• Keine Ergebnisse gefunden

Diabetes und Haut

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Diabetes und Haut"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

3 9 6 A R S M E D I C I 82 0 0 4

Ü B E R S I C H T A P E R Ç U

JO S E F SM O L L E

Die Haut verrät schon sehr früh etwas über eine

drohende diabetische Stoff- wechsellage. Ohne aufwän- dige Laboruntersuchungen kann der aufmerksame Arzt im Alltag Zeichen finden und richtig deuten, damit es erst gar nicht zum diabeti- schen Fuss oder zu anderen Spätkomplikationen kommt.

Solche Zeichen sind zum Bei- spiel bestimmte Atrophien, Rubeosis faciei, Fibrome, Xanthome oder Xanthelasmen.

Diabetes und Haut – wer denkt da nicht sofort an den diabetischen Fuss? Sensori- sche und motorische Neuropathie, Mikro- und Makroangiopathie treten zusammen, mangelnde Vorsorge und Selbstbeobach- tung, und schliesslich ist er da: ein tief rei- chender Substanzdefekt inmitten eines plantaren Clavus, ein neuropathisches Ul- kus, das Vollbild eines diabetischen Fus-

ses. Mit der Sonde stösst man oft an den Knochen eines Os metatarsale, womit bei- nahe schon klinisch der Beweis einer Osteomyelitis erbracht ist. Wochenlange antibiotische Therapie, fallweise Teilam- putationen, orthopädische Versorgung nach dynamischer Pedografie als tertiäre Prävention – eigentlich alles schon reich- lich spät. Am Ende eines langen pathoge- netischen Prozesses, der längst erkannt und gestoppt hätte werden sollen.

Dabei verrät die Haut schon viel früher etwas über eine drohende diabetische Stoffwechsellage. Ohne aufwändige La- boruntersuchungen, gerade unter den Bedingungen der Allgemeinpraxis, kann eine aufmerksame Hausärztin – ein auf- merksamer Hausarzt – im Alltag diese Zei- chen finden und richtig deuten. Damit es erst gar nicht zum diabetischen Fuss (Ab- bildung 1) oder zu anderen Spätkomplika- tionen an inneren Organen kommt.

Nicht jeder Fleck an der Schienbeinkante kommt vom

«Anschlagen»

Diskret hyperpigmentierte, bis zu 1 cm grosse Atrophien an der Vorderseite des Unterschenkels – wer würde nicht als Ers- tes an kleine Narben nach ach so häufigen kleinen Traumata denken? Doch viele Pa- tienten wissen nichts von solchen Mini- malverletzungen. Und haben Recht damit.

Spontane kleine, atrophische, diskret hy- perpigmentierte Flecke an der Schienbein- kante (Abbildung 2) treten signifikant häufiger bei Diabetikern auf, sodass dies sogar zur entsprechenden Bezeichnung geführt hat: Spricht man im Angelsächsi- schen noch deskriptiv von «shin spots», hat sich bei uns der Begriff «diabetische Dermopathie» durchgesetzt. Nicht zufäl- lig besteht eine Koinzidenz mit einer Mi- kroangiopathie am Auge und an inneren

Diabetes und Haut

Der Fuss ist lange nicht alles

Abbildung 1: Diabetischer Fuss, ungewöhnliches Dehnungsulkus durch das Caput tali nach Zusammenbruch der Fussmechanik

(2)

Organen: Die histologische Untersuchung dieser unscheinbaren prätibialen Pigment- flecke zeigt deutlich die einschlägigen Diabetes-assoziierten Veränderungen an den kleinen kutanen Gefässen.

Besser bekannt, wenn auch viel seltener, ist die Necrobiosis lipoidica (diabeti- corum): Sie ist viel ausgeprägter als die zu- vor erwähnten «shin spots». Histologisch sind deutliche Granulome nachweisbar, die zu hartnäckigen Ulzerationen führen können.

