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Archiv "Viren und Krebserkrankungen: „Das dümmste Virus ist gescheiter als der klügste Virologe“" (09.06.2000)

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ie Liste der Viren mit krebs- erzeugendem Potenzial wird länger werden. Darüber wa- ren sich Virologen aus aller Welt einig, die zu einem Expertentreffen nach Heidelberg gekommen waren, um sich über den gegenwärtigen Forschungs- stand zum Thema „Viren als Ursachen von Tumoren des Menschen“ auszu- tauschen. Der Gastgeber des Kon- gresses, der Heidelberger Krebs- und Virusforscher Prof. Harald zur Hau- sen, geht davon aus, dass derzeit mindestens 15 Prozent aller

Krebserkrankungen weltweit mit einer vorangegangenen Virus-Infektion in Verbin- dung stehen, in den Entwick- lungsländern sogar jedes vier- te Tumorleiden.

Es war der „Entdecker“

des ersten menschlichen Tu- morvirus, Prof. Sir Antony Epstein aus Oxford, der jetzt in Heidelberg daran erinner- te, wie die wissenschaftliche Welt auf die im Jahre 1964 veröffentlichte Nachricht rea- gierte: mit größter Skepsis.

Inzwischen habe das nach ihm benannte „einsame Ep- stein-Barr-Virus“ (EBV) aber Gesellschaft anderer Krebs-

viren bekommen, und seine Rolle in der Kanzerogenese sei nicht mehr strittig wie zum Beispiel bei B-Zell- Lymphomen, dem Burkitt-Lymphom und Nasopharynx-Karzinomen – alle- samt Tumoren, die ausschließlich au- ßerhalb Europas auftreten.

Der Virusforscher Prof. George Klein (Stockholm) schilderte die Rol- le des EB-Virus sehr anschaulich:

„Das dümmste Virus ist gescheiter als der klügste Virologe“, schmunzelte er

und referierte damit auf dessen Fähig- keit, sich außerordentlich gut an den Wirtsorganismus anzupassen. So ver- bleibe es still im menschlichen Im- munsystem und richte so lange keinen Schaden an, wie dieses intakt sei. Zur Krebsentstehung wie zum Beispiel dem Burkitt-Lymphom – einem Non- Hodgkin-Lymphom – komme es erst infolge eines zellulären Unfalls; durch

„illegitim aktivierte Gene“, welche die Zelle transformieren und schließ- lich zum Krebs führen.

Alle Burkitt-Tumoren weisen zelluläre Genveränderungen auf. Ein funktionierendes Immunsystem ent- ledige sich solch transformierter Zel- len durch ein Selbstmordprogramm (Apoptose). Bei immundefizienten Menschen, etwa HIV-Infizierten und jenen mit kongenitalen Immunde- fekten, funktioniere die Apoptose aber nicht. Sie seien daher krebsgefährdet.

Die heute bedeutsamste Tumorvi- rusgruppe ist die der Papillomviren. Es

war Anfang der 80er-Jahre, als in der Arbeitsgruppe von zur Hausen die humanpathogenen Papillomvirustypen HPV 16 und HPV 18 charakterisiert und im Tumormaterial von Cervixkar- zinomen nachgewiesen worden sind.

Inzwischen sind mehr als 100 Papil- lomvirustypen charakterisiert und gut ein Dutzend von ihnen als krebsge- fährlich entlarvt worden. So spielt die- se Virusgruppe wohl auch eine Rolle bei Malignomen des Anogenitalsy- stems (wie Vulva-, Penis- und Anal- karzinom, bei Mundhöhlen- krebs, bei Tumoren des Hy- popharynx und vermutlich auch bei Plattenepithelkarzi- nomen der Haut – letzteres in Verbindung mit chroni- scher Sonnenexposition).

