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Archiv "HIV-Infektion: Politische und technische Probleme einer Vakzine" (24.07.1998)

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u den verschiedenen Präven- tionsprogrammen, die auf dem 12. Welt-AIDS-Kongreß in Genf verabschiedet worden sind, gehört auch ein Plan zur Beschleuni- gung der Impfstoffentwicklung, der spezifisch auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer ausgerichtet ist.

Die Bill-Gates-Stiftung (1,5 Mio.

Dollar), die Weltbank (1 Mio. Dollar) und die britische Regierung (200 000 Pfund) haben der „International AIDS Vaccine Initiative“ dafür neue Finanzmittel zugesagt. Damit stehen nun 15 Millionen Dollar für interna- tionale Teams zur Verfügung, die die Testung von Impfstoff-Kandidaten in Epidemiegebieten medizinisch und logistisch vorantreiben sollen.

Die Impfstoffentwicklung von HIV ist ein polarisiertes Feld. Die

„Empiristen“ – meist Kliniker und Gesundheitspolitiker – vertreten die Ansicht, daß endlich mit großen Stu- dien an Menschen begonnen werden muß, um aus der Erfahrung zu lernen.

Demgegenüber argumentieren die

„Theoretiker“ (meist Grundlagenfor- scher), daß Feldversuche zum jetzigen Zeitpunkt unethisch wären und nur eine Vergeudung von Finanzmitteln darstellen. „Wir können den Men- schen nicht irgend etwas in den Arm spritzen und hoffen, daß es einen Effekt zeigt“, so John Moore vom Aaron Diamond AIDS Research Center in New York. „Wirkt die Vak- zine nicht, ist man in höllischen Schwierigkeiten.“

Aus diesem Grund wurde in Genf auch der Versuch gestartet, ethi- sche Grundsätze für Vakzinestudien in der dritten Welt festzulegen – aller- dings ohne eindeutigen Erfolg. Ein Konsensus unter 85 Wissenschaftlern, Ethikern, Rechtsanwälten, Gesund-

heitspolitikern und AIDS-Aktivisten aus über zwanzig Ländern konnte nicht erzielt werden. Lediglich die bis- herige Regel, daß ein Impfstoffkandi- dat zunächst in dem Land getestet werden muß, in dem er entwickelt worden ist, wurde in Genf aufgehoben (Science 1998; 281: 22–23).

Zu den strittigen Fragen gehörte beispielsweise, ob Studienteilnehmer, die sich trotz Impfung mit HIV infizie- ren, nach dem „Goldstandard“ be- handelt werden sollen, obwohl die Entwicklungsländer die Kosten der Kombinationstherapie für die Betref- fenden nicht bezahlen können. Wie wichtig eine klare Entscheidung in dieser Frage ist, verdeutlichte Mary Lou Clements-Mann (Johns Hopkins University, Baltimore). Sie wies dar- auf hin, daß eine Impfung nur selten vor einer Infektion schützt, sondern vielmehr den Ausbruch der Erkran- kung vermeidet oder verzögert.

Feldstudien könnten wertlos werden

Eine kritische Meßgröße zur Be- urteilung der Wirksamkeit einer Vak- zine könnte daher sein, inwieweit die

„Viruslast“ im Blut gesenkt wird.

„Wenn HIV-infizierte Studienteilneh- mer aber frühzeitig nach der Infektion mit der Kombinationstherapie begin- nen, wird man den Effekt einer Vakzi- ne nicht beurteilen können“, so David Ho (Aaron Diamond AIDS Research Center in New York). Unter diesem Aspekt könne jede Vakzinestudie wertlos werden.

Auf der anderen Seite haben die Experten bei ihren Beratungen zu berücksichtigen, daß aufgrund der Helsinki Declaration und einem Do-

kument des Council for International Organizations of Medical Sciences je- dem Menschen das beste diagnosti- sche und therapeutische Verfahren zugesichert werden muß. Ein HIV-in- fizierter Wissenschaftler aus Uganda gab zu bedenken, daß Menschen aus Ländern mit hoher HIV-Prävalenzra- te sich für eine Vakzinestudie zur Ver- fügung stellen nur unter dem Ge- sichtspunkt, auf jeden Fall Zugang zur antiretroviralen Kombinationsthera- pie zu bekommen.

