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Archiv "Anhörung zum GKV-Änderungsgesetz: Mit Kritik wurde nicht gespart" (28.05.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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28. Mai 2010 A 1047 ANHÖRUNG ZUM GKV-ÄNDERUNGSGESETZ

Mit Kritik wurde nicht gespart

Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat Fachleute zum Omnibus- Gesetzespaket befragt. Im Vordergrund standen die Sparvorhaben für den Arzneimittelbereich – und erneut die Datensicherheit in Hausarztverträgen.

E

in wenig Schadenfreude lag in der Luft, als Bundesgesund- heitsminister Philipp Rösler (FDP) im März ein Bündel von Maß- nahmen vorlegte, um bei den Arz- neimittelausgaben in der gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) zu sparen und die Spielregeln der Preisbildung bei innovativen Me- dikamenten zu verändern. Ums Sparen bei Arzneimitteln komme eben kein Bundesgesundheitsminis- ter herum, urteilten damals viele.

Selbst wenn er damit die Wähler seiner Partei vor den Kopf stoße.

Rösler wiederum erläuterte, man hoffe auf jährliche Einsparungen von bis zu 1,8 Milliarden Euro.

Was sind schon 1,8 Milliarden Euro, merken manche Fachleute im Gesundheitswesen nun an. Sie sind davon überzeugt, dass den Kranken- kassen im nächsten Jahr zwischen neun und elf Milliarden Euro fehlen werden. Dazu kommt, dass man sich langsam an andere Dimensionen von Sparzwang gewöhnt. Die Bundesre- gierung muss bis zum Jahr 2016 mit jährlich zehn Milliarden Euro weni- ger für ihren Staatshaushalt aus- kommen. Das Wochenmagazin „Die Zeit“ hat unlängst aufgelistet, wel- che Grausamkeiten Union und FDP da einfallen könnten. Die rasche Halbierung des aktuellen Steuerzu- schusses zur GKV zählte mit 7,5 Milliarden Euro dazu.

Nachteile für orphan drugs und Biotechprodukte

Vor diesem Hintergrund fand am 19. Mai im Gesundheitsausschuss des Bundestages die Anhörung zu den im März angekündigten Spar- maßnahmen statt (Kasten). Ziel der Koalition ist es, wesentliche Teile davon bereits zum 1. August umzu- setzen. Dass die bislang geplanten Einsparungen nicht ausreichen wür-

den, um die aktuellen Finanzproble- me der Krankenkassen zu lösen, be- tonte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstands- vorsitzende des GKV-Spitzenver- bandes. Sie forderte eine Nullrunde für den ambulanten Bereich, aus- drücklich auch für die vertragsärzt - lichen Honorare: „Durch eine Null- runde könnten wir im ambulanten Bereich rund eine Milliarde Euro einsparen.“

Wie zu erwarten war, kritisierten Vertreter der Pharmaindustrie das Arzneimittelsparpaket. Bekanntlich sollen der Herstellerrabatt auf Arz- neimittel ohne Festbetrag von sechs auf 16 Prozent angehoben werden und ein Preisstopp rückwirkend zum 1. August 2009 greifen. Die Belastungen der Industrie beliefen sich allein dadurch auf mehr als 1,2 Milliarden Euro, hieß es vonseiten des Verbandes forschender Pharma - unternehmen (VFA). Dabei gingen von den GKV-Gesamtausgaben in Höhe von 171 Milliarden Euro le- diglich 6,7 Milliarden Euro an die Hersteller patentgeschützter Medi- kamente.

Der VFA verlangt, dass zumin- dest im Fall von Innovationen, für die bereits dezentrale Rabattverträ- ge mit den Krankenkassen ge- schlossen wurden, keine pauschale Anhebung um zehn Prozent gelten soll. VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer forderte zudem, ein- zelne Marktsegmente noch einmal genauer zu analysieren beziehungs- weise Härtefallklauseln zu erwä- gen. Sonst belaste man beispiels- weise die Produkte junger Biotech- unternehmen, die man in den letz- ten Jahren staatlich gefördert habe, nun mit hohen Rabatten, ähnlich wie sogenannte orphan drugs für seltene Erkrankungen.

