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Archiv "Pflegebedürftige: Repräsentativ" (12.04.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 15

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12. April 2013 A 721 Sind wir auch längst vom Olymp

einer irdischen Zwängen enthobe- nen Heilkunst in den Sumpf der Fronarbeit für Krankenkassen und profitorientierte „Dienstleister“

herabgestürzt, wahrhaben wollen wir es noch lange nicht.

Nachdem sich staatsgelenkte Klini- ken, ihre komplementären Einrich- tungen und ein um sich selbst krei- sender Politbetrieb und Umvertei- lungsapparat unfähig gezeigt haben, dies zu leisten, soll nun aus Gier und primitiver Denk- und Lebensart das Gold der sogenannten Spitzen- medizin gewonnen werden.

Es triumphiert die Doktrin, selbst die schlimmste menschliche Ver- worfenheit sei noch eine Segnung, wird sie vom Gewinnstreben befeu-

ert. Wer die Dinge so auf den Kopf stellt, dem gelingt noch lange keine wirtschaftlich vernünftige Allokati- on begrenzter Ressourcen . . . Es sind die Exzellentesten der Ex- zellenten, die zu ihrem Wohl und unserem Schaden das Gesundheits- system der USA – im Schlepptau international agierender Großinves- toren – auf Deutschland übertragen wollen. Bezogen auf die Gesamtbe- völkerung das teuerste und ineffi- zienteste der Welt.

Solange wir uns diesen Leuten hin- geben und ihre „Ökonomie“ als das Maß aller Dinge gelten lassen, so- lange wir nicht bereit sind, unsere Arbeit, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, wieder zu einem vernünf- tigen Ganzen zusammenzufügen,

wird es nichts werden.

Weder mit einer Sozialstaatsmedi- zin noch mit einer kapitalgesteuer- ten Investorenmedizin.

Wir müssen uns für einen anderen, den richtigen Weg entscheiden:

für ein freies Unternehmertum, or- ganisch wachsend, beständig in sei- ner Grundlegung und innovations- stark die konkreten Anforderungen bewältigend. Nicht von oben be- stimmt und hierarchisch fragmen- tiert, sondern vernetzt und übergrei- fende Strukturen bildend, wo es nö- tig ist. Von uns, auch wirtschaftlich, entscheidend mitgeprägt und mit- verantwortet, den Menschen in ih- rer Region und bei ihrer Arbeit ver- bunden . . .

Matthias Pester, 23774 Heiligenhafen

PFLEGEBEDÜRFTIGE

Bei pflegebedürfti- gen Patienten wer- den häufig fragwür- dige Behandlungen veranlasst, weil sich Ärzte und Pflege- kräfte absichern wollen (DÄ 4/2013: „Multimorbide Pa- tienten: Wider den Absicherungswahn“

von Michael Christian Schulze).

Oft wird der Arzt zu spät geholt

Ich finde dieses Thema sehr wich- tig, und es gibt sicher sehr viel Nachholbedarf durch uns Hausärz- te, für bestimmte Situationen mit dem Patienten/Betreuer/Bevoll- mächtigten getroffene Vorausbe- stimmungen in den Unterlagen des Pflegeheims zu dokumentieren (um zum Beispiel dem Fall 2 ähnlichen Fällen vorzubeugen).

Gleichzeitig darf man nicht verges- sen, dass gut qualifiziertes Personal in den Heimen nicht selbstverständ- lich ist. Ich möchte deshalb hier nur einige Beispiele aus den letzten vier Jahren aus meinem Erleben als Hausarzt und Kassenärztlicher Not- dienst schildern, die darstellen, dass in vielen Fällen der Arzt heute noch zu selten/zu spät oder nicht auf der richtigen Eskalationsstufe einge- schaltet wird:

Eine multimorbide/bettlägerige/

schwer demente Patientin hat plötz- lich samstags einen kalten Unter- schenkel. Die erste Arztinformation geht montags morgens an den Hausarzt. Die Nekrosen, die durch den akuten arteriellen Verschluss entstehen, betreffen glücklicherwei- se nur einzelne Abschnitte der Wa- de und Ferse und sind ohne Extre- mitätenverlust innerhalb von circa sechs Monaten abgeheilt.

