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Archiv "Strukturreform: Leitlinien der Liberalen" (24.03.1988)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

Dieter Thomae

Strukturreform:

Leitlinien der Liberalen

I

C a uwumr f l di eeg ts dBeurn dReesfuerrbeenitres n ei nu ti -- steriums zu einem Gesund- heitsreformgesetz vor, hagelt es von allen Seiten herbe Kritik. Dies ist angesichts der Vielzahl der Betroffe- nen — 92 Prozent der Versicherten sowie alle Gesundheitsberufe und ihre Interessenverbände — nicht ver- wunderlich, da eine Reform, bei der es außer den Versicherten keine Be- günstigten gibt, massive Kritik aus- lösen mußte.

Überraschend ist allerdings die nahezu einhellige Ablehnung der Betroffenen und die negative Beur- teilung des Reformwerkes im Gan- zen. Dieser Einschätzung kann ich mich nicht anschließen, denn wenn wir schon die Notwendigkeit der Re- form angesichts immer weiter stei- gender Kosten und Beiträge im Grundsatz bejahen — hierin sind sich alle Beteiligten einig — können und dürfen wir uns nicht von den geplan- ten Strukturmaßnahmen verschlie- ßen.

Sicherlich ist berechtigte Kritik anzumelden in vielen Bereichen des Referentenentwurfs — insofern stellt er für uns nach wie vor eine Diskus- sionsgrundlage dar, die in einigen Punkten noch ergänzender Klärung und Änderung bedarf, die — und da bin ich ganz zuversichtlich — auch er- folgen wird.

Bereits Abstand genommen hat auf Betreiben der F.D.P. das Bun- desarbeitsministerium von ursprüng- lichen Bestrebungen — wie zum Bei- spiel Eingriffe in die Autonomie der kassenärztlichen Selbstverwaltung bei der Honorarverteilung, Beein- trächtigungen des eigenständigen Vertragsrechts der Ersatzkassen und von Erschwernissen für die Grün- dung von Betriebskrankenkassen.

Weitere Änderungen sind vonnöten, von denen ich einige wichtige, vor

allem den ärztlichen Bereich betref- fend, im folgenden näher erläutern möchte.

• Wir müssen dem berechtig- ten Vorwurf von zuviel Staatsdirigis- mus und Zentralismus begegnen, das heißt, es darf keine generelle Er- mächtigung des Ministers für Arbeit und Soziales im Gesetz eingebaut werden.

• Die Selbstverwaltung muß Vorrang haben. Die vorgesehene Bewertung der Leistungen bei Zahnersatz durch den Gesetzgeber ist für die F.D.P. ein unerträglicher Eingriff des Staates in eine Kernauf- gabe der gemeinsamen Selbstver- waltung und kann deshalb so nicht stehenbleiben. Auch die in anderen Bereichen vorgesehenen staatlichen Konfliktlösungen sollten so weit wie möglich durch selbstverwaltete Schiedsstellenverfahren ersetzt wer- den.

Es ist für mich nicht akzeptabel, daß Ministerialbeamte die Bewer- tung von Leistungen vornehmen, die zum Kernbereich der Aufgaben der Selbstverwaltung zählen — dies wer- den wir nicht hinnehmen.

• Auch im Bereich des Daten- schutzes sollten die Initiativen, die die Selbstverwaltung zur Schaffung von mehr Transparenz eingeleitet hat, nicht durch den Gesetzgeber konterkariert werden.

Dies bedeutet: keine automati- sche Übertragung von Daten über ärztliche Leistungen und Diagnose von den Kassenärztlichen Vereini- gungen an die Kassen! Dies bedeu- tet allerdings nicht, daß das Lei- stungsgeschehen nicht transparenter gemacht werden muß.

Bislang haben die Vertragspart- ner (Kassenärztliche Vereinigungen und Kassen) nur einen begrenzten Einblick in das Leistungsgeschehen gehabt, nämlich über ein „Prüfsy- stem` daß die Wirtschaftlichkeit des einzelnen Arztes an statistischen Durchschnittswerten der jeweiligen Fachgruppen mißt Gleichwohl er- faßt diese Wirtschaftlichkeitsprü- fung nur die auffälligen Ausschläge über einer statistisch definierten Wirtschaftlichkeitslinie, individuelle Praxiswirtschaftlichkeit wird dage- gen nur begrenzt überprüft. — Dem- gegenüber erfordert eine einzelfall-

bezogene, durchgängige Prüfung so- wohl der ärztlichen Leistung als auch im Hinblick auf Anspruch und Wirtschaftlichkeit veranlaßter Lei- stungen eine Differenzierung nach Millionen von Anspruchsberechtig- ten (den Versicherten), mehreren tausend Ärzten sowie weiteren Ver- tragspartnern.

