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Archiv "Das hepatorenale Syndrom: Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie" (27.10.2000)

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M

it dem Begriff hepatorenales Syndrom (HRS) wird ein in sei- ner Ursache nicht geklärtes aku- tes Nierenversagen beschrieben, das bei akuten oder chronischen, meist fort- geschrittenen Lebererkrankungen auf- tritt (4, 15, 16). Die ersten Beschreibun- gen einer Koinzidenz von Leber- und Nierenversagen erfolgten bereits durch Frerichs im Jahre 1861 und Flint im Jahre 1863 (2). Das HRS manifestiert sich typischerweise nach stationärer Aufnahme und ohne Vorliegen von of- fensichtlich prädisponierenden Fakto- ren. Klinisch werden zwei Verlaufsfor- men des HRS unterschieden: Beim HRS Typ 1 kommt es innerhalb von wenigen Tagen zu einer progredienten Verschlechterung der Nierenfunktion.

Beim Typ 2 hingegen ist die Nieren- funktion auf einem stabilen Niveau ein- geschränkt (4). Typischerweise kommt es zum HRS, wenn sich Aszites in mit-

tel- bis hochgradigem Maße entwickelt hat und auch eine hepatische Enzepha- lopathie vorliegt, dabei muss jedoch nicht unbedingt ein Ikterus vorliegen.

Das Nierenversagen manifestiert sich in einer Oligurie und ist nur in zwei bis circa zehn Prozent der Fälle spontan reversibel (4, 8, 10, 15, 16, 21).

Der International Ascites Club hat sich auf die Festlegung der folgen- den Hauptkriterien für das HRS ge- einigt:

❃ ausgeprägte hepatische Insuffizienz,

❃ portale Hypertension,

❃ verminderte glomeruläre Filtrati- onsrate (gemessen an im Serum erhöh- ten Kreatininwerten > 1,5 mg/dl, Ein-

schränkung der 24-Stunden-Kreatinin- clearance auf < 40 ml/min),

❃ keine Kreislaufdepression,

❃ keine aktuellen bakteriellen In- fekte,

❃ keine Applikation nephrotoxi- scher Medikamente, die das Nierenver- sagen erklären könnten,

❃ keine Verbesserung der Nieren- funktion nach Expansion des Plasma- volumens,

❃ Fehlen einer höhergradigen Pro- teinurie, das heißt < 500 mg/die.

Als weitere Kriterien werden ein Urinvolumen < 500 ml/die, eine Urin- Natriumkonzentrationen < 10 mmol/l, eine Urinosmolalität, die größer als die Serumosmolalität ist, eine Erythrozyt- urie < 50 Zellen/Gesichtsfeld sowie ei- ne Serumnatriumkonzentrationen < 130 mmol/l definiert (4) (Textkasten).

Die Prognose des HRS Typ 1 ist äußerst ungünstig, es kommt zu einer

Das hepatorenale Syndrom

Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie Tammo von Schrenck

1

, Gunter Wolf

2

Zusammenfassung

Das hepatorenale Syndrom (HRS) ist ein funk- tionelles Nierenversagen bei akuter oder chro- nischer Hepatopathie. Beim HRS Typ 1 ver- schlechtert sich die Nierenfunktion innerhalb weniger Tage, 95 Prozent der Patienten ver- sterben ohne Lebertransplantation innerhalb weniger Wochen. Beim HRS Typ 2 ist die Nie- renfunktion auf einem stabilen Niveau einge- schränkt. Die Diagnose des HRS basiert auf dem Ausschluss anderer Ursachen für das Nie- renversagen. Die pathophysiologischen Verän- derungen des Nierenversagens beim HRS sind komplex: Sie bestehen in einer Erhöhung vaso- aktiver Substanzen, die zu einer Verminderung der renalen Perfusion führen, vermindertem Widerstand im peripheren arterio-venösen

„pooling“, Aszitesbildung bei portaler Hyper- tension und vermindertem kolloidosmoti- schem Druck und konsekutiv erhöhter renaler Natrium- und Wasserretention. Die Therapie des HRS beruht auf der Korrektur des Säure- Basen-Haushalts, Transfusion bei Anämie, in- travenöser Gabe von Albumin, Parazentese, Vermeidung von nephrotoxischen Substanzen.

