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Archiv "Fieber und Antipyrese bei Kindern" (03.02.1977)

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Antipyretische Maßnahmen Vor und neben jeder Antipyrese (Tabelle 2) steht natürlich die kau- sale Therapie des Grundleidens, zum Beispiel durch antimikrobielle Therapie und falls erforderlich durch weitere Maßnahmen, wie Schockbehandlung, Ausgleich von Störungen im Wasser und Elektro- lythaushalt und Bekämpfung von Hirnödem. Fieber kann sowohl mit physikalischen Maßnahmen als auch durch Medikamente gesenkt werden. Physikalische Maßnahmen sollen die natürliche Wärmeabgabe erleichtern (siehe nächster Ab- schnitt 1). Bei der medikamentösen Therapie unterscheidet man zwi- schen eigentlichen Antipyretika und unterstützenden Medikamen- ten mit verschiedenen Angriffs- punkten, die entweder die Wärme- produktion drosseln (Sedativa, Analgetika mit hypnotischer und muskelrelaxierender Wirkung) oder durch Verbesserung der Kreislauf- verhältnisse (periphere Gefäßer- weiterung) die Wärmeabgabe ver- bessern sollen. Derartige Substan- zen werden häufig in Form von Kombinationspräparaten ange- wandt. Bestandteile solcher Antipy- retika-Kombinationspräparate sind:

Hypnotika, Sedativa (Barbiturate, Methaqualon, Bromkarbamide), An- titussiva (Codein, Narcotin), Anal- getika (Propoxyphen), Spasmolyti- ka (Papaverin, Scopolamin, Adi-

phenin) und andere Alkaloide, zum Beispiel Emetin, Analeptika (Coffe- in), Antihistaminika (Pheniramin, Di- phenhydramin), Expektorantien und Sekretolytika (meist pflanzli- cher Herkunft in Form ätherischer Öle, wäßriger und alkoholischer Auszüge), Sympathikomimetika (Ephedrin), Vitamine (hauptsäch- lich Vitamin C in ,Grippemitteln").

Physikalische Maßnahmen der Antipyrese

Hier kommen in Frage: Leichte Kleidung und Bettkleidung, die Wärmeabgabe erlauben, nicht zu hohe Wohnraum- und Krankenzim- mertemperatur sowie wiederholte einfache Waschungen oder Teil- beziehungsweise Vollbäder. Im Bad kann Wärme durch Konvektion und Konduktion abgegeben wer- den. Die abgegebene Wärmemen- ge ist jedoch nicht abschätzbar, und es besteht bei zu kühlem Bad die Gefahr, daß übermäßige Wär- meabgabe zu gegenregulatorischer Zittergenese von Wärme und er- neutem Temperaturanstieg führt.

Bei zu hoher Badewassertempera- tur — insbesondere im feuchtwar- men Badezimmer — ist die Mög- lichkeit der Temparaturabgabe stark eingeschränkt.

Zu warnen ist ferner vor Waschun- gen mit zu kaltem Wasser, speziell

mit Eiswasser. Diese führen zu ei- ner Vasokonstriktion der Haut und damit ebenfalls zu einer verminder- ten Wärmeabgabe. Intermittieren- des Bürsten der Haut dagegen führt zu Gefäßerweiterung und Steigerung der Wärmeabgabe.

Waschungen der Haut mit hand- warmem Wasser wirken durch Wärmeentzug infolge der Verdun- stung der applizierten Flüssigkeit.

Die Verdunstungsrate kann noch erhöht werden durch Zugabe von lsopropylalkohol zum Waschwas- ser. Abwechselndes Waschen und Reiben aller Körperpartien kann zu einer so nachhaltigen Temperatur- senkung führen, daß dramatischere Maßnahmen, wie Eiswasserbäder und -einläufe, die zudem noch durch die Gefahr einer reaktiven Hyperthermie belastet sind, über- flüssig werden.