Mit Interesse wurde im Rahmen der Anhörung die Argumentation

des Verbandes der privaten Kranken- versicherung (PKV) verfolgt. Ver- bandsdirektor Dr. Volker Leienbach forderte, die angestrebten Sofort- maßnahmen zur Ausgabenbegren- zung bei Arzneimitteln sollten auch für privat Krankenversicherte gel- ten. In den zehn Jahren zwischen 1997 und 2007 seien die Arzneimit- telausgaben in der gesetzlichen

Kritik an der Übergangsregelung zur Datenverarbeitung in Selektivverträgen übt weiterhin Thilo Weichert. Der Datenschützer fordert präzise Regeln für alle Sozialdaten.

Foto: PKVFoto: ULD

Gleiches Recht für alle forderte PKV-Verbandschef Volker Leien- bach. Auch PKV-Versicherte sollten von den Sparmaßnahmen bei Arzneimitteln profitieren.

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A 1048 Deutsches Ärzteblatt

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28. Mai 2010 Krankenversicherung um 68 Prozent,

in der PKV um 85 Prozent gestiegen.

Wenn man die Rabatte lediglich für zulasten der GKV verordnete Me- dikamente erhöhe, sagte Leien- bach „dann wird dieses Ungleich- gewicht natürlich noch größer“.

Der PKV-Verband verlangt aber nicht nur, dass auch er in Zukunft erstmals von einem Herstellerrabatt profitiert. Zusätzlich solle der Apo- thekenabschlag ebenfalls für Privat- versicherte gelten. Diesen Preis- nachlass von derzeit 2,30 Euro pro Packung müssen Apotheker bislang nur gesetzlich Krankenversicherten gewähren. „Es ist keinem Versicher- ten zu vermitteln, für dasselbe Arz- neimittel aufgrund seines Versicher- tenstatus einen höheren Preis zu zah- len“, argumentiert der Verband.

Das „Handelsblatt“ kommentier- te, darin zeige sich ein Strategie- wechsel bei den PKV-Unterneh- men. Die Argumentation passt in der Tat gut zur neuen Linie, vom Gesetz geber mehr Verhandlungs- macht gegenüber den Leistungser- bringern zu fordern. Ein Beispiel dafür ist der Vorschlag an den Ge- setzgeber, privaten Krankenversi- cherungsunternehmen die Möglich-

keit einzuräumen, mit Gruppen von Ärzten abweichend von der Amtli- chen Gebührenordnung Honorar- vereinbarungen zu treffen.

Universitätsklinika verlangen ebenfalls Ausgabendeckel Von Preisbegrenzungen bei Medi- kamenten würden auch die Univer- sitätsklinika gern profitieren. „Wir brauchen für innovative patentge- schützte Arzneimittel auch im Krankenhaus eine Deckelung der Preise wie bei den Vertragsärzten“, forderte Rüdiger Strehl, Generalse- kretär des Verbandes der Universi- tätsklinika (VUD), im Vorfeld der Anhörung. „Die Pharmafirmen dür- fen sich nicht auf unsere Kosten schadlos halten.“

Strehl wies darauf hin, dass der Anteil der Arzneimittelkosten in Krankenhäusern im Durchschnitt bei 5,1 Prozent der Gesamtausga- ben liege, in Universitätsklinika je- doch bei neun Prozent. Wenn es jetzt zu Preisdämpfungen im ver- tragsärztlichen Sektor komme, so die Sorge des VUD, würden die Pharmafirmen dies durch Preisstei- gerungen im stationären Bereich zu kompensieren versuchen.

Der Lübecker Hämatologe und Onkologe Priv.-Doz. Dr. med. habil.

Sebastian Fetscher äußerte sich ebenfalls kritisch zur Preispolitik der Pharmafirmen. In seinem Fach- bereich seien die Preise für Arznei- mittel in den letzten Jahren erheb- lich gestiegen, erklärte Fetscher.

Betrugen die Ausgaben für die am- bulante medikamentöse Krebsthe- rapie im Jahr 2003 noch 723 Millio- nen Euro, so waren es im Jahr 2008 bereits knapp 2,2 Milliarden Euro.

