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Archiv "Das Lyell-Syndrom" (20.08.1981)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 20. August 1981

Das Lyell-Syndrom

Prognose bei Kindern nicht ungünstig — Hohes Mortalitätsrisiko bei Erwachsenen

Klaus Menzel

Aus der Kinderklinik (Chefarzt: Professor Dr. med. Klaus Menzel) des Reinhard-Nieter-Krankenhauses Wilhelmshaven

Das Lyell-Syndrom in seiner staphylogenen Variante hat beim Klein- kind unter Bedingungen der pädiatrischen Intensivmedizin in Verbin- dung mit einer massiven antibiotischen Therapie eine günstigere Prognose als die beim größeren Kind vereinzelt, beim Erwachsenen aber regelmäßig zu erwartende Manifestation als allergisch-toxische Maximalreaktion auf Medikamente. Es ist daher gerechtfertigt, eine

„infantile" von einer „adulten - Form des Lyell-Syndroms zu unter- scheiden. Das Vollbild des Lyell-Syndroms ist in seiner Dramatik nicht zu verkennen und wird in jedem Falle nur klinisch zu be- handeln sein. Die Diagnose ist auf dem Höhepunkt der Erkrankung leicht zu stellen, jedoch ist die Einweisung des Kindes auf eine mit pädiatrischer Intensivpflege vertraute klinische Abteilung mög- lichst schon beim Auftauchen erster Verdachtsmomente anzustreben.

Einleitung

Beim Lyell-Syndrom kommt es nach einem uncharakteristischen Prodro- malstadium (meist als „Infekt" ver- laufend) unter schwerer Beeinträch- tigung des Allgemeinbefindens und hochfieberhaften, septischen Tem- peraturen zu einem morbilliformen, fleckig-konfluierenden oder auch erythemartig-zusammen hängenden Hautausschlag — oft des gesamten Integumentes — dem eine großflächi- ge blasige Abhebung der Epidermis folgt. Die Schleimhaut der Perioral- region, die Konjunktiven und bei Mädchen auch die Schleimhäute der äußeren Genitalien sind entzündlich verändert, wodurch es auf deTn Hö- hepunkt der Erkrankung zu eitrigen

Verklebungen und Verkrustungen kommen kann. Aufgrund der Lokali- sation und Ausprägung der Krank- heitserscheinungen sowie ihrer Be- gleitumstände werden die Fachge- biete: Kinderheilkunde, Innere Medi- zin, Dermatologie, Stomatologie und Augenheilkunde berührt.

Von den verschiedenen deskriptiven Bezeichnungen trifft der Begriff

„Epidermolysis nekroticans combu- stiformis" am ehesten zu, weil er so- wohl eine Aussage über den Patho- mechanismus als auch über das äu- ßere Erscheinungsbild enthält, wel- ches dem einer Verbrühung II. Gra- des ähnelt („Syndrom der verbrüh- ten Haut"). Der zeitgenössische, in Aberdeen ansässige Dermatologe

1591

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Delirant.

Zstd.

Blasenbil- dung Exanthem Fieber Cheilitis Conjunk- tivitis Stomat.

Tkm m6178innii4 inni2. innigmin g

Krank- heitstag

14. Woche nach Krankheitsbeginn

4

6 Zeitpunkt

d. Farbfotos

d 3,5 Jahre

Re-Epithelialisierung, Abheilung

••••••••., -....,...=... ,... -...."...

...,....,...,...„....,...„,...

Pigmentation I

I

Darstellung Der schematisierte Krankheitsverlauf eines Lyell-Syndroms bei einem dreieinhalb Jahre alten Knaben

1592 Heft 34 vom 20. August 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Lyell-Syndrom

Abbildung C) (und Abbildung C)): Situa- tion nach stationärer Aufnahme am 8. Krankheitstag: Blasige Abhebung der Epidermis auf dem Boden eines fleckig- konfluierenden Exanthems. Eitrige Ver- klebung der Lidränder. Cheilitis, Stoma- titis; hochfieberhafter Zustand mit be- ginnender Eintrübung des Bewußtseins Abbildung ©: Deutliche Zunahme der lo- kalen und allgemeinen Krankheitser- scheinungen innerhalb der nächsten 24 Stunden (9. Krankheitstag). Septische Temperaturen, hochgradige Unruhe, de- liranter Zustand

Abbildungen ® bis ®: Reparationsphase in der 3. und 4. Krankheitswoche, wobei die äußere Ähnlichkeit mit dem Behand- lungsverlauf bei einer Verbrühung II.

