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Archiv "Lassa-Fieber" (18.07.1974)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

KOMPENDIUM:

Lassa-Fieber EKG-Repetitorium Zum Formenkreis der Ichthyosen

FÜR SIE GELESEN:

Röntgenbild nach

organschonend operiertem Gastroduodenalulkus

THERAPIE IN KÜRZE:

Primäre Knochensarkome Leiomyome

Lassa-Fieber

Wolfgang Stille und Uwe Förster

Zwei Fälle von Lassa-Fieber bei deutschen Ärzten haben eine gro- ße und nicht immer zutreffende Pu- blizität in der deutschen Presse ge- funden. Es erscheint daher ange- bracht, die deutsche Ärzteschaft über dieses neuartige Krankheits- bild zu informieren.

Lassa-Fieber wurde zum ersten Mal 1969 bei einer Missionsschwe- ster in Lassa, Nigeria, festgestellt.

Seither kam es zu mehreren Hospi- talinfekten in West-Afrika.

Virologie

Das Lassa-Virus gehört zu der erst kürzlich abgegrenzten Gruppe der Arena-Viren. Die Hauptvertreter sind das Virus der lymphozytären Choriomeningitis (LCM), die Taca- ribe-Gruppe (südamerikanisches hämorrhagisches Fieber) und das Lassa-Virus. Die Viren enthalten Ribonukleinsäure und ein umhüll- tes Nukleokapsid; sie sind ätherla- bil. Die Größe des Virus liegt bei 70 bis 80 mm*), an der Virusoberfläche sind elektronenoptisch „Spikes"

festzustellen. Die Hülle scheint strukturelle Lipide zu enthalten.

Bei experimenteller intrazerebraler Infektion von weißen Mäusen erga- ben sich klinisch deutliche Paralle- len zum LCM-Virus. Untersuchun- gen über die Antigenverwandt- schaft ergaben, daß das Lassa-Vi- rus eine engere Verwandtschaft

zum LCM-Virus als zu den Viren der Tacaribe-Gruppe hat. Mit Ver- gleichsuntersuchungen, in die praktisch alle Arboviren und eine Vielzahl anderer Viren einbezogen wurden, konnte keine Verwandt- schaft mit einer anderen Virusgrup- pe festgestellt werden. Wegen der großen Gefahr der menschlichen Erkrankung sind die virologischen Untersuchungen nicht sehr um- fangreich gewesen; nach schweren Laborinfektionen wurden sie bis auf weiteres eingestellt.

Epidemiologie

Über die Epidemiologie ist sehr wenig bekannt. Unter natürlichen Bedingungen wurde das Virus bis- her nur in Hospitälern oder nach Laborinfektionen vom Menschen isoliert. Einzelne erkrankte Einge- borene wurden in Missionshäusern aufgenommen; durch sie erkrank- ten Pflegepersonal und Mitpatien- ten.

Das Erreger-Reservoir in der Natur ist unbekannt. Da die übrigen Ver- treter der Arena-Gruppe fast aus- nahmlos Nager als Reservoir ha- ben, konzentrierte sich die Suche in diese Richtung, bis jetzt aber ohne Erfolg. Die Übertragung von Arena-Viren erfolgt in der Regel durch Kontakt mit lebenden Tieren

*) nm = Nanometer = ein milliardstel Meter

Aus dem Zentrum der Inneren Medizin

(Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. med. Helmut Martin) der Universität Frankurt und dem

Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Frankfurt (Direktor: Professor Dr. med. vet. Günter Wachendörfer)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 29 vom 18. Juli 1974 2231

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Lassa-Fieber

oder ihren Ausscheidungen, aber ohne Beteiligung von Arthropoden.

Der genaue Übertragungsweg des Lassa-Virus von Mensch zu Mensch ist unbekannt. Kontakt, Mi- kroinokulation und Inhalation wer- den vermutet. Die Erkrankung ist offenbar auch in West-Afrika sel- ten. In Endemiegebieten hat nur ein kleiner Prozentsatz der Bevöl- kerung Antikörper gegen das Virus gebildet. Die Symptomatik des Las- sa-Fiebers paßt gut zu in früheren Zeiten beschriebenen ungeklärten Infektionen in West- und Zentral- Afrika.

Klinik

Nach einer Inkubationszeit von (sechs bis) sieben bis 16 Tagen treten relativ langsam die ersten Symptome des Lassa-Fiebers, oft mit Schluck-, Glieder- und Muskel- schmerzen und allgemeinem Krankheitsgefühl, auf. Bald entwik- kelt sich hohes kontinuierliches Fieber ohne Tachykardie, aber mit Benommenheit und relativ geringer Lokalsymptomatik. Meist besteht eine ausgeprägte Pharyngitis, zum Teil mit weißen Ulzerationen der Rachen- und Mundschleimhaut. Ei- nige Petechien am Stamm sowie ein makuläres Exanthem können vorhanden sein. Muskelschmerzen, Diarrhöe, Schluckschmerzen und Dysurie sind häufig.