Nierenersatzverfahren stellen keine Therapie des HRS dar, sondern sind nur als symptoma- tische Maßnahme sinnvoll. Indikationen sind

Flüssigkeitsbilanzierung und Hyperkaliämie.

Gezielte medikamentöse Therapien oder die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt können eine Verbes- serung der Nierenfunktion bewirken, sind aber keine etablierten Verfahren. Bei Patienten mit HRS ist nach Lebertransplantation nur bei circa sieben Prozent mit einer anhaltenden Nieren- funktionsstörung zu rechnen. Eine kombinierte Leber- und Nierentransplantation ist nur bei ei- ner irreversiblen parenchymatösen Nierener- krankung gerechtfertigt.

Schlüsselwörter: hepatorenales Syndrom, Le- berversagen, Nierenversagen, Nierenersatz- verfahren, Lebertransplantation

Summary

The Hepatorenal Syndrome

Hepatorenal syndrome (HRS) is a specific form of renal failure in severe liver disease. The diag- nosis is based on the exclusion of other condi- tions causing renal insufficiency. Two types of HRS are distinguished: in type 1 HRS a rapid and progressive increase of serum creatinine and urea nitrogen is observed within days. The prognosis of HRS 1 without orthotopic liver transplantation is poor with a mortality of 95

per cent within few weeks. Type 2 HRS is char- acterized by a moderate and stable reduction of kidney function. In spite of the unknown cause of HRS, various pathophysiological char- acteristics of HRS have been identified. These are ascites, portal hypertension, a reduction of renal perfusion, increased concentrations of vasoactive substances, increased renal sodium and water retention, reduced peripheral resist- ance and hydrostatic pressure. The treatment of HRS relies on sodium and fluid restriction, correction of acid-base disturbances and of se- vere anemia, intravenous application of albu- min, paracentesis, and avoidance of nephro- toxic drugs. Dialysis and continuous arteriove- nous ultrafiltration are no specific therapy for HRS, but can serve as symptomatic treatment or bridging for liver transplantation. Medical treatment or transjugular intrahepatic portosys- temic shunts have been reported to improve renal function in HRS. In HRS patients renal in- sufficiency remains only in seven per cent after liver transplantation. A combined liver and kid- ney transplantation is only justified in the case of irreversible parenchymatous kidney disease.

Key words: hepatorenal syndrome, liver fail- ure, kidney failure, renal replacement therapy, liver transplantation

1Medizinische Kernklinik und Poliklinik (Direktor: Prof.

Dr. med. Heiner Greten), Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf

2Abteilung für Nephrologie und Osteologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Rolf A. K. Stahl), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

(2)

raschen Verschlechterung der Nieren- funktion innerhalb von wenigen Tagen, circa 50 Prozent versterben innerhalb von weniger als zwei Wochen, weniger als zehn Prozent der Patienten überle- ben einen Zeitraum von über acht Wo- chen (6, 21). Patienten mit einem HRS Typ 2 haben eine bessere Prognose, ein therapieresistenter Aszites ist vorrangi- ges klinisches Symptom, die glomerulä- re Filtrationsrate ist reduziert, Serum- kreatinin und Serumharnstoff sind mäßig erhöht. Die Prognose ist im Ver- gleich zu Patienten mit Leberzirrhose ohne Nierenfunktionsstörungen jedoch deutlich ungünstiger (6, 21).

Pathophysiologie des HRS

Die Pathomechanismen des HRS sind komplex (15, 16, 22, 36) (Grafik 1). Unumstritten ist das HRS ein funktionelles Ge- schehen, das durch eine renale Minderperfusion, besonders in der Nierenrinde, gekennzeich- net ist. Die histomorphologi- schen Veränderungen an der Niere sind nur diskret (15, 16).

Für den funktionellen Charak- ter des HRS sprechen, dass die Nierenfunktionsstörung nach Rekompensation der Leber- funktion beziehungsweise nach

erfolgreicher Lebertrans- plantation meist reversi- bel ist und dass Nieren von HRS-Patienten nach Transplantation auf le- bergesunde Empfänger eine weitgehend normale Funktion wiedererlangen (5, 15, 32, 35). Ein typi- sches Beispiel für den Verlauf eines HRS ist in der Grafik 2dargestellt.