Grades besonders deutlich zum Aus- druck kommt

Abbildung 0: 14. Woche nach Krank- heitsbeginn; Heilung mit Pigmentation der ehemals betroffenen Hautareale. Kei- ne Narbenbildung, keine Synechien der Augenlider

Auf dem Höhepunkt der Erkrankung (8. bis 9. Krankheitstag entsprechend Ab- bildungen 0 und C)):

Abbildung 01: Futteralähnliche Ablösung der Epidermis an den Ohrmuscheln Abbildung ®: Nikolskiphänomen (tan- gentiale Abschiebung der Epidermis, welche außerdem an der Innenseite des Pflasters kleben geblieben ist)

Abbildung (D: In Abheilung befind- liche Hautveränderungen des thorakalen Bereiches in der 3. Krankheitswoche (12. Tag der Klinikbehandlung; zeitgleich mit Abbildung C))

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 34 vom 20. August 1981 1593

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Alan Lyell gab 1956 dem Krankheits- bild die Überschrift „Toxic epider- mal necrolysis", wobei er mit dem Wort „Nekrolyse" einen neuen Be- griff in die medizinische Terminolo- gie einführte und gleichzeitig zum Ausdruck brachte, daß die Entste- hung vorwiegend auf der Grundlage einer toxischen Reaktion zu denken sei. Es hat sich seitdem eingebür- gert, einfach von Lyell-Syndrom zu sprechen, obwohl das Krankheits- bild schon vor ihm bekannt und im Schrifttum mitgeteilt worden war.

Von Korting (6)*) stammt der Hin- weis, daß zum Beispiel Berichte über den „akuten malignen Pemphi- gus" aus dem vorigen Jahrhundert in diesem Sinne zu deuten seien.

Ätiologie

Bis vor wenigen Jahren galt das Lyell-Syndrom als Ausdruck einer hyperakuten, allergisch-toxischen, ektodermalen Reaktion im Sinne ei- ner „Intoleranzreaktion" auf ver- schiedene Allergene, namentlich aus dem Arzneimittelbereich, wobei Sulfonamide und Pyrazolonderivate an der Spitze standen.

Eine alphabetisch geordnete Zu- sammenstellung gab Niederle (8) (Tabelle 1).

Innerhalb der letzten zwölf Jahre sind jedoch eine Reihe von zuverläs- sigen Befunden mitgeteilt worden, welche eindeutig dafür sprechen, daß — vorzugsweise bei jungen Kin- dern — die von Staphylokokken der Phagengruppe II Typ 71 (bzw. 3 A/3 C/55/71) ausgeschiedenen Ektotoxi- ne („Exfoliatin") für die Krankheits- symptome als Ursache in Betracht kommen (1, 4). Der schon lange ver- mutete Zusammenhang mit der sehr ähnlich aussehenden, zu blasiger Abhebung großer Hautareale füh-

renden Krankheit beim Neugebore- nen und jungen Säugling der Der- matitis exfoliativa Ritter von Ritters- hain fand damit eine weitere Bestäti- gung.

Die staphylogen-bakteriotoxisch verursachte Variante des Lyell-Syn- droms wird auch als „infantiler Typ"

des Krankheitsbildes bezeichnet und bei Kindern unterhalb eines Le- bensalters von 10 Jahren nahezu re- gelmäßig angetroffen.

Demgegenüber scheint aber bei äl- teren Kindern und beim Erwachse- nen die toxisch-allergische Entste- hung („adulter Typ") zu überwiegen, und so sehr sich auch die Krank- heitsbilder in den verschiedenen Le- bensaltern gleichen mögen, so las- sen sie sich nicht nur hinsichtlich ihrer Ätiologie, sondern auch histo- logisch unterscheiden. Beim jünge- ren Kind findet eine intraepitheliale Blasenbildung statt, so daß das Ko- rium weitgehend intakt bleibt, beim Erwachsenen dagegen schließt die Nekrolyse das Korium teilweise oder ganz mit ein. Prognose und Verlauf sind daher beim Erwachsenen grundsätzlich ernster zu bewerten und mit einer höheren Mortalitäts- quote (40 Prozent und mehr) be- lastet.

