d. h.
nicht etwas Einzelnes sondern die Art, die Gattung wird verneint. Gene¬
relle Verneinungen kommen im AT recht häufig in den mannigfachsten
Konstruktionen vor. Zunächst soll das generell verneinte Wort unter¬
sucht werden.
Gn 2,5 nsnxn-ns ias?V t:s din
Es war kein Mensch da, den Boden zu bebauen.
Ex 12,30 na oiä'yv. ne^s n^a
Es gab kein Haus, in dem nicht ein Toter war.
Nu 20,5 riwirV a^a
Es gibt kein Wasser zu trinken.
Das generell verneinte Wort steht im Hebräischen im indeterminierten
Singular.^ Ob wie im Arabischen dieser indeterminierte Singular als
Akkusativ aufzufassen ist, kann nicht ausgemacht werden.^
Als die Gattung verneinende Partikel wird im Hebräischen überwie¬
gend die Negation des Nominalsatzes f S verwendet, und zwar, wie die
1 5. Auflage 1957 S. 141ff., bes. S. 141 unten.
2 Im AT gibt es keine Beispiele für Plural. D'-n'?« II S 7,22 gilt als
Singular.
' H. Reckendorf: Arabische Syntax § 62.
18 ZDMG 110/2
Lexikographen lehren, entweder im AI solutus oder Constructus. Diese
beiden Formen werfen nun allerdings ein syntaktisches und ein phone¬
tisches Problem auf. In jeder hebräischen Grammatik steht, daß in der
Genetiv-Konstruktion Nomen regens und Nomen rectum durch nichts
getrennt werden dürfen.* Sie bilden eine Toneinheit.^ Das Nomen regens
(Constructus) geht unbedüigt dem Nomen rectum voraus (Inversion wie
in den indogermanischen Sprachen ist unmöglich). Der Constructus
wird nur für das Nomen regens verwendet.^ Wie verhält es sich nun mit
der syntaktischen Stellung von l?« und ? Obige Beispiele bieten keine
Probleme (außer Ex 12,30b), aber
Gn 2,5 r»? Ol« gegenüber Hi 35,15 IB« Tp.?
Wenn der Text nicht geändert wird, was durchaus möglich ist, da die
Vokahsation auch bei der 2. Vokabel nicht in Ordnung ist, würde der
Absolutus hier falsch gebraucht sein.
Gn 31,50 uns? «^"'X r»? gegenüber Gn 19,31 «TS
Ri 19,6'7«14?'3 "n"?» gegenüber Ri 19,1 VsiBTa f?Tä
In den Beispielen Gn 19,31 und Ri 19,1 würden wir den Absolutus
erwarten.
I s 30,4 msaV m ona-r«
Hier werden, faUs es sich um eine Genetivkonstruktion handelt, ent¬
gegen den Regeln Nomen regens und Nomen rectum durch ein anderes
Satzglied getrennt.^
Der Befund zeigt also, daß r^i" (ev. auch ]?«) in syntaktischen Situa¬
tionen vorkommt, in denen es nicht als Constructus d. h. Nomen regens
(als Absolutus) aufgefaßt werden kann .
Die beiden Stellen Gn 19,31 pi« Tj'V.^H gegenüber Gn 2,5 T?NmK
ia»*? beweisen, daß beide Formen und l?« gleichwertig in derselben
syntaktischen Funktion verwendet werden können, also gegenseitig aus¬
wechselbar sind. Etymologisch und funktionell entspricht ]''lit /
ug. 3n, arab. 'in* moab. ]«. Brockelmann erklärt arab. 'in als Tief¬
stufe zu aina ,,wo" mit Kürzung des Vokals in geschlossener Silbe.'"
* P. Joüon: Grammaire de VHebreu biblique S. 386.
^ C. Brockelmann : Hebräische Syntax S. 65; Beer-Meyer: Hebräische
Grammatik, II S. 166.
« Beer-Meyer II S. 166.
' Lies ev. IpjS ]^N.
8 Ri 18,10 Gn 37,24 Lv 13,21 Ps 86,8.
'H.Wehr: Zur Funktion arabischer Negationen, ZDMG 103 (1953)
S. 27—39 bes. S. 37f.
'» Grundriß II III.