Die bei dem HRS be- obachteten Veränderun- gen werden grundsätzlich durch zwei unterschiedli- che Konzepte erklärt: Die Underfill-Theorie und die so genannte Overflow- Therorie (5, 14, 15, 22, 24, 36). Die Underfill-Theo- rie geht davon aus, dass der verminderte Wider- stand im peripheren Gefäßsystem zu- sammen mit der Aszitesbildung, der portalen Hypertension sowie dem ver- minderten kolloidosmotischen Druck im Plasma konsekutiv die beim HRS massiv erhöhte renale Natrium- und Wasserretention bewirken. Die revi- dierte Underfill-Theorie sieht in der ausgeprägten peripheren Vasodilatati- on das primäre Geschehen, die Natri- um- und Wasserretention und extreme Erhöhung vasoaktiver Substanzen mit der Verminderung der renalen Perfusi- on als Folge (45). Der Overflow-Hypo- these zufolge ist die extreme renale Na-

trium- und Wasserretention, mögli- cherweise auch bei erhöhten Serum- konzentrationen vom antidiuretischen Hormon (ADH) (3), der primäre Fak- tor und die Aszitesentwicklung eine Folgeerscheinung (15, 16) (Grafik 1).

Tierexperimentelle Studien weisen auf die Existenz eines hepatorenalen Re- flexes hin, der bei portaler Hypertensi- on über humorale und neurale Mecha- nismen eine vermehrte Natrium- und Wasserretention vermittelt (34).

Das Nierenversagen beim HRS wird neben dem effektiven Plasmavolumen, dem arteriellen Gefäßwiderstand, dem Herzzeitvolumen und dem durch Aszites erhöhten intraabdominalen und renal venösen Druck, auch durch Störungen in den folgenden Systemen beeinflusst:

Das Renin-Angiotensin-System ist extrem aktiviert und hält die renale Va- sokonstriktion aufrecht. Auch wenn die reduzierte hepatische Degradation von Renin bei Leberzirrhose einen relevan- ten Faktor darstellen könnte (7), wird die Aktivierung des Renin-Angioten- sin-Systems durch eine primäre renale Minderperfusion und/oder ein ver- mindertes effektives Plasmavolumen als der wichtigere Faktor angesehen. In jedem Fall hat die Aktivierung des Re- nin-Angiotensin-Systems wichtige Im- plikationen, da sie zur Verminderung der renalen Perfusion und glome- rulären Filtrationsrate führt (36, 53).

Eine Aktivierung des Sympathiko- tonus wird durch die Verminderung des effektiven Plasmavolumens bewirkt und resultiert in einer renalen Va- sokonstriktion und Verminde- rung der glomerulären Filtrati- onsrate (15).

Bei Leberzirrhose und HRS liegen Verschiebungen in den Konzentrationen der renalen Ei- cosanoide mit Verringerung der vasodilatatorischen Prostaglan- dine und Erhöhung der vaso- konstriktorisch wirkenden Throm- boxane vor. Ein weiterer Hin- weis auf bereits vor Eintritt des HRS existente Veränderungen im System der renalen Pro- staglandine besteht in der nach Applikation von nichtsteroidalen Antirheumatika häufig beobach- teten Verschlechterung der Nie- renfunktion bei Patienten mit Diagnostische Kriterien für das hepatorenale Syndrom

Hauptkriterien

1. Ausgeprägte hepatische Insuffizienz (chronisch oder akut) 2. Keine Kreislaufdepression

Keine ausgeprägten gastrointestinalen Flüssigkeitsverluste Keine bakteriellen Infekte

Keine nephrotoxischen Medikamente

Kein Gewichtsverlust > 500 g/die (bei Aszites; Parazentese nicht eingerechnet), > 1 000 g/die (bei Aszites und peripheren Öde- men)

3. Keine Verbesserung der Nierenfunktion nach Expansion des Plas- mavolumens (Infusion von 1,5 l 0,9-prozentiger NaCl-Lösung) und nach Absetzen der Diuretika

(Serum-Kreatinin anhaltend > 1,5 mg/dl; 24-Stunden-Kreatinin- clearance < 40 ml/min)