Mit zunehmender Schwere der Er- krankung verschlechtert sich der Allgemeinzustand erheblich; die Patienten werden lethargisch, das Gesicht erscheint gerötet und ge- schwollen. Zusätzliche Petechien, subkutane beziehungsweise intesti- nale Blutungen, Herzrhythmusstö- rungen, Krämpfe, Sehstörungen, Pleuraergüsse sowie Oligurie kön- nen auftreten. Der Tod erfolgt zwi- schen dem sechsten und 15.

Krankheitstag; meist wegen plötzli- chen nicht beherrschbaren Kreis- lauf- und Herzversagens. Die Leta- litätsrate ist hoch (19 von 42 Infi- zierten); es gibt jedoch auch leichte Verlaufsformen. Geheilte Patienten haben eine lange Rekonvaleszenz- zeit mit Haarausfall, aber keine schweren Dauerschäden.

Laboratoriumswerte

Initial besteht eine mäßige Leuko- penie, später kann sich eine hohe Leukozytose entwickeln. Die Zahl der Thrombozyten entspricht der Norm oder ist geringgradig ernied- rigt, die Gerinnungsfaktoren sind weitgehend normal; die Blutungs- neigung beruht in erster Linie auf Kapillarschäden. Die Blutsen- kungsgeschwindigkeit steigt im Verlauf der Krankheit auf hohe Werte an. Die Transaminasen, die Kreatin-phospho-Kinase (CPK) und Lactat-Dehydrogenase (LDH) sind stark erhöht. Die Werte für Biliru- bin und alkalische Phosphatase sind dagegen normal.

Diagnostik

Das Virus ist relativ leicht aus Stuhl, Urin, Sputum und Gewebe zu isolieren; eine Anzüchtung muß aber Speziallaboratorien für hoch- gefährliche Viren vorbehalten blei- ben. Das Virus wurde noch 32 Tage nach Erkrankungsbeginn im Urin nachgewiesen. Erst nach rela- tiv , langer Krankheitsdauer treten koMplementbindende und neutrali- sierende Antikörper auf (Untersu- chung: Yale Arbovirus Research Unit in New Haven, Connecticut, USA).

Therapie

Antibiotika sind wirkungslos; einen Impfstoff gibt es nicht. Zu Beginn der Krankheit ist die Gabe von Rekonvaleszentenserum (falls vor- handen!) indiziert. Für die Allge- meinbehandlung kann man sich auf Erfahrungen bei dem klinisch ähnlichen südamerikanischen, hä- morrhagischen Fieber stützen, des- sen Erreger (Junin-Virus, Machu- po-Virus) ebenfalls zu den Arena- Viren gehören. Hierbei kann durch sorgfältige Überwachung und Sub- stitution von Kreislauf, Wasser- und Mineralhaushalt die Prognose ge- bessert werden.

Einschleppung

Daß das Lassa-Fieber nach Europa importiert wird, ist wenig wahr- scheinlich, wenn auch nicht aus-

geschlossen. Personal primitiver Krankenhäuser und Gesundheits- stationen, Missionare, Geologen sowie Entwicklungshelfer in West- Afrika kommen für eine Einschlep- pung am ehesten in Frage.

Vorsichtsmaßnahmen

Besteht Verdacht auf Lassa-Fieber, sollte — trotz fehlender Melde- pflicht — das zuständige Gesund- heitsamt sofort verständigt werden.

Die umgehende Konsultation von Spezialisten ist ratsam. Eine erste provisorische Isolierung zur Ver- meidung weiterer Kontakte ist not- wendig. Offenbar ist die Infektiosi- tät nicht so. extrem hoch wie etwa bei Pocken, sonst wäre es in West- Afrika zu großen epidemischen Ausbrüchen gekommen.

Die Patienten müssen in einer Iso- lierstation für hochgefährliche In- fektionskrankheiten (Pocken-Sta- tion) gepflegt werden. Wegen der Infektionsgefahr für das — nur frei- willig zu verpflichtende — Pflege- personal sind massive Schutzmaß- nahmen (wie dicke Gummihand- schuhe, Atemschutzgeräte, Schutz- anzüge, Vermeidung unnötiger Kontakte, intensive Desinfektion) zu treffen. Der hohe Virusgehalt von Blut und Ausscheidungen muß auch bei Laboruntersuchungen be- rücksichtigt werden. Gefahrlos dürfte Lassa-Fieber nur für diejeni- gen Personen sein, die die Infek- tion bereits überstanden haben.

Lassa-Fieber ist ein Beispiel dafür, daß in den Tropen noch eine Reihe unbekannter Infektionskrankheiten vorkommen. Die klinisch ähnlich verlaufende Infektion mit dem Mar- burg-Virus hat vor einigen Jahren gezeigt, daß neuartige tropische Virusinfektionen auch für uns be- deutungsvoll sein können.

Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. Wolfgang Stille 6 Frankfurt am Main

Theodor-Stern-Kai 7 Dr. med. vet. Uwe Förster 6 Frankfurt am Main Deutschordensstraße 48

2232 Heft 29 vom 18. J uli 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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