BELEGARZT
Zu dem Leserbrief „Vorzug"
der DKV in Heft 18/1988:
Weiterentwickeln
Das Anliegen der Bren- dan-Schmittmann-Stiftung zum Belegarztsystem in Deutschland war, den derzei- tigen Stand dieser Form sta- tionärer Versorgung darzu- stellen. Bisher gab es hierzu nur Zustimmung aus fast al- len Lagern. Die Belegärzte haben angeboten, an der Er- arbeitung von vergleichenden Kostenanalysen beider Syste- me mitzuwirken. Daß nun ausgerechnet von seiten der Kostenträger — sowohl GKV als auch PKV — Kritik geäu- ßert oder zumindest die Ko- stengünstigkeit des Beleg- arztsystems in Frage gestellt wird, muß schon etwas ver- wundern. Die Argumenta- tion der DKV ist schlicht falsch.
1. Die Vorzüge der durch- gehenden Behandlung prae- stationär — stationär — post- stationär ist nirgends sicherer garantiert als im Belegarztsy- stem. Nur die Hälfte der im übrigen weit mehr als 5515 Belegärzte arbeiten in Beleg- abteilungen hauptamtlicher Krankenhäuser. Sie sind aber trotzdem auch schon praesta- tionär engagiert. Der Patient wird nämlich fast ausnahms- los dem speziellen Belegarzt und nicht etwa dem Kranken- haus zugewiesen. Dieser ent- scheidet in der Regel erst in der ambulanten Phase, ob der zugewiesene Fall ambu- lant oder stationär weiterbe- handelt wird.
2. Gerade die von der Deutschen Krankenversiche- rung zu Recht apostrophier- ten Gynäkologen und HNO- Belegärzte handeln nach den in Punkt 1 angeführten Mo- dalitäten. Doppeluntersu- chungen gerade in diesen Ge- bieten sind also nahezu aus- geschlossen. Sie sind, wie ge- sagt, immer selbst die einwei- senden Ärzte, haben also fast alle Voruntersuchungen be- reits ambulant durchgeführt.
3. Es ist richtig, daß echte Vergleichsdaten zwischen
den beiden Versorgungssy- stemen fehlen. Würden näm- lich Belegabteilungen an hauptamtlichen Kliniken mit ihrem nahezu lächerlichen Arztkostenabschlag von 5 Prozent vom „großen Pflege- satz" mit „reinen" Beleg- krankenhäusern verglichen, dann würde sich das Bild zu- gunsten des Belegarztsystems noch viel deutlicher verän- dern.
Die Kostenträger sind si- cher gut beraten, nicht weiter an der qualitativen und finan- ziellen Seriosität des Beleg- arztsystem zu zweifeln, son- dern bei Pflegesatzverhand- lungen dessen Vorteile besser zu beachten und das Beleg- arztsystem damit zu fördern und weiterentwickeln zu hel- fen.
Dr. Klaus Michael Hahn, Vorstandsmitglied der Bren- dan-Schmittmann-Stiftung des NAV, Belfortstraße 9, 5000 Köln 1
HOMÖOPATHIE
Zu dem Beitrag von Dr. Bern- hard Knoche: „Wer hellt hat recht!" in Heft 16/1988:
Sumpfblüten
Der vielerorts geforderte und auch im Deutschen Ärzteblatt häufig qualifiziert vorgezeichnete Paradigmen- wechsel in der Medizin treibt gelegentlich auch Sumpfblü- ten. Was Veranlassung und was Ziel des berichteten Se- minargespräches nun tatsäch- lich war, bleibt in ihrem Bei- trag unklar. Mit Vehemenz wird hier der Standpunkt ei- ner (Hoch-)Schulmedizin dargestellt, der an eine Ver- teilungsauseinandersetzung um Wählerstimmen mehr er- innert als an eine naturwis- senschaftlich qualifizierte Diskussion. Hierzu hoffe ich, daß von seiten der homöo- pathischen Ärzte Qualifizier- teres gesagt wird, als von der zum Gespräch geladenen Kollegin. Völlig haltlos ist al- lerdings der Satz, daß Ho- möopathie „reine Psy- chotherapie, weiter nichts"
sei. Richtig ist hierin, daß wir
über das therapeutische Agens weder in der Psy- chotherapie noch in der Ho- möopathie laborchemisch faßbare Parameter vorfin- den. Die Modell-Überlegun- gen zu Heilungsvorgängen sind allerdings so unter- schiedlich, daß sowohl Dis- kutant als auch Berichterstat- ter mangelnde Sorgfalt wal- ten lassen. Alle Argumente, die die Psychotherapie außer- halb der Schulmedizin oder gar im Umfeld der alternati- ven Heilmethoden ansiedeln, verbauen der Schulmedizin diesen unerläßlichen Zugang zum Menschen.