4. Fehlen einer höhergradigen Proteinurie, d. h. < 500 mg/die; kein Nachweis eines Nierenparenchymschadens oder eines postrena- len Nierenversagens

Zusätzliche Kriterien Urinvolumen < 500 ml/die

Urin-Natriumkonzentrationen < 10 mmol/l Urinosmolalität > Serumosmolalität Erythrozyturie < 50 Zellen/Gesichtsfeld Textkasten

Renale Vasokonstriktion

Renaler Perfusionsdruck Aszites

Periphere Vasodilatation

Effektives Plasmavolumen Overflow

Underfill

Natrium- und Wasser- retention

Grafik 1

Pathomechanismen beim hepatorenalen Syndrom. Es stehen sich zwei Theorien gegenüber: Die Overflow-Theorie stellt die ver- mehrte Natrium- und Wasserretention in den Vordergrund und sieht die Aszitesbildung als Folge an. Im Gegensatz dazu sieht die Underfill-Theorie die Verminderung des effektiven Plasmavolu- mens als den Hauptfaktor an, der konsekutiv die Natrium- und Wasserretention bewirkt.

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fortgeschrittenen Lebererkrankungen (33). Bei fortgeschrittener Leberer- krankung kommt es zu hämodynami- schen Störungen, die in einer hyperdy- namischen Zirkulation mit erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Herzzeit- volumen bei erniedrigtem Blutdruck und vermindertem peripheren Wider- stand bestehen, eine Vielzahl vasodila- tatorischer Substanzen, besonders Stickstoffmonoxid (NO) werden als ur- sächlich angesehen (8, 15, 37, 38, 52).

Endotheline (ET-1, ET-2, ET-3) sind Peptidhormone, die eine potente vaso- konstriktorische Wirkung an der Niere besitzen. Serumkonzentrationen von ET-2 und ET-3 sind beim HRS deutlich erhöht, und zwar in Konzentrations- bereichen, die auch bei gesunden Pro- banden eine Verminderung der glome- rulären Filtrationsrate bewirken (19, 23, 42, 46).

Auch das renale Kallikrein-Kinin- System ist bei Zirrhosepatienten ge- genüber Normalpersonen verändert:

Dieses könnte Relevanz besitzen, da Bradykinine physiologischerweise eine vasodilatatorische Wirkung an der Nie- re haben (15).

Endotoxine, bakterielle Lipopoly- saccharide, sind potente Vasokonstrik- toren an der Niere. Sie sind bei fort- geschrittener Lebererkrankung erhöht und können NO durch Stimulation der NO-Synthase freisetzen (40). Endoto- xine können jedoch allein nicht als Ur- sache für das HRS angesehen werden.

(8, 19, 51). Neben NO werden zahlrei- che weitere Faktoren wie Adenosin, In- sulin-like Growth Factor, atriale Pepti- de, Platelet-Activating Factor (PAF) und das gastrointestinale Hormon Cal- citonin Gene-Related Peptide (CGRP) als Faktoren angesehen, die nicht nur die renale Funktionsstörung beim HRS mitbedingen, sondern auch die bei Le- berzirrhose bereits vor Auftreten von Niereninsuffizienz, Aszites und vor Ab- sinken des arteriellen peripheren Wi- derstands nachweisbare Vasodilatation im Splanchnikusstromgebiet erklären (15, 16, 19, 36). Folgen sind eine extrem erhöhte Natrium- und Wasserretention, Verminderung des renalen Perfusions- drucks mit Abfall der glomerulären Filtrationsrate, ein Anstieg der Reten- tionsparameter im Serum und schließ- lich eine Oligurie.

Diagnostik und

Differenzialdiagnostik

Die Diagnostik des HRS orientiert sich an den Kriterien des Internationalen Ascites Club (4). Vorrangig wichtig ist der Auschluss der Ursachen, die typi- scherweise zu einem Nierenversagen führen. Dieses sind der Schockzustand (zum Beispiel nach Ösophagusvarizen- blutung), bakterielle Infektionen, Hy- povolämie oder nephrotoxische Medi- kamente (Textkasten). Differenzialdia- gnostisch sind auch solche Ursachen zu berücksichtigen, die eine kombinierte Einschränkung hepatischer und renaler Funktionen bewirken können: Dies gilt für infektiöse Erkrankungen (Malaria,

Leptospirose), infektiöse Hepatitiden (Immunkomplex-Glomerulonephritis bei HBV, HCV) (43), septisch verlau- fende Erkrankungen, Intoxikationen (zum Beispiel Paracetamol), Autoim- munerkrankungen, genetisch bedingte Erkrankungen (polyzystische Organde- generation) und die Amyloidose.