Abermals wurde ausführlich dar - über debattiert, ob man privaten Rechenzentren übergangsweise bis Juni 2011 erlauben solle, Daten aus Selektivverträgen zu verarbeiten.

Bundesgesundheitsminister Rösler hat diese Lösung im Gesetzespaket vorgesehen. Die SPD-Bundestags- fraktion will keine Übergangs - regelung, sondern die Erlaubnis un- befristet bestehen lassen. Die Dis- kussion dar über hält nun schon seit Monaten an, vor allem, weil es im Kern dabei immer auch um die Zukunft der Hausarztverträge nach

§ 73 b Sozialgesetzbuch V geht (DÄ, Heft 8/2010).

Der schleswig-holsteinische Lan- desdatenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert verwies im Rahmen der Anhörung auf eine aktuelle Ent- schließung der Datenschutzbeauf- tragten des Bundes und der Län- der zu diesem Thema. Darin wür- den präzise Regelungen für den Schutz von Sozialdaten gefordert,

„gleich, ob die Daten unter Ein- schaltung privater oder öffentlich- rechtlicher Abrechnungsstellen ver- arbeitet werden“.

Weichert hat in seiner schrift lichen Stellungnahme eine Vielzahl von Gründen aufgeführt, warum er eine Verlängerung der jetzigen Regelung für unzulässig hält. So bemängelt er, dass die Vertragspartner im Rahmen der Hausarztverträge festlegen könn- ten, welche Daten sie benötigten und verarbeiteten, und sich dies nicht nach Vorgaben im Sozialgesetzbuch richten müsse. Als Beispiel führte Weichert das Softwaremodul an, mit dessen Hilfe Verordnungsdaten über- mittelt werden. Es werde faktisch „als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zwischen Kassen und Hausarztver- bandsbereich behandelt“.

Weicherts Ansicht widersprach unter anderem der ehemalige säch- sische Datenschutzbeauftragte. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Wei- geldt, konterte, die Hausärzte hätten kein Interesse an einer Aushöhlung der Schweigepflicht und seien be- reit, jedes geforderte Datenschutz- niveau zu erfüllen.

Gegen den Vorschlag, die Ab- rechnung im Rahmen der Hausarzt- wie anderer Selektivverträge den Kassenärztlichen Vereinigungen zu übertragen, wandte sich Johann- Magnus von Stackelberg, stellver- tretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes: Es müsse möglich sein, in Selektivverträgen Abrechnungsmöglichkeiten vorzu- sehen, die nicht über die Kassenärzt- lichen Vereinigungen liefen. Der Bundesverband der Betriebskran- kenkassen wie auch der Verband der Ersatzkassen haben sich zur beab- sichtigten Übergangsregelung aller- dings kritisch geäußert. ■ Sabine Rieser Mit ihrem „Gesetz zur Änderung krankenversicherungs-

rechtlicher und anderer Vorschriften“ wollte die schwarz- gelbe Koalition zunächst nur einige wenige Änderungen am Sozialgesetzbuch (SGB) vornehmen. Dazu zählt bei- spielsweise die einjährige Verlängerung der Übergangs - regelung, wonach Patientendaten aus Hausarztverträgen nach § 73 b SGB V an privatärztliche Verrechnungsstellen weitergeleitet werden dürfen. Der Entwurf hat den Bun- desrat bereits im ersten Durchgang passiert und befindet sich nun in erster Lesung im Bundestag.

Mittlerweile werden mit dem Änderungsgesetz aber zu- gleich Teile der geplanten Neuerungen für den Arzneimit- telbereich auf den Weg gebracht, die Bundesgesundheits- minister Philipp Rösler (FDP) Ende März als Eckpunkte präsentierte, nämlich die schnell wirksamen Sparmaßnah- men. Dadurch sollen die Krankenkassen allein im Jahr 2011 um schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro entlastet werden.

Damit die Regelungen bereits zum 1. August in Kraft treten können, wurde das „Omnibus-Verfahren“ gewählt.

Dabei werden Regelungen an ein Vorhaben gehängt, das sich bereits im Gesetzgebungsprozess befindet.

EIN NEUER OMNIBUS

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