DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT KONGRESSBERICHT
Seit zehn Jahren:
Lehrstuhl und Institut für Gerontologie
m 3. Juni 1989 feierte das In- stitut für Gerontologie der Universität Erlangen-Nürn- berg am Lehrstuhl für Innere Medi- zin — Gerontologie sein zehnjähriges Jubiläum mit einem internationalen Symposion über „Experimentelle und klinische Gerontologie". In An- wesenheit zahlreicher Ehrengäste wurden zwei Schwerpunktthemen referiert und diskutiert.
Altern auf molekularer
und zellulärer Ebene
Seit den ersten Versuchen mit Zellkulturen durch Carrel und Ebe- ling (1921) weiß man, daß das Serum junger Hühner das Wachstum homo- loger Fibroblasten besser unterstützt als das alter Tiere. Aber erst durch die grundlegenden Arbeiten von Hayflick und Moorhead (1961) konnte gezeigt werden, daß normale Zellen in der Gewebekultur nicht länger in einem Stadium der aktiven Proliferation gehalten werden kön- nen, als es ihrem spezies-spezifi- schen Alter entspricht.
Man unterscheidet drei Phasen der Subkulturen: Phase I = Adapta- tionsperiode; Phase II = logarithmi- sches Wachstum mit schneller Mi- tose; Phase III = Zellteilungsstill- stand, Abnahme der Wachstumsrate, Zelltod. Fibroblastenkulturen aus normalem menschlichen fetalen Ge- webe zeigen über einen Zeitraum von etwa 6 Monaten 50 Populations- verdopplungen. Werden die Zellen für einen gewissen Zeitraum unter Hypothermie-Bedingungen aufbe- wahrt, so wird diese Zeitspanne von 50 Populationsverdopplungen nicht verändert. Die Zellen „erinnern"
sich an die Passage, in der sie unter- kühlt wurden, und proliferieren von diesem Punkt zu einer Gesamtzahl von etwa 50 Populationen. Beim Vergleich der Populationszahl mit dem Alter der Spender zeigt sich, daß jüngere Spender mit einer höhe- ren Populationszahl korrelieren und umgekehrt.
Die Glukose spielt im zellulären Stoffwechsel eine zentrale Rolle. Für Wachstum und Überleben der menschlichen diploiden Zellen ist der
Glukosestoffwechsel essentiell. Cri- stofalo zeigte eine direkte Korrelation zwischen Proliferationsrate der Zel- len und Glukose-Utilisation. Die Gly- kolyserate weist mit zunehmender Al- terung der Zellen keine Änderungen auf, während die Funktion des Pento- sephosphat-Zyklus abnimmt. Der Glykogengehalt steigt mit zunehmen- der Alterung in den Zellen an. Die At- mungsfunktion bleibt jedoch gleich.
Lipidgehalt, Lipidsynthese und Pro- teine nehmen mit zunehmender Al- terung der Zellen zu. Die Permeabili- tät gegenüber Aminosäuren, die Akti- vitäten von Transaminasen sowie der Glutamat-Dehydrogenase, der Nuk- leohistongehalt und der DNA-Gehalt zeigen während der Alterung keine Änderung. Im Gegensatz dazu nimmt der RNA-Gehalt sowie der RNA- turnover zu. Darüber hinaus findet man einen Aktivitätsanstieg lysoso- maler Enzyme.
Bestimmte Krankheitsbilder, wie die Progerie sowie das Werner Syndrom, stellen aufgrund zahlrei- cher Organveränderungen Voralte- rungs-Syndrome dar. In diesem Zu- sammenhang ist es interessant, daß Fibroblasten dieser Patienten in Kul- turen eine stark verminderte Popula- tionsverdopplungsrate aufweisen so- wie bestimmte Veränderungen zei- gen, die denen alternder Fibrobla- sten gesunder Menschen ähneln.
Klinische Pharmakologie im Alter
Durch die Multimorbidität ger- iatrischer Patienten sowie den chroni- schen Verlauf der Erkrankungen im Alter gewinnt die altersspezifische Pharmakologie immer mehr an Be- deutung. So kann es zwangsläufig in der Anfangsphase der Therapie zu ei- ner Polypragmasie der Pharma- kotherapie kommen. Es ist daher
wichtig, Schwerpunkte in der Phar- makotherapie zu setzen. Mit der Zu- nahme eingenommener Pharmaka steigt nämlich die Rate der Neben- und Wechselwirkungen an. Es ist da- her von großer Bedeutung, Pharma- kokinetik und -dynamik im Alter für diejenigen Medikamente zu untersu- chen, die vorwiegend im Alter gege- ben werden. Ein Schwerpunkt am Institut für Gerontologie befaßt sich mit diesen Fragestellungen. Physio- logische und pathologische Alters- veränderungen der Niere führen zu Funktionseinbußen, wie einer Ab- nahme der Kreatinin-, Inulin- und PAH-Clearance. Kinetische Studien mit den Diuretika Spironolacton, Furosemid und Triamteren und in, Kombination mit Hydrochlorothia- zid und Piretanid ergaben, daß die Plasmaspiegel von Spironolacton, Fu- rosemid und Triamteren deutlich er- höht sind, so daß eine Dosisreduktion zu empfehlen ist. Eine Kombination von Triamteren und Hydrochloro- thiazid zeigt noch 24 Stunden nach Applikation erhöhte Plasmakonzen- trationen, während die Kombination mit Piretanid bei älteren Patienten günstiger zu sein scheint.
Schmerzen haben im Alter eine vielfältige Ursache. Analgetika kön- nen bei längerer Verabreichung zu Ödemen führen. Pharmakokineti- sche Studien mit Analgetika im Alter sind spärlich. Die vorgetragene phar- makokinetische Studie über Tiapro- fensäure bei geriatrischen Patienten mit Herzinsuffizienz zeigte bei einer Dosis von 2 x 300 mg pro Tag keine Konzentrationserhöhungen im Plas- ma, unveränderte Kalium- und Na- triumspiegel sowie keine Wasserein- lagerung.
Professor Dr. med. Platt Lehrstuhl für Innere Medizin — Gerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg
8500 Nürnberg
Dt. Ärztebl. 86, Heft 43, 26. Oktober 1989 (53) A-3185