Prof. Stephania Jablon- ska (Warschau), auf deren Forschungsarbeit die Isolie- rung des Papillomvirus HPV 5 in der sehr seltenen Haut- krebsart Dysplasia verucci- formis zurückgeht, berichte- te in Heidelberg von ihren neueren Forschungsergebnis- sen: HPV 5 finde sich auch in einer „nichtonkogenen“

Form in Läsionen der Pso- riasis. Es führe zwar zur Ke- ratinozytenproliferation, aber nicht zu einer malignen Form. Der „zellulä- re Unfall“ bleibe hier somit aus.

Besondere Aufmerksamkeit hat in den letzten Jahren der Zusammen- hang zwischen Aids und Krebsent- wicklung gefunden. So hatte Patrick Moore vor sechs Jahren in der wissen- schaftlichen Welt Aufsehen erregt, als er in nahezu allen Kaposi-Sarkomen kurze DNA-Sequenzen des humanen Herpes-Virus 8 (HHV 8) identifiziert A-1574 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Viren und Krebserkrankungen

„Das dümmste Virus ist

gescheiter als der klügste Virologe“

Die Bedeutung der Viren als Ursache von Tumoren des

Menschen wurde am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg von einem internationalen Expertenteam diskutiert.

D

Die Folge einer genitalen Virusinfektion mit humanen Papillomviren: ein Cervixkarzinom im fortgeschrittenen Stadium Foto: Digene

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hatte. So kommt sein deutscher Kolle- ge, Prof. Bernhard Fleckenstein (Er- langen) zu dem Schluss, dass es heute nicht mehr darum gehe, ob HHV 8 ei- ne kausale Rolle im Tumorgeschehen bei HIV-Infizierten spiele, sondern wie. Er beschrieb es als ein sehr kom- plexes Virus mit 89 verschiedenen Ge- nen, wobei es nun gelte herauszufin- den, welches von ihnen für die Tumor- induktion verantwortlich sei.

Prof. Robert Gallo (University of Maryland, USA) sieht einen klaren Zu- sammenhang zwischen HIV-Infektion und einer Zunahme bestimmter Krebs- arten in Gebieten mit hoher Durchseu- chungsrate. Dabei trage das HI-Virus wahrscheinlich indirekt zum Tumorge- schehen bei, indem es Zytokine aktivie- re, die ihrerseits wieder eine Replikati- on anderer – also zum Beispiel krebs- auslösender – Viren bewirkten.

Hypothese: Viren und Kinderleukämien

Er verwies auf epidemiologische Untersuchungen, wonach beispielswei- se das Adenokarzinom der Lunge in verstärktem Umfang in der HIV-infi- zierten Bevölkerung beobachtet wer- de; so auch in der schwarzen Bevölke- rung von Baltimore, die zu acht Prozent HIV-infiziert sei. Aus epidemiologi- schen Untersuchungen folgere man auch, dass Kinderleukämien mit einer Virusinfektion in Verbindung stehen könnten. Die Erreger seien jedoch noch nicht identifiziert worden.

Ein mögliches neues Forschungs- gebiet in der Tumorvirologie sieht zur Hausen darin, die Rolle von Tierviren mit krebserzeugender Potenz auf ei- nen möglichen Zusammenhang mit

der menschlichen Krebsentwicklung zu untersuchen. Solche Infektionen, die zum Beispiel von Haustieren auf den Menschen übertragen würden, verliefen symptomlos und blieben so- mit unbemerkt. Hier bestehe noch Forschungsbedarf.

Virusbedingte Krebsarten eröff- nen über Impfprogramme ausgezeich- nete Möglichkeiten der Prävention.

Dies konnte mit Impfprogrammen ge- gen das Hepatitis-B-Virus schon unter Beweis gestellt werden. Epstein be- richtete in Heidelberg, dass tierexpe- rimentelle sowie Phase-I-Studien zu einer Vakzine gegen das EBV, an der seit mehr als zehn Jahren gearbeitet werde, erfolgreich abgeschlossen wor- den seien. Impfstoffe gegen HPV 16 und 18 befinden sich ebenfalls in klini- scher Prüfung.

Zwei Ansätze werden hier ver- folgt: Zum einen werden leere Virus- hüllen injiziert, die eine Art Pseudoin- fektion hervorrufen und somit das menschliche Immunsystem aktivieren.

