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Archiv "Das nephrotische Syndrom beim Kind" (26.11.1981)

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Das nephrotische Syndrom beim Kind

Karl Schärer

Aus der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg

(Geschäftsführender ärztlicher Direktor: Professor Dr. Horst Bickel)

Das idiopathische nephroti- sche Syndrom zählt zu den häufigsten chronischen Nie- renerkrankungen beim Kind.

Der Beitrag gibt einen Über- blick über Diagnostik und Therapie bei steroidsensiblen und steroidresistenten Patien- ten. Dreiviertel aller Kinder mit nephrotischem Syndrom zei- gen pathoanatomisch nur mi- nimale Glomerulusverände- rungen. Viele dieser Patienten leiden oft jahrelang unter Re- zidiven. Sie sprechen gut an auf eine standardisierte Pred- nison-Behandlung. Kinder mit häufigen Rezidiven sind von — zum Teil schweren — Steroid- nebenwirkungen bedroht. Sie profitieren gewöhnlich von ei- ner kurzfristigen Zytostatika- therapie, die jedoch nur in Ausnahmefällen indiziert er- scheint. Eine kleinere Gruppe von nephrotischen Kindern zeigt schwerere Glomerulus- läsionen, ist meistens resi- stent gegenüber Steroiden und Zytostatika und entwik- kelt häufig eine Niereninsuffi- zienz. Bei allen Patienten spielt die unterstützende The- rapie mit Antibiotika, Diuretika und diätetischen Maßnahmen eine entscheidende Rolle.

Einleitung und Definitionen Unter einem nephrotischen Syn- drom (NS) versteht man bei Kindern eine massive Proteinurie, die 40 mg/

m 2 Körperoberfläche/Stunde (ent- sprechend ca. 1 g/m 2/Tag) über- steigt, bei gleichzeitiger Erniedri- gung des Serumalbuminspiegels unter 2,5 g/dl. (2, 7)"). Ödeme sind hierbei nicht obligat, doch sind sie beim Kind, besonders im Gesicht, meist ausgeprägt und gelegentlich von Aszites begleitet.

Im Gegensatz zum Erwachsenen machen beim Kind die symptomati- schen Formen des NS im Rahmen einer Grundkrankheit nur einen ge- ringen Anteil aus (etwa 10 Prozent).

Man findet sie zum Beispiel bei ana- phylaktoider Purpura, Kollagenosen und selten bei der akuten postinfek- tiösen Glomerulonephritis. Die idio- pathischen Formen des NS, mit de- nen sich dieser Beitrag in erster Li- nie befaßt, überwiegen bei Kindern.

Ihre Pathogenese ist noch wenig er- forscht; immunologische Mechanis- men scheinen nur zum Teil eine Rol- le zu spielen. Das kongenitale NS hat eine klinische und pathoanato- mische Sonderstellung mit meist schlechten Lebensaussichten. In 6 Prozent aller pädiatrischen Patien- ten kommen Geschwistererkrankun- gen vor. Eine frühzeitige Differenzie- rung der verschiedenen Formen des

NS ist notwendig, da deren Progno- se und Therapie sehr unterschied- lich sind.

Unter den nephrologisch tätigen Kinderärzten sind seit einigen Jah- ren standardisierte Definitionen ge- bräuchlich, wie sie vom Internation- al Study of Kidney Disease in Chil- dren (ISKDC) (2, 4) und von der Ar- beitsgemeinschaft für pädiatrische Nephrologie (APN) (1) verwendet werden (Tabelle 1). Da das NS beim Kind häufig schubweise verläuft, ist eine scharfe Abgrenzung der Begrif- fe Rezidiv und Remission besonders wichtig. Dabei ist zu beachten, daß ein Rezidiv schon dann vorliegt, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine relativ geringe Protein- urie beobachtet wird, während für die Diagnose eines frischen NS eine massive Eiweißausscheidung gefor- dert wird.

Einteilung des idiopathischen nephrotischen Syndroms nach Ansprechen auf Kortikosteroide und nach Nierenhistologie Nach einer standardisierten Initial- therapie mit Prednison, wie sie ge- genwärtig in der APN praktiziert wird (Darstellung 1), können je nach Ansprechen der Proteinurie primär steroidsensible Kinder von stero-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern be- ziehen sich auf das Literaturverzeichnis.