In diesem Sinne wäre Ho- möopathie dann eine „unrei- ne" Psychotherapie.
Dr. med. Michael A. Ull- mann, Klinik Buching, Post- fach 37, 8959 Halblech
Potenzen
Frau Dr. Reich hat in ih- rem Vortrag unmißverständ- lich gesagt, daß sie wie jeder praktizierende Arzt in ihrer internistischen Fachpraxis dokumentiert, jedoch statisti- sche Auswertungen bislang aus Zeitmangel nicht durch- führen konnte. Dieses wurde ihr zum Vorwurf gemacht.
Wer einmal über homöopa- thische Behandlungsmetho- den nachgedacht hat, der müßte wissen, daß immer das Individuum in seiner Ge- samtsymptomatik erfaßt wird und es daher nur bedingt und mit außergewöhnlicher Mühe möglich ist, Patientenkollek- tive zu bilden und statistisch zu bewerten.
Merkwürdigerweise ent- zündeten sich die Beiträge der Diskussionsredner aus den Reihen der Hochschul- lehrer nicht etwa an der ei- gentlichen Thematik, son- dern weitgehend an der Refe- rentin und ihrer souveränen wie sachlichen Darstellungs- weise. Frau Dr. Reich hatte es verstanden, einen groß an- gelegten, medizinhistorisch und philosophisch untermau- erten Bogen von Aristoteles über Descartes bis zu den heutigen Erkenntnissen me-
dizinischer Wissenschaft un:
ter Einbeziehung von Samuel Hahnemanns homöopathi- schem Gedankengut. Dazu stellte sie eigene Heilerfolge mit der Homöopathie vor.
Die wenigen sachbezogenen, polemisierenden Angriffe von Prof. Dr. Pau als Oph- thalmologe wirkten peinlich und verstärkten beim Publi- kum die Neugier für das Vor- getragene, zumal in den von der Referentin angeführten Kasuistiken die Therapie mit homöopathischen Einzelmit- teln erfolgreich war.
Ich stelle die Frage, ob durch diesen selbstgefälligen Diskussionsstil von der ak- tualisierten Thematik alter- nativer Heilmethoden abge- lenkt werden sollte, oder sah man sogar durch die Aussa- gekraft des Vorgetragenen überkommene, zementierte Vorurteile gegen die Homöo- pathie durch eventuelle neue Denkansätze gefährdet?
Warum wußte man zum The- ma Homöopathie seitens der Hochschullehrer so wenig Substantielles zu sagen?
Wer sich wegen des Inter- esses am Thema in dieser Diskussion Anregung zur Er- weiterung seiner medizini- schen Erfahrungen erhofft hatte, wurde enttäuscht. Weil aber homöopathische Be- handlungserfolge nicht weg- diskutiert werden konnten und von Herrn Prof. Dr.
Kanzow, verantwortlich für ärztliche Fortbildung, dem Placeboeffekt zugeordnet werden sollten, richtete dar- aufhin Frau Dr. Reich beson- ders an ihn die spontane wie eindringliche Bitte: „Dann lehren Sie uns bitte Place- botherapie!" Dieser Auffor- derung wurde seitens der Hochschullehrer nichts ent- gegengesetzt, was zum Nach- denken anregen könnte.
Herrn Prof. Dr. Schade- waldt ist zu danken, daß er in seinem Seminar die Homöo- pathie mit ihren Möglich- keiten und Grenzen enga- giert und glaubwürdig aufzei- gen ließ.
Dr. med. Marie-Luise Werner, Am Pilgenbusch 14, 4047 Dormagen 1
A-1672 (8) Dt. Ärztebl. 85, Heft 23, 9. Juni 1988