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Archiv "Kleine Geschenke erhalten den Absatz" (04.06.2010)

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390 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 22

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4. Juni 2010

M E D I Z I N

EDITORIAL

Kleine Geschenke erhalten den Absatz

Jürgen Bausch

Editorial zum Beitrag:

„Eine Befragung niedergelassener Fachärzte zum Umgang mit Pharmavertretern“

von Klaus Lieb und Simone Brandtönies auf den folgenden

Seiten

dienst sie „selten“ oder „nie“ beeinflussen wollte. Die überwiegende Mehrheit ist sich dessen bewusst, dass die Außendienstmitarbeiter auf ihr Verordnungsver - halten einwirken wollen (und dass das auch deren Auf- gabe ist).

Die pharmazeutischen Unternehmen würden dieses teure Instrument nicht nutzen, brächte es keinen Erfolg.

Denn 39 Prozent der Befragten berichteten, sie würden gern neue Medikamente (5) verschreiben, damit die Patienten schnell von neuen Entwicklungen profitieren.

Allerdings gaben 56 Prozent an, lieber weiterhin bei Präparaten zu bleiben, die sich gut bewährt hätten. Auf diese konservative Zielgruppe dürften sich die Außen- dienstaktivitäten hauptsächlich konzentrieren, nach- dem die Experimentierfreudigen mit kleinen Geschen- ken auf Kurs gebracht wurden.

Als kleine Geschenke wurden Ärztemuster, Büro- material, Kalender und Essenseinladungen (mit zwei Prozent sehr selten) gleichwertig nebeneinander ge- reiht. Das ist formal korrekt, aber dennoch bedauerlich, da Arzneimittelmuster zum größten Teil vom Arzt an den Patienten weitergegeben und nicht selbst genutzt werden, wie die anderen Geschenke. Ärztemuster ma- chen dem Behandler das Produkt „begreiflich“, weil er Schachtel und Inhalt meist in die Hand nimmt und an- schaut und dabei häufig einen Blick auf den Beipack- zettel wirft. Das ergibt einen Sinn. Allerdings leben viele Ärzte in dem Irrglauben, dass die Abgabe von Ärztemustern ihr Arzneimittelbudget entlastet. Das ist jedoch eine klassische Selbsttäuschung. Ärztemuster öffnen den Marktzugang wie ein Schlüssel ein Schloss.

Nur zwei Prozent der Befragten nehmen keine Ärzte- muster an.

Teurer Hochglanzmüll

Die Tatsache, dass das von den Pharmaberatern über- mittelte Informationsmaterial mehrheitlich (bis zu 73 Prozent) ungelesen im Papierkorb landet, sollte die Marketingabteilungen aufhorchen lassen. Hier wird teurer Hochglanzmüll produziert.

Dass Kugelschreiber und Kalender als Mitbringsel den Pharmaumsatz steigern, dürfte schwer zu belegen sein. Die Werbeartikelbranche lebt jedoch davon.

Die Frage nach Einladungen zu Kongressen mit Übernahme der Reisekosten ohne Gegenleistungen wurde von einem Viertel der Befragten bejaht. Diese Form der Beziehungspflege dürfte sich bewährt haben.

J

ährliche Steigerungen von fünf Prozent bei den Arzneimittelausgaben (1) für gesetzlich Kranken- versicherte sind für Pharmahersteller eine Erfolgsge- schichte, aus Kostenträgersicht eine Katastrophe. Die Ausgaben (2) überschreiten seit einigen Jahren die Bei- tragseinnahmen erheblich. Ein Geflecht von mehr als 25 unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen (3) im Sozialgesetzbuch V und alle Bemühungen des Gemein- samen Bundesausschusses, des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, der Kran- kenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen samt Prüfinstanzen haben nicht bewirkt, dass Einnah- men und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversiche- rung im Arzneimittelmarkt in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Manipulationsinstrumente

Da ohne eine ärztliche Verordnung kein rezeptpflichti- ges Medikament den Patienten erreicht, liegt es in der Logik einer freien Marktwirtschaft, dass Pharmaunter- nehmen den Verordner eines Arzneimittels direkt in ih- re Marketingmaßnahmen einbeziehen. Ein wirksames und teures Instrument zur Arztbeeinflussung ist ein Au- ßendienst mit Pharmaberatern. Deren wichtige Aufgabe ist es, die Produkte eines Herstellers so zu präsentieren, dass der Arzt animiert wird, seine Verordnungen im Sinne des Unternehmens zu treffen.

Die Einstellung der Ärzte in Deutschland zum Phar- maaußendienst ist bislang wenig systematisch unter- sucht worden. Jetzt hat ein Forschungsprojekt von Klaus Lieb und Simone Brandtönies von der Universi- tät Mainz etwas Licht in das Dunkel gebracht. Die Wis- senschaftler befragten Fachärzte zu Erfahrungen mit und zu ihrer Haltung gegenüber Pharmavertretern (4).

Es ist sehr zu begrüßen, dass mit dieser Studie, die von Ärzten durchgeführt wurde, die Diskussion innerhalb der Ärzteschaft angeregt wird. Diese Umfrage fand 2007 statt, was die Aussagekraft für heute nicht schmä- lert.