Hebräisch muß lautgesetzlich ai zu e werden, f K ist also die eigenthch
hebräische Lautung dieser Vokabel. Die Form 1?K dagegen ist erst se¬
kundär von den Grammatikern als hyperkorrekte Form für die Nach¬
stellung und die isolierte Stellung in Analogie zu n""? / n^3 gebildet wor¬
den.'' Die Ausgleichung wurde aber glücklicherweise nicht völhg durch¬
geführt.
r« kann allein ohne folgendes Nomen „es gibt keinen, niemanden"
heißen. Das generell Verneinte kann in diesen Sätzen leicht aus dem
Zusammenhang ergänzt werden
I s 2,2 inVa fX
Es gibt keinen (Gott) außer dir.
Neben fX kommen auch noch folgende Negationen in der generellen
Verneinung vor.
a) DDX II s 9,3 Vistt? n'a'? -t^v ddkh
Ist niemand mehr da vom Hause Sauls ?
Js. 5,8 mpa osx-ns7
Bis kein Platz mehr ist.
Js. 45,14 CnVx DDN (D-'n'rX in singularischer Funktion) Es gibt (sonst) keinen Gott.
Js45,6 naVlDDN
Es gibt keine (Götter) außer mir.
b) XV Bis heute kenne ich nur zwei Beispiele.'^
Nu 20,5 nism s?-)T Dipa nV
Es gibt keinen Ort für Saat, für Feigen etc.
II S 20,1 = I Rg 12,16 = II C 10,16 -tr-pa nh-nj x"?
Es gibt (für uns) kein Erbe am Sohne Isais.
c) na I Rg 12,16 = II C 10,16 Tna pVn nV-na
Wir haben keinen Anteil an David.
Die Parallelstelle II S 20,1 hat an Stelle von na die Negation fX
was beweist, daß na hier nicht als Fragepronomen übersetzt werden
darf sondern als Negation gefaßt werden muß. Das Arabische verwendet
in der generellen Verneinung hie und da auch mä. Daß die Negation mu
aus dem Interrogativum 7nd entstanden ist, zeigt Wehr in dem Anm. 9
zitierten Aufsatz.
" Hexapla des Origenes noch 7)v, vgl. E. Brönno : Studien über hebräische
Morphologie und Vokalismus S. 212.
'2 Im Arabischen ist Lä die gewöhnliche generelle Negation. Sa 4,6 gehört auch hierher.
16«
Ri 14,18 ""ixa t» nai iraia pma-na
Es gibt nichts Süßeres als Honig und nichts Stärkeres als
den Löwen.
Jr. 8,9 on*? na-naDni3
Sie haben keine Weisheit.
Alle Beispiele stammen aus der Poesie.
d) na geht auf eine Grundform mä mit langem ä zurück. Semitisches
langes ä wird unter dem Ton in den kanaanäischen Sprachen zu 6. Das
erwartete *m6 ist im Hebräischen nicht belegt. Im Arabischen wird langes
ä durch starke Imäla zu e, ja sogar zu », altar, bäb wird in marokkani¬
schen Stadtmundarten zu bib. H.FleischI* berichtet, daß d im Nord¬
libanon zu 6 wird, im Südlibanon dagegen zu t. Dieser Lautwechsel
liegt im Hebräischen bei *kd zu "'S vor^^. Wenn wir bei 7nä denselben
Lautwandel annehmen, so erhalten wir hebräisch eine VokabelLaut¬
lich fällt dieses ''a ,, nicht" aus md entstanden mit*''? ,,wer" zusammen.
Darum ist es bis heute nicht als selbständige Vokabel erkannt worden.
Finden sich aber für ""a ,, nicht" auch Belege im AT ? Dt 4,7 Vni -n) -a
Es gibt kein großes Volk.
II S 7,23 pxa mx ''IJ bniiro T[a»D •■a
Es gibt keine andere Nation auf Erden wie das Volk Israel.
Der indeterminierte Singular für das generell Verneinte entspricht
durchaus unserer Erwartung, dagegen
Ri 10,18 sr-xn -"a
Wer ist der Mann ?
