• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Studiengruppe nicht repräsentativ" (25.03.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Studiengruppe nicht repräsentativ" (25.03.2011)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

206 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 12

|

25. März 2011

M E D I Z I N

DISKUSSION

Sport und Gesundheit: Nil nocere!

Die Autoren interpretieren Ergebnisse einer sich ekla- tant mit zunehmendem Alter (ab 45 Jahren) spontan selbst selektierenden Stichprobe von n = 46 800 auf n = 105. Sie setzen diese auch in den Zusammenhang mit Gesundheitsinitiativen, Risikofaktoren, Präventi- onskampagnen sowie gesundheitsrelevanten Bewe- gungs- und Verhaltensmaßnahmen. Zu Kontraindika- tionen sowie zu kardiovaskulären und orthopädischen Nebenwirkungen des Langlaufens fand der Leserbrief- autor jedoch keine Hinweise. Hoffentlich haben inte- ressierte Leser auch die letzte Einbandseite des Hefts 46 mit Buchwerbungen des Deutschen Ärzte-Verlags bemerkt: Zwei der drei beworbenen Buchtitel lauten:

„Sportverletzt, was jetzt?“ und „Laufnebenwirkungen“.

Wie sagten doch die Altvorderen: Nil nocere (der Arzt möge in seinem Tun dem Patienten nicht schaden).

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0206a

LITERATUR

1. Leyk D, Rüther Th, Wunderlich M, et al.: Physical performance in middle age and old age: Good news for our sedentary and aging so- ciety. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(46): 809–16.

Prof. em. Dr. med. Hans-Volkhart Ulmer Institut für Sportwissenschaft

der Johannes Gutenberg-Universität Saarstraße 21

55099 Mainz

E-Mail: ulmer@uni-mainz.de

Biologische Alterung und Leistungsfähigkeit

Zweifellos kann ein aktiver Lebensstil den Alterungs- prozess verzögern und die Abnahme der Leistungsfä- higkeit minimieren. Zweifel sind aber angebracht, wenn aufgrund von Leistungsanalysen bei 20- bis 79jährigen Marathonläufer/innen angenommen wird, dass vor dem 55. Lebensjahr die Ausdauerleistungsfä- higkeit nicht relevant beeinflusst wird (1). Allerdings fällt die maximale Sauerstoffaufnahme im mittleren Lebensalter weniger stark ab als im höheren Lebensal- ter (2). Die Autoren widersprechen eigenen früheren Befunden, nach denen die mittleren Marathonlaufzei- ten bei den zehn Besten einer jeden Lebensdekade oberhalb des 35. Lebensjahres signifikant zunahmen

(3), ohne diese Diskrepanz in der aktuellen Publikation zu kommentieren. Bei den verglichenen Kohorten han- delt es sich um Breiten-und Freizeitsportler mit Mara- thonzeiten zwischen vier bis fünf Stunden und altersab- hängig unterschiedlich vielen Trainingsjahren. Hinge- gen ist unter den Top 10 weltweit besten Marathonläu- fern (Weltjahresbestenliste 2009) keiner 40 Jahre oder älter (mittleres Lebensalter 28,1 Jahre; Streubreite 22 bis 37 Jahre). Eine solche homogene Gruppe reflektiert besser die altersphysiologischen Veränderungen, weil im Grenzbereich der menschlichen Leistungsfähigkeit die Alterung der verschiedenen Organsysteme beson- ders deutlich wird. Es besteht daher kein Grund, die Lehrbücher umzuschreiben und den Beginn des Leis- tungsabfalls, speziell der Ausdauer, in ein späteres Le- bensalter zu verlegen.

Den Autoren ist beizupflichten, dass Trainingsanpas- sungen und eindrucksvolle Leistungen auch im höhe- ren Lebensalter möglich sind. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass ein umfangreiches Ausdauertrai- ning auch bei älteren vorher sportlich inaktiven Perso- nen zu einer physiologischen Herzhypertrophie, das heißt zu einer Sportherzvergrößerung führen kann (4).

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0206b

LITERATUR

1. Leyk D, Rüther Th, Wunderlich M, et al.: Physical performance in middle age and old age: Good news for our sedentary and aging so- ciety. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(46): 809–16.

2. Fleg JL, Morrell CH, Bos AG, et al.: Accelerated longitudinal decline of aerobic capacity in healthy older adults. Circulation 2005; 112:

674–82.

3. Leyk D, Erley O, Ridder D, et al.: Age-related changes in marathon and half-marathon performances. Int J Sports Med 2007; 28:

513–7.

4. Walter R, Schmitt W, Kindermann W: Differenzialdiagnose der Herz- vergrößerung – Bedeutung der Sportanamnese zur Abgrenzung der physiologischen und der pathologischen Herzvergrößerung. In: Franz IW, Mellerowicz H, Noack W (Hrsg): Training und Sport zur Prävention und Rehabilitation in der technisierten Umwelt. Springer Berlin, Hei- delberg; 1985; 716–21.