Die beliebten feuchten Waden-, Brust- oder Bauchwickel werden als warme oder kalte Wickel appli- ziert. Kalte Wickel sollen direkt kühlen, und nach Erwärmung des Wickels kommt noch ein Kühleffekt durch Verdunstung zustande. Eine Vasokonstriktion bei der Kälteap- plikation kann den beabsichtigten Effekt verhindern. Warme Wickel verbessern die Hautdurchblutung und wirken durch die entstehende Verdunstungskälte, sofern nicht durch dicke Wickelpackungen eine Verdunstung unmöglich gemacht wird. Selbstverständlich können Wickel nur wirksam angewandt werden, wenn keine Kreislaufzen- tralisation besteht. Eine recht dra- stische aber wirksame Methode ist das Durchnässen der Bettkleidung des Patienten und das Anblasen mit einem Ventilator, was jedoch Fällen vorbehalten bleiben sollte, die anderer Behandlung gegenüber resistent sind.

Als besonders rasch wirksam und effektiver als die jeweiligen Einzel- maßnahmen hat sich eine Kombi- nation physikalischer Maßnahmen mit Antipyretikagabe erwiesen,

*) Der erste Teil der Arbeit ist in Heft 4/1976, Seite 229, veröffentlicht.

Fieber und Antipyrese bei Kindern

II. Teil")

Klaus Hofweber

Aus dem Kinderkrankenhaus St. Hedwig, Freiburg i. Br.

(Chefarzt: Professor Dr. Helmut Helwig)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 3. Februar 1977 299

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also etwa die bewährten Waden- wickel und ein sogenanntes Fie- berzäpfchen.

Medikamentöse Antipyrese

Bei der medikamentösen Antipyre- se werden zur Unterstützung der Wirkung der eigentlichen Antipyre- tika gerne noch Sedativa, narko- tisch wirkende Analgetika und kreislaufwirksame Medikamente eingesetzt. Ein gutes Beispiel hier- für ist der lytische Cocktail der je- doch nur in Kombination mit physi- kalischen Maßnahmen und/oder

Antipyretika seine volle Wirkung entfaltet. Da das Dolantin® zu Atemdepression und das Hyder- gin® zu nachhaltigem Blutdruck- abfall führen kann, ist eine sehr sorgfältige Überwachung des Pa- tienten (Klinik!) erforderlich.

Der lytische Cocktail wird gemischt aus

..,.. 0,6 mg Hydergin®

=

2 Ampul-

len zu je 1 ml, aus

..,.. 100 mg Dolantin®, das sind ebenfalls 2 Ampullen zu je 1 ml (oder 1 Ampulle zu 2 ml) und aus

Tabelle 2: Antipyretische Maßnahmen

0

Unspezifische Maßnahmen:

Kausale Therapie des Grundleidens, zum Beispiel antibiotische Therapie,

Ausgleich von Flüssigkeitsdefiziten,

Unterbrechung einer Kreislaufzentralisation usw.

8

Spezifische Maßnahmen:

a) physikalische Maßnahmen:

"Wickel" (Waden-, Brust-, Bauchwickel),

Einwickeln in feuchte Tücher (und eventuell Anblasen mit einem Ventilator},

Ganz- oder Teilwaschungen mit handwarmem Wasser (eventuell mit Zusatz von lsopropylalkohol},

kühlende Bäder, Eiswasserbäder, Eiswassereinläufe, Kühlmatratzen.

Erleichterung der Wärmeabgabe zum Beispiel durch

[> niedrige (normale!) Zimmertemperatur,

[> leichte Bettdecken,

C> leichte (Bett-)Bekleidung.

Verbesserung der Hautdurchblutung durch wiederholte Abreibun- gen und Bürsten der Haut

b) medikamentöse Therapie:

Anwendung von Antipyretika in verschiedenen Darreichungsformen, Anwendung "unterstützender" Medikamente, zum Beispiel Sedati- va, narkotisch wirksame Substanzen Relaxantien, Mittel zur Verbes- serung der peripheren Durchblutung u. a.

