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Archiv "Lebensrecht: Ernste Fragen" (20.09.1996)

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A-2354 (6) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 38, 20. September 1996

Rauchen

Zu den Entschließungen des 99. Deut- schen Ärztetages in Köln, veröffent- licht in Heft 25/1996:

Gesundheitspfennig für Beratungsstellen

In den Entscheidungen des Ärztetages 1996 wird die Erhebung eines Gesundheits- pfennigs auf Tabakwaren empfohlen. Dem ist voll zuzu- stimmen. Abzulehnen ist da- gegen, daß dieses Geld den Krankenkassen zur Kranken- behandlung zur Verfügung gestellt werden soll. Das wür- de bedeuten, daß die Raucher von diesem Geld nichts ha- ben.

In Deutschland ist die Therapie für Alkohol-, Dro- gen-, Medikamenten- und sonstige Abhängigkeiten sehr gut flächendeckend in ambulanten und stationären Einrichtungen organisiert.

Für die Raucher, die sich we- gen der Gesundheitsschäd-

lichkeit das Rauchen abge- wöhnen wollen, stehen weder institutionelle Hilfen noch ausgebildete Nikotinthera- peuten zur Verfügung. Wenn die Raucher schon etwas zah- len sollen, dann erstrangig für den Aufbau von Beratungs- stellen und die Ausbildung von Therapeuten und weiter- hin für die Aufklärung allge- mein und besonders für die Herstellung von fachlichen schriftlichen Informationen über das Rauchen.

Es wäre den Rauchern ge- genüber unverantwortlich, solange ihnen keine Hilfen angeboten werden, das Geld in einem großen Topf – nicht zweckgebunden – untergehen zu lassen. Da die Kranken- kassen ihre Partikularinteres- sen verfolgen, sind sie nicht geeignet, Hilfsinstitutionen für die Raucher allgemein aufzubauen . . .

Prof. Dr. med. K.-D. Stump- fe, Forschungsstelle Rau- chen und Nikotinabhängig- keit, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf

S P E K T R U M LESERBRIEFE

Rehabilitation

Zur Rede Horst Seehofers auf dem 99.

Deutschen Ärztetag in Köln:

Der Bauchtanz schafft’s

Man sollte nichts verteu- feln, was man nicht kennt.

Wer hat schon einmal ver- sucht, träge Schwergewichti- ge in Bewegung zu bringen?

Der Bauchtanz schafft’s! Und damit gelingen Abbau des Minderwertigkeitsgefühls, Gruppengespräch über Er- nährung und Lebensstil und schließlich Therapie und Prävention des metaboli- schen Syndroms. Bei Jugend- lichen wirkt das durch Bad- minton. Wie sonst wollen Sie den konsumverwöhnten Bür- ger hinterm Ofen her- vorlocken? Solche Art diäte- tischer Strategie ist in einer kontrollierten 2-Jahres-Stu- die geprüft, ihre Effizienz nachgewiesen.

Reflexmassage am Fuße wird seit 20 Jahren in unserer

Klinik mit gutem Erfolg ein- gesetzt. „Wissenschaftlich nachgewiesen“ ist vieles nicht, das in der Hand des/der Er- fahrenen Segen bringt. Ge- reifte Rehabilitationsmedizin mit Kuren in einen Topf zu tun und pauschal zu verurtei- len, ist eines Bundesministers nicht würdig. Wenn er sie „ab- stellen“ wollte, würde er die zweite Explosion der Kosten im Gesundheitswesen erle- ben. Wir begrüßen die stärke- re Selbstbeteiligung der Pati- enten und ein Opfer an Ur- laubstagen. Die pauschale Verkürzung stationärer Heil- verfahren auf 3 Wochen wi- derspricht vernünftigem ärzt- lichen Handeln. Wie soll z.B.

das in 10 oder 20 Jahren ge- wachsene metabolische Syn- drom in 3 Wochen mit einiger Effizienz behandelt werden??

Die Schwere der Erkran- kung und der aufzuwenden- den Mittel muß das Maß blei- ben und die Entscheidung in der Hand des Arztes. Ich spreche aus 40jähriger Erfah- rung.

Schließlich: „Den Sumpf von Unsinn“ – von den Kran- kenkassen getragene Präven- tion – werde er beenden. Um Gottes willen nicht vom grü- nen Tisch! Bei der Gesund- heitsförderung die Spreu vom Weizen zu trennen ist zweifel- los schwierig. Warum eigent- lich prüft man Effektivität nicht durch einen anonymen Fragebogen am Ende der Kurse? Damit sind „Eigen- verantwortung“ und weniger

„kollektive Bevormundung“

besser gesteuert.

Dr. med. Hellmut Lützner, Forellenweg 12, 88662 Über- lingen/Bodensee

Lebensrecht

Zu dem Beitrag von Gisela Klinkham- mer „Wann beginnt das Lebens- recht?“ in Heft 34–35/1996:

Ernste Fragen

Mit großer Sorge habe ich dem Bericht die Auffassun- gen des Mainzer Rechtsphilo- sophen Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster über den Beginn des Lebensrechts entnommen.

Hoerster postuliert als Vor- aussetzungen für das Recht auf Leben allein „Interesse am Leben beziehungsweise Überleben“, wenn man eben dieses Recht gänzlich „frei von religiösen oder metaphy- sischen Voraussetzungen“ be- gründen wolle. Die Konse- quenz seiner Forderungen sei die Abtreibung, das heißt die Fruchttötung, in jedem Stadi- um der Schwangerschaft. Wir kennen ähnliche Auffassun- gen bereits aus den Schriften des australischen Philosophen Peter Singer.

Einmal abgesehen von der durchaus unzulänglichen Ent- scheidung des Bundesverfas- sungsgerichts (BVG) vom 28.

Mai 1993 in der Abtreibungs- frage, die den Hintergrund für Hoersters Theorien lie- fert, abgesehen auch von den logischen und terminologi- schen ( zum Beispiel „Interes- se“) Unschärfen der Ar- gumentation des Mainzer Rechtsphilosophen, erheben sich ernste Fragen: Wer ei-

gentlich will die Abtreibungs- problematik völlig „frei von religiösen oder metaphysi- schen Voraussetzungen“ dis- kutieren? Welche Lobby treibt Singer und Hoerster?

Wir leben in einem Kultur- raum, dessen Moral- und Wertevorstellungen durch christlich-jüdische Glaubens- sätze geprägt sind. Nach die- sen Vorstellungen beginnt das Leben mit der Befruchtung und ist von diesem Moment an schützenswert, und dies völlig unabhängig von den derzeit noch unergründlichen Stadien des „Ichbewußtseins“

solchen Lebens. In schmerzli- chen Prozessen sind wir da- bei, auf der erstrebten Grund- lage eines gesellschaftlichen Konsenses hiervon allenfalls Ausnahmeregeln für begrün- dete Notsituationen von Kind und Mutter zu finden. Eine grundsätzliche Debatte um die Frage der Schutzwürdig- keit des Lebens sollten wir uns von ethik-theoriesüchti- gen Moral- und Rechtsphilo- sophen oder selbsternannten Bioethikern nicht aufdrängen lassen. Wir bedürfen ihrer durchaus nicht.

Weiterhin muß gefragt werden: Wer eigentlich defi- niert „Interesse am Leben be- ziehungsweise Überleben“, wie und für wen? Wenn wir den Postulaten Hoersters konsequent folgen wollten, böten sich auf unseren Inten- sivstationen, in unseren psychiatrischen Kliniken und selbst in unseren Altershei- men hunderttausendfache Möglichkeiten, im Sinne ei- nes pervertierten Euthanasie- begriffs menschliches Leben zu vernichten, dessen Le- bens- und Überlebenswille krankheitsbedingt kurz-, län- gerfristig oder auch auf Dau- er nicht ergründbar ist. Will das Herr Hoerster? Erhält die von Peter Singer wieder auf- gegriffene Debatte um den Lebenswert nonpersonaler Körper – „Menschenhülsen“

hießen sie vor und während der nationalsozialistischen Diktatur – nun neuen Zünd- stoff aus Mainz?

Leben zu erhalten, Ge- sundheit wiederherzustellen

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und Krankheit vorzubeugen ist unser ärztlicher Auftrag.