Der zweite Ansatz, der am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg verfolgt wird, ist die Herstellung einer DNA-Vakzine mit dem Vorteil einer längeren Haltbar- keit selbst unter tropischen Bedin- gungen. Bis ein Impfstoff zur Prä- vention des Cervixkarzinoms, des weltweit zweithäufigsten Krebses der Frau, für eine breite Anwendung ver- fügbar ist, rechnet zur Hausen mit weiteren drei Jahren der klinischen Erprobung. Mit entsprechenden Impf- programmen bei Jugendlichen vor Beginn der sexuellen Aktivität könn- ten nach seinen Schätzungen die Krebserkrankungen bei Frauen welt- weit um zwölf bis 15 Prozent vermin- dert werden. Ingeborg Bördlein

Herzklappe mit Patienten-Zellen

An der Klinik für kardiovaskulä- re Chirurgie der Berliner Charité hat Prof. Wolfgang Konertz eine Herz- klappe implantiert, deren Oberfläche mit patienteneigenen Endothelzellen besiedelt war. Die Endothelzellen wurden dem Patienten drei Wochen vor der Operation aus einer Vene des Unterarms entnommen und im Labor auf die Oberfläche der Klappe aufge- bracht, wo sie im Laufe von Wochen anwuchsen. Konertz und sein Team führten bei dem Patienten die „Ross- Operation“ durch, bei der die gesun- de Pulmonalis-Klappe an die Stelle der zerstörten Aortenklappe ge- pflanzt wird und in der Pulmonalis- Position die neu „gezüchtete“ Klappe

implantiert. EB

„Kinderlebensmittel“

kritisch betrachten

„Kinderlebensmittel“ bieten nach Ansicht der Deutschen Gesell- schaft für Ernährung e.V. (DGE) kei- nen ernährungsphysiologischen Vor- teil gegenüber einer ausgewogenen Ernährung. Da diese Produkte häufig einen hohen Zucker- und Fettgehalt hätten, werde eine bedarfsgerechte Ernährung der Kinder eher er- schwert. „Vollwertiges Essen und Trinken mit herkömmlichen Lebens- mitteln ist nach dem ersten Lebens- jahr die gesündere und die preiswerte Alternative“, so die DGE.

Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder im Alter von einem bis drei Jahren unterliegen in Deutsch- land der Diätverordnung, die strenge Mindestwerte für Rückstände vor- schreibt. Diese Verordnung gilt nicht für spezielle Lebensmittel für ältere Kinder. Daher unterscheiden sich Le- bensmittel für Kinder ab vier Jahren in Bezug auf Zutaten und Nährstoff- gehalt prinzipiell nicht von herkömm- lichen Lebensmitteln. Viele Kinderle- bensmittel, für die mit einem extra ho- hen Gehalt an Milch geworben wird, enthalten statt Vollmilch Magermilch- pulver, Süßmolke, Butterreinfett oder gezuckerte Kondensmilch. EB A-1575

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000 MEDIZINREPORT

Viren auf der Spur:Standen noch vor wenigen Jahren Antikörperbe- stimmungen ganz im Vordergrund der virologischen Diagnostik, so gibt es heute eine Vielfalt von Methoden zum direkten Nachweis von Viren und Virusbestandteilen. Die Leitlinen der Gesellschaft für Virologie, die – in Abstimmung mit der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Virus- krankheiten e.V. – als Taschenbuch vorliegen, helfen bei der Entschei- dung, welche Virusinfektionen als Auslöser bestimmter Organerkrankun- gen infrage kommen und welches die richtigen diagnostischen, thera- peutischen und prophylaktischen Maßnahmen sind. Klare Angaben zur Probenentnahme, zum Transport, zur virologischen Interpretation und klinischen Bedeutung der Testergebnisse erleichtern den Praxisalltag.

O. A. Haller, Th. Mertens: Diagnostik und Therapie von Viruskrankheiten.

Urban & Fischer Verlag, München/Jena, 1999, 260 Seiten, 98 DM

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