Meist werden die Retentionspara- meter im Serum (Kreatinin, Harnstoff)

zur Erfassung einer Niereninsuffizienz herangezogen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass in Abhängigkeit von den jeweiligen Analyseverfahren die Se- rum-Kreatininwerte bei Hyperbiliru- binämien bis zu circa 50 Prozent zu niedrig gemessen werden können (12, 29, 47). Bei Patienten mit fortgeschrit- tener Leberinsuffizienz und erniedrig- ter Muskelmasse sollte primär die Kreatininclearance als Parameter der Nierenfunktion herangezogen werden.

Der Urinanalytik kommt eine wichtige differenzialdiagnostische Bedeutung zu (Tabelle und Grafik 2). Beim HRS kommt es zu einer ausgeprägten Ver- ringerung der Natriumausscheidung im Urin (< 10 mmol/l). Das Urinsediment

ist dabei normal. Es sind allenfalls eine geringe Proteinurie und hyaline Zylin- der nachweisbar. Diese Befunde erlau- ben zwar keine Abgrenzung vom präre- nalen Nierenversagen (deshalb wurde in die diagnostischen Kriterien der Auschluss eines venösen Volumenman- gels aufgenommen), sind aber relevant, da sie die Differenzierung von der aku- ten tubulären Nekrose und vom 100

80 60 40 20 0 3 2 1 0 20 15 10 5 0

Urinvolumen (l/24 h)

Kreatinin- Clearance (ml/min) Bilirubin (mg/dl)

0 4 8 12 16 20 24 28 Tage

Diagnose hepatorenales Syndrom

Orthotope Lebertrans-

plantation Arteriovenöse Hämofiltration Grafik 2

Typischer Verlauf eines HRS. Die stationäre Aufnahme eines 54-jährigen Patienten erfolgte wegen Zunahme des Aszites und Verschlechterung des Allgemeinzustands bei Leberzirrhose (Child C) infol- ge chronischer HCV-Infektion. Bei Oligurie und Erhöhung der Retentionsparameter wurde anhand der im Textkasten aufgeführten Parameter am Tag 0 die Diagnose eines hepatorenalen Syndroms ge- stellt. Bei progredienter Verschlechterung der Nierenfunktion, Oligurie, Anstieg des Serumbilirubins erfolgte am Tag 12 die orthotope Lebertransplantation. Wegen Anurie war postoperativ eine konti- nuierliche arteriovenöse Hämofiltration für 36 Stunden erforderlich. Im Verlauf kam es bei guter Transplantatfunktion zu einem Abfall des Serumbilirubins, einem Anstieg der Syntheseparameter, zu einem Anstieg der Urinproduktion und der Kreatininclearance. Danach war die Nierenfunktion nicht eingeschränkt.

(4)

primären Nierenversagen anderer Ur- sache ermöglichen. Bei der akuten tu- bulären Nekrose kommt es zu einem Natriumverlust (> 30 mmol/l), das Ver- hältnis von Kreatininkonzentrationen im Urin zu den Kreatininkonzentratio- nen im Plasma ist mit 20:1 im Vergleich zum HRS vermindert, das Sediment zeigt typischerweise bei der akuten Tu- bulusnekrose Zellen oder Zellreste so- wie eine tubuläre Proteinurie. Bei primär renalen Erkrankungen ist das Sediment zwar in Abhängigkeit von der Art der Erkrankung variabel verändert, typisch ist jedoch eine Proteinurie, bei Schädigung des glomerulären Filtra- tionsapparats finden sich dysmorphe Erythrozyten (Akanthozyten) im Sedi- ment (4, 5, 8, 15). Auch gibt die Ana- mnese Hinweise auf die Genese des Nie- renversagens (Applikation nephrotoxi- scher Medikamente, zum Beispiel Ami- noglykoside, nichtsteroidale Antirheu- matika, Röntgenkontrastmittel). Hin- weise, die für ein prärenales Nierenver- sagen sprechen, finden sich in einer ga- strointestinalen Blutung, Sepsis, spon- tan bakteriellen Peritonitis, Diarrhoe, forcierter diuretischer Therapie oder Paracentesis bereits in der Anamnese und werden mittels Messungen des zen- tralen Venendrucks oder des pulmo- nalen Kapillarverschlussdrucks nach- gewiesen beziehungsweise ausgeschlos- sen. Die Duplexsonographie stellt eine nichtinvasive Methode dar, mit der der Nachweis erbracht werden kann, dass die renale Perfusion wie beim HRS ty- pisch vermindert ist (11, 41).