In diesem Sinne sollen wir unsere Studentinnen und Studenten ausbilden. Ratio- nalistisch begründete Le- bensvernichtung aber ist nicht unser Ding!

Prof. Dr. Wolfgang U. Ek- kart, Direktor des Instituts für Geschichte der Medi- zin, Universität Heidelberg, INF 368, 69120 Heidelberg

Logischer Zirkel

. . . Es erscheint an der Zeit, aus wissenschaftstheo- retischer Sicht einmal auf den logischen Zirkel – man könn- te auch sagen, auf die argu- mentative Perfidie – in die- sem angeblich „einzigen Weg zur Begründung eines Rech- tes auf Leben, der frei von re- ligiösen oder metaphysischen Vorraussetzungen ist“ (Hoer- ster) in aller Deutlichkeit hin- zuweisen. Dieser logische Zirkel operiert in etwa nach folgendem Muster:

„1.) Als Professor für Bioethik (Rechtsphiloso- phie) verfüge ich über ein ho- hes Maß an kognitiven Fähig- keiten wie Bewußtsein, Selbstbewußtsein und Ratio- nalität. 2.) Mein Amt berech- tigt mich dazu, ethische (juri- stische) Kriterien für das Le- bensrecht von Mitgliedern der Spezies Homo sapiens zu erarbeiten. 3.) Zur Erarbei- tung dieser Kriterien benutze ich die mir in hohem Maß zur Verfügung stehenden kogni- tiven Fähigkeiten. 4.) Als Kriterium für die Zubilligung des Lebensrechts an ein Mit- glied der Spezies Homo sapi- ens wähle ich das Vorhanden- sein von kognitiven Fähigkei- ten. 5.) Mitglieder der Spe- zies Homo sapiens, die nicht über erkennbare kognitive Fähigkeiten verfügen, haben kein Lebensrecht. 6.) Zu- gleich haben diese Mitglieder der Spezies Homo sapiens,da sie ja nicht über erkennbare kognitive Fähigkeiten verfü- gen, keine Möglichkeit, mein Kriterium für die Zubilligung des Rechts auf Leben zu falsi- fizieren. 7.) Im Unterschied zu den mein Kriterium nicht

erfüllenden Mitgliedern der Spezies Homo sapiens verfü- ge ich als Professor für Bioethik (Rechtsphiloso- phie) über ein hohes Maß an kognitiven Fähigkeiten.“

Damit ist der Circulus vi- tiosus geschlossen, dessen lo- gische Sollbruchstelle in dem willkürlich axiomatisierten, rhetorisch-abduktiven Über- gang von Satz 3.) zu Satz 4.) liegt. Die obige Strukturana- lyse enthüllt jedoch den tau- tologischen Charakter sol- cher Gedankengänge.

Wenn moralische Werte in der Medizin tatsächlich – wie ich glaube – institutiona- listischen Charakter haben, wenn sie also einer gesell- schaftlichen Konvention oder eines sozialen Konsen- ses bedürfen, dann muß schlicht die Frage gestellt werden, ob unsere Gesell- schaft und ihre politische Verantwortlichen ernsthaft eine neuartige ethische Über- einkunft in Sinne von Peter Singer oder Norbert Hoer- ster anstreben wollen oder nicht. Wenn man dies will, muß man die entsprechenden Protagonisten möglichst oft in den Medien zu Wort kom- men lassen. Wenn man dies nicht will, muß man sich ih- nen kritisch entgegenstellen, indem man ihre Axiome transparent macht.

Prof. Dr. med. Axel W. Bau- er, Ruprecht-Karls-Univer- sität Heidelberg, Fakultät für Klinische Medizin Mann- heim, Theodor-Kutzer-Ufer, 68167 Mannheim

SPD

Zu dem Kommentar „SPD-Gesund- heitspolitik: Notwendige Worte . . .“

von Frank Mayer in Heft 33/1996:

Existenzbedrohend

Als niedergelassenem Chirurgen und SPD-Frakti- onsvorsitzendem im Stadtrat Gotha ist es mir auch völlig unverständlich, wieso der Sozialexperte der SPD, Herr Dreßler, und zuständige Krei- se in der SPD die Kranken- hausambulanzen für die am- A-2356 (8) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 38, 20. September 1996

S P E K T R U M LESERBRIEFE

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dieser Vorstellungen liegen.