Im Hinblick auf die Systemge- rechtigkeit erscheint eine Weiterent- wicklung des Prüfverfahrens unum- gänglich, diese — wie ich meine — je- doch nicht im Wege so umfassender gesetzlicher Institutionalisierung, wie sie der Entwurf des Gesund- heits-Reformgesetzes (GRG) der- zeit vorsieht, und deren ordnungs- politische wie auch datenschutz- rechtliche Brisanz noch nicht ab- schließend geklärt ist. Leitlinie für uns Liberale ist vielmehr, diese Auf- gabe der gemeinsamen Selbstver- waltung der Kassenärztlichen Verei- nigung und Krankenkassen zu über- lassen.

Als beispielhaft und richtungs- weisend schätze ich in diesem Zu- sammenhang das hessische Transpa- renzmodell zwischen der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung und den diversen Krankenkassenverbän- den, das die Vereinbarung zur Plausibilitätskontrolle und zur Ver- hinderung von Abrechnungsmani- pulationen zum Gegenstand hat und seit April 1987 intensivere Prüftätig- keit durch die gemeinsame Selbst- verwaltung erlaubt, die auch prakti- ziert wird.

Dies unter Beteiligung auch der Versicherten, denn sie können mit Hilfe einer sogenannten Anforde- rungskarte von der KV Hessen auf Wunsch erfahren, welche Leistun- gen der Arzt im letzten Quartal für sie abgerechnet hat und welches Bruttohonorar die Kasse dafür zahlt

Der Patient wird dadurch nicht primär zum Kontrolleur des Arztes gemacht, der Arzt selbst bietet die Kostenkenntnis an und kann damit auch selbst, weil er einen Ausdruck seiner Leistungsabrechnung erhält, Irrtümer oder

Mißverständnisse aus- räumen, und letztlich hält sich auch

der zusätzliche Verwaltungs- und Kostenaufwand in vertretbarem Rahmen

Dt. Ärztebl. 85, Heft 12, 24. März 1988 (31) A-767

(2)

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Ein Transparenzmodell

Sinnvoll im Sinne von mehr Transparenz ist auch folgendes Mo- dell, das die F.D.P. von Anfang an favorisiert hat: Die Kassenärztlichen Vereinigungen bereiten die Daten der ärztlichen Leistungen sowohl — wie bisher — arztbezogen als auch versichertenbezogen auf und stellen diese Daten im Rahmen der Wirt- schaftlichkeits- und Stichprobenprü- fungen den paritätisch besetzten Prüfungsausschüssen, die in Ausge- staltung und Prüfungsfrequenz er- weitert werden müßten, für die je- weiligen Überprüfungen der Arzte zur Verfügung. Wünschenswert wä- re in diesem Zusammenhang, wenn die Kassen die Daten der veranlaß- ten Leistungen (beispielsweise die Rezeptverordnungsblätter) die bei den Kassen zusammenlaufen, aufbe- reitet nach Arzt und Versicherten ebenfalls in diese Prüfung einbrin- gen würden — zur Zeit ist eine Prü- fung von veranlaßten Leistungen nur zeitverzögert möglich — damit in dem einzig zuständigen Gremium für Prüfungsaufgaben eine effektive und effiziente Kontrolle ausgeübt werden könnte.

Ein darüber hinausgehender Datenaustausch von Kassenärzt- lichen Vereinigungen an Kasse oder umgekehrt wäre bei dieser Lösung nicht erforderlich und hätte zweifels- ohne den Vorteil, nicht dem Vor- wurf der Datenschnüffelei ausge- setzt zu sein. Es wäre auch ein Be- weis dafür, daß die gemeinsame Selbstverwaltung in der Lage ist, aus eigener Kraft zu mehr Leistungs- transparenz beizutragen, ohne daß es einschneidender Reglementie- rung durch den Gesetzgeber be- dürfte.

Wir müssen auch der geplanten Überbürokratisierung entgegensteu- ern, das heißt, wir müssen die Er- weiterung und Aufblähung eines neu zu installierenden medizinischen Dienstes verhindern. Dieser soll nach dem GRG-Entwurf in jedem Bundesland als rechtsfähige Körper- schaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung errichtet werden.