Die Altersverteilung des Lyell-Syn- droms läßt mit einem Betroffensein des Kindesalters — vorzugsweise des jüngeren Kindes — einerseits und des fortgeschrittenen Erwachsenen- alters andererseits zwei Gipfel er- kennen; beide Geschlechter werden gleich häufig betroffen.

In der Regel beginnen die Krank- heitserscheinungen mit einer Vor- läuferkrankheit, die von vielen Auto- ren regelrecht als Prodromalsta- dium bezeichnet wird, meist handelt es sich um einen katarrhalischen In- fekt der oberen Luftwege. Die in die- sem Zusammenhang ärztlicherseits verordneten Medikamente — voran solche zur Fiebersenkung — sind es wohl auch, welche die Annahme ei- ner allergisch-toxischen Auslösung in den Bereich des Möglichen ge- rückt haben, oder — wie Niederle 1968 (8), später noch einmal Reich (9) in Betracht gezogen haben — Be- standteile eines „unspezifischen Kombinationsgeschehens" darstel- len (Infekt plus Medikament bezie- hungsweise chemisches Agens).

Reich spricht von einem „polyätiolo- gischen Symptomenkomplex", bei dem sich Droge und Infekt in ihrer syndromauslösenden Wirkung ge-

genseitig fördern; für die Manifesta- tion des Syndroms nimmt er ferner eine präexistente Reaktionsbereit- schaft im Sinne einer besonderen prämorbiden Konstitution an.

Denkbar, aber noch unbewiesen, ist auch ein Zusammenwirken bakterio- toxischer und viraler Pathomecha- nismen, speziell bei solchen Virusin- fekten, die mit Konjunktivitis einher- gehen und zur Blasenbildung an der Haut tendieren (4).

Klinik

Im Anschluß an die fieberhafte Vor- läuferkrankheit kommt es sofort oder nach einer Latenzzeit von weni- gen Tagen zum Ausbruch des ei- gentlichen Krankheitsbildes, wel- ches innerhalb von 3 bis 8 Tagen seinem Höhepunkt zustrebt. Es be- ginnt mit einer Rötung der Haut in Umgebung des Mundes und der Au- gen sowie mit einer eitrigen Kon- junktivitis, welche sehr schnell zu borkigen Verklebungen der Lider führt, so daß diese vom Kinde nicht mehr geöffnet werden können. Un- günstigenfalls können hieraus als Spätfolgen Synechien entstehen.

Gleichzeitig entwickelt sich an den Extremitäten, am Stamm und im Ge- sicht ein entweder flächenhafter oder fleckig-konfluierender (morbil- liformer) Hautausschlag, in dessen Bereich es in den folgenden Tagen zu einer ausgiebigen Blasenbildung bis zu Handtellergröße kommt. Infol- ge der Verletzlichkeit der Blasen- decke entstehen bald großflächige, nässende Wundareale, welche einer Verbrühung II. Grades täuschend ähnlich sehen. Das lntegument kann zu 70 Prozent und noch mehr von diesen Veränderungen betroffen sein. An Ohrmuscheln und Händen löst sich die Epidermis oft zusam- menhängend ab, was an ein „Futte- ral" beziehungsweise an einen

„Handschuh" erinnert. Das Nikolski- phänomen fällt positiv aus, und zwar auch in denjenigen Hautbereichen, welche nicht unmittelbar krankhaft verändert zu sein scheinen. Die Lip-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

DEUTSCHES ARZTEBLATT 1594 Heft 34 vom 20. August 1981

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I

Lyeii-Syndrom

Tabelle 1: Medikamente, die vor Auftreten eines Lyeii-Syndroms angewandt und mit dessen Entstehung in Zusammenhang gebracht wurden*)

Aminothiazol

....

Phenothiazine

Aethoform (Anaesthesin®) Chlorpromazin

Promethazin (Phenergan®)

....

Antibiotika und Tuberkulostatika Phtalsäu rederivate

Ancoloxin Pulvis Doveri

Chloramphenicol

lsoniazid

....

Salicylate

Neomycin Acetylsalicylsäure (Aspirin®, Aspro®)

p-Aminosalicylsäure Contraneural®

Penicillin (Procain-) (Acetylsalicylsäure,

Spiramycin Phenacetin, Codeinphosphat)

Streptomycin Jngelan®

Benzathin-Penicillin G (Tardocillin®) (lsoprenalinsulfat

+

Salizylsäure) Melabon®

Tetracycline

(Salicylamid, Phenacetin, Coffein) Neuralgin®

....

