Iatrogene Hepatitis-B-Infektion
Wie Ärzte Viren
übertragen können
it einer Hepatitis-B-Impfung schützt der Arzt nicht nur sich selbst vor einer Ansteckung durch seine Patienten, er verhindert auch, daß er selbst zur Infektionsquelle wird. Hieran erinnert ein tragischer Fall, der sich vor einiger Zeit in den USA er- eignete und dessen Einzelheiten jetzt von den Centers for Disease Control and Prevention publiziert wurden (N. Engl. J. Med.; 334: 549–554, 1996). Ein Thoraxchir- urg infizierte innerhalb weniger Monate bei Operationen an zwei Kliniken nicht weniger als 13 Prozent der von ihm operierten Patienten (insgesamt 19 Infektionen bei 144 Eingriffen) mit Hepatitis B, darunter auch ein zweijähri- ges Kind. Über die Hälfte der Infizierten erkrankte spä- ter an einer chronischen Hepatitis B. Eine Ansteckung durch andere Ärzte oder durch Blutprodukte, die in der Thoraxchirurgie reichlich eingesetzt werden, konnte aus- geschlossen werden. Der HBsAg-Subtyp war bei allen Patienten der gleiche wie beim Operateur.
er Chirurg wußte von seiner Infektion (Ikterus, HBsAG positiv), stand jedoch nach einer Pause von zwei Monaten wieder am Operationstisch.
Dort achtete er darauf, sich nicht zu verletzen, und wech- selte während der Operationen mehrfach die Handschu- he. Unter den Kollegen galt er als geschickter Chirurg.
Beides reichte nicht aus, um die Infektionen zu verhin- dern. Das Infektionsrisiko wird bei der Hepatitis B viel- fach unterschätzt. Es beträgt nach einer Stichverletzung 30 Prozent. Aber auch ohne sichtbare Verletzung können Viren übertragen werden. Selbst so „harmlose“ Tätigkei- ten wie das Nähen führen zu kleinen Verletzungen an den Fingern, weil die Fäden beim Zuziehen sich in die Hand- schuhe und die Haut einschneiden. Der Chirurg hatte nach dem Knüpfen der Fäden (im späteren Laborver- such) HBsAg und HBV-DNS an den Fingern.
esonders hoch ist das Risiko beim Nachweis He- patitis-e-Antigen, das immer auf einen hohen Vi- rustiter im Blut hinweist. In allen 350 seit den 70er Jahren in der Literatur bekanntgewordenen Infek- tionen von Hepatitis B durch Ärzte und Pflegepersonal konnte dieser Marker nachgewiesen werden. Das Risiko einer HIV- oder Hepatitis-C-Infektion ist geringer (0,3 Prozent beziehungsweise zwei bis drei Prozent nach Stichverletzungen). Eine HIV-Übertragung wurde bisher nur in einem Fall berichtet. Ein HIV-positiver Zahnarzt hatte im Jahr 1991 mehrere seiner Patienten angesteckt.
Auch eine Hepatitis-C-Übertragung ist selten, ausge- schlossen ist sie aber keineswegs, wie eine Untersuchung der Universität Barcelona zeigt. Dort hatte ein Herz- chirurg fünf Patienten mit Hepatitis-C-Viren infiziert (N. Engl. J. Med.; 334: 555–560, 1996). Rüdiger Meyer
A-928
S P E K T R U M AKUT
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B D
(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 15, 12. April 1996