• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Viren und Krebs: Durch Vakzine immun gegen Karzinome" (03.06.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Viren und Krebs: Durch Vakzine immun gegen Karzinome" (03.06.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

E

ine Impfung ist theoretisch zwei- felsohne die eleganteste Methode, um einer viral bedingten Neoplasie vorzubeugen. Modellcharakter in der Praxis hat das Zervixkarzinom, global die zweithäufigste Krebsart bei Frauen.

Vor allem in Entwicklungsländern hat dieser Karzinomtyp eine hohe Inzi- denz.Aber auch in Deutschland sterben trotz Früherkennungsmaßnahmen nach wie vor jährlich etwa 2 500 Frauen an diesem Tumor. Dem Ziel einer präven- tiven Krebsimpfung sind die Wissen- schaftler schon näher gekommen. Die US-Epidemiologin Prof. Dr. med. Lau- ra A. Koutsky aus Seattle ( University of Washington) rechnet damit, dass der er- ste Impfstoff in zwei bis drei Jahren auf dem Markt verfügbar sein wird.

Unter den mehr als 100 verschiede- nen humanpathogenen Papillomviren wird einem guten Dutzend eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Zervixkar- zinoms und anderen Krebsarten im Ge- nitalbereich, wie Tumoren der Vagina und Vulva, des Anus und des Penis, zugeschrieben. Vier sind als Hauptver- ursacher in der Karzinogenese des Ge-

bärmutterhalses ausgemacht worden, davon hat HPV-16 allein die Hälfte der Zervixkarzinome zu verantworten, so die Wissenschaftlerin auf der Tagung

„Infektion und Krebs“, die von der Deut- schen Akademie der Naturforscher Leopoldina am Deutschen Krebsfor- schungszentrum (DKFZ) in Heidel- berg veranstaltet wurde.

Einen Grundstock für die Vakzine- entwicklung lieferten australische Wis- senschaftler im Jahr 1991, als sie zwei der acht HPV-Gene exprimieren konn- ten und damit die Erbinformationen für die Strukturproteine L1 und L2 ent- schlüsselten. Damit war es möglich, vi- rusähnliche Partikel (Virus-Like-Par- ticles/VLP) herzustellen, die – ebenso wie die echten Viruspartikel – in der La- ge sind, im Organismus die Antikörper- produktion hervorzurufen.

Einen Fortschritt der Vakzineentwick- lung stellt eine doppelblinde, placebo- kontrollierte Studie (Lancet 2004; 364:

1757–1765) dar, bei der 1 113 Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren rando- misiert wurden. Drei Vakzinierungen erfolgten mit einem bivalenten HPV- 16/18-L1-Virus-ähnlichen Partikel. Nach einer Beobachtungszeit von 27 Mona- ten wurde die Wirksamkeit der von GlaxoSmithKline entwickelten Vakzine mit 91,6 Prozent hinsichtlich vorüberge- hender genitaler HPV-16/18-Infektio- nen beurteilt; persistierende Infektio- nen wurden in der Verumgruppe zu 100 Prozent verhindert.

Der Impfstoff reduzierte die HPV- 16/18-assoziierten zytologischen Verän- derungen um 92,9 Prozent. Virusbe- dingte histologische Veränderungen (CIN I/II) traten nur bei Placebo-Pro- bandinnen auf. Zurzeit wird die Wirk- samkeit und Verträglichkeit dieses

Impfstofftyps in der PATRICIA-Studie (PApilloma TRIal to prevent Cervical Cancer In young Adults) in 14 Ländern bei 13 000 Frauen überprüft.

Inzwischen liegen die Ergebnisse ei- ner Phase-II-Studie mit einer tetrava- lenten Vakzine (Lancet Oncology, Mai 2005) vor, die sich zusätzlich gegen HPV-6 und -11 richtet. An der Studie nahmen 552 Frauen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren aus den USA, Europa und Brasilien teil. Über einen Beobach- tungszeitraum von zweieinhalb Jahren wurden persistierende Infektionen mit den HPV-Stämmen 6, 11, 16 oder 18 und damit verbundene Erkrankungen bei den geimpften Frauen um 90 Prozent reduziert (p < 0,001).

Bei der letzten Untersuchung im Rahmen der Studie wurden in der Pla- cebogruppe in 36 Fällen persistierende Infektionen oder einer der HP-Viren- stämme nachgewiesen. In der Verum- Gruppe waren es vier Fälle. Derzeit werden mit dem von den Firmen MSD und Sanofi-Pasteur-MSD produzierten, quadrivalenten Impfstoff Phase-III- Studien mit mehr als 25 000 Teilnehme- rinnen durchgeführt. Läuft alles weiter- hin nach Plan, sagte Koutsky in Heidel- berg, dann wäre die HPV-Vakzine die zweite „Krebsimpfung“ nach der Hepa- titis-B-Immunisierung.