Schon die Determination beweist, daß hier ""a nicht als Negation son¬
dern als Fragewort übersetzt werden muß. Daß man in allen anderen
Beispielen auch mit ,,wer" durchkommt, hat mit dazu beigetragen,
'a „nicht" nicht zu erkennen.
Weitere Beispiele werden unten behandelt werden^*. Die überwie¬
gende Mehrzahl der Stellen stammen aus Poesie und Kunstprosa.
" Lies ev. DfiaSn oder besser naSH.
" Premiers resultats d'une enquete dialectale au Liban, Orbis 8 (1959)
385—99 bes. 391 f., als Vortrag auf dem Orientalistenkongreß in München
1957 gehalten.
'° Näheres in meinem Aufsatz über "'S, noch nicht gedruckt.
"Dt 4,7f. 5,23 IS 22,14 26,15 II S 7,23 = I C 17,21 Js 42,19 Ho
14,10 Ps 6,6 59,8 Hi 34,7 diese Beispiele gehören der profanen Sphäre
an, die folgenden der religiösen; auf Jahwe bezogen: (Ex 15,11) Dt
3,24 II Rg 18,35 = Js 36,20 = II C 32,14 Ps 35,10 89,9 Js 44,7. Vier
weitere Beispiele folgen unten.
Wenden wir uns nun den Ausnahmepartikeln zu. Es werden nur
solche, die in monotheistischen Formeln vorkommen, behandelt und nur
solche Formeln als Belege erwähnt.
a) ^3V!^ Dafür habe ich bis jetzt nur ein in Frage kommendes Beispiel
gefunden.
Dt 4,35 nnVn DnVnn Kin nin-"
Jahwe ist Gott. Es gibt keinen (Gott) mehr außer ihm
b) •'ri'pa IS 2,2 inVa r«"
e) -T»'73 1. Js 43,11 »•'ina ■'•7s?"?aa
2. Js 44,6 o^nVn nsVaa
3. Js 45,21 'isVaa D-nVx to i"-«
4. Js 45,6 •'1»'?3 DSN
Diese vier Beispiele sind hinsichthch der Wortstellung des zu unter¬
suchenden Satzes besonders belehrend. Sie zeigen, daß zumindest in der
Poesie die Wortstellung völhg frei ist. Die Ausnahme kann am Ende
(3), am Anfang (2) stehn oder sogar zwischen die Negation und das gene¬
rell Verneinte eingeschoben werden (1). Ferner kann ja wie oben bereits
erwähnt das generell Verneinte aueh fehlen (4).
II S 22,32 = Ps 18,32 wird uns unten beschäftigen.
d) nVit II S 7,22 = 10 17,20 inVlT D'-nVN l'N
Js 45,5 D-'n'?« 1-N -nVlT Js 45,21 "n'^it fN »"irai pns
e) DN "'S Diese Ausnahmepartikel wird nie in der monotheistischen
Formel verwendet. Ein Beispiel möge des Folgenden wegen aber doch
gegeben werden.
Nu 26,65 3'7D DN •'D »"N Dna im nV
Keiner von ihnen war übriggeblieben außer Kaleb.
f ) ""S Es kommt in dieser Gestalt als separate Partikel ebenfalls in
der monotheistischen Formel nicht vor. Ein Beispiel möge genügen um
zu zeigen, daß auch "'S , .außer" bedeuten kann.
I S. 18,25 o-'mbQ ni'ns? nNa3 -'S maa ■qVaV Tsn-i'-N
Der König hat an keinem Brautpreis gefallen außer an
100 Vorhäuten von Phihstem.
Daß aber ,, außer" trotzdem in der monotheistischen Formel be¬
legt ist, wird durch folgende Beobachtung erhärtet.
" Ho 13,4 TiVb fN »Trna Es gibt kernen Better außer mir, bezieht sich auf Jahwe.