0

Kombination von oben aufgeführten Maßnahmen

..,.. 50 mg Atosil®, das ist eine Am- . pulle

a

2 ml (oder statt Atosil

..,.. auch Megaphen® 25 mg, das ist eine Ampulle zu 2 ml)

Die Dosierung des Cocktails er- folgt nach dem Dolantinanteil, das

heißt etwa

..,.. 1 mg Dolantin/kg Körperge- wicht,

das sind 0,06 ml oder ungefähr ein halber Teilstrich der obigen Mi- schung/kg Körpergewicht.

Antipyretika im engeren Sinne Die Antipyretika im engeren Sinne (Tabelle 3) haben meist noch einen unterschiedlich starken analgeti- schen und antiphlogistischen (an- tirheumatischen) Effekt. Die Wir- kung der Antipyretika ist nach zahlreichen Literaturangaben zen- tral. Vane stellte jedoch 1971 fest, daß Salizylale die Synthese von Prostaglandin E hemmen, welches als Transmitter bei der Fieberent- stehung wirkt. Auf der peripheren Hemmung der Prostaglandinsyn- these beruht der analgetische Ef- fekt von Salizylaten und anderen antipyretisch wirksamen Analgeti- ka. Ob ein ähnlicher Mechanismus auch für die antipyretische Wir- kung gilt, ist nicht gesichert.

Die antipyretische Wirksamkeit ein- zelner Substanzgruppen nimmt nach Euler (1961) in folgender Rei- he ab (gewichtsbezogene Drogen- menge bei pyrogeninduziertem Fie- ber bei Versuchstieren): Amidopy- rin, Azetanilid (heute nicht mehr in Gebrauch), Acetyl-Salizyl-Säure, Phenacetin. Alle genannten Antipy- retika wirken nur bei erhöhter Kör- pertemperatur, bei Normaltempera- tur sind sie nicht in der Lage, eine weitere, nachweisbare Senkung der Temperatur herbeizuführen.

1. Chinin

Eines der ältesten Fiebermittel, zu- nächst aus Chinarinde isoliert, nach dem Zweiten Weltkrieg auch vollsynthetisch hergestellt, ist als

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Tabelle 3: Antipyretisch wirksame Substanzen

Chemische Kurzbezeichnung (Synonyma) und Beispiele für Handels- präparate in ([ ])

Chinin (ältestes Antipyretikum; heute als solches kaum mehr in Ge- brauch). In einigen Grippemitteln enthalten (Chinavit®, Togal- Supp. f. Kdr.®)

Pyrazolonderivate:

Phenazon (Phenyldimethylpyrazolon, Antipyrin)

Amidopyrin (Aminophenazon, Dipyrin, Dimethylaminophenyldime- thylpyrazolon [Pyramidon®])

Novaminsulfon (Noramidopyrinmethansulfonat [Novalgin®]) Phenylbutazon [Butazolidin®] Überwiegend als Antiphlogistika, Oxyphenbutazon [Tanderil®] Antirheumatika und Analgetika Nifenazon [Phylin®] gebraucht

Indolderivat:

Indometacin (vorwiegend antiphlogistisch wirksam [Amuno®]) Anilinderivate:

Anilin

Acetanilid (Antifebrin) nicht mehr verwendet Phenacetin [Dolviran®, Gelonida®] (neben Salizylaten) Paracetamol (Napa, N-Acetyl-p-aminophenol) [Ben-u-ron®]

Salizylsäurederivate:

Acetylsalizylsäure [Asprin®]

Salizylamid

Äthoxybenzamid [u. a. in Ultrapyrin ® ] Gentisinsäure [Rheumasan®]

Antipyretikum kaum mehr im Ge- brauch. Es ist jedoch noch in eini- gen Kombinationspräparaten, be- sonders bei Grippemitteln, zu fin- den (zum Beispiel Chinavita, To- gal-Supp.O für Kinder). Es ist ein Protoplasma- und Fermentgift mit curareähnlicher Wirkung auf die Skelettmuskulatur und hemmender Wirkung auf Reizbildung, Reizlei- tung, Erregbarkeit und Kontraktili- tät des Herzens. Niedrige Dosen regen die Tätigkeit von Darm- und Uterusmuskulatur an, höhere läh- men sie. Toxische Dosen führen zur Erblindung. Bei Kleinkindern wirken nach Rauschke und Burger Dosen zwischen 0,8 und 1,8 g töd- lich. Häufig werden Chininallergie und Thrombozytopenie beobachtet.