(2)

4 Wochen 8 0

1. Schub

Albustix

Nephrotisches Syndrom: Standardtherapie Prednison 40

60 mg/m 2 /d

> 40 mg/m 2/h

Rezidiv

40

1

> 4 mg/m 2/h

3d 4 Wochen

Nierenerkrankung beim Kind

Darstellung 1: Standard-Initial- und Standard-Rezidiv-Therapie des idiopathischen nephrotischen Syndroms mit Prednison

idresistenten abgegrenzt werden. 78 Prozent aller vorher unbehandelten Kinder mit einem frischen NS sind am Ende einer achtwöchigen Pred- nisonbehandlung als steroidsensi- bel zu bezeichnen (Tabelle 2). Gutes Ansprechen auf Kortikosteroide fin- det sich bevorzugt bei Kleinkindern;

bei steroidresistenten Kindern ist die Altersverteilung gleichmäßiger (Dar- stellung 2).

Eine zweite Klassifikation des NS be- zieht sich auf die Nierenhistologie.

Tabelle 3 gibt einen Überblick über die morphologischen Veränderun- gen, die bei zwei unterschiedlichen Serien von Kindern mit idiopathi- schem NS in der Nierenbiopsie ge- funden wurden. Demnach sind zwei große Gruppen zu unterscheiden:

Patienten mit minimalen und solche mit schwereren Veränderungen der Glomeruli. In einer unausgelesenen Gruppe von Kindern mit frischem,

unbehandeltem NS hatten rund Dreiviertel nur minimale Glomeru- lusveränderungen, in einem stärker selektierten Kollektiv jedoch nur et- wa die Hälfte (Tabelle 3).

Steroidsensibles nephrotisches Syndrom mit minimalen

Glomerulusveränderungen („Minimal changes")

Kinder mit dieser häufigsten Form des NS entsprechen dem Bild, das früher als „Lipoidnephrose" be- zeichnet wurde, gewöhnlich charak- terisiert durch hochgradige Ödeme und durch ein „reines NS", das heißt ohne zusätzliche renale Symptome (6). Eine Mikrohämaturie findet sich zwar relativ häufig (etwa 30 Pro- zent); eine Hypertonie oder (transi- torische) Niereninsuffizienz ist je- doch nur in etwa 5 bis 10 Prozent vorhanden.

Das steroidsensible NS mit minima- len Glomerulusveränderungen hat gewöhnlich eine gute Prognose: 87 Prozent aller Kinder werden unter einer Standard-Initialtherapie mit Prednison innerhalb 4 Wochen und weitere 6 Prozent in den folgenden 4 Wochen proteinuriefrei (Tabelle 2).

Nur rund ein Drittel dieser Kinder bleibt jedoch in den folgenden 6 Mo- naten in Remission (Darstellung 3).

Die übrigen zeigen Rezidive, die in einem weiteren Drittel gehäuft auf- treten. Kinder mit häufigen Rezidi- ven zu Krankheitsbeginn neigen auch in der Folge — oft über viele Jahre hinweg — zu weiteren Rezidi- ven, die gewöhnlich unverändert gut auf die Kortikosteroide ansprechen.

Bei protrahiertem Verlauf erfordern sie jedoch zur Beherrschung neuer Krankheitsschübe oft sehr hohe Ste- 2272 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

50- 40- 30- 20- 10

-

Nephrotisches Syndrom Anzahl

Patienten N:

Steroidsensibel Steroid resistent Keine Steroide

223 106 31

I ...!-

.•

5 10

1

15

Alter bei Beginn (Jahre)

I I 1

Darstellung 2: Altersverteilung von 360 Kindern mit idiopathischem nephrotischen Syndrom der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg (1950-1980). Die steroidsensiblen Patienten zeigen einen deutlichen Altersgipfel zwischen zwei und drei Jahren Kinder mit häufigen Rezidiven bezie-

hungsweise steroidabhängigem NS stellen deshalb eine wichtige Risiko- gruppe dar.