Kritische Stimmen auf dem Welt- AIDS-Kongreß in Genf bemängelten auch die Rolle der Pharmaindustrie;

sie habe sich in der Vergangenheit nur mäßig bemüht, die Entwicklung der HIV-Vakzine voranzutreiben. Nach einem Report der Rockefeller Foun- dation hat die Industrie jährlich nur 25 Millionen Dollar in dieses Feld inve- stiert; dies ist ein Bruchteil der Sum- me, die für die Therapiestudien aufge- wendet wurde. Als Grund für die Zurückhaltung sehen die Kritiker, daß der größte Bedarf für eine Vakzi- ne in der dritten Welt liegt und somit die Gewinnaussichten minimal sind.

Grundsätzlich bestehen immer noch zahlreiche technische und medi- zinische Unsicherheiten, die bei der Entwicklung einer präventiven HIV- Vakzine berücksichtigt werden müs- sen. Der Erreger greift direkt die Zel- len des Immunsystems an, also das System, das durch eine Impfung sti- muliert werden soll. Probleme berei- ten auch die unterschiedlichen HIV- Stämme und ihre Untereinheiten, de- ren Gene jeweils bis zu 30 Prozent differieren. Gleichzeitig vermehrt sich HIV in großen Mengen; 10 bis 30 Milliarden Kopien entstehen täglich mit einer entsprechend hohen Rate an Mutanten, die sich dem Angriff ei- ner potentiellen Vakzine entziehen würden.

Außerdem beobachten die For- scher neue HI-Virus-Mischformen, die entstehen, wenn Personen mit ver- schiedenen Subtypen infiziert werden und sich diese im Organismus neu „re- kombinieren“ (rekombinante Viren).

„HIV ist wie für das Militär ein be- wegliches Objekt. Wir wissen einfach nicht, wohin wir zielen sollen“, so Vakzineforscher Dani P. Bolognesi von der Duke University in Durham, North Carolina.

A-1830 (22) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 30, 24. Juli 1998

P O L I T I K MEDIZINREPORT

HIV-Infektion

Politische und technische Probleme einer Vakzine

Auf dem Welt-AIDS-Kongreß in Genf wurde eine Initiative zur beschleunigten Impfstoffentwicklung verabschiedet.

Z

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Uneinig sind sich die Experten auch in der Frage, in welchem Aus- maß eine potentielle Vakzine die hu- morale (Antikörperbildung) und/

oder die zelluläre Immunabwehr sti- mulieren muß, um einen langfristigen Schutz des Menschen vor einer HIV- Infektion zu gewähren. Aufgrund von Untersuchungen an Langzeitinfizier- ten ohne Krankheitszeichen glaubt man, daß hohe Titer an zytoxischen T- Lymphozyten (CTL), neutralisieren- der und kreuzreagierender neutrali- sierender Antikörper sowie eine ge- ringe Viruslast im Blut das Vollbild AIDS hinauszögern.

Darüber hinaus fehlt nach wie vor ein geeignetes Tiermodell, das in bezug auf die Auseinandersetzung mit HIV den Verhältnissen im menschlichen Organismus

entspricht. Makaken bilden eine AIDS-ähnliche Er- krankung aus, wenn sie mit dem HIV-ähnlichen Kat- zen-Immundefizienz-Virus (SIV) infiziert wurden. Ob die Studien aber wegen der genetischen Unterschiede von SIV und HIV eine Aus- sage über die Wertigkeit ei- ner Vakzine am Menschen ermöglichen, wird ange- zweifelt.

Schimpansen können zwar mit HIV infiziert wer- den, erkranken aber (mit einer Ausnahme) nicht an

AIDS. Befürworter dieses Modells glauben, daß an diesen Tieren der Schutz vor Infektion, nicht aber vor Krankheit untersucht werden kann.

Andere Forschergruppen arbeiten mit einem gentechnisch hergestellten

„Chimären-Virus“ aus SIV und HIV (SHIV). Aufgrund der genannten Probleme werden derzeit alle Kon- zepte für die Impfstoffentwicklung überprüft. Dazu gehören:

Totimpfstoff: Durch Strahlen, Chemikalien oder Temperatur ab- getötete HI-Viren. Diese älteste Impfstofftechnologie bietet zwar den Vorteil, daß das ganze Virus dem Or- ganismus als Antigen präsentiert wird. Infektion und Virusreplikation bleiben jedoch aus. Eine technische Schwierigkeit besteht derzeit auch darin, das HIV so zu inaktivieren, daß die fragilen Hüllproteine, die für die

Induktion einer Immunantwort er- forderlich sind, nicht zerstört werden.