Prof. em. Dr. med. Wilfried Kindermann Institut für Sport-und Präventivmedizin Universität des Saarlandes Campus Saarbrücken Postfach 151150 66041 Saarbrücken

E-Mail: w.kindermann@mx.uni-saarland.de

Studiengruppe nicht repräsentativ

Mit Interesse habe ich die sehr gut fundierte Analyse über die Marathonlaufzeiten gelesen. Die Hauptaussa- ge der Autoren – „gute Nachrichten für eine inaktive und alternde Gesellschaft“ – kann ich nicht teilen: Nie- mand stellt die wissenschaftlich gut abgesicherte Tatsa- che in Abrede, dass körperliches Training auch im 6.

und 7. Dezennium eine erhebliche Leistungssteigerung zu dem Beitrag

Leistungsfähigkeit im mittleren und höheren Lebensalter: Gute Nachrichten für eine inaktive und alternde Gesellschaft

von Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk, Dr. Sportwiss. Thomas Rüther, Dr. rer. medic. Max Wunderlich, Dipl.-Sportl. Alexander Sievert,

Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Eßfeld, Dr. phil. Alexander Witzki, Dr. med. Oliver Erley in Heft 46/2010

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 12

|

25. März 2011 207

M E D I Z I N

bewirken kann. Die Autoren beschreiben in ihrer Arbeit aber in erster Linie ein soziologisches Phänomen: Sie analysieren einen kleinen bildungsnahen, gesundheits- bewussten, sportaffinen und mit zunehmendem Alter überwiegend männlichen Bevölkerungsanteil. Nach Eintritt in den Beruf und Familiengründung nimmt der Anteil der sporttreibenden Menschen einer Altersdeka- de an der jeweiligen Alterskohorte in der Gesamtbevöl- kerung stetig ab. Die Zahl der über 60jährigen Mara- thonläufer (n = 12 558 + x) an der Gesamtzahl über 60jähriger in der Bevölkerung (n = 21 186 785 im Jahre 2009 [1]) beträgt circa 0,6 Promille, also einem Mara- thonläufer stehen 1 600 inaktive Altersgenossen gegen- über. Besonders eklatant stellt sich das in dieser Studie bei den Frauen dar (Alter > 70 Jahre mit n = 62!). Dem- gegenüber werden die Bundesbürger kontinuierlich übergewichtiger (Statistisches Bundesamt, Mikrozen- sus 2005 [2]) und die Patienten in den unfallchirur- gisch-orthopädischen Kliniken ständig älter und multi- morbider (Bayerische Qualitätssicherung [3]). Eine laufende Studie zur Versorgungsqualität in Senioren- heimen kann aufgrund eines zu niedrigen Mini-Mental- State-Testergebnisses nur ein Drittel der Bewohner va- lide wissenschaftlich auswerten.

Die Beschreibung der Marathonfähigkeiten einer winzigen Untergruppe der Gesamtbevölkerung zeigt erstaunliche Leistungsdaten, erlaubt aber nicht den ge- ringsten positiven Rückschluss auf die Gesamtbevölke- rung. Hier sehen alle Daten eher düster aus. Enormes Verbesserungspotenzial liegt hier bei der Sportförde- rung von Frauen, bildungsferner Bevölkerungsschich- ten und Beschäftigten des primären und sekundären Sektors („blue collar workers“).

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0206c

LITERATUR

1. www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Con tent/Statistiken/Zeitreihen/LangeReihen/Bevoelkerung/Con- tent100/lrbev01ga,templateId=renderPrint.psml

2. www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/

Presse/pk/2006/Mikrozensus/Pressebroschuere,property=file.pdf 3. www.baq-bayern.de/downloads/files/2009_172_gesamt_online.pdf 4. Leyk D, Rüther Th, Wunderlich M, et al.: Physical performance in

middle age and old age: Good news for our sedentary and aging so- ciety. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(46): 809–16.

Prof. Dr. med. Michael A. Scherer

Amperkliniken – Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie Krankenhausstraße 15

85221 Dachau

E-Mail: michael.scherer@amperkliniken.de

Schlusswort

Während Professor Scherer das untersuchte Kollektiv von über 500 000 Langstreckenläufern als „winzige Untergruppe der Gesamtbevölkerung“ einstuft, genü- gen Professor Kindermann die „Top 10 der weltbes- ten Marathonläufer“ zur Bewertung der altersassozi- ierten Leistungsentwicklung. Wie in unserer – von

Kindermann zitierten – Studie (1) explizit ausgeführt, ist eine Generalisierung/Übertragung der „Top- 10-Leistungscharakteristika“ aus verschiedenen Gründen problematisch und nicht sinnvoll. Studien belegen beispielsweise, dass das extreme Hochleis- tungstraining von Weltklasseathleten – unabhängig vom Lebensalter – nur selten länger als zehn Jahre absolviert werden kann (1). Hinzu kommen bei Redu- zierung auf die „Top-10“ enorme Selektionseffekte, genetische Besonderheiten, potenzielle Dopingpro- blematik etc. Leistungsvergleiche zwischen jüngeren Profisportlern und Amateuren im Seniorenalter mö- gen einfach und schnell durchführbar sein, sie reflek- tieren aber sicherlich nicht die bevölkerungsrelevan- ten altersphysiologischen Veränderungen im Ausdau- erbereich.