Steroidresistentes nephrotisches Syndrom mit

schwereren Glomerulusläsionen Bei der Mehrzahl der Kinder mit schwereren Glomerulusveränderun- gen besteht die Proteinurie nach ei- ner achtwöchigen Therapie mit Ste- roiden weiter (5) (Tabelle 2).

Einzelne Patienten reagieren mit ei- ner gewissen Abnahme der Pro- teinurie (partielle Steroidresistenz).

Die häufigsten pathoanatomischen Formen bei Steroidresistenz sind die fokal-segmentale Glomerulosklero- se (FSS) und die membranoprolife- rative Glomerulonephritis (MPGN) (Tabelle 3).

Eine zuverlässige Differenzierung der verschiedenen histologischen Formen ist in der Regel weder auf- grund der Steroidsensibilität noch mittels anderer klinischer oder La- bor-Kriterien möglich, selbst nicht unter Anwendung komplizierter sta- tistischer Verfahren, mit Ausnahme der MPGN (4).

Gewisse Merkmale geben jedoch Hinweise, daß eine Steroidresistenz und damit eher eine schwerere Glo- merulusläsion vorliegt (Tabelle 4).

Eine Indikation zur Nierenbiopsie besteht bei allen primär oder sekun- där steroidresistenten Kindern mit NS sowie immer, wenn das klinische Bild eine schwerere Glomeruluslä- sion vermuten läßt oder Kontraindi- kationen gegenüber einer Steroid- behandlung bestehen (zum Beispiel Hypertension, Niereninsuffizienz, In- fektion usw.) (5, 6).

Ferner ist eine Biopsie auch bei ste- roidsensiblen Patienten vor Beginn einer Zytostatikatherapie indiziert.

Kortikosteroide

Glukokortikoide führen bei steroid- sensiblen Patienten meist schon nach wenigen Tagen zur Zunahme der Diurese und zur Ausschwem- mung der Ödeme, gefolgt von einer Abnahme der Proteinurie. Bei wie- derholter Verabreichung besteht je- doch die zunehmende Gefahr von Nebenwirkungen (Tabelle 5).

Seit einigen Jahren wird die Steroid- therapie nephrotischer Kinder von den pädiatrisch-nephrologischen Abteilungen der Bundesrepublik Deutschland in weitgehend standar- disierter Form durchgeführt, die größtenteils den Empfehlungen des ISKDC folgt. Das gegenwärtig von den Mitgliedern der APN praktizierte Schema zur Therapie des ersten Schubes sowie des einfachen Rezi- divs ist in Darstellung 1 abgebildet.

Die Einhaltung eines solchen Thera-

pieplans ist zur besseren Beurtei- lung des Behandlungserfolges, zur Vermeidung medikamentöser Ne- benwirkungen und zur besseren Verständigung zwischen Patient, Hausarzt und Kliniken dringend zu empfehlen. Zunächst wird Predni- son hochdosiert (60 mg/m 2 Körper- oberfläche/Tag, in 3 Tagesdosen) während 4 Wochen verabreicht, un- mittelbar gefolgt von einer alternie- renden Gabe von 40 mg/m 2 jeden 2.

Tag (als Einzeldosis) während weite- rer 4 Wochen. Die Dauer dieser An- fangsbehandlung richtet sich dem- nach nicht nach dem Zeitpunkt des Verschwindens der Proteinurie.

Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Form einer solchen relativ lang- dauernden, fixierten Initialtherapie berechtigt ist, da die meisten Patien- ten mit minimalen Glomerulusverän- derungen schon nach wenigen Ta- gen oder Wochen ihre Proteinurie

(4)

Minimale Glomerulusläsionen

1 1 1

Initial Responders 93%

Non-Relapsers 36%

Infrequent Relapsers

18%

Frequent Relapsers

39%

Late Responders

5 %

Non-Responders 2%

Subsequent Non-Responders

5%

Initial Non-Responders 7%

Nierenerkrankung beim Kind

Darstellung 3: Ansprechen auf eine Standard-Initial-Therapie mit Prednison während acht Wochen (siehe Darstellung 1) bei Kin- dern mit frischem idiopathischem NS und minimalen Glomerulusveränderungen (nach H. L. Barnett und Mitarbeitern (2))

verlieren und bei 5 bis 10 Prozent aller Kinder mit idiopathischem NS sogar eine Spontanremission beob- achtet wird; es wurde ferner darauf hingewiesen, daß durch Suppres- sion der Nebennierenrindenfunktion infolge der Steroidmedikation das Auftreten späterer Rezidive erleich- tert werden könnte.

