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Archiv "Die „Jugendreligionen“ juristisch: Überschätzt" (05.02.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Hypotonie: Sozialökonomische Aspekte

Aufgrund der Hypotonie entstehen volkswirtschaftliche Kosten unter anderem in folgenden Bereichen:

Ambulante ärztliche Behandlung, Arzneimitteltherapie, Arbeits-, Be- rufs- und Erwerbsunfähigkeit, sta- tionäre Behandlung (Kranken- haus) und stationäre Heilbehand- lung (Kur).

Für die ambulante ärztliche Be- handlung und die Arzneimittelthe- rapie liegen diagnosebezogene Daten aus dem Bereich der Kran- kenversicherung nur in geringem Umfang vor.

In einzelnen Bereichen der ambu- lanten Versorgung gibt es Unter- suchungen zum durchschnittli- chen Fallwert je Mitglied, geglie- dert nach Diagnose und Arztgrup- pe. Nach Angaben in der Literatur kann davon ausgegangen werden, daß nur 10 Prozent der Hypotoni- ker regelmäßig, also in jedem Quartal, einen Arzt konsultieren.

Daraus ergeben sich Ausgaben der gesetzlichen Krankenversiche- rung für ambulante ärztliche Be- handlung von Hypotonikern von über 50 Millionen DM pro Jahr.

Bekannt sind die Umsätze an Anti- hypotonika (Preisstellung zu Apo- thekenverkaufspreisen). Sie betru- gen 1978 etwa 380 Millionen DM.

Von den 9,5 Millionen Arbeitsunfä- higkeitstagen aufgrund der Dia- gnose Hypotonie waren etwa 6,6 Millionen Werktage. Berücksich- tigt man den Anteil, den ein Arbeit- nehmer pro geleistetem Arbeitstag zum Volkseinkommen erbringt, so ergeben sich für 1978 aus Arbeits- unfähigkeit aufgrund der Diagno- se Hypotonie volkswirtschaftliche Belastungen in Höhe von rund 1,5 Milliarden DM.

Die Bestimmung der finanziellen Auswirkungen der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsberentung sind anhand der Angaben der Renten- versicherungsträger relativ exakt möglich. Unter Berücksichtigung der Rentenzahlungen und der Ausfälle an Beitragsleistung auf- grund der Diagnose Hypotonie er-

geben sich für 1979 zusätzliche Belastungen für die Rentenversi- cherungsträger in Höhe von etwa 34,5 Millionen DM.

Anhand der Statistiken der Allge- meinen Ortskrankenkassen sowie der Zahlen der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft ergaben sich bei einem bundesdurchschnittli- chen täglichen Pflegesatz von 151,10 DM im Jahr 1978 Ausgaben für die stationäre Behandlung von Hypotonikern in Höhe von etwa 167 Millionen DM.

Volkswirtschaftliche Belastungen durch stationäre Heilbehandlun- gen wegen Hypotonie konnten aufgrund der Aufwendungen der Rentenversicherungsträger für diese Heilbehandlungen diagno- sebezogen geschätzt werden.

1979 entstanden bei den Renten- versicherungsträgern durch Ku- ren, die wegen Hypotonie gewährt wurden, Belastungen in Höhe von 26,8 Millionen DM.

Zusammenfassend ist festzustel- len, daß sich für die Volkswirt- schaft der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Dia- gnose Hypotonie jährliche Bela- stungen in einer Größenordnung von mehr als zwei Milliarden DM ergeben, wobei der Schwerpunkt bei den Belastungen durch Ar- beitsausfall und damit im Produk- tionssektor unserer Volkswirt- schaft liegt.

Die sozialmedizinische und sozial- ökonomische Bedeutung des Syn- droms „niedriger Blutdruck" und

„hypotone Dysregulation" ist da- mit wesentlich größer als allge- mein angenommen wird.

Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. Fritz Beske Dipl.-Volkswirt

Wolfram L. Boschke Institut für

Gesundheits-System-Forschung Beseler Allee 41

2300 Kiel 1

THEMEN DER ZEIT

Die „Jugend- religionen"

juristisch:

Überschätzt

Der Zustrom zu den sogenannten Jugendreligionen ist noch keines- wegs abgeebbt, stellte der Vorsit- zende der Hanns-Seidel-Stiftung, Bayerns Arbeitsminister Dr. Fritz Pirkl, auf einer Pressekonferenz in München fest. Während auf dem Markt der materiellen Güter inzwi- schen eine Sättigung eingetreten sei, blühe der Markt für geistige Angebote; auf der Suche nach Ge- borgenheit und nach herausfor- dernden Aufgaben wendeten sich weiterhin Tausende auch Schein- angeboten wie „Jugendreligio- nen" zu. Exakte Zahlenangaben konnte Pirkl freilich schon des- halb nicht nennen, weil der Begriff der „Jugendreligionen" nicht klar gefaßt ist. Pirkl zählte zu ihnen z. B. auch die Anhänger der Trans- zendentalen Meditation oder die

Baghwan-Jünger, die zumindest ihrer biologischen Jugend für ge- wöhnlich längst entwachsen sind.

Auf der Münchener Pressekonfe- renz, bei der die CSU-Stiftung das Buch „Juristische Probleme im Zusammenhang mit den soge- nannten neuen Jugendreligionen"

vorstellte, war von Zahlen zwi- schen 300 000 und 1,5 Millionen zu hören.

Die neuen Sekten werden in der Öffentlichkeit längst nicht mehr so beachtet wie noch vor zwei oder drei Jahren. Sie haben allerdings nach den Erkenntnissen von Dr.

Paul A. Engstfeld (einem Mitarbei- ter der Seidel-Stiftung) und dem evangelisch-lutherischen Sekten- Beauftragten Friedrich-Wilhelm Haack ihre Aktivitäten nur verla- gert. Sie sprächen, so hieß es, heute bevorzugt bestimmte Ziel- gruppen unter Intellektuellen (Haack: zunehmende Bildung be- deute zunehmende Offenheit für 88 Heft 5 vom 5. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Jugendreligionen

solche Bewegungen) sowie unter verunsicherten Berufsgruppen wie Ärzten und Managern an. Die neuen Bewegungen seien, so meinte Haack, heute ein Mittel- standsproblem. Engstfeld ist der Ansicht, daß gerade unter Ärzten in Zukunft verstärkt um Anhänger geworben wird; die Sekten ver- suchten generell in den Gesund- heitsmarkt einzudringen, indem sie ihre Angebote als Therapien ausgäben.

Juristisch sind die neuen Sekten weniger vom Tatsächlichen als vom Methodischen her interes- sant: Erscheinungen, auf die Rechtswissenschaftler ihr juristi- sches Instrumentarium ansetzen können. Das Buch der Seidel-Stif- tung bringt dazu gute Beispiele.

Es bietet eine konzentrierte Ein- führung in verfassungsrechtliche, straf- und zivilrechtliche Fragen, die mit den Sekten auftreten kön- nen — ein Kompendium, das nicht nur des Juristen Herz erfreut, son- dern in manchem Einzelfall auch nützlich sein kann. Das weitere Vorhaben der Seidel-Stiftung, nämlich eine Totalerfassung aller einschlägigen Gerichtsverfahren, brachte hingegen nur bescheide- ne Ergebnisse. Insgesamt wurden 169 Gerichtsverfahren erhoben.

Nach Auffassung von Engstfeld ei- ne „nennenswerte" Zahl, erst recht dann, wenn man die Dunkel- ziffer berücksichtige; denn nicht alle Gerichte hätten sich auf die Anfrage der Stiftung hin gerührt, und zudem sei es schwer, Verfah- ren, in die „Jugendreligionen"

verwickelt seien, von anderen Ver- fahren zu trennen. Er schätzt die Gesamtzahl der seit 1972 anhängi- gen Verfahren auf rund 350.