Antikonvulsiva (Acetylsalicylsäure, Phenacetin, Coffein)

Mephenytoin (Mesantoin®)

Primidon (Mylepsin®) Meractinomycin (Sanamycin®)

Sulthiam (Ospolot®) Saridon®

(Prophenazon, Phenacetin, Coffein)

Phenazon (Antipyrin) Serum antitetanicum

Stringiet®

....

Antirheumatika

Phenylbutazon (Butazolidin®)

....

Sulfonamidverbindungen lrgapyrin® (Phenylbutazon

+

Acetazolamid (Diamox®)

Aminophenazon) Sulfamethoxydiazin (Durenat®)

Aminophenazon (Pyramiden®) Carbutamid (Oranil®) Oxyphenbutazon (Tanderil®) Sulfathiazol

Tomanol® (lsopyrin

+

Phenylbutazon) Sulfamethyldiazin (Pallidin-Saft®) Su lfamethoxypyridazi n

....

Barbiturate Sulfametoyl

Amobarbital

Targesin®

Butobarbital

(Silber-Eiweiß-Acethyltannat) Phenobarbital (Lumina!®)

Tetrachloräthylen

Belladonna-Alkaloide Tinctura Capsici

Dyspepsoi®-G ranu lat Vitamin 86

Eusedon® Chlorjodochin (Vioform®)

Fenistil retard® (Dimethylpyrindin) Formitrol® (Paraformaldehyd) Meclozin

m-Chlorphenol Nitrocarbazol Oleum Chenopodii Paraldehyd

Pethidin ") in alphabetischer Reihenfolge nach J. Niederle

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 34 vom 20. August 1981 1595

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pen erscheinen geschwollen und die Mundschleimhaut zeigt Veränderun- gen im Sinne einer Stomatitis; bei Mädchen gehört eine begleitende Vulvovaginitis mit zum Krankheits- bild.

In dieser etwa 6 bis 8 Tage andau- ernden Phase besteht bei septi- schen Temperaturen eine erhebli- che Beeinträchtigung des Allge- meinbefindens; Mitteilungen über Krankheitsfälle mit tödlichem Aus- gang finden sich im Schrifttum reichlich, speziell aber beim Er- wachsenen.

Abtrocknen der Blasen, Schorfbil- dung, Entfieberung und ein Nach- lassen der eitrigen Absonderung an den Lidrändern und Konjunktiven, so daß die Augen wieder geöffnet werden können, leiten dann in das Reparationsstadium über. Dieses nimmt je nach Schwere der Erkran- kung für die Reepithelialisierung ei- nen Zeitraum von 10 bis 14 Tagen ein, gefolgt von einer narbenlosen Abheilung, welche die betroffenen Hautpartien für einige Monate noch durch eine vermehrte Pigmentation markiert, bis auch diese verschwin- det und schließlich eine völlig intak- te Haut hinterläßt.

Die Abbildungen 1 bis 6 zeigen den Krankheitsablauf bei dem dreiein- halb Jahre alten Torsten D. in ver- schiedenen Stadien zwischen dem 8. Krankheitstag (Zeitpunkt der sta- tionären Aufnahme) und der 14. Wo- che nach Krankheitsbeginn.

Diagnose und Differentialdiagnose Das Vollbild des Lyell-Syndroms ist in seiner Dramatik nicht zu verken- nen und wird in jedem Falle nur klinisch zu behandeln sein. Im Be- ginn seiner exanthematischen Pha- se könnte eine Verwechslung mit Arzneimittelexanthemen denkbar sein, jedoch müssen beginnende Blasenbildung bei hohen Tempera- turen und schwerem Krankheitsge- fühl an Schlimmeres denken lassen.

Bei Kindern, deren Hautausschlag ein ausgesprochen morbilliformes Aussehen bietet, könnte man auch

das Vorliegen eines Masernpemphi- goids erwägen (sogenannte Morbilli bullosi), jedoch gilt diese Masern- komplikation als ausgesprochene Rarität, und es steht durchaus da- hin, ob sich hinter entsprechenden, in der älteren Fachliteratur mitgeteil- ten Beobachtungen nicht auch das Lyell-Syndrom in unserem heutigen Verständnis verbirgt.

Beim Pemphigus vulgaris pflegen sich schlaffe Blasen auf unveränder- ter Haut zu entwickeln, ferner fällt das Nikolskizeichen negativ aus.