Aus diesem Grund wird gegenwärtig von der APN eine multizentrische Studie durchgeführt, in welcher die achtwöchige mit einer kürzeren in- itialen Steroidtherapie verglichen wird, die dem individuellen Anspre- chen adaptiert ist. Ein Ziel dieser Studie ist es, wenigstens einem Teil der Patienten das Auftreten von Ste- roidnebenwirkungen zu ersparen.

Für die Behandlung des einfachen Rezidivs des NS bei Kindern hat sich die sogenannte Standard-Rezidivbe- handlung bewährt (Darstellung 1).

Zunächst wird wieder mit Prednison 60 mg/m 2/Tag (in 3 Tagesdosen) be- handelt, jedoch nur solange, bis der Urin während 3 Tagen eiweißfrei ge- worden ist, was meistens innerhalb 1 bis 2 Wochen erzielt wird; an- schließend werden 40 mg/m 2 jeden 2. Tag (als Einzeldosis während 4 Wochen) verabreicht. Es bleibt hier- bei umstritten, ob die Steroide un- mittelbar nach Eintreten des Rezi- divs oder erst nach einer längeren Wartezeit wieder eingesetzt werden sollen. Nach eigener Erfahrung wird durch Hinausschieben der Steroid- therapie um 10 Tage und mehr nach Wiederauftreten der Proteinurie das Ansprechen auf Prednison nicht be- einträchtigt.

Bei vielen Kindern ist mit dem Rezi- div ein Infekt assoziiert. In diesem Fall kann die Behandlung zunächst während etwa einer Woche auf Anti- biotika beschränkt werden, wobei

sich oft die Eiweißausscheidung normalisiert. Bleibt die Proteinurie jedoch bestehen und nehmen die Ödeme beziehungsweise das Kör- pergewicht zu, sollte man nicht zö- gern, die Steroidtherapie sofort wie- der aufzunehmen, da sonst Kompli- kationen drohen (Tabelle 5).

Bei Auftreten häufiger Rezidive oder einer Steroidabhängigkeit kann durch Langzeitprophylaxe mit Pred- nison die Häufigkeit neuer Rückfälle vermindert werden.

Aufgrund einer durch die APN durchgeführten Studie (1) wird emp- fohlen, im Anschluß an eine Stan- dard-Rezidivbehandlung Prednison (40 mg/m 2 jeden 2. Tag) während 6 Monaten zu geben. Leider wird da- durch die Rezidivzahl im allgemei- nen nur während der Behandlungs- periode, jedoch nicht nach Absetzen der Steroide vermindert.

2274 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(5)

Feststellung minimaler Glomerulus- veränderungen in der Nierenbiopsie die Therapie noch einige Wochen lang (alternierend) fortgesetzt wer- den, da in etwa 5 Prozent aller Pa- tienten mit einem verzögerten An- sprechen zu rechnen ist (Darstel- lung 3).

ln Gegenwart schwererer Glomeru- lusläsionen sollte bei Stereidresi- stenz eine weitere Stereidtherapie prinzipiell unterbleiben, da der mög- liche Nutzen sehr fraglich ist; gewis- se Autoren empfehlen, bei partieller Stereidresistenz die Stereidbehand- lung fortzusetzen, eventuell kombi- niert mit Zytostatika, doch ist ein sol- ches Vorgehen problematisch, ins- besondere in Anbetracht der meist zu erwartenden Nebenwirkungen.

Zytostatika

Bei steroidsensiblen Kindern mit häufigen Rezidiven und minima- len Glomerulusveränderungen wird durch Zytostatika sowohl die Zeit- dauer bis zum Eintreten des näch- sten Rezidivs verlängert, wie auch die nachfolgende Rezidivfrequenz gesenkt (2, 3). Zwei Jahre nach Ver- abreichung von Zyklophosphamid (Endoxan® 2-3 Monate lang, 2-3 mg/

kg/Tag) bleiben 50 bis 80 Prozent dieser Patienten in Remission. Ähn- liche Ergebnisse wurden mit Chlor- ambucil (Leukeran®) erzielt.