Die willentliche Herbeifüh- rung des Todes durch einen Arzt haben die Griechen nie als Euthanasie verstanden.

Die den Spartanern zuge- schriebene Handhabung, schwächliche Frühgeburten und hochgradig mißgebildete Säuglinge gleich nach der Geburt zu töten, war keine ärztliche Maßnahme, son- dern eine Entscheidung der Stadtoberen. Sie erweckte schon damals bei allen Nach- barn Spartas Abscheu und fand weder irgendwo Nach- ahmung noch etwa gar Ein- gang in unsere abendländi- sche Kulturentwicklung.

Im „Dritten Reich“ war trotz Erziehung der jungen Generation zur „Härte“ und trotz gezielter Propaganda für die Tötung sogenannten

„lebensunwerten Lebens“

. . . das Bewußtsein der humanistischen Grundlagen

ärztlichen Handelns unter Medizinstudenten sogar in den letzten Kriegsjahren noch erstaunlich weitgehend erhalten . . .

Kein Arzt und kein Mensch, der sich seiner Ver- antwortung bewußt ist, könn- te in einer Reihe irgendwo zwischen zwei Probanden, die sich im Befund kaum merkbar unterscheiden, eine Grenze angeben, bis zu der alle noch mehr beeinträchtig- ten Probanden zu töten sind und von der ab die anderen weiterleben dürfen.

Diese damaligen Medi- zinstudenten sind die Ärzte- generation der heute 75- bis 80jährigen und haben ihre Wertmaßstäbe an die jünge- ren, heute noch aktiv im Be- ruf stehenden Kollegen wei- tergegeben.

Prof. Dr. med. Wolf Sturm, Jakobstraße 18, 39104 Mag- deburg

A-2358 (10) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 38, 20. September 1996

S P E K T R U M LESERBRIEFE

bulante Versorgung öffnen wollen. Diese Absicht ist für alle niedergelassenen Ärzte in den neuen Bundesländern ein höchst existenzbedrohender Vorgang. Bei deutlich niedri- geren Gehältern in den neuen Ländern und bei hohen Kre- diten, die alle nach der Wende in die Niederlassung gegange- nen Ärzte hier aufgenommen haben, würde die Realisie- rung dieser Absicht sicher für zahlreiche Praxen das Aus be- deuten. Als in der Kommu- nalpolitik tätigem Arzt sagte mir der Vizepräsident des Bundestages, Klose, anläßlich eines Besuches in Gotha: „Ich bin auch nur mit etwa 75 Pro- zent von dem einverstanden, was in der SPD geschieht.“ Es gilt, von allen Seiten auf die verantwortlichen Akteure in der SPD-Gesundheitspolitik einzuwirken, besonders für der SPD nahestehende Perso- nen, diese drohende Fehlent- wicklung zu verhindern.

Dr. med. G. Maultzsch, See- bachstraße 11, 99867 Gotha

Mukoviszidose

Zu dem Beitrag: „Mukoviszidose – Erhebliche Versorgungslücken“ von Dr. rer. pol. Harald Clade in Heft 22/1996:

Ergänzungen

Ich möchte, gestützt auf Daten einer langjährigen Be- obachtungsstudie von rund 1 400 Mukoviszidosepatien- ten der DDR beziehungswei- se der neuen Bundesländer, einige Angaben aus dem Bei- trag korrigieren. Die mittlere Lebenserwartung lag 1994 bei 23,9 Jahren und nicht, wie in dem Artikel angegeben, bei 16 bis 17 Jahren. Nicht die Le- benserwartung, sondern das mittlere Alter stieg von circa 8,3 Jahren im Jahr 1982 auf 12,8 Jahre 1992 an. Inzidenz, Mortalität und Prävalenz müssen auf 100 000 Lebend- geborene, 100 000 Verstorbe- ne beziehungsweise eine mitt- lere Bevölkerung von 100 000 und ein Jahr bezogen werden.