Therapie des hepatorenalen Syndroms

Allgemeine Maßnahmen

Das HRS tritt meist unter stationären Bedingungen auf. Vorbeugende Maß- nahmen sind in Hinsicht auf das HRS nicht etabliert. Generell und unab- hängig vom HRS gilt jedoch, dass zur Vermeidung einer Niereninsuffizienz bei dekompensierter Leberzirrhose die Therapie mit Diuretika zurückhaltend eingesetzt werden sollte (nur circa 300 bis 500 ml negative Bilanz/Tag, wenn keine peripheren Ödeme vorliegen).

Bei Parazentese sollte auch eine intra- venöse Albuminsubstitution erfolgen.

Die Therapie des HRS beruht zu- nächst auf einer Behandlung der akut le- bensgefährdenden Veränderungen, zum Beispiel der Hyperkaliämie, der Hypo- glykämie, der Azidose und der Blutge- rinnungsstörungen. Die Behandlung mit potenziell und gesichert nephrotoxi- schen Substanzen sollte sofort unterbro- chen werden. Die Volumengabe ist im Allgemeinen mit dem Risiko weiterer Flüssigkeitsverluste in den Extrazellu- larraum verbunden und kann zur Ent- wicklung des Lungenödems mit respira- torischer Insuffizienz führen. Deswegen ist das Monitoring des zentralvenösen

Drucks, in Einzelfällen auch eine Mes- sung des kapillaren Verschlussdrucks in der Pulmonalarterie zur Steuerung der Volumenzufuhr sinnvoll.

Da als Ursache für das HRS die Ver- minderung der renalen Perfusion infol- ge der Volumenverschiebung in die Pe- ritonealhöhle angesehen wird, sind zahlreiche Ansätze unternommen wor- den, eine medikamentöse Umvertei- lung der Volumina von der Peritoneal- höhle über das Sphlanchnikusstromge- biet in das zentralvenöse System zu er- zielen. Gezielte medikamentöse Ansät- ze bestehen in der Applikation von Or- nipressin, auch in Kombination mit Do- pamin beziehungsweise mit Vasopres- sin (26, 27, 28), Terlipressin (20) oder a- Adrenergika in Kombination mit dem Somatostatinanalog Octreotid (1). Ge- meinsames Prinzip dieser Ansätze ist dabei eine Vasokonstriktion im Splanch- nikusstromgebiet ohne eine zusätzliche Verminderung der Nierenperfusion.

Allerdings haben sich diese therapeu- tischen Ansätze, die bislang in einzel- nen Studien beschrieben worden sind, noch nicht in der täglichen klinischen

Routine durchsetzen können. Gleiches gilt für einen kürzlich erschienenen Bericht, demzufolge die Applikation von N-Acetylcystein eine Verbesserung der Nierenfunktion bewirken soll (31).

Der pharmakologische Ansatz bezie- hungsweise der Mechanismus, über den N-Acetylcystein eine Verbesserung der Nierenfunktion mit Anstiegen der glo- merulären Filtrationsrate und einem Abfall des Serumkreatinins vermittelt, ist unklar.

Im Verlauf eines HRS kommt es häu- fig zu septischen Komplikationen. Des- wegen ist eine frühzeitige antibiotische Behandlung sinnvoll. Bei Patienten mit Aszites und spontan bakterieller Peri-

tonitis ist das Nierenversagen eine häu- fige, prognostisch ungünstige Kompli- kation. Die Gabe von Albumin in Kom- bination mit einem Antibiotikum, das keine Nephrotoxizität besitzt (zum Bei- spiel Cephalosporine), kann bei diesen Patienten die Inzidenz der Niereninsuf- fizienz und die Mortalität senken (49).