Bei stereidsensiblen Kindern mit NS sollte die Verabreichung von Zyto- statika jedoch nur bei schweren, voraussichtlich irreversiblen Neben- wirkungen seitens der Kortikostero- ide erwogen werden.

Als "unakzeptable" Stereidneben- wirkungen gelten: ausgeprägte Osteoporosen mit deutlichen Wir- beleinbrüchen und Knochen- schmerzen, eine beginnende Kata- rakt mit Visusverschlechterung, schwere psychische Verhaltensstö- rungen u. a. Eine unkomplizierte Adipositas, ein leichter Blutdruckan- stieg oder eine Wachstumsretardie-

gemessen unter 4 mg/m2/Std. oder Albustix-Probe negativ oder Spur im Morgenurin.

... Rezidiv:

Proteinurie an drei aufeinanderfolgenden Tagen: quantitativ gemes- senüber 4 mg/m2/Std. oder Albustix-Probe 2+ (100 mg%) oder mehr.

...

Primär stereidsensibler Patient (Initial responder):

Patient, der nach Bwöchiger Standardtherapie eines frischen NS ein Response zeigt.

...

Primär stereidresistenter Patient (Initial Non-responder):

Patient, der nach 8wöchiger Standardtherapie eines frischen NS kei- nen Response zeigt.

...

Patient mit seltenen Rezidiven (lnfrequent relapser):

Responder, der innerhalb der ersten 6 Monate nach dem ersten Response weniger als 2 Rezidive bekommen hat.

...

Patient mit häufigen Rezidiven (Frequent relapser):

Responder, der innerhalb der ersten 6 Monate nach dem ersten Response zwei oder mehr Rezidive oder innerhalb irgend einer 12- Monats-Periode 4 oder mehr Rezidive bekommen hat.

..,.. Steroidabhängiger Patient:

Patient mit häufigen Rezidiven, die bereits unter Standard-Rezidivbe- handlung mit Prednison oder innerhalb 2 Wochen danach auftreten.

Diese Bedingung muß bei mindestens 2 aufeinanderfolgenden Rezidi- ven oder 2 von 4 Rezidiven innerhalb einer 6-Monats-Periode erfüllt sein.

Tabelle 1: Definitionen in bezug auf das Ansprechen von Kindern mit nephro- tischem Syndrom auf die Kortikosteroid-Behandlung laut International Study of Kidney Disease in Children und Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Nephrologie

Anzahl Proteinuriefrei

Patienten nach 8 Wochen

Minimale Glomerulus-

Veränderungen 363 93%

Fokal-segmentale

Glomerulasklerose 37 30%

Membraneproliferative

Glomerulanephritis 29 7%

Andere histologische Läsionen 42 40%

Total 471 78%

Tabelle 2: Ansprechen auf eine standardisierte Prednisontherapie (Darstellung 1) während 8 Wochen bei Vorliegen verschiedener histologischer Formen des idiopathi- schen nephrotischen Syndroms im Kindesalter, laut Angaben des International Study of Kidney Disease in Children (5)

(6)

2,5 % 2,3 %

Andere 0,8 1,5%

Diffuse mesangiale Proliferation

ISKDC (1967-1974) (n = 521)

Heidelberg (1969-1980) (n = 198)

Minimale

Glomerulusveränderungen 76,4 % 52,5 %

Fokal-segmentale

Glomerulosklerose 6,9 % 25,3 %

Fokal-globale Glomerulosklerose Epimembranöse Glomerulonephritis Membranoproliferative Glomerulonephritis Intra- und extrakapilläre proliferative

Glomerulonephritis Ch ronisch-sklerosierende Glomerulonephritis

1,7 % 3,5 %

1,5 % 5,1%

7,5 % 4,9 %

2,3 0/0 2,5 %

0,6 `)/. 3,0 %

Kleinkinder bevorzugt

kein Altersgipfel Alter

Steroid- sensibel

Steroid- resistent

Geschlecht (männlich/weiblich) 2:1 1:1

Proteinclearance Plasma — C3

selektiv*) normal

unselektiv oft erniedrigt bei MPGN Hämaturie

(makro- und

mikroskopisch) selten häufig

Hypertonie bei

Krankheitsbeginn selten häufig

Chronische Niereninsuffizienz fast nie häufig

Clearance IgG/Transferrin < 0,2

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Nierenerkrankung beim Kind

Tabelle 3: Histologische Diagnose bei Kindern mit idiopathischem nephrotischem Syndrom: 1) frische, vorher unbehandelte Patienten laut Angaben des International Study of Kidney Disease in Children (ISKDC) (4); 2) meist anbehandelte, stärker selektierte Patienten der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg

Tabelle 4: Unterschiede klinischer und pathoanatomischer Merkmale zwischen Kindern mit steroidsensiblem und steroidresistentem nephrotischem Syndrom

2276 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

rung stellen dagegen noch keine In- dikation zur Zytostatikabehandlung dar.

Akute Nebenwirkungen wie Kno- chenmarksdepression u. a. (Tabelle 5) können durch die genannten Zytostatika bei den heute üblichen Dosen und Vorsichtsmaßnahmen vermieden werden. Potentielle lang- fristig wirksame Nebenwirkungen sind jedoch schwierig abzuschät- zen; hierzu gehört die Möglichkeit einer nur teilweise reversiblen Oligo- spermie. Vereinzelt wurden auch maligne Tumoren beobachtet (6).

Zytostatische Medikamente sollten deshalb beim NS, insbesondere bei guter Prognose des Grundleidens, nur in limitierter Dosierung, nach genauer Aufklärung der Patienten beziehungsweise deren Eltern über mögliche Nebenwirkungen, und nur im Rahmen kontrollierter Therapie- studien gegeben werden. Eine ent- sprechende multizentrische Studie beim häufig rezidivierenden NS ist gegenwärtig innerhalb der APN im Gange. Hierbei wird unmittelbar nach Eintreten einer Remission un- ter Prednison entweder Zyklophos- phamid (2 mg/kg/Tag als Morgendo- sis) oder Chlorambucil (0,15 mg/kg/

Tag, in 2 Einzeldosen) unter Predni- sonschutz während acht Wochen verabreicht.

Unter zytostatischer Behandlung sind regelmäßige Blutbildkontrollen (2- bis 3mal/Woche) durchzuführen;

bei einer Leukozytenzahl unter 3000/

mm3 ist das Medikament vorüberge- hend abzusetzen. Während der Ga- be von Zyklophosphamid muß zur Vorbeugung einer hämorrhagischen Zystitis — besonders nachts — die Flüssigkeitszufuhr erhöht werden.

Bei einer Masern- oder Varizellenin- fektion besteht unter der Immunsup- pression mit Zytostatika (in vermin- dertem Maße auch mit Kortikostero- iden) die Gefahr eines schweren, eventuell tödlichen Krankheitsver- laufes. In solchen Fällen wird das Zytostatikum sofort weggelassen und Hyperimmunglobulin (bei Vari- zelleninfektion Zosterimmunglobu-

lin) gespritzt.

(7)

Infektionen

(bakteriell, viral u. a)

+ CY, CHL

Hypertonie

(+

)

Alopezie + CY

Hämorrhagische Zystitis

Oligospermie Knochenmarks- depression Maligne Tumoren

verlauf behandlung lung mit Cyclophospha- mid =CY bzw.

Chlorambucli CHL

Hypovolämischer Schock

(„nephrotische Krise") Hypokalzämische Tetanie

Zentralnervöse Störungen (Krämpfe, Papillenödem u. a.)

+ CHL

Ulcus ventriculi/

duodeni

Thromboembolien Wachstums- retardierung Osteoporose

Trophische Störungen von Haut, Nägeln, Haaren

Adipositas

+ CY

Zahnschmelzhypo- plasien und -Verfärbungen Katarakt

+ CY

+ CY, CHL + CY, CHL

+ CHL merulusveränderungen als wirksam

erwiesen (2). Ihr Erfolg ist dagegen sehr zweifelhaft bei schwereren Glo- merulusläsionen; günstige Wirkun- gen wurden vereinzelt bei FSS sowie bei der Nephropathie infolge ana- phylaktoider Purpura mitgeteilt.