«A g’sunde Farb»

So könnte man in Süddeutschland, Öster- reich und der Schweiz eine ganz beson- dere kutane Manifestation des Diabetes mellitus fehldeuten. Führt diese Stoff- wechselstörung doch bei manchen Pati- enten zu einer auffallenden und konstan- ten Rötung des Gesichts, die sich vor allem an der Stirne betont zeigt und – im Gegensatz etwa zu einer Rosazea – keine Teleangiektasien aufweist (Abbildung 3).

Auch dieser Prima-vista-Aspekt eines Pati- enten, der Ihre Praxis vielleicht aus einem ganz anderen Grund aufsucht, sollte An- lass zu einer Blutzucker- und HbA1c-Be- stimmung sein.

Steife Finger – und doch keine Arthrosen

Ursachen für eine nachlassende Beweglichkeit und Geschicklich- keit der Finger im Alter gibt es viele: chronische Polyarthritis, noch häufiger chronische Polyarthrosen mit Heberden-Knoten, aber auch neurologische Prozesse wie Mor- bus Parkinson oder essenzieller Tremor. Weniger bekannt ist die eingeschränkte Fingerflexibilität bei lange bestehendem Diabetes mellitus: Eine diffuse Verdickung der Haut an Fingern und Hand- rücken führt dazu, dass Hand- flächen und Finger nicht mehr flach auf eine Tischplatte gelegt und nicht mehr «zum Gebet»

flach aneinander gelegt werden können (Abbildung 4). Wenn die Hautverdickung zuerst auch an eine Akrosklerodermie denken lässt – die diffuse Verdickung der Finger bei dieser so genannten

«diabetischen dicken Haut» steht im schroffen Gegensatz zu den zwar ebenfalls sklerosierten, aber schlanken, nach distal sich verjün- genden «Madonnenfingern» bei Sklerodermie.

Als besondere Manifestation kann es zu einer extremen Hautver- dickung mit lividroter Verfärbung am Rücken und an den Schultern kommen – seltenes Bild eines Scler- oedema diabeticorum bei lange bestehendem Typ-1-Diabetes.

Fibrome lassen sich mit einem Scherenschlag ent- fernen, ihre Ursache nicht

Manche Menschen leben zufrie- den mit Hunderten davon, man- che fühlen sich schon durch einige wenige, gerade eben tast- bare Läsionen inkommodiert. Ge- meint sind die gestielten, wei- chen Fibrome, die vor allem bei übergewichtigen Personen in den Axillen und am Hals auftreten. So

Diabetes und Haut

A R S M E D I C I 82 0 0 4 3 9 7

Ü B E R S I C H T A P E R Ç U

Abbildung 5: Pseudoacanthosis nigricans (Pigmentierung und gestielte weiche Fibrome an der Halsseite)

Abbildung 6: Eruptive Xanthome – ein Hinweis auf eine akute Entgleisung der metabolischen Situation

Abbildung 3: Rubeosis faciei bei Diabetes mellitus

Abbildung 4: Diabetische dicke Haut: Handflächen und Finger können nicht flach auf die Tischplatte gelegt werden.

Abbildung 2: Diabetische Dermopathie (prätibiale Pigmentflecke, «shin spots»)

(3)

3 9 8 A R S M E D I C I 82 0 0 4

Ü B E R S I C H T A P E R Ç U

harmlos diese Hautanhängsel an sich sind, so leicht sie sich mit einem einfachen Scherenschlag ohne Lokalanästhesie (bitte eine scharfe Schere verwenden!) entfer- nen lassen – so unangenehm kann die Botschaft sein, die sie vermitteln. Treten sie besonders zahlreich auf und entstehen sie auf einem pigmentierten Grund (Ab- bildung 5), so können sie ein erstes Zei- chen eines sich anbahnenden metabo- lischen Syndroms sein.