Zu den besonders wichtigen Ergebnissen dieser Un- tersuchung zählt das immer wieder vermutete folgende Phänomen: Der einzelne befragte Arzt hält sich für na- hezu immun gegenüber Manipulationen vonseiten ei- nes Pharmavertreters, nimmt aber bedenkenlos an, dass seine Kollegen beeinflussbar seien. Diese kognitive Dissonanz ist umso bemerkenswerter, als nur sieben Prozent der Befragten angaben, dass der Pharmaaußen-

Kassenärztliche Vereinigung Hessen:

Dr. med. Bausch

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Kritisch gehen die Befragten mit der Einschätzung der Objektivität von Informationsquellen für Ärzte um. Am schlechtesten schneiden die Pharmareferenten und die pharmafinanzierte Fortbildung ab (6). Den- noch würden 52 Prozent der Befragten das Fehlen des Außendienstes als Verlust empfinden. Der Grund: Sie würden die Informationsvermittlung, Fortbildungsan- gebote sowie die Ausgabe von Ärztemustern durch den Vertreter vermissen.

Anwendungsbeobachtungen (7) zählen zum Reper- toire der Außendienste mancher Hersteller. 43 Prozent der befragten Ärzte beteiligten sich daran. Dieser hohe Prozentsatz ist nicht repräsentativ für die Gesamtheit aller Vertragsärzte, aber ein Hinweis darauf, dass die mit diesen Anwendungsbeobachtungen verbundenen Vergütungen als Zusatzeinnahme in der Kassenpraxis benötigt werden. Die wenigsten Teilnehmer an solchen Studien, die das Arzneimittelgesetz den pharmazeuti- schen Herstellern vorschreibt, gehen davon aus, wichti- ge wissenschaftliche Daten der Versorgungsforschung in ihrer Praxis zu generieren, um Aussagen über ein Arzneimittel unter normalen Praxisbedingungen außer- halb von kontrollierten Studien treffen zu können. Dass Anwendungsbeobachtungen das Verordnungsverhalten beeinflussen, steht außer Frage. Sie gehören in der der- zeitigen Form abgeschafft. Zumal sie von den Medien immer wieder zum Anlass genommen wurden, Ärzte und Industrie pauschal zu kriminalisieren (8).

Ärzte werden kritischer

Der derzeitige Paradigmenwandel im System, der dem Arzt durch Rabatt- und Selektivverträge die Verord- nungshoheit wegnimmt, wird die laufende Entlassungs- welle für Pharmaverteter beschleunigen. Allerdings wird man auf den Außendienst nicht völlig verzichten wollen. Denn Informationen über pharmakotherapeuti- sche Neuigkeiten erhalten Ärzte meist schneller durch dieses Medium als über die klassischen neutralen Infor- mationskanäle. Auch über Wirkstoffe, die sie in ihrer Praxis gar nicht benötigen, werden sie informiert, was kein Fehler ist. Die meisten Ärzte wissen sehr wohl, dass die Industrieinformationen genauso zu bewerten sind wie die Lobesworte von Eltern über ihre Kinder.

Die große Zeit des Pharmaaußendienstes ist sicher vorüber. Das Instrument ist aufwendig, die Einstellung der Ärzte ihm gegenüber wird kritischer und die direkte Beeinflussung des Verordnungsverhaltens über soge-

nannte Ampelsysteme in der Praxissoftware zur ratio- nalen und rationellen Pharmakotherapie wird zuneh- mend bedeutsam. Einige pharmazeutische Unterneh- men sind längst dabei, über diese bessere Qualifikation der Mitarbeiter Masse durch Klasse zu ersetzen.

Interessenkonflikt

Dr. Bausch hat in seinen Funktionen in der Selbstverwaltung der Ärzte als Re- ferent zu Fragen der „rationalen und rationellen Pharmakotherapie“ Honorare von Krankenkassen und Pharmafirmen samt Reisekosten erhalten.

LITERATUR

1. Schwabe U, Paffrath D (eds.): Arzneiverordnungs-Report 2009: Aktu- elle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Berlin: Springer 2009;

3–43.

2. Häussler B, Höer A, Hempel E, Klein S: Arzneimittel-Atlas 2009. Mün- chen: Urban und Vogel 2009; 11–2.

3. Drucksache 14/5121, 18. 9. 2009, Landtag von Baden-Württem- berg, 14. Wahlperiode

4. Lieb K, Brandtönies S: A survey of German physicians in private practice about contacts with pharmaceutical sales representatives [Eine Befragung niedergelassener Fachärzte zum Umgang mit Phar- mavertretern]. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(22): 392–8.

5. Gemeinsamer Bundesausschuss (eds.): Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Bundesanzeiger 2009; 7–12.

6. Minning H: Chefarzt oder Fachjournal? Eine Studie über die Informa- tionsquellen von onkologisch tätigen Ärzten. Münster: Mv-Wissen- schaft 2010.

7. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (eds.): Arzneiver- ordnungen 2009. 22nd edition. Neu-Isenburg: Medizinische Medien Informations GmbH 2009: 21–7.

8. NN: Heute-Journal vergleicht Pharmaindustrie mit der Mafia. Pharma Woche 15. 3. 2010; Nr. 11: 11.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Jürgen Bausch Ehrenvorsitzender

Kassenärztliche Vereinigung Hessen Georg-Voigt-Str. 15

60325 Frankfurt

E-Mail: Juergen.Bausch@kvhessen.de Small Gifts Sustain Sales

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(22): 390–1 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0390

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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