Während es für den Be- reich der Pädiatrie im gesam-

ten Bundesgebiet ein Netz von Spezialambulanzen gibt, fehlen diese Strukturen für die zunehmende Zahl er- wachsener Mukoviszidose- kranker. Mit dem Projekt

„Regionalisierung und Qua- litätssicherung der Mukovis- zidosebehandlung“ soll die Schaffung regionaler Struktu- ren für die Versorgung er- wachsener Mukoviszidose- Patienten gesteuert werden.

Der kürzlich erschienene Be- richt „Qualitätssicherung Mu- koviszidose – Überblick über den Gesundheitszustand der Patienten in Deutschland 1995“, erhältlich beim Zen- trum für Qualitätsmanage- ment an der Ärztekammer Niedersachsen, untermauert die im Artikel angesproche- nen erheblichen Versorgungs- lücken.

Etwa 85 Prozent der Pati- enten im Alter von 18 bis 56 Jahren werden von Pädiatern betreut. Das mittlere Alter al- ler Patienten beträgt 14,6 Jah- re (± 8,6). 31,7 Prozent der Pa- tienten sind 18 Jahre und äl- ter. Der Anteil der erwachse- nen Patienten steigt etwa alle fünf Jahre um zehn Prozent.

Dr. Bärbel Wiedemann, In- stitut für Medizinische Infor- matik und Biometrie, Techni- sche Universität Dresden, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscher- straße 74, 01307 Dresden

Ethik

Gedanken zur Euthanasie:

Wertmaßstäbe weitergegeben

Die Griechen verstanden Euthanasie deskriptiv, das heißt unabhängig davon, ob

„schönes (sanftes) Sterben“

spontan eintrat oder ob etwa ein Arzt dabei mithalf, zum Beispiel durch Linderung von Schmerzen, Schlafvermitt- lung und ähnliche Maßnah- men. Die künstlich lebensver- längernden Maßnahmen der modernen Medizin kannten sie noch nicht. So mag denn auch deren Beendigung bei unheilbaren Kranken im Ein- zelfall noch im Grenzbereich

Zu dem Leserbrief „Anmerkungen“

von Dr. med. Rudolf Kahnt in Heft 30/1996:

Dank

Dank sei der Leserbrief- Redaktion des DÄ, die sich nicht gescheut hat, die Zu- schrift eines Leitenden Medi- zinaldirektors a. D. abzu- drucken, der als Jungmedizi- ner zumindest in unmittelba- rer Nähe der SS ausgebildet wurde, Zeuge von Men- schenversuchen war und nach einem „mit Anstand verbrachten Berufsleben als Arzt und Beamter“ zu über- legen gibt, ob es nicht „mora- lisch gerechtfertigt“ sei, an

„Unmenschen zwangsweise wichtige medizinische Versu- che vorzunehmen, auch wenn sie dabei sterben“, wobei er jenen fanatisierten jüdischen Arzt im Auge hat, der vor zwei Jahren in einer Moschee in Hebron ein Blutbad an- richtete.

Der so verstandenen In- tention des DÄ folgend, habe ich diesen Brief meinen Hel- ferinnen und einem jüdischen Famulus vorgelesen, was be- greiflicherweise zunächst ei-

nen gewissen Brechreiz aus- löste, im übrigen jedoch An- laß zu einer fruchtbaren Dis- kussion gab

l über die geistigen Quel- len einer „Medizin ohne Menschlichkeit“

l über die bekannt gewor- denen Versuche an Kriegsge- fangenen und KZ-Häftlingen

l über die stereotype Selbstexkulpation der Betei- ligten und der Zeugen („Ich hatte den Mund zu halten“)

l über das eingeschränk- te Wahrnehmungsvermögen eines Zeitzeugen, dem zu dem Stichwort „Massenmör- der“ zwar der Name Haar- mann, nicht aber Dr. Mengele – um nur einen von zahllosen anderen zu nennen – einfällt

l über die Bedeutung des Begriffes „Anstand“ im na- tionalsozialistischen Sprach- gebrauch unter besonderer Berücksichtigung einer Rede Himmlers vor Einsatzgrup- pen im Osten

l über einige wundersa- me, um nicht zu sagen: skan- dalöse, Medizinalkarrieren in Nachkriegsdeutschland . . .

Dr. med. Jochen Bierbach, Tibarg 44–48, 22459 Ham- burg

Referenzen

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