Mag auch die Erklärung, dass die Haut- fibroblasten auf Insulin-like Growth Factor ansprechen und deshalb bei Hyperinsu- linismus zu wuchern beginnen, die mo- lekularbiologische Realität nicht ganz

widerspiegeln – als Modellvorstellung ist sie allemal gut. Auf jeden Fall sollen multiple gestielte weiche Fibrome Anlass zu entsprechenden Laborunter- suchungen und – noch wichtiger – einer eingehenden Lebensstilberatung sein.

Xanthome – ein Warnsignal auch bei normalen Blutfetten

Gelb-rötliche, kalottenförmige Papeln bis zu 0,5 cm im Durchmesser, vorzugs- weise am Gesäss, am Bauch und an den Oberschenkeln, aufgetreten oft in- nerhalb weniger Tage, können ein Warn- signal für eine Stoffwechselentgleisung beim Diabetiker sein. Meistens bestehen deutlich erhöhte Blutzuckerwerte, insbe- sondere aber auch erhöhte Serumfett- spiegel mit Betonung der Triglyzeride. Sol- che «eruptiven Xanthome» (Abbildung 6) sollten bei gut geführten Diabetikern eigentlich nicht vorkommen, ebenso wenig wie tuberöse Xanthome, die sich speziell über den Ellenbogenstreckseiten finden und meist Ausdruck einer massiven Hypercholesterinämie sind.

Häufig dagegen findet man Xanthelas- men an den Oberlidern (Abbildung 7). In ungefähr der Hälfte der Fälle sind diese

Xanthelasmen mit erhöhten Blutfetten, eventuell auch speziell mit erhöhtem LDL- Cholesterin assoziiert. Bei den übrigen Patienten findet man dagegen keine Fettstoffwechselstörung. Nichtsdestotrotz wurde aber gezeigt, dass Xanthelasmen generell – das heisst unabhängig davon, ob eine Fettstoffwechselstörung vorliegt oder nicht – ein signifikanter kardiovas- kulärer Risikofaktor sind. Daher sollte der im wahrsten Sinne «augenfällige» Befund Anlass nicht nur zu einer metabolischen Abklärung, sondern auch zu einer aus- führlichen Beratung hinsichtlich anderer Risikofaktoren und deren Minimierung

sein. ●

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. Dr. med. Josef Smolle Universitätsklinik für Dermatologie A-8036 Graz

Diese Arbeit erschien zuerst in

«Der Allgemeinarzt» 8/2003.

Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

Interessenkonflikte: keine Abbildung 7: Xanthelasmen – ein kardiovas-

kulärer Risikofaktor auch ohne nachweisbare Lipidstoffwechselstörung

Diabetes und Haut

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nur wenige Studien schlossen Kinder unter 12 Jah- ren oder Erwachsene über 65 Jahre ein, was vermutlich darauf zurück zuführen ist, dass Diabetes Typ 1 hier weniger prävalent

Saxagliptin (Onglyza ® ) ist bei Typ-2-Diabetes zugelassen als Monotherapie, wenn durch Diät und körperliche Aktivität keine ausreichende Kontrolle der Glykämie erreicht wird, sowie

Eine Empfehlung für Patienten lautet, den Diabetes am Arbeitsplatz nicht zu verschweigen und Kollegen über die Erkrankung zu informieren, sodass diese bei einer Hypo -

Bei dem Diabetes mellitus handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, die vor allem entweder aufgrund einer T-Zell- vermittelten autoimmunen Zerstörung speziell der

In reducing microalbuminuria or clinical proteinuria, certain angiotensin converting enzyme (ACE) inhibi- tors have been more effective than other antihyperten- sive

Einer prospektiven Kohortenstudie zufolge habe sich das Risiko für eine Demenz über ei- nen Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren bei älteren Patienten mit Typ-2-Diabetes

Werden bei den leitliniengerechten Untersuchungen, die einmal jährlich bei hohem Risiko (= schlechte Stoffwech- sellage, bekannte diabetische Retino- pathie) und alle zwei Jahre

In der Behandlung der Diabetiker ist es wichtig, dass Zielwerte definiert und im Praxisalltag umgesetzt wer- den, da eine optimale oder zumin- dest gute Einstellung des Diabetes