Eine mittelgradig demente/roll- stuhlmobile/multimorbide Patientin, die aber noch ein reges Sozialleben hat, erhält an einem Sonntagabend einen Gips bei Radiusfraktur in der Notaufnahme. Vier Tage später trifft hierüber per Post die erste Informa- tion beim Hausarzt ein, der dann nach 96 Stunden die Gipskontrolle, die nach 24 Stunden stattzufinden hat, nachholt. Im Heim schiebt man alles auf den Krankenhausarzt, der hätte nicht noch mal Bescheid ge- geben. Offensichtlich ist dort nichts von einer Standard-Gipskontrolle nach 24 Stunden bekannt.

Ein immer wieder gern geübter Ablauf ist das Gegenteil zum Fall 4:

Freitags beginnt ein mittelschwer dementer Patient mit Herzinsuffi- zienz und COPD vermehrt zu hus- ten, am Samstag ist es deutlicher, am Sonntag noch intensiver, die Pflege entscheidet sich, montags auf den Hausarzt zu warten, der

dann den Patienten nur noch mit Notarzt und Lungenödem einwei- sen kann. Wäre der Patient am Samstag vom Notdienst mit Anti- biose und Schleimlöser (gegebe- nenfalls noch Inhalation und Nasen- spray) versorgt worden, wäre ihm ein Krankenhausaufenthalt erspart geblieben. Gerade bei Husten und multimorbiden Patienten kann ein Heim nicht früh genug den Not- dienst holen! . . .

Solange es derartige Defizite in deutschen Heimen gibt, würde ich sehr vorsichtig sein, irgendwelchen Pflegenden pauschal davon abzura- ten, den Hausarzt/Notdienst/Notarzt zu informieren!

Dr. med. Torsten Traut, 99817 Eisenach

Repräsentativ

Die vier geschilderten Einsatzsze- narien zeigen sehr repräsentativ, womit man im ärztlichen Notdienst immer wieder konfrontiert wird.

Die Heimleitung befürchtet, dass bei einer unterlassenen Diagnostik die Angehörigen, die Öffentlichkeit und/oder irgendwelche Juristen so- fort bereitstehen, um das sattsam bekannte Empörungsritual zu in - szenieren. Die examinierte Pflege- kraft, die in der Lage und willens sein muss, zu entscheiden, ob eine Situation ein Notfall ist, vom Kol- legen Schulze gefordert, existiert

PFLEGEBED

B g d d v Ä k wollen (DÄ 4/2013:

B R I E F E

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A 722 Deutsches Ärzteblatt

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12. April 2013 leider nicht in jedem Pflegeheim.

Und irgendwelche Vereinbarungen mit Angehörigen, Betreuern etc.

nutzen nur etwas, wenn sie in justi- ziabler schriftlicher Form dann auch vorliegen, wenn wir morgens um vier gerufen werden. Dass eine meist gering qualifizierte Pflege- kraft sich absichern will, ist manch- mal lästig, geht aber in der Regel auf diejenigen zurück, die dann nicht zugegen sind, wenn der „Not- fall“ eintritt.

Dr. med. Dr. med. dent. Martin Trinder, Notfallarzt der KV Hessen, 60599 Frankfurt

Widerspruchslose Patienten

Danke sehr für Ihren sehr zutreffen- den Artikel über den Absicherungs- wahn bei multimorbiden, pflegebe- dürftigen Patienten. Diese Thema- tik öffentlich zu machen, war längst überfällig. Jedoch greift Ihr Artikel nicht weit genug . . .

Die Gruppe der Pflegebedürftigen ist inzwischen als widerspruchslose

„Kundschaft“ von den Krankenhäu- sern und auch von niedergelassenen Kollegen entdeckt worden. Mit ih- nen kann man seine OP-Zahlen und seine Interventionszahlen steigern, ohne dass Widerspruch zu erwarten ist. Dabei werden auch die Patien- tenverfügungen ignoriert.

Nur ein paar Beispiele:

Stundenlange Zahnsanierungen bei Patienten, die sich ihre Zähne (auch die sanierten) nicht mehr pflegen lassen.

Aufwendige Operationen bei bettlä- gerigen, multimorbiden, hochbetag- ten Patienten mit anschließender In- tensivtherapie und Weaningtherapie anstelle einer Palliativtherapie.

Endoprothesen der Hüfte nach Sturz aus dem Bett multimorbider, hochbetagter, dementer und bettlä- geriger Patienten statt einer einfa- chen Resektion des Hüftkopfes.