I s 2,2 a) mn''? wnp b) ?inVa c) irnVs? IIS
Die drei Sätze sind parallel gebaut, b ist eindeutig: es gibt keinen
(Gott) außer dir. In a und c steht an Stelle der erwarteten Ausnahme¬
partikel ein 3. Wir müssen aber nm"" "'S j'Ü''T\bH "'S lesen. Im ersten Fall
haben wir eine Haplographie von Jod zu verzeichnen, ev. ein Laut¬
wandel Kija zu kijja zu kija zu ^3. Im zweiten Fall wurde durch das
Verstummen des Aleph kt i zu ku zu ke.'-^ In beiden Fällen erhalten wir
dieselbe Vokahsation, wie wenn die Präposition 3 zu Grunde läge. Das
hat dazu geführt, daß auch eine der Präposition 3 gleichlautende Aus¬
nahmepartikel 3 entstand.
Js 42,19 vhm -"DsVaD t^nni nas-ox •'a ms?
nin'' lasa 2?nni nbmo ns ■'»
Der erste Halbvers ist wieder eindeutig. In allen anderen Fällen ist 3
als Ausnahmepartikel zu verstehen. Der Vers heißt also : Es gibt keinen
Blinden außer meinem Knecht und keinen Tauben außer meinem Boten,
den ich sende. Es gibt keinen Blinden außer dem ,, Gottgeweihten" und
keinen Tauben außer dem Gottesknecht.^^
Wenn diese Überlegungen stimmen, können auch die Eigennamen
in"'D"'a und '7Na''a im Sinne der monotheistischen Formel als Bekenner¬
namen gedeutet werden.^" Es gibt keinen (Gott) außer Jahwe (El).
Damit wäre das Sprachliche beieinander. Übrig bleiben die Fragen,
ob durch die Untersuchung gegenüber dem bisherigen Bestand älteres
Material aufgedeckt werden konnte und ob sich die monotheistische
Formel im AT in so reiner Form findet, wie sie die Überschrift des Auf¬
satzes ankündigt. Beide Fragen hängen eng miteinander zusammen. Die
monotheistische Formel findet sich einmal im AT in extenso und zwar in
dem Königsdankhed
II S 22,32 = Ps 18,32 n''n'' ns'jaa ni"7s
II S 22,32 steht "JS für niVs Dieser Psalm wird von den Literaturhisto¬
rikern verschieden beurteilt. Die Einen halten ihn für alt, d. h. in die
'8 Ev. Hi 34,7 ai'ND naS 'a Es gibt keinen Mann außer Hieb.
1' Ev. ist hie und da auch die Nebenform von 3 103 als Ausnahmepartikel zu verstehen.
II s 7,22 = I c 17,20 ^r\bv D'-nVs ]''« ?iia3
Beide Halbverse sind gleich gebaut. An Stelle der Ausnahmepartikel TlhV
in b steht a 1)33.
2" Meist werden sie im Sinne „Wer ist wie Gott" gedeutet: Köhler-
Baumgartner, Lexikon s. v. M. Noth: Die israelitisohen Personennamen
S. 144.
Zeit Davids gehörend, so Weiseb-', die Anderen schreiben ihn der
ausgehenden judäischen Königszeit zu, so Eissfeldt^'^ und 23 Durch
die Literaturhistoriker bekommen wir also keinen festen Boden unter
die Füße. Die Spätdatierung entspricht ja jedenfalls den eingangs aus
EichRodt's Theologie zitierten Worten. Die Frühdatierung d. h. die
Möghchkeit des Auftretens der monotheistischen Formel bereits vor dem
7. Jahrhundert wird durch sprachliche Gesichtspunkte leider auch
nicht entscheidend gestützt. Es ist zuzugeben, daß ''^vbl'a zumindest
nieht in sicher älteren Stellen zu finden ist. Diese Partikel scheint — den
Belegen aus den anderen semitischen Dialekten nach — aus dem aramäi¬
schen Sprachbereich zu stammen. Damit sind wir mit der zeitlichen
Festlegung von neuem gestrandet; denn seit Bauek-Lbanders For¬
schmigen sind eigentlich aramäische Einflüsse schon in frühester Zeit
möglich, ""a wird zwar sicher alt sein. Schon der Lautwandel, den es ja mit dem sicher alten ""^ gemeinsam hat, deutet darauf hin. Daß beide
Partikel vorwiegend in der Poesie, jenem Hort altertümlicher Bildungen
beheimatet sind, kann auf altererbtes Gut schließen lassen, stichhaltig
ist aber der Beweis nicht; denn poetische Sprache ist nicht unbedingt
gleichbedeutend mit archaischer Sprache. Das Sprachliche zwingt also,
wenn wir den Text nicht pressen wollen, keinen eindeutigen Terminus
post oder ante quem auf. Die meiner Meinung nach möghche Früh¬
datierung wird aber zumindest durch die oben dargelegte Interpretation
des Namens Micha — falls sie stimmt — gestützt; denn mit Micha Ben
Jimla kommt man immerhin in die Mitte des 9. Jahrhunderts.^*
Die monotheistische Formel: „Es gibt keinen Gott außer Jahwe" ist
also im AT in dieser reinen Form wirklich belegt. Die Zeit ihrer Ent¬
stehung kann vorläufig aber mit Sicherheit nicht genau festgelegt werden.