2. Pyrazolonderivate

Phenazon (Phenyldimethylpyrazo- Ion, Antipyrin), Aminophenazon (Amidopyrin, Dimapyrin, Dimethyl- aminophenazon, Dimethyl-amino- phenyl-dimethylpyrazolon, zum Bei- spiel Pyramidon®), Novaminsulfon (Noramidopyrinmethansulfonat,

phenyldimethylpyrazolonmethyl- aminomethansulfosaures Natrium (zum Beispiel Novalgin®), Phenyl- butazon (zum Beispiel Butazoli- din®), Oxyphenbutazon (Tande- ril®), Nifenazon (zum Beispiel Phy- lin®). Die letzteren drei werden überwiegend als Antiphlogistika und Antirheumatika eingesetzt. Die Pyrazolonderivate wurden bereits 1884 in die Therapie eingeführt.

Neben ausgeprägter analgetischer und antipyretischer Wirkung haben sie auch noch eine deutlich antiin- flammatorische Wirkung. Substan- zen aus dieser Gruppe werden rasch und vollständig aus dem Ma- gen-Darm-Trakt resorbiert, Plasma- gipfel sind nach 1 bis 2 Stunden er- reicht. Die Metabolisierung erfolgt jedoch nur sehr langsam mit einer Rate von 6 Prozent pro Stunde.

Nach Glukuronierung in der Leber erfolgt die Ausscheidung über den Urin. Etwa 5 Prozent erscheinen hier unverändert. Der Urin kann nach hohen Dosen rot verfärbt er- scheinen.

An Nebenwirkungen werden vor al- lem Agranulozytose, Hypoprotein- ämie sowie Natrium- und Flüssig- keitsretention, die bei Herzkranken zu Lungenödemen führen kann, be- schrieben. In Amerika ist ihre An- wendung wegen der Agranulozyto- segefahr verpönt.

In toxischer Dosierung kann es zu Krampfanfällen, Hirn- und Lungen- ödemen sowie Atemlähmungen kommen. Die tödliche Dosis für Säuglinge wurde bei Einzelfällen mit 0,25 bis 3,0 g angegeben. An Kontraindikationen sind zu nennen:

Granulozytopenie, Porphyrie, An-

fallsleiden, Funktionsstörung von Leber und Niere (Tabellen 4 und 5).

Dosierungsrichtlinien: Aminophen- azon: 5 bis 10 mg/kg Körperge- wicht und Tag. — Novaminsulfon:

20 bis 40 mg/kg Körpergewicht und Tag (Tabelle 6) — Handelspräpara- te, in denen Pyrazolonderivate ent- halten sind, sind zum Beispiel Al- lional ® , Bisolvon-K-Grippe-Supp.®, Cibalen®, Cibalgin®, Ditonal®, Meliobal®, Neopyrin®, Novalgin®, Optalidon®, Pyramidon®.

Anmerkung: Als einziges i. v. appli- zierbares Antipyretikum dieser DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 5 vom 3. Februar 1977 301

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Tabelle 4: Nebenwirkungen von Antipyretika Wirkstoffgruppe Nebenwirkungen (Kurznamen)

Chinin: Fermentgift

Allergie, Sympathikolyse, Muskelrelaxa- tion, Störung der Reizbildung und -lei- tung am Herzen, Thrombopenie

Pyrazolonderivate: Leukopenie, Agranulozytose, Exanthem, (Amidopyrin, Kollaps, Hypoprothrombinämie; Allergie, Novaminsulfon, Natrium- und Wasserretention, Nieren- Phenylbutazon) funktionsstörung; bei hoher Dosierung Krampfgift; Schleimhautschäden; Inter- ferenz mit oralen Antidiabetika und Di- cumarolen; Purpura, Urtikaria

Indolderivat: Schleimhautstörung, Ulzera, Leberschä- Indometacin den, Bronchialasthma, eingeschränkte

Vigilanz, Sehstörung

Anilinderivate: Methämoglobinbildner (kaum bei Parace- (Phenacetin, tamol) besonders bei Frühgeborenen, Paracetamol) Neugeborenen und jungen Säuglingen (Fermentmangel); Nierenschäden nur bei Langzeitapplikation, dann auch Anämie.