Umfangreiche multizentrische Lang- zeitstudien werden jedoch notwen- dig sein, um Nutzen und Gefahren der zytostatischen Therapie oder al- ternativer Behandlungsformen (Fi- brinolysehemmer, Plasmapherese u. a.) bei solchen progredienten Ne- phropathien zu beurteilen. Ein Er- folg ist in erster Linie am Verhalten der Proteinurie und der Glomerulus- filtration abzuschätzen.

Allgemeine

unterstützende Therapie

Eine kausale Therapie des NS ist beim Kind nur in wenigen Fällen möglich. Bei allergisch bedingtem NS hat gelegentlich eine parenterale Desensibilisierung Erfolg.

Eine hohe Eiweißzufuhr (3 bis 4 g/kg/

Tag) ist nicht nur bei renalem Pro- teinverlust beziehungsweise Öde- men wichtig, sondern auch bei be- gleitender Mangelernährung. In Ein- zelfällen läßt sich durch orale Zufuhr von Aminosäuren oder Eiweißkon- zentraten die Proteinzufuhr erhö- hen. Die i. v. Infusion von Humanal- bumin-Lösung (20 Prozent, salzarm, bis 5 ml/kg/Tag) sollte auf Fälle mit hypovolämischem Schock und therapieresistenten Ödemen be- schränkt werden.

Die Salzzufuhr ist nur bei deutlichen Ödemen sowie bei Hypertonie zu re- duzieren. Da hierbei oft der Appetit leidet, ist ein großzügiger Einsatz von Diuretika angebracht. Furose- mid (Lasix®) wird heute bevorzugt (1 bis 5 mg/kg/Tag in 2 bis 3 Einzeldo- sen per os, cave Kaliumverluste!); es ist besonders wirksam, wenn es 30 bis 60 min im Anschluß an die Infu- sion von Humanalbumin injiziert

wird (2 bis 5 mg/kg i. v.). Wegen Tabelle 5: Klinische Komplikationen bei nephrotischem Syndrom im Kindesalter

(8)

Nierenerkrankung beim Kind

des häufig assoziierten Hyperaldo- steronismus ist unter Umständen die zusätzliche Gabe von Spironolacton (Aldactone®) sinnvoll. Bei ausge- prägter Oligurie (< 300 ml Urin/m 2/

24 h) muß die Flüssigkeit einge- schränkt werden.

Ödeme sind vor allem dann rigoros zu bekämpfen, wenn schon trophi- sche Hautveränderungen (Striae) vorliegen, welche Infektionen be- günstigen, sowie bei Auftreten von Aszites und Pleuraergüssen.

Antibiotika sollten prinzipiell nur bei klinischen Anzeichen einer Infektion (Tonsillitis, Sinusitis, Pneumonie, Enteritis, Harnwegsinfektion, Perito- nitis), dann aber frühzeitig und kurz- fristig verabreicht werden. Eine Anti- biotikaprophylaxe empfiehlt sich nicht. Entscheidend ist es, eine Erre- gerexposition zu vermeiden.

Die Injektion von Immunglobulinen ist nur zu Zeiten besonderer Infek- tionsgefährdung und bei Nachweis konstant tiefer Immunglobulinspie- gel im Blut angezeigt.

Impfungen mit lebenden, abge- schwächten Erregern dürfen nur im therapiefreien Intervall gegeben werden. Inaktivierte Vakzinen wer- den erst nach mindestens einjäh- riger Remission des NS empfoh- len (6).

Die körperliche Aktivität und der Be- such von Schule und Kindergarten sollten bei Kindern mit NS prinzipiell nicht eingeschränkt werden, außer bei Vorliegen schwerer Ödeme oder Komplikationen.

Bettruhe ist nur in seltenen Fällen notwendig, wie zum Beispiel beim Auftreten einer Thromboembolie.

Prognose

und Komplikationen

Die Prognose der Kinder mit ste- roidsensiblem NS und minima- len Glomerulusveränderungen ist quoad vitam und Nierenfunktion fast immer gut (2, 6). Wenige dieser Patienten werden sekundär stero-

idresistent (Darstellung 3 auf Seite 2274). Kinder mit FSS entwickeln in der Regel eine chronische Nieren- insuffizienz, meistens allerdings erst nach vielen Jahren. Entspre- chendes gilt für die MPGN. Etwa die Hälfte aller Kinder mit FSS oder MPGN sind 10 Jahre nach Erkran- kungsbeginn dialysepflichtig.