Aber selbst dann haben die Ju- gendsekten selbst und die Geg- ner, die ihnen vielfältige kriminelle Vergehen vorgeworfen haben, in der Öffentlichkeit weitaus mehr Unruhe erzeugt, als dem tatsächli- chen Verhalten entspricht. 169 der 350 anhängigen Verfahren sind im Vergleich zu den Jahr für Jahr bei deutschen Gerichten rund 5 Mil- lionen anhängigen Verfahren ver-

schwindend wenig. Zudem betref- fen die von der Erhebung erfaßten Verfahren zum überwiegenden Teil keine Vergehen, die landläufig als kriminell gelten. Viele Verfah- ren sind von Sekten, die sich un- gerecht behandelt glaubten, selbst angestrengt worden. Insge- samt überwiegen nach den Er-

Die neuen Sekten wenden sich heute oft an ausgewählte Zielgruppen, zum Bei- spiel mit Therapieangeboten. Ein Thera- piekonzept bieten zum Beispiel die An- hänger der Transzendentalen Medita- tion, deren Zentrale in Seelisberg („Welt- regierung des Zeitalters der Erleuch- tung") oben zu sehen ist. Am Beispiel TM zeigt sich im übrigen, daß der Begriff Jugendreligionen das Phänomen der Psycho-Sekten nicht trifft; die Anhänger- schaft ist — wie auch bei anderen Bewe- gungen dieser Art dem Jugendalter ent- wachsen Foto: NJ

gebnissen der Seidel-Stiftung zi- vilrechtliche Tatbestände wie Wettbewerbsverstöße, Vormund- schaftsfragen oder Verstöße ge- gen kommunale Ordnungsaufla- gen. Strafrechtliches tritt eindeu- tig zurück. Manche Vorfälle (wie etwa psychische Abhängigkeit) mögen juristisch auch kaum zu fassen sein.

Gewisse Anhaltspunkte für krimi- nelle Aktivitäten könnten die von

den Staatsanwaltschaften gemel- deten Verfahren geben. Insgesamt waren es 74. Hier kommen wirkli- che Tatbestände wie Nötigung, Betrug, Diebstahl, Freiheitsberau- bung oder Zuhälterei, die aus der Anti-Sekten-Literatur bekannt sind, vor.

Aber auch hierbei kann es sich offenbar nur um Einzelfälle han- deln (es sei denn, das in Düssel- dorf anhängige Sammelverfahren gegen die „Kinder Gottes" bräch- te mehr), denn von den 74 der Sei- del-Stiftung gemeldeten Verfah- ren waren zum Zeitpunkt der Mel- dung mindestens 40 bereits einge- stellt.

Betroffen von allen anhängigen Verfahren waren im wesentlichen die Scientologen (die selbst, ver- glichen mit anderen neuen Sek- ten, besonders prozeßfreudig zu sein scheinen) und, mit Abstand, die Hare Krishna-Sekte. Bei bei- den Sekten ging es zumeist um zivilrechtliche Fragen.

Fazit: Juristisch bieten sich bei den neuen Sekten allenfalls in Einzelfällen (die freilich gravie- rend sein können) Probleme. Quan- titativ von Bedeutung sind sie nicht.

Die Bedeutung der „Jugendreli- gionen" wurde offenbar auch vom Juristischen her überschätzt. Mini- ster Pirkl sieht denn auch keinerlei Anlaß zu neuen gesetzlichen Re- gelungen. Das geltende Recht rei- che völlig aus, mit eventuell auf- tretenden Problemen „fertig zu werden". Und fertig werden be- deute nicht, die Jugendreligionen

„rechtlich zu erledigen oder zu li- quidieren", sondern lediglich, auf- tretende Rechtsprobleme zu be- wältigen.

Die Ursachen für den Zulauf kön- ne die Rechtsordnung ohnehin nicht beseitigen. Pirkl selbstkri- tisch: „Wir können keineswegs damit zufrieden sein, was wir in der geistigen Auseinandersetzung bisher geboten haben und bie- ten." Norbert Jachertz Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 5 vom 5. Februar 1982 89

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