Cave Phenacetin bei Anämien (verkürzte Lebensdauer der Erythrozyten!)

Salizylsäurederivate: Schädigung der Magenschleimhaut, All- (Acetylsal izylsäu re, ergien, Gerinnungsstörungen, ZNS-Er- Salizylamid, scheinungen: Ohrensausen, Schwindel, Äthoxybenzamid, Schwerhörigkeit, Kopfschmerz, Benom- Gentisinsäure) menheit, Azidoseatmung, mit sekundärer

Alkalose Gruppe liegt das Pyrazolonderivat Novaminsulfon (Novalging) vor.

3. Anilinderivate

Anilin und Acetanilid (Antifebrin) werden heute wegen ihrer Toxizität nicht mehr verwendet. Das ver- gleichsweise wenig toxische Phen- acetin (zum Beispiel im Dolvi- ran ® ) ist dagegen weit verbreitet, und das Paracetamol (N-acetyl-p- aminophenol, P-acetaminophenol, NAPA, zum Beispiel Benuron®), ein Abbauprodukt des Phenacetin, hat jüngst eine Renaissance erlebt, nachdem es bereits 1893 von Meh- ring in die Therapie eingeführt worden war. Das Paracetamol ist in seinem antipyretischen und

analgetischen Effekt mit den Sali- zylaten vergleichbar. Die Toxizität soll jedoch wesentlich geringer sein, vor allem auch geringer als die des Phenacetins.

Die Resorption der Präparate aus dem Gastrointestinaltrakt erfolgt sehr rasch und nahezu vollständig.

Spitzenkonzentrationen im Serum sind bei Phenacetin nach 1 bis 2 Stunden, bei Paracetamol nach ei- ner halben bis einer Stunde er- reicht. Die Substanzen diffundieren rasch ins Gewebe, jedoch kaum in den Liquor. In der Leber finden sich hohe Konzentrationen. Phen- acetin ist zu 30 Prozent, Paraceta- mol zu 25 Prozent an Proteine ge- bunden. Die Metabolisierung er- folgt in der Leber, wobei der

Hauptmetabolit für Acetanilid und Phenacetin das Paracetamol ist.

Dabei werden etwa 3 Prozent frei im Urin ausgeschieden, der Rest an Glukoronsäure konjugiert. Etwa 0,04 Prozent von Acetanilid wird zu Anilin deacetyliert. Dieses Anilin ist der Vorläufer einer noch nicht identifizierten Substanz, die zur Methämoglobinbildung führt. Die Methämoglobinbildung ist beim Pa- racetamol wesentlich geringer aus- geprägt als beim Phenacetin.

An Nebenwirkung werden bei chronischem Gebrauch für das Phenacetin renale Papillarnekro- sen beschrieben. Allergisierung, Granulozytopenie und Agranulozy- tose sind möglich, letztere soll je- doch im Kindesalter extrem selten sein (Tabelle 4).

Kontraindikationen: Säuglinge bis zu einem viertel und Frühgeborene bis zu einem Lebensjahr (Gefahr der Methämoglobinbildung; dies gilt weniger für Paracetamol), Le-

ber- und Nierenfunktionsstörung, Glukose-6-Phosphat-Dehydrogena- se-Mangel (Symptom: hämolyti- sche Anämie (Tabelle 5).

Dosierungshinweis (Tabelle 6):

Mittlere Tagesdosis für Paraceta- mol 50-70 mg/kg Körpergewicht und Tag, verteilt auf bis zu 4 Ein- zeldosen.

Phenacetin enthalten beispielswei- se Contradole, Contraneuralg, Dol-

viran®, Gelonida ® , Neopyrin®, Neuromag ® , Praecimed ® , Treu- per).