Nierenersatzverfahren

Diese Verfahren stellen keine kausale Therapie des HRS dar, sondern sind lediglich geeignet, die akuten lebens- bedrohlichen Komplikationen des Nie- renversagens zu behandeln: dazu zäh- len Hyperkaliämie, Volumenüberla- dung, Lungenödem und respiratorische Insuffizienz infolge der Oligurie bezie- hungsweise Anurie. Sinnvoll erscheinen Nierenersatzverfahren aber nur dann, wenn absehbar ist, dass sich die Leber- funktion im Verlauf bessert oder wenn der Patient ein Kandidat für eine Leber- transplantation ist (6, 8, 14, 15).

Bei Patienten mit kombiniertem Leber- und Nierenversagen können kontinuierliche Ersatzverfahren gegen-

´ TabelleC´

Urinanalytik bei verschiedenen Nierenfunktionsstörungen

Prärenales Hepatorenales Akute tubuläre Primäre Nierenversagen Syndrom Nekrose Nierenerkrankung*

Natrium (mmol/l) im Urin < 10 < 10 > 30 > 30

Kreatinin Urin/Plasma > 30:1 > 30:1 20:1 < 20:1

Urinsediment normal normal Zellen variabel

Proteinurie – (+) (+) +/+++

* beispielsweise Glomerulonephritis

(5)

über den intermittierenden Verfahren (Dialyse) den Vorzug besitzen, in gerin- gerem Ausmaß Elektrolytverschiebun- gen zu bewirken, in erster Linie rele- vant ist dabei die Hyponatriämie und der Effekt auf den intrakraniellen Hirn- druck (13, 14). Ein besonderes Problem stellt bei den kontinuierlichen Nieren- ersatzverfahren die Notwendigkeit der Antikoagulation dar, da diese das Risi- ko der Hämorrhagie erhöht. Verfahren mit dem Einsatz von niedermolekula- ren Heparinen und eine Heparinisie- rung des Spulensystems mit Antagoni- sierung des Heparineffekts durch Pro- tamin vor Rückfluss des Bluts in den Patienten wurden als mögliche Alterna- tive zur konventionellen Antikoagulati- on beschrieben, sind jedoch nicht allge- mein etablierte Verfahren.

Peritoneovenöse oder portovenöse Shunts

Shuntverfahren sind primär nicht nur als Therapie beim medikamentös re- fraktären Aszites oder zur Kontrolle von Blutungen aus Ösophagusvarizen entwickelt und eingesetzt worden (36, 41), sondern auch als Therapie beim HRS. Die peritoneovenösen (LeVeen-) Shunts bewirkten nur in Einzelfällen ei- ne Verbesserung der Nierenfunktion, beeinflussten aber die Mortalität insge- samt nicht günstig. Sie gingen mit einer erheblichen perioperativen Morbidität und Mortalität einher und werden des- wegen nicht empfohlen (17, 18). Auch andere chirurgische Verfahren (porto- kavale Shunts) haben den Nachteil der durch die Hepatopathie erhöhten operationsbedingten Morbidität und Mortalität. Transjuguläre intrahepati- sche portosystemische Shuntverfahren (TIPS) benötigen keine tiefe Analgose- dierung beziehungsweise Anästhesie.

Das Risiko des Eingriffs selbst ist als ge- ring einzuschätzen (39, 44). Nach Anla- ge eines TIPS wurde in mehreren Studi- en eine Verbesserung der Nierenfunkti- on beobachtet (16). In einer kürzlich er- schienenen Studie bei 16 Patienten mit HRS führte die TIPS-Anlage zu einer raschen Verbesserung der Nierenfunk- tion mit gesteigerter Kreatininclearan- ce, Abfall des Serumkreatinins und des Serumharnstoffs sowie einer Steige- rung der Natriurese (9, 25, 48, 50).