Generelles Problem bei der Ermittlung altersbeding- ter Leistungsänderungen ist die schwierige Abgren- zung von physiologischen Alterungsprozessen und Ef- fekten, die durch veränderte Alltagsgewohnheiten (zum Beispiel inaktiverer Lebensstil) verursacht werden.

Dies wurde in vielen sportmedizinischen Studien, die sich häufig auf kleine Populationen stützten, nicht be- rücksichtigt und hat letztlich zur Annahme geführt, dass es bereits ab dem 30. Lebensjahr zu „schicksalhaf- ten“ Leistungsverlusten kommt. Diese These ist ange- sichts der vorliegenden Daten nicht länger aufrecht zu halten.

Die Ausführungen von Kollegen Scherer machen es erforderlich, erneut auf die Zielsetzung der PACE-Stu- die hinzuweisen. Über die Analyse einer Subpopulation der Bevölkerung, die erfolgreich und selbstmotiviert gesundheitsrelevante Bewegungs- und Verhaltensmaß- nahmen praktiziert, sollte unter anderem das Potenzial von regelmäßigem Training für eine inaktive und al- ternde Gesellschaft deutlich gemacht werden. Ziel un- serer Studie war es aber nicht, ein repräsentatives Ab- bild des Ist-Zustandes in der Gesellschaft darzulegen.

Insofern sind das Zahlenverhältnis von Marathonläu- fern zur Allgemeinbevölkerung und die Frage, ob es sich um ein soziologisches Phänomen handelt, hier nicht von Belang. Wir teilen die Auffassung von Pro- fessor Scherer, dass die von ihm zitierten Statistiken ein düsteres Bild des Ist-Zustandes zeigen und es ein

„enormes Verbesserungspotenzial bei der Sportförde- rung“ der Bevölkerung gibt.

Zu dem Leserbrief von Herrn Prof. Dr. med. Ulmer:

Es ist unstrittig, dass Kenntnisse über „Sport-Kontrain- dikationen“ und „Sport-Nebenwirkungen“ in der sport- ärztlichen und allgemeinmedizinischen Praxis hohe Relevanz besitzen. Dies ist in den DGSP-Empfehlun- gen und in zahlreichen Monographien, wie auch in ei- genen Publikationen immer wieder thematisiert worden (2, 3). Zudem werden aufmerksame Leser im Artikel (Diskussion) entsprechende Hinweise finden.

Ebenso unstrittig ist allerdings die große Bedeu- tung regelmäßiger körperlicher Aktivitäten in Prä- vention und Therapie (4). Offenbar hat sich Kollege Ulmer – obwohl im Artikel mit eigener Überschrift („Marathon als leistungsphysiologisches Untersu-

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Seit etwa zehn Tagen sinken die Krankenhausneuaufnahmen mit COVID-19-Patienten und infolgedessen gehen seit den vergangenen Tagen die Belegungszahlen der

April ist die Belegung mit COVID-19- Patienten auf den Intensivstationen um fast zehn Prozent gesunken", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen

Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik und Poliklinik der Technischen Universität München und Vorsitzende der Bioethik-Kommission der Bayerischen Staatsregierung, durch die

Wenn der Autor den Einsatz des Nierenlithotrip- ters für zusätzliche Ausgaben im Jahre 1986 von rund 42 Millionen DM verantwortlich macht, so hat das vor allem damit zu tun,

Falsch ist eine Frage dann, wenn die Trennschärfe nicht stimmt, also nur geraten wird, und wenn die vorgege- bene richtige Antwort und die vorgegebenen plausiblen, aber

Achim Hoff- mann-Goldmayer, Vorstandsvorsit- zender der KV Baden-Württem- berg: „Bei einer Honorarentwick- lung von ⫺ 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal waren die

Während die großen Er- satzkassen, zum Beispiel die Barmer, bereits frühzeitig in den meisten Bun- desländern mit einzelnen Kranken- häusern und Rehabilitationsträgern

Die Ergebnisse zeigen auf, dass NZZ, Blick und 20 Mi- nuten eine Vielzahl unterschiedlicher Etiketten für die alternde Gesellschaft verwenden: demografischer Wan- del,