Paracetamol enthalten beispiels- weise: Benuron®, Baby-Guja- comp.®, Febrinfant®, Gentarol®, Ingomidon ® , Lonarid®, Ozo- thing, Pyroplant®, Treupel-N ® , To- gal-Supp.® f. Kinder, Ultrapy- rin ® .

4. Salizylsäurederivate

Die Salizylsäure selbst wird wegen ihrer starken Reizwirkung nur noch äußerlich zur Keratolyse ange- wandt. Als Antipyretika finden Deri- vate Anwendung: Salizylamid (zum

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Tabelle 5: Spezielle Kontraindikationen medikamentöser Antipyrese Wirkstoffgruppe Kontraindikationen

Chinin

Pyrazolonderivate:

(Am inophenazon, Novaminsulfon, Phenylbutazon, Oxyphenbutazon, Nifenazon) Anilinderivate:

(Phenacetin, Paracetamol)

Salizylsäurederivate:

(Acetylsalizylsäure, Salizylamid, Äthoxybenzamid, Gentisinsäure)

Gravidität, Asthma bronchiale, Herzinsuf- fizienz, Myokarditis

Anfallsleiden, Leberfunktionsstörung, Nierenfunktionsstörung,

Granulozytopenie, Porphyrie,

Leukopenie, hämorrhagische Diathese, Ulzera (Magen/Darm); kardiale, renale und hepatische Insuffizienz

Säugling bis zu drei Monaten, Frühgebo- rene bis zu einem Lebensjahr (Methämo- globinbildung, gilt kaum für Paraceta- mol). Glukose-6-Phosphat-Dehydrogena- se-Mangel (Symptom: hämolytische An- ämie!); Leberfunktionsstörung; Nieren- funktionsstörung,

Hämorrhagische Diathese.

Hypoprothrombinämie; Zustand post operationem, Asthma bronchiale, Ma- gen-Darm-Ulzera; in den letzten vier Wo- chen der Gravidität vermeiden!

Gestörte Nierenfunktion

Bei Kombinationspräparaten ergeben sich weitere Kontraindikationen aus den Wirkungen und Nebenwirkungen der zu- sätzlichen Substanzen!

Tabelle 6: Dosierungshinweise

Einzeldosis (mg/kg KG) Tages- oral rektal i. V. dosis (mg/

kg) Pharmakon

Aminophenazon

(z. B. Pyramidon ® ) 3-5 3-5 10

Novaminsulfon

(z. B. Novalgin®) 10-30 10-30 10-30 20-40 Phenacetin

(z. B. Dolviran ®) 2,5 2,5 10

Paracetamol

(z. B. Ben-u-ron®) 25 50-70

Acetylsalizylsäure

(z. B. Aspirin®) 25 25 60-70

(z. B. Aspisol®) 3,5-12,5 10-25

Beispiel in Salizell ), Äthoxybenz- amid (zum Beispiel in Ultrapy- rin®), Gentisin-Säure, ein im inter- mediären Stoffwechsel entstehen- des Abbauprodukt der Salizylsäure (in Rheumasan®), und vor allem Acetylsalizylsäure, ein Salizylat der Essigsäure (Aspirine). Salizylate verteilen sich nach der Resorption aus dem Darm rasch in allen Kör- perzellen und Flüssigkeiten, über- winden ebenso rasch die Blut-Li- quor- und die Plazenta-Schranke und erscheinen nach kurzer Zeit auch in Milch und Speichel. Da die Salizylsäure-Ester rasch hydroly- siert werden, bleibt der Plasma- spiegel stets relativ niedrig. 50-80 Prozent der Plasmasalizylate sind an Albumin gebunden. Die maxi- male Konzentration in den Körper- zellen, vor allem von Niere, Leber, Herz und Lunge, wird nach zwei Stunden erreicht. Nach maximal vier Stunden ist eine Wirkung von Salizylaten nicht mehr nachweis- bar. Hypalbuminämie, wie zum Bei- spiel bei rheumatoider Arthritis, bedingt höhere Plasmaspiegel.

