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Arbeitsun fähig

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Academic year: 2022

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rivatdozent Dr. med. Jean-Henri Dunant hat zwei überraschende Dinge getan: Erstens hat er sämt- liche Ämter mit sofortiger Wirkung niedergelegt – wegen einer Erkrankung. Und diese – zweitens – als seine Privatsache bezeichnet. Der Schweizer Oberst lebt «preus si sche Tugenden» vor. Da gibt doch tat- sächlich ein Nationalrat öffentlich zu, dass seine körperliche Verfassung nicht ausreicht, um die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen! Man sollte sich daran ein Beispiel nehmen … Messerscharf analy- siert Chirurg Dunant die Situation und entscheidet:

Patient Dunant ist 100-prozentig AUF. Einfach so.

Ein DeBakey-Laureat ohne Selbstüberschätzung, ohne eitles Unersetzbarkeitsgefühl, ohne Festklammern an der geliebten Arbeit, ohne weinerlich-effekthaschende Interviews, aber mit der Verpflichtung der Sache und sich selbst gegenüber als erste Priorität. Basta. Mehr noch: Augenscheinlich hat der Ehrenpräsident der SVP den Fall seines Ausfalls vorausgeplant, denn statt des grossen Weh klagens, der Ratlosigkeit und der Diadochenkämpfe begann sein Nachfolger un- verzüglich zu arbeiten. Politisch mag man anderer Meinung sein als Dunant, aber er ist einmalig und unersetzlich. «Wie jeder Mensch!», würde er relati- vieren. Er kann von einem Fähigen vertreten werden und freut sich darüber. Als Amtsträger sieht er sich als Diener einer Sache. Fällt er aus, will er sofort er- setzt werden, denn ein wichtiger Posten muss besetzt sein. Der Nachrückende wurde vermutlich schon lange bestens eingearbeitet. Genau wie Kriegschirurg Dunant es im Operationssaal hielt. Wäre er, die

«erste Hand», am Tisch kollabiert, hätten die von ihm geschulten zweiten und dritten Hände die Ope- ration des Patienten gut zu Ende gebracht und sich erst dann um die zum Patienten gewordene erste Hand gekümmert. Alles andere hätte er als unprofes - sionell angesehen. Diese bescheidene, schonungslose Selbsteinschätzung fehlt anderen: Politikern, Promi- nenten – und Ärzten. Bundesräteln oder dökterlen Rekonvaleszente kurz nach Entfernen des Beatmungs- tubus, die Infusionsschläuche noch in den Venen, das Gehirn reanimationsgeschädigt, dann können sie

anderen schaden. Topleute sorgen für sich und vor, haben eine exzellente Nummer zwei, die das Busi- ness fortführen kann. Sich selbst und der Sache zu- liebe sollte man sich Arbeitsunfähigkeit eingestehen.

Den Fehler den Ärzte- und Prominenten begehen und sich zu verschleissen, ohne Rücksicht auf den eige- nen Körper und die eigene Psyche zu nehmen, und allen anderen einen Dienstleister zumuten, der nicht topfit ist, begeht der Genfer Dunant nicht. Der Oberst triagiert und handelt – statt den Voyeurismus anderer zu bedienen. Eine erfreuliche Ausnahme in einer Zeit, in der Prominente aus Profilierungssucht ihre Gehirne, Genitalien und Gedärme offenlegen.

Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu erfahren, zu wie viel Prozent Politiker, Sportler, Schauspieler, Sänger et alii arbeitsfähig sind. Mehr nicht. Das aschgraue intubierte Gesicht von alt Bundesrat Merz, das Ar- thro skopievideo eines Fussballgottes sind Privat - sache. Klar ist Outing auch hilfreich: Interviews mit Berühmtheiten über deren Krebs, AIDS und psychi - sche Störungen haben viel zur Entstigmatisierung dieser Leiden beigetragen. Aber den Neurostatus des

«Wetten dass …?»-Kandidaten zu erfahren, ist unnö- tig. Eine Familientragödie zu bester Sendezeit, wenn der Vater das Auto fährt, das vom Sohn nur mit der Folge der Tetraplegie übersprungen werden kann, ist schon zu viel. Ist es ethisch, filmisch dabei zu sein, wenn eine TV-Supernanny die Wutausbrüche eines unterprivilegierten, kranken Kindes kommentiert, welches von seinen hochverschuldeten Eltern im wahrsten Sinne des Wortes an das Fernsehen «ver- kauft» wurde? Wenn eitle Chefärzte Pressekonferen- zen geben und zeigen, wo sie was gestentet haben, mag das gut für das eigene Ego und die Reputation des Spitals sein. Wenn alles gut geht. Katastrophal, wenn vor der Kamera jemand unplanmässig stirbt … Verbindungsoffizier Dunant hingegen weiss, wann man redet und wann man schweigt. Es sei ihm alles Gute gewünscht und «Chapeau!» gerufen.

arsenicum

Arbeitsun fähig

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1030

ARS MEDICI 25/26 2010

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