Totimpfstoffe bieten generell den Vorteil, daß sie die Bildung neutrali- sierender Antikörper fördern.

Attenuierte Vakzine: Lebende, abgeschwächte HI-Viren, die sich zwar im Körper vermehren, aber kei- ne Krankheit auslösen. Diese Tech- nik ist seit langem bei der Prävention anderer Infektionskrankheiten sehr erfolgreich, da sie eine ausreichende humorale und zelluläre Immunant- wort auslösen kann. In bezug auf HIV befürchten einige Forscher jedoch, daß sich (wie im Tiermodell beobach- tet) apathogene Erreger im menschli- chen Körper aufgrund ihrer hohen Mutationsrate zu pathogenen ent- wickeln könnten. Von Wissenschaft-

lern wird dieser Weg immer noch be- fürwortet, die Industrie ist wegen Si- cherheitsbedenken jedoch zurückhal- tend.

Lebende, rekombinante Vektor- Vakzine: Harmlose Viren oder Bak- terien (Vektoren) werden mit speziel- len HIV-Genen „bestückt“, so daß sie im Organismus des Menschen immunauslösende HIV-Proteine bil- den. Diese Technik könnte einen langanhaltenden Schutz bieten, wenn man Vektoren mit hoher Repli- kationsrate aussucht (unter anderem Vaccinia Virus). Ruft eine starke zel- luläre Immunantwort hervor. Die Bil- dung von Antikörpern, die sich gegen die Hüllproteine richten, ist jedoch schwach.

Peptid-Vakzine:Dieser Impfstoff besteht „nur“ aus gentechnisch herge- stellten HIV-Proteinen. Die Immun-

antwort fällt um so stärker aus, je kürzer die verabreichten Peptidket- ten sind.

Rekombinante Untereinheiten Vakzine: Einzelne gentechnisch her- gestellte HIV-Proteine, die der Virus- hülle (gp 120, gp 160) und/oder anderen Virusbestandteilen (p55, p24) entsprechen. Gelten als sicher.

Induzieren die Bildung von neutrali- sierenden Antikörpern und CD4- Lymphozyten, lösen aber nur eine schwache CD8-Lymphozyten-Ant- wort aus.

Virus-ähnliche Partikel: Inkom- plette Viren, die von Zellen gebildet werden, denen Teile der HIV-DNA eingepflanzt wurden.

DNA-Vakzine: Teile der HIV- DNA werden in harmlose Bakterien- Plasmide (ringförmige Erb- substanz) eingebracht und in die Muskulatur gespritzt. Die

„nackte“ HIV-DNA bahnt sich einen Weg in den Zell- kern, wo sie in messenger- RNA umgeschrieben wird.

Daraufhin wird die Protein- biosynthese gestartet. Die neuen HIV-Eiweißmoleküle gelangen an die Oberfläche der Zellen und lösen eine Im- munantwort aus. Dieser rela- tiv neuen Strategie werden gute Chancen eingeräumt.

Insgesamt wurden oder werden rund 40 Impfstoff- Kandidaten getestet, doch nur einer (Aidsvax, Firma VanGen) wird seit Juni in den USA in einer Phase-III-Studie am Menschen unter- sucht. Hierbei handelt es sich um eine bivalente gp 120 Vakzine, die auf den beiden HIV-Stämmen MN und GNE8 basiert. In die Studie sollen 5 000 Hochrisikopersonen – Homosexuelle und sero-diskordante Paare – aufge- nommen werden.

Zwei Drittel von ihnen werden der Verumgruppe angehören, ein Drittel bekommt Plazebo injiziert. Ei- ne Ausweitung der Studie in Thailand mit 2 500 Drogenabhängigen ist vor- gesehen. Die Organisatoren erwar- ten, daß sie ein Jahr für die Rekrutie- rung der Impfkandidaten benötigen werden; erst nach drei Jahren wird man abschätzen können, ob die Vak- zine einen Effekt zeigt.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn A-1831

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 30, 24. Juli 1998 (23) Die Festlegungen der ethischen Grundsätze für HIV-Vakzinestudien zeigen

deutlich auf, wie schwierig es ist, das Motto des 12. Welt-AIDS-Kongresses in Genf – „Bridging the Gap“ (die Kluft überbrücken) – im Alltag umzusetzen.

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