Salizylate werden zu einem gerin- gen Teil zu Di- und Trihydroben- zoesäure und Gentisinsäure oxy- diert, ein größerer Teil wird gluku- roniert und danach hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden.

Die Ausscheidung bei alkalisiertem Urin, zum Beispiel in Gegenwart von Natrium-Bikarbonat erfolgt stark beschleunigt. Salizylate wei- sen neben guter antipyretischer auch eine gute analgetische und antiinflammatorische Wirkung auf.

Acetylsalizylsäure beeinflußt die Hämostase nachhaltig im Sinne ei- ner Blutungsbereitschaft, wobei niedrige Dosen auf das thrombozy- täre System und höhere Dosen auch auf das plasmatische System (Hypoprothrombinämie) einwirken.

Die Störung der Thrombozyten- funktion ist dabei irreversibel und hält mehrere Tage an, bis eine neue Thrombozytengeneration die Funktion der gestörten übernimmt.

Eine Hypoprothrombinämie dage- gen ist durch Vitamin-K-Behand- lung reversibel. Auch Allergien sind nach Salizylat- Anwendung be- schrieben (Tabelle 4).

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 5 vom 3. Februar 1977 303

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Kontraindikationen ergeben sich aus den geschilderten Wirkungen und Nebenwirkungen: bei Früh- und Neugeborenen besteht bei Le- berunreife Kumulationsgefahr durch gestörte Glukuronierung, so- wie Ketoazidose-Gefahr wegen ho- her Labilität des Säure-Basen- Haushaltes in dieser Altersgruppe.

Die besonders durch Acetylsalizyl- säure hervorgerufenen Gerin- nungsstörungen verbieten eine An- wendung dieser Substanz bei Lä- sionen des Magen-Darm-Traktes, bei bereits bekannter Hypopro- thrombinämie, bei hämorrhagi- scher Diathese anderer Ursache (zum Beispiel von Wille- brand-Jürgens-Syndrom) und vor allem in der postoperativen Phase, wo der Einsatz von Acetylsalizyl- säurepräparaten als Analgetikum zu lebensbedrohlichen Nachblutun- gen führen kann. Weiter sollten Sa- lizylate vermieden werden bei Asthma bronchiale, Herzfehlern und in den letzten vier Wochen der Schwangerschaft (Tabelle 5).

Die mittlere Tagesdosis für Acetyl- salizylsäure beträgt 60-70 mg/kg Körpergewicht, verteilt auf bis zu 5 Einzeldosen. Handelspräparate, die Salizylat eenthalten, sind zum Bei- spiel Aspirin®, Contraneural®, Dolviran®, Gelonida®, Pasolind®, Spalt-Tabl.®, Treupel®, Treupel- N ® , Togal-Supp. ® f. Kinder, Ultra- pyrin® und viele andere. Als i. v.

und i. m. anwendbares Präparat steht Aspisol® zur Verfügung (10- 25 mg/kg und Tag, verteilt auf 2- 3 Dosen).

Wahl des Antipyretikums (Tabellen 4 bis 6)

Im amerikanischen Schrifttum wird den Salizylsäurederivaten eindeu- tig der Vorzug vor anderen Präpa- rategruppen gegeben. Pyrazolon- derivate wie Amidopyrin gelten als obsolet (siehe oben). In Mitteleuro- pa sind sie dagegen ebenso wie Anilinderivate weit verbreitet. Spe- zielle Kontraindikationen schrän- ken die Auswahl ein und sind ent- sprechend zu beachten (Tabellen 4

und 5). In Schocksituationen sind Antipyretika wegen der Kumula- tionsgefahr bei verminderter Nie- renleistung nicht nur gefährlich, sondern meist auch wirkungslos, solange eine bestehende Kreislauf- zentralisation eine Wärmeabgabe über die Haut verhindert. Reinsub- stanzen sind im allgemeinen Kom- binationspräparaten vorzuziehen.