Dies bedeutet: neue eigenstän- dige Behörde mit zum Teil sehr weitgehenden Befugnissen, die

zwangsläufig dazu führen müssen, daß Personal und Kosten rapide zu- nehmen, also statt bislang tausend Ärzten schätzungsweise dreitau- send.

Hier sei dann die Frage nach Kosten und Nutzen erlaubt. Es soll- te daher überlegt werden, ob der medizinische Dienst nicht vernünfti- gerweise entweder

• den Kassen oder

• den Kassenärztlichen bzw.

Kassenzahnärztlichen Vereinigun- gen angegliedert oder

• ein medizinischer Dienst in Form von selbständigen Gutachtern aufgebaut werden soll.

Persönlich plädiere ich für die Er- stellung ärztlicher und amtsärzt- licher Gutachten und Zeugnisse durch unabhängige ärztliche Gut- achter, die als Sachverständige öf- fentlich zu bestellen und zu vereidi- gen sind, vergleichbar der Gutach- tertätigkeit beim Technischen Über- wachungsverein.

Als letzten Punkt möchte ich auf die neue Aufgabenverteilung für die Krankenhäuser zu sprechen kom- men. Das vorgesehene Kündigungs- recht der Kassen für Krankenhäuser oder für Krankenhausabteilungen ist eine wichtige strukturelle Verände- rung im stationären Sektor. Über weitere Schritte wird bei der Vorla- ge des Erfahrungsberichts zum neu- en Krankenhausrecht zu entschei- den sein. Bei der Strukturreform muß dem Vorrang für die kosten- günstige ambulante Versorgung Rechnung getragen werden. Des- halb dürfen die Krankenhäuser nicht Aufgaben erhalten, die der ambu- lante Sektor kostengünstiger durch- führen kann Dieser Gefahr gilt es bei der vorgesehenen vorstationären Diagnostik entgegenzuwirken. Die Prüfung, ob vorstationäre diagnosti- sche Maßnahmen nicht auch von niedergelassenen Fachärzten durch- geführt werden können, sollte im Zusammenwirken von Krankenhaus und kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen.

Dr. Dieter Thomae MdB 5300 Bonn 1, Bundeshaus

Der Verfasser ist Obmann der F.D.P.-Frak- tion im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung.

B

ei überraschend, befremdend oder gar kurios anmutenden Besetzungen von Spitzenposi- tionen sollte man in der Regel nicht zu tiefgründig über (partei-)politi- sche oder lobbyistische Motive grü- beln. Entscheidungsgremien treffen eben nicht selten ihre Wahl auch nach gruppendynamischen Grund- sätzen, die sich im allgemeinen auf unverhohlen-aggressive Steinzeitre- geln (etwa nach dem Motto: „Haust Du meine Tante, hau' ich Deinen Onkel") oder die subtileren Parkin- son-Gesetze zurückführen lassen.

Zu den nur schwer einzuordnen- den Entscheidungen zählt die Wahl, die jetzt der aus Vertretern der Bun- desländer bestehende Verwaltungs- rat des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen in Mainz (IMPP) getroffen hat. Zur Neubesetzung in diesem Frühjahr stand die Position des Direktors die- ser nicht immer erschütterungsfreien Prüfungsbehörde an. Wer erinnert sich nicht an die „Skandalprüfun- gen" mit plötzlichen hohen Durch- fallquoten im „Physikum" Alle zeigten mit dem Finger auf „die bö- se Behörde". Nur die wenigsten wollten sehen, daß die Examina in Zusammenarbeit mit führenden Fachvertretern entstanden (Ausnah- me in den letzten Jahren: die Physio- logen), und der eigentliche Skandal

— die politische Korrektur mißlicher Prüfungsergebnisse — weitgehend unbenannt bleibt.

Wenig Anstoß hatte bisher der Umstand erregt, daß seit Gründung der Institution ein Jurist an der Spit- ze stand: Dr. iur. H.-J. Kraemer. Er baute das Haus auf, strukturierte es in verwaltungsmäßiger Hinsicht und betrieb eine konsequent-erfolgrei- che Besetzungspolitik, die ihm auch persönlichen Respekt bei der wich- tigsten Zielgruppe — den als Sachver- ständige zu gewinnenden Hoch- schullehrern — einbrachte. Bei der jetzt anstehenden Neubesetzung des auf sechs Jahre zu vergebenden Chefsessels bestand in Mediziner- A-768 (32) Dt. Ärztebl. 85, Heft 12, 24. März 1988

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