Hochbetagte Patienten nach „er- folgreicher“ Reanimation (was an sich schon fragwürdig ist), die ein apallisches Syndrom zeigen, wer- den mit PEG, Blasenkatheter und Tracheostoma versorgt, heimbeat- met in eine Betreuungseinrichtung verbracht und bei Auftreten einer Pneumonie oder eines anderen In-

A RBEIT SRE CHT

Eine muslimische Stellenbewerberin, die wegen des Tra- gens eines Kopf- tuchs abgelehnt wurde, klagte erfolg- reich auf Entschädi- gung (DÄ 6/2013: „Diskriminierung we- gen Kopftuchverbot in der Praxis“ von Barbara Berner).

Neutralität wahren

Die Entscheidung des Arbeitsge- richtes Berlin löst bei mir nur Kopf- schütteln aus. Es muss einem Pra- xisinhaber doch wohl gestattet sein, selbst zu entscheiden, wie er seine Praxis repräsentieren will. Dazu ge- hört auch die Entscheidung, ob er Angestellte einstellen möchte, die

die Symbole ihrer Religion de- monstrativ vor sich hertragen, sei es ein Kreuz, ein Kopftuch oder eine Burka. Eine Praxis sollte Neutralität wahren. Dazu gehört eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Frei- zeit (in diesem Fall Religion), was sich unter anderem in der Kleidung ausdrückt. Auch Patienten sind manchmal anders religiös gebunden und werden eine Praxis, die augen- scheinlich eine Religion öffentlich repräsentiert, eher meiden.

Die Entscheidung des Gerichtes zeigt erneut, dass man sich davor hü- ten sollte, einem Bewerber die Grün- de seiner Ablehnung mitzuteilen. Ge- fördert werden so zwar leere Wort- hülsen und Heuchelei, doch wurde einem dadurch aber eine gerichtliche Auseinandersetzung erspart.

Mario Loß, 12159 Berlin

S C

E S d g t w r gung(DÄ6/2013: D fektes wieder auf eine Intensivsta - tion verlegt . . .

Dr. med. Benjamin Hiller, 55122 Mainz

Selbstbestimmungsrecht ist zu beachten

Der wichtige Beitrag stellt ein- drücklich heraus, dass ein gesteiger- ter Absicherungsbedarf im Gesund- heitswesen für Patienten nachteilig sein kann . . .

Im Artikel kaum erwähnt ist der As- pekt Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Die Wahrung von Selbst- bestimmung und Patientenrecht könnte in vielen Fällen Maßnahmen und Transporte verhindern, deren Indikationen aus dem Sicherheitsbe- dürfnis der Behandelnden resultie- ren. Der Aspekt Selbstbestimmungs- recht findet Berücksichtigung in Ge- setzgebung, Rechtsprechung und ärztlicher Berufsordnung. Deshalb muss er auch in der Beschreibung von Prozessen an den Schnittstellen im Gesundheitswesen berücksichtigt werden. Die Einbeziehung des Selbstbestimmungsrechts des Pa- tienten könnte in zwei Prozessen hilfreich „wider den Absicherungs- wahn“ sein: bei der Notfallversor- gung und bei der Pflegeüberleitung.

Der Prozess Notfallversorgung muss das Selbstbestimmungsrecht

des Patienten auch bei Notfallret- tungseinsätzen ohne Notarztbeglei- tung beachten. Im niedersächsi- schen Rettungsdienst erfolgen etwa drei von vier Notfallrettungseinsät- zen ohne Notarzt. Die notwendigen ärztlichen Vorgaben für das Ret- tungsfachpersonal können in Form eines Algorithmus grafisch darge- stellt werden.

Auch der Prozess Pflegeüberleitung muss das Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachten. Hier besteht in einigen Pflegeeinrichtungen Ver- besserungspotenzial. Als Beleg ein typisches Zitat einer Altenpflege- kraft: „Frau XY ist doch gestürzt, dann müssen wir unsere Bewohner zum Röntgen schicken.“ Hier kann natürlich von Pflegekräften oder Rettungsfachpersonal erwartet wer- den, für den Patienten und „wider den Absicherungswahn“ zu ent- scheiden. Wenn aber im Einzelfall ohne Beachtung des Selbstbestim- mungsrechts des Patienten für das Sicherheitsbedürfnis einer Pflege- einrichtung entschieden wird, dann gehören Diskussion und Verantwor- tung nicht nur ans Pflegebett, son- dern auch auf die Leitungsebene . . .

Literatur beim Verfasser

Dr. Andreas Günther, Ärztlicher Leiter Rettungs- dienst, Feuerwehr, Stadt Braunschweig, 38023 Braunschweig

B R I E F E

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