Onkolytische Eigenschaften

Der Einsatz von Viren ist nach neuesten Erkenntnissen nicht nur in der Prophyla- xe, sondern auch in der Krebstherapie denkbar: Über diese Strategie berichtete der Tumorvirologe Prof. Dr. med. Jean Rommelaere (DKFZ). So hätten Parvo- viren mit einem Durchmesser von gera- de einmal 20 millionstel Millimetern on- kolytische Eigenschaften. Sie vermehr- ten sich vor allem in Zellen mit hoher Teilungsfrequenz, fänden also in Tumor- zellen einen guten Boden vor.

Im Tiermodell habe man gezeigt, dass Viren Tumoren verhindern könn- ten. In der Zellkultur hemmten sie das Wachstum von Krebszellen. Der große Vorteil dieser Virenart sei, dass sie so gut wie keine Nebenwirkungen habe, berichtete Rommelaere. Sie bauten ihre DNA nicht in die der infizierten Zelle ein, sodass das Risiko, wachstumsför- M E D I Z I N R E P O R T

A

A1566 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 22⏐⏐3. Juni 2005

Viren und Krebs

Durch Vakzine immun gegen Karzinome

Weltweit arbeiten Wissenschaftler auf Hochtouren an

Impfstoffen zur Prävention von Infektionen mit humanpatho- genen Papillomviren, den Auslösern des Zervixkarzinoms.

Zervixkarzinom im fortgeschrittenen Stadium

Foto:Digene

(2)

M E D I Z I N R E P O R T

A

A1568 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 22⏐⏐3. Juni 2005

dernde Gene in Tumorzellen zu aktivie- ren, minimal sei. Am DKFZ werden laut Rommelaere die so genannten au- tonomen Parvoviren eingesetzt. Sie al- lein seien dazu in der Lage, sich selbst- ständig in der Wirtszelle zu vermehren und Krebszellen abzutöten. Den Me- chanismus, der zur Zytolyse führe, habe man noch nicht abschließend erforscht.

Nach den Erkenntnissen des Virologen produziert das Parvovirus ein zelluläres Protein. Dieses zerstöre die Tumorzelle, indem es in ihren Zellzyklus direkt ein- greife, sich darin vermehre und die Herrschaft über die Zelle gewinne.

Parvoviren wirken nach Angaben von Rommelaere nur bei bestimmten Tumorarten: „Erfreulicherweise zeig- ten sie gerade bei den Krebsarten Wir- kung, bei denen die konventionellen Ansätze eine sehr begrenzte Wirkung haben, zum Beispiel bei Gliomen und Pankreastumoren.“ In präklinischen Studien habe eine signifikante Wirkung gegen diese Tumoren gezeigt werden können. Bei Mäusen habe man sogar ei- ne totale Tumorregression der Gliome über mehrere Jahre erreicht.

Bei Pankreastumorzellen habe sich ebenfalls ein zytolytischer Effekt gezeigt, hier allerdings führe eine Infektion mit dem Parvovirus nicht zu einer vollständi- gen Eliminierung des infizierten Tumor- gewebes.Daher arbeitet die Arbeitsgrup- pe um Rommelaere an Strategien, um die onkolytische Potenz dieser Viren zu verstärken. Ein Ansatz ist beispielsweise, in einen Teil des Erbguts der Parvoviren Gene einzufügen, die für die Produktion von Botenstoffen des Immunsystems – den Zytokinen – zuständig sind.

Der gewünschte Effekt ist, dass die Zytokine von den produzierenden Zel- len ausgeschüttet werden und die Ab- wehrkräfte der Patienten stimulieren.

Damit werden zwei Angriffsstrategien verfolgt: gegen die Krebszellen, die di- rekt von den gentechnisch veränderten

„rekombinanten“ Parvoviren erreicht werden, und gegen diejenigen malignen benachbarten Zellen, die nicht direkt von den Parvoviren getroffen wurden, aber von den körpereigenen Abwehr- zellen vernichtet werden. Denkbar ist es für die Forscher auch, diese Viren mit Chemotherapeutika zu kombinie- ren, um die therapeutische Wirkung zu verstärken. Ingeborg Bördlein

D

er unheilvolle Zusammenhang von Viren und Krebs konnte in der letz- ten Zeit mit neuen Befunden unter- mauert werden: So haben Wissenschaft- ler am Institut für Medizinische Virologie in Frankfurt/Main erstmals nachgewie- sen, dass Zytomegalie-Viren (CMV), die zur Herpesgruppe gehören, offensicht- lich das Wachstum von Krebszellen be- schleunigen und folglich mit dem Virus infizierte Tumorzellen schneller metasta- sieren als nicht infizierte.

Weitere wichtige experimentelle Be- funde an Zellkulturen sind, dass infi- zierte Tumorzellen unempfindlicher ge- genüber Zytostatika sind und schlech- ter darauf ansprechen als Zytomegalie- Virus-freie Zellen. Wie der Leiter des Interdisziplinären Laboratoriums für Tumor- und Virusforschung, Prof. Dr.

rer. nat. Jindrich Cinatl, erklärt, könnte diese Entdeckung der Krebstherapie

„wichtige Impulse“ verleihen.