Wesentliche Unterschiede in Wirk- samkeit und Wirkdauer zwischen oraler und rektaler Applikations- form ergeben sich nicht. Hier sind aber große Schwankungen, abhän- gig von den individuellen Resorp- tionsverhältnisse möglich. Nicht empfehlenswert ist es, Suppositori- en zu teilen (zum Beispiel die Hälf- te eines Erwachsenen-Supposito- riums für ein Kind), da die Vertei- lung des Wirkstoffes innerhalb des Suppositoriums nicht gleichmäßig ist. Falls orale oder rektale Applika- tion nicht möglich ist oder bei ei- nem sehr raschen, hohen Fieberan- stieg mit Kreislaufzentralisation ein rascher antipyretischer Effekt ge- wünscht wird, steht als intravenös applizierbares Antipyretikum das Pyrazolonderivat Novaminsulfon (Novalgin®) oder das Acetyl-Sali- zyl-Säure-Präparat Aspisol® zur Verfügung, beziehungsweise der lytische Cocktail mit den oben an- gegebenen Einschränkungen. Der Verfasser bevorzugt, falls keine speziellen Kontraindikationen be- stehen, Acetylsalizylsäure und Pa- racetamol.

Literatur

(1) Albers, C.: Zur Pathophysiologie des Fiebers, Med. Welt 27 (1976) Heft 17 — (2) Goodman, L. S., Gilman, A.: The phar- macological basis of therapeutics, Third edition, The Macmillan Company, New York, 1965 — (3) Graser, F.: Fieber, in Pharmakotherapie im Kindesalter, Hans Marseille Verlag, München, 1975 — (4) Helwig, H.: Analgetica, in Handbuch der Kinderheilkunde, 2. Band, 2. Teil, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1966

— (5) Shirkey, H. C.: Pediatric therapy, Fourth Ed., The C. V. Mosby Company, Saint Louis, 1972 — Weitere Literatur beim Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Klaus Hofweber

Kinderkrankenhaus St. Hedwig Stadtstraße 3

7800 Freiburg i. Br.

Alkohol-

Embryopathie

Kardinalsymptome der Alkohol-Em- bryopathie sind intrauteriner und postnataler Minderwuchs, Mikroze- phalie, statomotorische und geistige Retardierung und eine charakteristi- sche kraniofaziale Dysmorphie. Bei fast allen gesicherten Fällen — davon 49 in der Universitäts-Kinderklinik Tübingen — wurde die Diagnose vor Kenntnis des mütterlichen Alkohol- abusus' gestellt. Die näherungswei- se ermittelten Mengen an Alkohol, die die Mütter während der Schwan- gerschaft getrunken hatten, besa-, ßen keinen deutlichen Einfluß auf Geburtsgewicht, Schwangerschafts- dauer und Schweregrad des Syn- droms. Gesichert erscheint, daß Äthanol die teratogen wirksame Noxe ist. In pathogenetischer Hin- sicht ist möglicherweise eine man- gelnde Metabolisierungsfähigkeit des Äthanols von Bedeutung. he

Majewski, F., Bierich, J. R., Löser, H., Michae- lis, R., Leiber, B., Bettecken, F.: Münch. med.

Wschr. 118 (1976) 1635-1642

Zungenkarzinom

Für die Entstehung von Zungenkar- zinom sind als ätiologische Faktoren Alkohol-, Nikotinabusus und ande- re chronische Irritationen der Zun- genschleimhaut in Betracht zu zie- hen. 139 Patienten mit Zungenkarzi- nom waren im Krankengut der Uni- versitätsklinik für Kieferchirurgie in Wien von 1960 bis 1970 enthalten, der Anteil der Männer betrug 112.

98 Patienten wurden operiert und zum Teil auch radiologisch behan- delt. Von den Operierten mit histolo- gisch verifiziertem Lymphknotenbe- fall bei der Erstoperation erreichten nur 5,3 Prozent die Fünf-Jahres- Überlebensgrenze. Jedoch lebten bei intraoperativ tumorfreien Lymphknoten nach fünf Jahren noch 38 Prozent. 45,1 Prozent der 51 ausschließlich operativ behandelten Patienten erreichten die Fünf-Jah- res-Grenze. he

Hollmann, K., Jesch, W., Watzek, G.: Münch.

med. Wschr. 118 (1976) 1679-1682

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