In Tabelle 5 ist eine Reihe von Kom- plikationen zusammengefaßt, wel- che — oftmals therapiebedingt — beim NS im Kindesalter auftreten können.

Die Rolle des Hausarztes bei der Betreuung

Das Kind mit NS ist in jedem Fall auf die kontinuierliche Betreuung durch den Hausarzt beziehungsweise den niedergelassenen Kinderarzt ange- wiesen. Durch frühe Diagnosestel- lung und gezielte antibiotische The- rapie können manche Schübe von (steroidsensiblem) NS oder Steroid- therapie kupiert werden. Der prakti- sche Arzt besitzt in folgenden Situa- tionen eine entscheidende Rolle:

Überwachung der häuslichen Kon- trollen durch die Eltern (tägliche Überprüfung des Morgenurins auf Eiweiß mit Teststreifen, z. B. Albu- stix®), laufende Messung von Kör- pergröße und -gewicht, Überwa- chung von Diät- und Medikamenten- einnahme, Kontrolle der Leukozy- tenzahl im Blut unter Zytostatikathe- rapie, Aufklärung der Eltern über Krankheitsverlauf, Vermeidung sinn- loser Einschränkungen in der kör- perlichen Aktivität, psychosoziale Betreuung.

Die Aufgaben des pädiatrisch-ne- phrologischen Zentrums sind in er- ster Linie die Aufstellung eines indi- viduellen Therapiekonzeptes nach Absprache mit Hausarzt, Eltern und Patient sowie die Indikationsstel- lung und Durchführung von Nieren- biopsie 'und Nierenfunktionsprüfun- gen. Klinikeinweisungen zur statio- nären Behandlung sind relativ selten notwendig: bei therapieresistenten Ödemen, bei Infektionen oder ande- ren Komplikationen, zur Nierenbiop- sie und zur Einleitung einer initialen

Steroidtherapie beziehungsweise Zytostati kaku r.

Bei Adoleszenten, deren NS noch nicht ausgeheilt ist, muß eine konti- nuierliche internistische (nephrolo- gische) Betreuung vermittelt wer- den. Dies gilt insbesondere für Pa- tienten mit steroidresistentem NS, bei denen auf das Auftreten einer Hypertonie oder Niereninsuffizienz zu achten ist.

Literatu r

(1) Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Ne- phrologie: Alternate day vs. intermittent pred- nisone in frequently relapsing nephrotic syn- drome, Lancet I (1979) 401-404 — (2) Barnett, M. L.; Schoeneman, M.; Bernstein, J.; Edel- mann, C. M. jr.: Minimal change nephrotic syndrome, in: Pediatric kidney disease (Ed.: C.

M. Edelman), Little Brown & Co, Boston (1978) 695-711 — (3) Brodehl, J.; Brandis, M.: Glome- ruläre Erkrankungen, in: Therapie der Krank- heiten im Kindesalter (Ed.: G. von Harnack), Springer, perlin/Heidelberg/New York (1980) 592-602 — (4) International Study of Kidney Disease in Children: Nephrotic syndrome in children, Prediction of histopathology from clinical and laboratory characteristics at time of diagnosis, Kidney Internat. 13 (1978) 159-165 — (5) International Study of Kidney Disease in Children: The primary nephrotic syndrome in children. Identification of patients with minimal change nephrotic syndrome from initial response to prednisone, J. Pediatr.

98 (1981) 561-564 — (6) Kleinknecht, C.; Gu- bler, M. C.: Nephrosis, in: Nephrology (Ed.: J.

Hamburger, J. Crosnier, J. P. Grünfeld), Wiley- Flammarion, New York/Paris (1978) 433 — (7) Schärer, K.: Diagnostik der Proteinurie und des nephrotischen Syndroms im Kindesalter, Monatsschr. Kinderheilk. 126 (1978) 57-61

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Karl Schärer Sektion für pädiatrische Nephrologie

Universitäts-Kinderklinik Im Neuenheimer Feld 150 6900 Heidelberg

2278 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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