Amerikanische Neurochirurgen und Virologen um Charles S. Cobbs und William Britt (University of Alabama in Birmingham) haben diesen von Frankfurter Virologen als „virale Onko- modulation“ bezeichneten Zusammen- hang zwischen einer Zytomegalie-In- fektion und der Aggressivität von Glio-

blastomen mittels bioptischer Analy- sen erhärtet. Sie fanden in einem hohen Prozentsatz sowohl in niedrig- als auch hochgradigen malignen Gliomen Zyto- megalie-Virusproteine und Nuklein- säuren der Herpesviren, während das umliegende „gesunde“ Gewebe virus- frei bleibt.

Wie der Virologe Prof. Dr. med. Hans Wilhelm Doerr (Universität Frank- furt/Main) dem Deutschen Ärzteblatt sagte, wiesen experimentelle Befunde an seinem Institut auf „einen Zusammen- hang zwischen Infektionen mit diesem Virus und der Entstehung des kindlichen Neuroblastoms“ hin.Auch in Kolon- und Prostatakarzinomen würden diese Vi- ruspartikel bereits nachgewiesen, wobei der Pathomechanismus der Karzinoge- nese noch nicht geklärt sei. Möglicher- weise schaukelten sich eine aktive Virus- infektion einerseits und ein durch die Tumorerkrankung geschwächtes Immun- system andererseits gegenseitig hoch, was dem Virus spezifische Persistenz in Tumorzellen ermöglichte.

Diese Erkenntnisse legen Doerr zu- folge nahe, besonders bei kindlichen Neuroblastomen und Gliomen nach Zytomegalie-Viren zu fahnden. Er geht aufgrund dieser Befunde sogar so weit zu empfehlen, in der systemischen Therapie von CMV-infizierten Tumo- ren Zytostatika und Virostatika zu kombinieren. Besonders für Kinder mit schweren Tumorleiden und begleiten- den Zytomegalie-Infektionen, die eine schlechte Prognose aufwiesen, könne dieser neue Therapieansatz vielver- sprechend sein. In folgenden Untersu- chungen wollen die deutschen und amerikanischen Arbeitsgruppen nun gemeinsam den Mechanismus der vi- ralen Onkomodulation weiter ergrün- den, mit dem Ziel, eine rasche Standar- disierung von Diagnose und Therapie bei Zytomegalie-Virus-infizierten Tu- moren zu erreichen.

Bis zu 70 Prozent der deutschen Be- völkerung sind mit dem Zytomegalie- Virus infiziert. Die Infektion verläuft oft unbemerkt. Infizierte tragen den Er- reger lebenslang in sich. Ob die Infek- tion aktiv ablaufen muss, um diesen Mechanismus in Gang zu setzen, oder ob schon virale Proteine einer latenten Infektion als virale „Onkoproteine“

wirken, wird noch untersucht. bd

Viren und Krebs

Fatales

Wechselspiel

Aktuelle Studien zur „viralen Onkomodulation“

Zytomegalie-Viren

Foto:Phototake/mauritius images

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die entsprechenden Antragsformulare können in den Bezirksämtern der Stadt Graz oder unter der Internet- adresse : http://www.soziales.steiermark.at/cms/beitrag/10123320/5408

Seit Einführung der Krebs-Früher- kennungsuntersuchung sehen wir in unserem Krankengut ei- ne Zunahme operabler Karzi- nome und eine Zunahme von Tumorfrühstadien, zum Teil

Abhandlungen über kolorektale Karzinome setzen eine klar defi- nierte Klassifikation voraus. Die Vielzahl vorgeschlagener Eintei- lungen, sowohl auf der Basis des TNM-Systems

Im Verlauf der Immunschwäche gewinnt bei vielen Betroffenen aber eine Virusvariante die Oberhand, die vor allem T-Zellen infiziert: „T-tropic-HIV“ nutzt jedoch nicht mehr CCR-5

Ein Thoraxchir- urg infizierte innerhalb weniger Monate bei Operationen an zwei Kliniken nicht weniger als 13 Prozent der von ihm operierten Patienten (insgesamt 19 Infektionen bei

Bei zwölf (40 Prozent) von 30 beobachteten Fällen trat ein Hydrops fetalis (HF) nach einer Woche bis zu drei Monaten nach der mütterlichen Infektion auf.. In elf (36,7 Prozent)

Kontraindikation besteht bei Neugeborenen bis zum ersten Monat, nicht aber bei anderen Problempatienten, wie Säuglingen bis zu einem Jahr und Kleinkindern bis zu

Lebende, rekombinante Vektor- Vakzine: Harmlose Viren oder Bak- terien (Vektoren) werden mit speziel- len HIV-Genen „bestückt“, so daß sie im Organismus des Menschen