Lebertransplantation

Da das HRS in seiner Pathogenese mit dem Vorliegen einer schweren Leberer- krankung verbunden ist, stellt die Le- bertransplantation das ideale Verfah- ren dar, sowohl die Hepatopathie als auch das Nierenversagen zu therapie- ren. Patienten mit HRS haben jedoch auch nach erfolgreicher Transplantati- on der Leber ein erhöhtes Risiko, auf ein Nierenersatzverfahren angewiesen zu sein (35 Prozent der Patienten mit HRS gegenüber fünf Prozent bei Pati- enten ohne HRS) (5). Zu diesem Phä- nomen dürfte unter anderem die nach Transplantation notwendige Applikati- on von Immunsuppressiva wie Ciclo- sporin beitragen, das eine Niereninsuf- fizienz hervorrufen kann. Auch wenn die Morbidität bei HRS-Patienten nach Lebertransplantation deutlich höher liegt als bei Patienten ohne HRS, ist die

Langzeitprognose nach wie vor exzel- lent. Die kurze Überlebenszeit beim HRS Typ 1 macht jedoch die Leber- transplantation bei den meisten chroni- schen Hepatopathien unwahrscheinlich (5). Es besteht deswegen ein dringen- der Bedarf, neue konservative thera- peutische Optionen oder auch invasive Verfahren (TIPS; Leberersatzverfah- ren) zur Überbrückung bis zur Leber- transplantation beim HRS zu etablieren.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 2858–2862 [Heft 43]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Tammo von Schrenck Medizinische Kernklinik und Poliklinik Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

E-Mail: schrenck@uke.uni-hamburg.de

Durch Röntgenkontrastmittel kann es zu einer Verschlechterung der Nieren- funktion kommen. Dies tritt insbesonde- re bei vorbestehender Niereninsuffizi- enz, bei diabetischer Nephropathie, bei Hypovolämie, eingeschränkter links- ventrikulärer Funktion oder bei großem Kontrastmittelvolumen auf. Oxidative Mechanismen sollen bei der kontrast- mittelinduzierten Nierenschädigung ei- ne ursächliche Rolle spielen. In der Un- tersuchung erhielten Patienten mit chro- nischer Niereninsuffizienz vor und nach einer Computertomographie mit 75 ml nichtionischem Kontrastmittel entweder Acetylcystein (zweimal 600 mg pro Tag per os) plus Hydrierung (1 ml pro kg Körpergewicht pro Stunde halbisotone Kochsalzlösung) oder Placebo plus Hydrierung. Gemessen wurde Serum- kreatinin vor und 48 Stunden nach der Kontrastmittelgabe. Eine kontrastmit- telinduzierte akute Nierenschädigung, also ein Anstieg des Serumkreatinin von mehr als 0,5 mg/dl, trat bei zwölf Prozent der Patienten auf. Die Gabe von Acetylcystein führte zu einer signifikan-

ten Verminderung von kontrastmittel- induzierten akuten Nierenschädigungen (einer von 41 Patienten in der Acetyl- cystein-Gruppe im Vergleich zu 9 von 42 Patienten in der Kontrollgruppe;

p < 0,01). Weiterhin fiel in der Ace- tylcystein-Gruppe die Serumkreatinin- Konzentration von 2,5 ⫾1,3 mg/dl auf 2,1 ⫾1,3 mg/dl signifikant ab (p < 0,001), während in der Kontrollgruppe ein nicht signifikanter Anstieg der Serumkreati- nin-Konzentration zu beobachten war.

Die Autoren schließen, dass eine pro- phylaktische orale Gabe der antioxidativ wirksamen Substanz Acetylcystein in Verbindung mit adäquater Hydrierung eine kontrastmittelinduzierte Nieren- schädigung bei Patienten mit vorbeste- hender chronischer Niereninsuffizienz

verhindern kann. tpl

Tepel M, van der Giet M, Schwarzfeld C, Laufer U, Lier- mann D, Zidek W: Prevention of radiographic-contrast- agent-induced reductions in renal function by acetyl- cysteine. N Engl J Med 2000; 343: 180–184.

Priv.-Doz. Dr. med. Martin Tepel, Medizinische Klinik 1, Universitätsklinik Marienhospital, Ruhr-Universität Bo- chum, 44625 Herne. Martin.Tepel @ruhr-uni-bochum.de

Prävention der kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung durch Acetylcystein

Referiert

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