-' A. Weiser: Die Psalmen, Das Alte Testament Deutsch 1955 I. S. 125.
22 O. Eissfeldt: Einleitung in das AT (1934), S. 314.
^ Die drei anderen Stellen sind zeitlich schwer einzuordnen. Mi 7,18 (nach Eissfeldt S. 458) 6. Jahrhundert, Ps 71,19, 77,14sind nicht sicher datierbar.
^ Micha in Eich ter 17 f. möchte ich nicht herbeiziehen. Er beweist höch¬
stens, daß der Name als gut eingebürgert empfunden wurde.
Von Walther Hinz, Göttingen
Als die Iranische Expedition des Orientalischen Institutes der Uni¬
versität Chicago in den Jahren 1933—34 unter der Leitung von
E. Hebzfeld (gest. 1948) Tausende von elamischen Tontäfelchen aus
dem Schutt der Terrassen-Umwallung barg, begann eine neue Epoche in
der Erforschung des Hof-und Staatswesens der Achämeniden. Der Ver¬
öfFentlichung dieser sog. ,, Walltäfelchen" (Fortification tablets) aus der
Registratur der Hofintendantur des Dareios aus der Zeit von 510 bis
494 V. Chr. durch R. T. Hallock (Chicago) sieht die Wissensehaft er¬
wartungsvoll entgegen.
In den Jahren 1936—38 hat die Expedition unter der Leitung von
E. F. Schmidt im Bereich des einstigen Schatzhauses die Überreste von
etwa 200 elamischen Täfelchen freigelegt; von diesen ,, Schatztäfelchen"
(Treasury tablets) waren 114 verwertbar. Sie entstammen, von G. G.
Cameron (Ann Arbor, Mich.) 1948 in bahnbrechender Leistung ver-
öflFentlicht,^ dem Zeitraum von 492 bis 460, umfassen also das letzte
Jahrfünft des Dareios, die Regierungszeit des Xerxes (486—465) und
das erste Jahrfünft Artaxerxes' I. Ab 460 v. Chr. wurde offensichtlich
die achämenidische Hof buchhaltung von Ton auf Papyrus umgestellt ;
an die Stelle elamischer Schreiber dürften seither aramäische getreten
sein.
Die von G. G. Camebon erzielten Ergebnisse sind 1950 von R. T.
Hallock im Lichte seiner Erfahrungen mit den Walltäfelchen erörtert
worden. 2 Im Jahre 1958 faßte Camebon die neugewonnenen Einsichten
in einem Beitrag zusammen,* welchem er im Anhang fünf weitere
Schatztäfelchen beigab, die er 1957 im Teheraner Museum vorgefunden
hatte. Zuletzt hat nun wiederum Hallock den gesamten Chicagoer
Bestand an Schatztäfelchen — 45 an der Zahl — neu durchgemustert.*
Die bisher auf die Erforschung der Persepolis-Täfelchen verwandte
Mühe hat bereits vielfältige, neue Aufschlüsse zur Kulturgeschichte
' George G. Ca.meron, Persepolis Treasury Tablets, Chicago 1948, ab¬
gekürzt: PTT. Vgl. meine Besprechung in ZA 1950, 347—353.
2 Richard T. Hallock, New light from Persepohs, JNES 1950, 237—252.
' G. G. Cameron, Persepolis Treasury tablets old and new, JNES 1958,
161—176.
' R. T. Hallock, A new look at the Persepolis Treasury tablets, JNES 1960, 90—100.