Beziehungen zum Erythema exsuda- tivum multiforme sind vielfach ver- mutet worden, jedoch bleibt auch bei diesem Krankheitsbild das Ni- kolskiphänomen negativ. Ob das Erythema exsudativum multiforme in seinen schwersten Verlaufsfor- men (Steven-Johnson-Syndrom) als Initialerkrankung anzusehen ist, wie es unter anderem auch schon Lyell selbst für möglich gehalten hat, muß noch offenbleiben; für den Verlauf und die Therapie haben diese Über- legungen keine praktische Bedeu- tung.

Therapie

Die staphylogene Entstehung des Krankheitsbildes beim jungen Kind läßt der antibiotischen Behandlung eine besonders große Bedeutung zukommen, wobei man einem peni- cillinasestabilen Dicloxacillinpräpa- rat den Vorzug geben sollte. Aber auch intravenös verabreichte Ce- phalosporine sind hochwirksam und wurden mit Erfolg verabreicht. Die Schwere der Erkrankung läßt ergän- zende intravenöse Gammaglobulin- applikationen indiziert erscheinen.

Bei den selteneren, bei älteren Kin- dern zu erwartenden toxisch-allergi- schen Krankheitsbildern wird man auf Antibiotika ebenfalls nicht ver- zichten können, schon allein um die Gefahr der Sekundärinfektion abzu- wenden.

Die akute Krankheitsphase erfordert außerdem alle Maßnahmen der päd- iatrischen Intensivmedizin, welche

im Rahmen der Schockbehandlung und zur Bilanzierung des Flüssig- keits- und Elektrolythaushaltes so- wie zur Vermeidung von Eiweißver- lusten, ferner der Schmerzstillung und Sedierung angezeigt und be- währt sind. Die Therapie entspricht damit weitgehend der einer schwe- ren Verbrühungskrankheit. Corti- sonpräparate sind nur insoweit an- gezeigt, als sie für die Schockbe- handlung in der Akutphase herange- zogen werden müssen.

Die sachgerechte Versorgung und Pflege eines Patienten mit Lyell-Syn- drom stellt an die Kinderkranken- schwester hohe Anforderungen, je- doch entschädigt der in der Regel glückliche Verlauf für alle aufge- wandten Mühen. Die Mortalität der

„infantilen" Form des Lyell-Syn- droms beträgt nach Angaben in der Literatur 0 bis 7 Prozent. Unter den genannten Bedingungen konnten die drei innerhalb der letzten zehn Jahre in unserer Klinik beobachte- ten Kleinkinder, von denen eines in den Abbildungen demonstriert wird, am Leben erhalten werden.

Literatur

(1) Binkelmann, L.: Epidermolysis acuta toxica (Lyell-Syndrom) mit komplizierender Leber- schädigung, Kinderärztl. Prax. 38 (1970) 356-368 — (2) Driban, N.: Das Lyell-Syndrom, Fortschr. Med. 89 (1971) 267-276— (3) Enderer, K., u. Pullmann, H.: Lyell-Syndrom (Mediquiz), Dtsch. med. Wschr. 105 (1980) 57 — (4) Freu- denberg, V., und Wolf, H.: Toxische epiderma- le Nekrolyse im Kindesalter pädiat. prax. 17 (1976) 489-499 — (5) Happle, R.: Nichtinfektiö- se Erytheme in: Pädiatrie in Klinik und Praxis, Hrsg. v. K. D. Bachmann und H. Ewerbeck (et al.) Bd. III 2169-2171 Verl. Fischer/Thieme, Stuttgart/New York (1980) — (6) Korting, G. W., u. Holzmann, H.: Universelle Epidermolysis acuta toxica, Arch. klirr. exp. Derm. 210 (1960) 1-13 — (7) Kosenow, W.: Arzneimittelschäden im Kindesalter, pädiat. prax. 11 (1972) 143-156

— (8) Niederle, J.: Akute toxische Epidermolyse (Lyell-Syndrom), Dtsch. med. Wschr. 93 (1968) 1005-1013 — (9) Reich, H.: Neue stomatologi- sche Forschungsergebnisse aus dermatolo- gisch-internistischer Sicht, Med. Klinik 72 (1977) 2204-2209

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Klaus Menzel Friedrich-Paffrath-Straße 100 2940 Wilhelmshaven

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