Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
AUSSPRACHE
Es ist zu begrüßen, wenn auf die in der Fortbildung immer noch ver- nachlässigten parasitären Erkran- kungen aufmerksam gemacht wird, von denen einige durch Tourismus, berufliche Auslandstätigkeit und Gastarbeiter größere praktische Be- deutung erlangt haben.
Der Amöbenleberabszeß gehört heute auch bei uns zu den häufige- ren parasitären Erkrankungen. Ich habe wirklich Zweifel, ob diese im- mer bedrohliche Krankheit erkannt wird, wenn — wie im Artikel — die diagnostischen Zusatzverfahren be- tont und die einfachen klinischen Symptome relativiert werden. Dabei ist die rein klinische Diagnose leicht:
Das Bild bietet die allgemeinen und lokalen Symptome einer größeren Gewebseinschmelzung: meist septi- sche Temperaturen mit profusen Schweißausbrüchen, maximale Sen- kungsbeschleunigung, Leukozyto- se; Lebervergrößerung, starker Schmerz im rechten Oberbauch, in der rechten Schulter (spontan, an- haltend, verstärkt durch Bewegung, Erschütterung, Husten, tiefes At- men), Zwerchfellhochstand rechts mit eingeschränkter Atembeweg- lichkeit, Pleuraerguß rechts, Atelek- tasen, Infiltrationen im rechten Un- terfeld, eventuell sichtbare Vorwöl- bung mit Fluktuation am Thorax rechts unten oder im rechten Hypo- chondrium. Die Bedeutung des Amöbennachweises im punktierten Abszeßinhalt für die ätiologische Diagnose wird etwas zu optimistisch beurteilt. Er ist nur einigermaßen aussichtsreich, wenn bei der Punk- tion Material aus den Randgebieten entnommen und histologisch unter- sucht wird, ist aber gar nicht so wichtig, weil die Serologie hier sehr zuverlässig ist, was ja auch im Arti- kel zu Recht hervorgehoben wird.
Die „nichtsuppurative Leberamö- biasis" bietet das gleiche klinische
Syndrom mit dem einzigen Unter- schied, daß sich bei der Punktion kein „Eiter" gewinnen läßt, wohl weil die Kolliquationsnekrose (noch?) nicht so weit fortgeschritten ist. Angesichts der ziemlich verzwei- felten therapeutischen Situation beim . Echinococcus multilocularis sollte der Versuch einer hochdosier- ten Chemotherapie mit Mebendazol (Vermox®, 40-50 mg/kg täglich) für mehrere Wochen erwogen werden.
Literatur
Bekhti, A., et al.: Brit. Med. J. 22. 10. 1977, 1047
— Eckert, J.: Spos. Dtsch. Ges. f. Fortschr. a. d.
Geb. d. Inn. Med. Freiburg, Januar 1979 — Lan- cet: Editorial 11.9. 1976, 3. 2.1979 — WHO:
Amoebiasis. Techn. Rep. Ser. No 421 (1969)
Professor Dr. Wolfram Höfler Tropenmedizinisches Institut der Universität
Wilhelmstraße 31, 7400 Tübingen
Schlußwort
Die Zuschrift von Herrn Professor Höfler gibt die erfreuliche Gelegen- heit, nochmals auf die klinische Er- faßbarkeit von Amöbenleberabszes- sen einzugehen. Bereits bei unseren Altvorderen hieß es: „Selten sind die klinischen Symptome eines Leber- abszesses so eindeutig, daß an der Diagnose nicht gezweifelt werden kann"
(M.
Bürger, Klinische Fehldia- gnosen, Thieme, Stuttgart 1953). Ei- ne von Bürger 1941 vergebene Dis- sertation ergab, daß von 82 i n tabula festgestellten Leberabszessen nur 7 ante finem von der Klinik richtig er- faßt worden waren (Leberabszesse verschiedener Ätiologie). Wenn auch unser diagnostisches Rüst- zeug in Verbindung mit einer subti- len körperlichen Untersuchung heu- te eine weitaus bessere Einkreisung der Diagnose gestattet, bleiben doch nicht wenige Abszesse unbe- legbar oder auch unerkannt. Das von Höfler geschilderte Vollbild derKrankheit stellt eine wünschenswer- te präoperative Symptomatologie dar, die so vollständig keineswegs immer erwartet werden darf.
Amöbenabszesse können bis zu 20 Jahren nach der Rückkehr aus den Tropen auftreten (E. Hafter, Prakti- sche Gastroenterologie, 6. Auflage, Thieme, Stuttgart 1978). Entwickelt sich dann eine mono- oder oligo- symptomatische Krankhe!t, zum Beispiel ohne Organhinweis mit Schüttelfrost und Fieber bis zur Sepsis, als nicht näher lokalisierba- res abdominelles Unbehagen oder als unklare Gewichtsabnahme, dann liegt der Gedanke an die lange zu- rückliegende Amöbeninfektion kei- neswegs gleich auf der Hand. Selbst eine leere Anamnese nimmt dann nicht wunder. Liegt der Abszeß im Zentrum der Leber und erreicht kei- ne sonderliche Größe, entzieht sich der palpierenden Hand und verur- sacht aufgrund seiner Lage weder peritonaeale noch diaphragmale oder pleurale Reizerscheinungen, kann sein Nachweis denkbar proble- matisch werden. Deshalb ist in der genannten Arbeit den komplemen- tären Untersuchungsverfahren rela- tiv viel Platz eingeräumt worden. Ne- ben den invasiven und nichtinvasi- ven Methoden sei deshalb in unkla- ren Fällen an die hohe Trefferquote serologischer Verfahren erinnert, die bei der Kombination von KBR, indirekter Hämagglutination, Latex- agglutination und Doppelgeldiffu- sion 90,4 Prozent erreichen kann (Mannweiler, E., et al. „Serumanti- körper bei Patienten mit extraintesti- naler Amöbiasis und Kontrollperso- nen", Dtsch. med. Wschr. 101 [1976], 1915-1919).
Bei inoperablen Patienten mit Echi- nococcus cysticus erscheint inzwi- schen ein Behandlungsversuch mit Mebendazol vertretbar, obwohl Langzeitergebnisse noch nicht vor- liegen und extrem hohe Dosen ver- abreicht werden müssen.
Dr. med. Manfred Mörl
Gastroenterologische Abteilung, Stoffwechselklinik der Landes- versicherungsanstalt Württemberg, 6990 Bad Mergentheim
Parasitosen der Leber
Zu dem Beitrag von Dr. med. Manfred Mörl und Dr. med. Hans-Jürgen Herrmann
in Heft 24/1979, Seite 1619 ff.
2496 Heft 39 vom 27. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT