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Diplomarbeit. Rechte und Pflichten des Vor- und Nacherben

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Academic year: 2022

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Diplomarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz

Rechte und Pflichten des Vor- und Nacherben

Vorgelegt von:

Anna Sophie Friedrich

Beurteilerin:

Univ.-Prof. Dr.iur. Ferrari Susanne

Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht

Graz, Juli 2021

(2)

II Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Anna Sophie Friedrich, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am

Anna Sophie Friedrich

(3)

III Hinweis zur sprachlichen Gleichbehandlung und zur Zitierweise

Aus Gründen besserer Lesbarkeit wird im Rahmen dieser Seminararbeit auf eine geschlechterspezifische Differenzierung verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für beiderlei Geschlecht gleichermaßen.

Die Zitierweise dieser Arbeit richtet sich nach den Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen.1

1 AZR8 (2019).

(4)

IV Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Nacherbschaft ... 2

2.1 Die Entwicklung der Nacherbschaft ... 2

2.2 Die Nacherbschaft ... 4

2.2.1 Allgemeines ... 4

2.2.2 Gesetzliche Grenzen ... 5

2.2.3 Auslegung ... 6

2.2.4 Erlöschen der Nacherbschaft ... 7

2.2.4.1 Einvernehmliche Aufhebung ... 9

2.2.4.2 Umwandlung in eine Nacherbschaft auf den Überrest ... 9

2.2.5 Behandlung der Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren ... 10

2.2.5.1 Inventarisierung der Verlassenschaft ... 11

2.2.5.2 Aufnahme in den Einantwortungsbeschluss ... 11

2.2.5.3 Bestellung eines Substitutionskurators ... 12

2.2.5.4 Sicherung der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft ... 12

a. Anmerkung im Grundbuch und Eintragung im Firmenbuch ... 12

b. Sicherung des beweglichen Vermögens ... 13

2.2.6 Nacherbschaft und Pflichtteilsrecht ... 14

2.2.7 Konstruktive Nacherbfolge ... 16

2.3 Nacherbschaft auf den Überrest ... 17

2.3.1 Zweifelsregel gem § 614 ABGB ... 18

2.3.2 Behandlung der befreiten Vorerbschaft im Verlassenschaftsverfahren ... 18

2.4 Exkurs: Besitznachfolgerecht ... 19

3 Rechtsstellung des Vorerben ... 22

3.1 Verlassenschaftsverfahren und Erbantrittserklärung des Vorerben ... 22

3.2 Befristetes oder bedingtes Vorerbrecht ... 23

3.3 Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls ... 24

3.4 Rechte des Vorerben ... 25

3.4.1 Rechte eines Fruchtnießers ... 25

(5)

V 3.4.2 Unterschiede zwischen dem Fruchtgenussrecht und der Rechtsstellung des

Vorerben ... 27

3.4.2.1 Recht auf die Früchte ... 29

3.4.2.2 Änderung der Bewirtschaftungsart ... 31

3.4.2.3 Gefundener Schatz ... 31

3.4.2.4 Ersatz gemachter Aufwendungen aufgrund der Verpflichtung zur Erhaltung ...32

3.4.3 Veräußerbarkeit der Vorerbenstellung ... 33

3.4.3.1 Verpfändung des Vorerbrechts ... 34

3.4.4 Vererblichkeit der Vorerbenstellung ... 34

3.5 Pflichten des Vorerben und Schranken des Vorerbrechts ... 35

3.5.1 Sorgfaltspflicht, aber keine Bewirtschaftungspflicht ... 35

3.5.2 Verfügungen des Vorerben ... 36

3.5.2.1 Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts ... 37

3.5.2.2 Miet- und Pachtverträge ... 38

3.5.2.3 Exekutionsführung ... 39

3.5.2.4 Belastungsverbot ... 39

3.5.2.5 Vom Vorerben vorgenommene Veräußerungen ... 40

3.5.2.6 Ausnahmen vom Verfügungsverbot ... 41

a. Zustimmung des Nacherben ... 41

b. Erfüllung von Verbindlichkeiten der Verlassenschaft ... 41

c. Erforderlichkeit der Verfügung zur Vermeidung von Schäden ... 42

3.5.3 Rechnungslegungspflicht des Vorerben ... 42

3.5.4 Herausgabepflicht des Vorerben ... 44

3.6 Die Rechtsstellung des befreiten Vorerben ... 45

3.6.1 Keine Beschränkung des Eigentums ... 45

3.6.1.1 Grenze: Rechtsmissbrauch ... 46

3.6.2 Pflichten ... 46

3.6.2.1 Herausgabepflicht ... 46

3.6.2.2 Surrogationsgrundsatz ... 47

4 Rechtsstellung des Nacherben ... 48

4.1 Anwartschaftsrecht des Nacherben ... 48

4.2 Eintritt des Nacherbfalls ... 48

(6)

VI

4.2.1 Nacherbe als Erbe des Verstorbenen ... 48

4.2.2 Erbfähigkeit des Nacherben ... 49

4.3 Rechte des Nacherben ... 50

4.3.1 Der Erbschaftserwerb durch den Nacherben ... 50

4.3.1.1 Fortführung der Verlassenschaftsabhandlung ... 50

4.3.1.2 Keine Wiederaufnahme der Verlassenschaftsabhandlung ... 52

4.3.1.3 Abgabe der Erbantrittserklärung vor dem Eintritt des Nacherbfalls ... 53

4.3.1.4 Überholte Ansichten ... 55

4.3.2 Veräußerbarkeit der Nacherbenstellung ... 56

4.3.3 Vererblichkeit der Nacherbenstellung ... 56

4.3.4 Erbverzicht und Ausschlagungsrecht ... 57

4.3.5 Erbschaftsklage des Nacherben ... 57

4.3.6 Schutz gegen Störungen des Nacherbrechts und Herausgabeansprüche vor Eintritt des Nacherbfalls ... 59

4.3.7 Schadenersatzanspruch des Nacherben ... 60

4.3.8 Herausgabeanspruch des Nacherben ... 61

4.3.9 Surrogationsgrundsatz ... 62

4.4 Pflichten des Nacherben ... 63

4.4.1 Haftung für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft ... 63

4.4.2 Eintritt in vom Vorerben geschlossene Verträge und Haftung ... 65

4.4.2.1 Gesetzliche angeordnete Vertragsübernahme ... 65

4.4.2.2 Haftung für vom Vorerben eingegangene Verbindlichkeiten ... 66

a. Ordnungsgemäße Verwaltung ... 66

b. Eingehen von Schulden außerhalb der ordnungsgemäßen Verwaltung ... 66

4.4.3 Herausgabepflicht des Nacherben ... 68

4.5 Die Rechtsstellung des Nacherben bei einer befreiten Vorerbschaft ... 68

5 Schlusswort ... 71

6 Judikaturverzeichnis ... 73

6.1 Rechtssätze ... 73

6.2 OGH ... 75

7 Literaturverzeichnis ... 78

(7)

VII Abkürzungsverzeichnis2

ABGB Abs aF AußStrG AußStrG 1854 BGBl

BlgNR bzw ecolex EFSlg EF-Z EO

ErbRÄG 2015 ErläutRV EvBl f ff GBG gem GKG GP

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946 (idF BGBl I 2021/121)

Absatz alte Fassung

Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111 (idF BGBl I 2019/38) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen RGBl 1854/208 Bundesgesetzblatt

Beilage, -n zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates

beziehungsweise

Die Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen Zeitschrift für Familien- und Erbrecht

Exekutionsordnung RGBl 1896/79 (idF BGBl I 2021/86) Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 BGBl I 2015/87

Erläuterungen zur Regierungsvorlage

Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen und der, die folgende

und der, die folgenden

Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 BGBl 1955/39 (idF BGBl 2020/81)

gemäß

Gerichtskommissärsgesetz BGBl 1970/343 (idF BGBl I 2018/58)

Gesetzgebungsperiode

2 AZR8 (2019).

(8)

VIII hA

HGB hL hM Hrsg idF iFamZ immolex iSd iVm JBl JEV JN leg cit MietSlg MRG NZ OGH ÖBA ÖJZ RGBl RPflE Rz RZ-EÜ

herrschende Ansicht

Handelsgesetzbuch dRGBl 1897, 219 (aufgehoben durch BGBl I 2005/120)

herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber

in der Fassung

Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht Neues Miet- und Wohnrecht

im Sinne des, – der in Verbindung mit Juristische Blätter

Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge

Jurisdiktionsnorm BGBl 1895/111 (idF BGBl I 2020/148) legis citatae (der zitierten Vorschrift)

Mietrechtliche Entscheidungen

Mietrechtsgesetz BGBl 1981/520 (idF BGBl I 2021/59) Österreichische Notariats-Zeitung

Oberster Gerichtshof

Österreichisches Bankarchiv Österreichische Juristen-Zeitung Reichsgesetzblatt

Sammlungen von Rechtsmittelentscheidungen in Exekutionssachen

Randzahl

Österreichische Richterzeitung Entscheidungsübersicht

(9)

IX S

sog SZ UGB vgl wobl Zak ZIK ZPO

Satz

sogenannt, -e, -er, -es

Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-) sachen

Unternehmensgesetzbuch dRGBl 1897, 219 (idF BGBl I 2021/86)

vergleiche

Wohnrechtliche Blätter Zivilrecht aktuell

Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz

Zivilprozessordnung RGBl 1895/113 (idF BGBl I 2020/148)

(10)

1 1 Einleitung

Neben all den Absichten, die durch eine letztwillige Verfügung festgehalten werden, ist es oft ein Bedürfnis eines letztwillig Verfügenden, sein Vermögen über einen Erben hinaus zu binden.

Dies erfüllt den Zweck, dass das Vermögen, benötigt es der „erste“ Erbe beispielsweise nicht mehr oder kann er es nicht mehr gebrauchen, einem weiteren Erben dienen soll. Dazu eignet sich die Nacherbschaft, die dem Verstorbenen die Möglichkeit gibt nach dem Erben weitere Erben, den – oder die – sog Nacherben einzusetzen.

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit soll auf die Nacherbschaft im Allgemeinen eingegangen werden. Zu Beginn wird kurz die Entwicklung der Nacherbschaft behandelt, bevor die Nacherbschaft idF des ErbRÄG 2015 erörtert wird. Dabei wird unter anderem das Erlöschen der Nacherbschaft, die Behandlung der Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren, die Nacherbschaft im Verhältnis zum Pflichtteilsrecht und die konstruktive Nacherbfolge besprochen. Nicht zuletzt wird die besondere Form der Nacherbschaft, die Nacherbschaft auf den Überrest, thematisiert.

Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich – wie das Thema bereits verrät – mit den Rechten und Pflichten des Vorerben und des Nacherben. Aufgeteilt in zwei Abschnitte wird zuerst auf die Rechtsstellung des Vorerben und in Folge auf die Rechtsstellung des Nacherben eingegangen und beispielsweise Einblicke in das befristete oder bedingte Vorerbrecht oder das Anwartschaftsrecht des Nacherben gegeben. Um das zentrale Thema dieser Diplomarbeit deutlich hervorzuheben, wird jeweils, nach Ausführungen betreffend die Rechtsstellung, spezifisch sowohl auf die Rechte als auch die Pflichten des Vor- bzw Nacherben eingegangen.

Dabei werden etwa das Problem der Vererblichkeit der Vorerbenstellung behandelt sowie Fragen bezüglich der Pflichten des Nacherben aufgeklärt.

Insbesondere der durch das ErbRÄG 2015 erweiterte § 613 ABGB wird umfassend untersucht, um die durch diese – auch nach dem ErbRÄG 2015 noch immer – sehr unpräzise formulierte Bestimmung aufgeworfenen Fragen bezüglich der Rechte und Pflichten sowohl des Vor- als auch des Nacherben klären zu können. Neben der Analyse diverser Lehrmeinungen wird überdies ein Einblick in die Judikatur des OGH zu den maßgeblichen Normen gegeben bevor abschließend eigene Überlegungen bezüglich der Nacherbschaft mit dem Leser geteilt werden.

(11)

2 2 Nacherbschaft

2.1 Die Entwicklung der Nacherbschaft

Aufgrund des Widerspruchs zum leitenden Grundsatz des römischen Rechts „semel heres, semper heres“3 war im alten Rom die Anerkennung der Nacherbschaft im heutigen Sinne ausgeschlossen und dem Verstorbenen war es nicht erlaubt, nacheinander mehrere Erben einzusetzen. Obwohl sozialpolitische und wirtschaftliche Bedenken gehegt wurden, da durch die Einsetzung von Nacherben das von der Nacherbschaft erfasste Vermögen übermäßig lange gebunden werden könnte, folgte das ABGB diesem römischen Grundsatz nicht mehr und bildete die „fideikommissarische Substitution“4 zur wirklichen Nacherbfolge fort. Daraufhin blieben die Bestimmungen betreffend die Nacherbschaft im ABGB lange Zeit unverändert und es wurde lediglich die ein oder andere Norm im Zuge weiterer Reformen sporadisch geändert.5 Das österreichische Erbrecht geht zum größten Teil auf die Stammfassung des ABGB aus dem Jahr 1811 zurück.6 Mit der „großen“ Erbrechtsreform (dem ErbRÄG 2015), die größtenteils am 1. Jänner 2017 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Intention verfolgt, das Erbrecht des ABGB sowohl sprachlich als auch in seinen Regelungsinhalten an das 21. Jahrhundert anzupassen. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Anforderungen an das Erbrecht geändert, nicht zuletzt dadurch, dass der Durchschnittsmensch heutzutage viel länger lebt als beispielsweise im Jahr 1811, was wiederum dazu führt, dass das Erbrecht weniger der materiellen Versorgung der potenziellen Erben oder Pflichtteilsberechtigten dienen muss.

Trotzdem hat man bei der Erststellung des ErbRÄG 2015 darauf geachtet, dass die Modernisierung moderat erfolgte und Bestimmungen nur geändert wurden, wo dies wirklich notwendig war. Überwiegend wurde im Zuge der Erbrechtsreform die herrschende Rechtsprechung kodifiziert, was darauf zurückzuführen ist, dass besondere Aufmerksamkeit der „kontinuierlichen Rechtsentwicklung“ gegolten hat.7

3 Das heißt: „Wer einmal Erbe geworden ist, braucht die Erbschaft nicht mehr herauszugeben“; Meyers Großes Konversations-Lexikon, Semel heres semper heres, http://www.zeno.org/Meyers- 1905/A/Semel+heres+semper+heres (abgefragt am 26. Mai 2021).

4 Erst seit dem ErbRÄG 2015 wird von der „Nacherbschaft“ gesprochen.

5 Sailer, Nacherbschaft im 21. Jahrhundert, in Schurr/Umlauft (Hrsg), Festschrift für Bernhard Eccher (2017) 995 (997 f) mwN.

6 Hofmair/Motal/Reiter/Schauer/Wöss, Erbrechtsreform: Paradigmenwechsel oder Window Dressing? JEV 2015, 40 (40).

7 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 1.

(12)

3 Bis auf sprachliche Veränderungen blieben die zentralen Bestimmungen der Sache nach überwiegend aufrecht. Der alte Begriff „fideikommissarische Substitution“ wurde mit dem ErbRÄG 2015 gänzlich durch den Terminus Nacherbschaft ersetzt, weshalb das Zehnte Hauptstück des ABGB nunmehr „Von der Ersatz- und Nacherbschaft“ spricht.

Die „Substitution auf den Überrest“, die nunmehr als Nacherbschaft auf den Überrest in § 609 ABGB gesetzlich normiert ist, war auch ohne ausdrückliche Verankerung im Gesetz schon vor dem ErbRÄG 2015 als allgemeine Regel anerkannt. Das gleiche gilt für das Surrogationsprinzip, das im Zuge der Erbrechtsreform 2015 in § 613 Abs 3 ABGB Eingang in die Gesetzordnung gefunden hat.8

Durch eine Änderung in § 611 ABGB wurde klargestellt, dass nur natürliche Personen als Zeitgenossen uneingeschränkt als Nacherben eingesetzt werden können. In den § 613 Abs 2 bis 4 ABGB wurde die hM bezüglich wichtiger Grundfragen betreffend die Rechtsstellung des Vorerben kodifiziert, wie etwa die Verfügungsbefugnis des Vorerben mit Zustimmung des Nacherben, das Surrogationsprinzip und die Rechte des Vorerben bei einer befreiten Vorerbschaft. Neben vielen weiteren neu determinierten Zweifels- und Auslegungsregelungen hat der § 617 ABGB durch das Ersetzen des Wortes „Nachkommenschaft“ durch „Kinder“

nicht bloß eine sprachliche Modernisierung erfahren, sondern die Änderung hat auch dazu geführt, dass die strittige Frage, ob Adoptivkinder als Nachkommen in Frage kommen und zu einem Erlöschen der Nacherbschaft führen, in Zukunft klar beantwortet werden kann.9

Kritisiert wird, dass die Erbrechtsreform 2015 nicht dazu genutzt wurde die teilweise sogar seit der Stammfassung des ABGB bestehenden Regelungslücken zu schließen. Von Stimmen aus der Lehre kommt der Vorwurf, man hätte versäumt, die unklare Rechtsstellung zwischen Vor- und Nacherben zu klären sowie das Verfahrensrecht in Bezug auf die Nacherbschaft an die heutige Zeit anzupassen und gesetzlich zu normieren.10

Anwendung finden die neuen Bestimmungen betreffend die Ersatz- und Nacherbschaft in §§

604–617 ABGB, die mit 1. Jänner 2017 in Kraft getreten sind nur für Erbfälle, bei denen der Verstorbene nach dem 31. Dezember 2016 verstorben ist (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).11

8 Sailer in FS Eccher 995 (995) mwN.

9 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13; Sailer in FS Eccher 995 mwN.

10 Hofmair/Motal/Reiter/Schauer/Wöss, JEV 2015, 40 (40).

11 Sailer in FS Eccher 995 (995) mwN.

(13)

4 2.2 Die Nacherbschaft

2.2.1 Allgemeines

In den §§ 608 ff ABGB wird die Möglichkeit des Verstorbenen behandelt, festzulegen, dass nach12 dem ersteingesetzten Erben, dem Vorerben, noch weitere Erben an die Reihe kommen sollen.13 Die sog Nacherbschaft kann sich dabei auf die gesamte Verlassenschaft des letztwillig Verfügenden oder aber auch nur auf einen Teil beziehen.14

Der letztwillig Verfügende hat den Zeitpunkt, zu dem der Nacherbe die Erbschaft vom Vorerben übernehmen soll, zu verfügen. Hat der Verstorbene den Umstand, der die Nacherbfolge auslösen soll – den sog Nacherbfall – nicht festgelegt, tritt dieser gem § 608 Abs 2 ABGB mit dem Tod des Vorerben ein.15

Zu beachten ist, dass der letztwillig Verfügende die Auswahl der Nacherben – wie auch der Erben gem § 564 ABGB – selbst vornehmen muss und die Ernennung nicht anderen Personen, beispielsweise den Erben16, überlassen darf.17 Der OGH18 sagt, dass diesem Erfordernis auch dann nicht entsprochen sei, wenn der letztwillig Verfügende dem Vorerben die Auswahl des Nacherben aus einem bestimmten Personenkreis überlasse. Tue er dies trotzdem, versucht die Judikatur eine solche Anordnung als Auflage (Auftrag) iSd §§ 709 ff ABGB zu beurteilen, um die letztwillige Verfügung durch Umdeutung zumindest teilweise zu retten. Der OGH19 sprach jedoch, Kletečka20 folgend, aus, dass die Auflage, durch die auch außerhalb einer Nacherbschaft eine Nacherbschaft angeordnet werden soll – in diesem Fall, dass der Tod des Vorerben den Nacherbfall bildet – in unzulässiger Weise die Testierfreiheit des Vorerben beeinträchtigt und somit ungültig sei.

12 Im Gegensatz dazu bestimmt der letztwillig Verfügende bei der Ersatzerbschaft einen anderen Erben für den Fall, dass der ersteingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt - der Ersatzerbe tritt anstelle des ersteingesetzten Erben die Erbschaft an; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 5.194.

13 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.194.

14 OGH 1 Ob 243/72 SZ 45/118; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 608 ABGB Rz 1.

15 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.209 mwN.

16 OGH 5 Ob 121/07s EF-Z 2008/20; RIS-Justiz RS0012394.

17 Welser, Erbrechts-Kommentar § 608 ABGB Rz 1.

18 RIS-Justiz RS0012394.

19 OGH 10 Ob 14/04p NZ 2006/34 = RZ-EÜ 2005/165.

20 Die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen, JBl 1999, 277 (288).

(14)

5 Ausreichend für die Annahme einer Nacherbschaft ist jedoch eine gewisse Bestimmbarkeit der Nacherben in letztwilligen Verfügungen21 oder wenn der letztwillig Verfügende einem Dritten die Auswahl des Nacherben nach sachlichen Kriterien überlässt.22

Gem § 608 Abs 1 S 2 ABGB hat der eingesetzte Nacherbe im Zweifel auch als Ersatzerbe zu gelten. Diese Zweifelsregel kommt in der Praxis etwa dann zum Tragen, wenn der Verstorbene A zu seinem Alleinerben erklärt und B als Nacherbe für den Zeitpunkt des Todes von A eingesetzt hat. A ist jedoch bereits vor dem letztwillig Verfügenden verstorben, was den Nacherben B zum Ersatzerben für A macht.23

2.2.2 Gesetzliche Grenzen

Um eine dauerhafte Bindung des Vermögens zu vermeiden, finden sich im Gesetz Grenzen, die der letztwillig Verfügende bei der Errichtung einer Nacherbschaft zu beachten hat.24 Dabei wird differenziert, ob es sich um Zeitgenossen des Verstorbenen handelt oder um Nacherben, die noch nicht geboren sind.

§ 611 ABGB erlaubt eine uneingeschränkte Einsetzung von Zeitgenossen als Nacherben und stellt klar, dass nur natürliche Personen als Zeitgenossen in Frage kommen können.

Voraussetzung ist, dass diese im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geboren oder zumindest gezeugt25 sind.26 Damit durch bereits gezeugte, kryokonservierte27 entwicklungsfähige Zellen der Zweck der Bestimmung, allzu lange Vermögensbindungen zu verhindern, nicht vereitelt wird, sind nur jene bereits gezeugten Personen vom Terminus

„Zeitgenossen“ erfasst, die „[...]nach einer – zeitlich gesehen – üblichen Schwangerschaft das Licht der Welt erblicken“.28

Die Einsetzung von Nichtzeitgenossen als Nacherben ist gem § 612 ABGB jedoch beschränkt.

Einer Unterscheidung bedarf es hierbei zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen.

Bei Geld oder sonstigen beweglichen Sachen hat der letztwillig Verfügende die Möglichkeit,

21 OGH 10 Ob 1517/93 NZ 1994, 115; RIS-Justiz RS0012380, zuletzt OGH 8 Ob 112/08s NZ 2009/55 = EvBl 2009/94.

22 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.210 mwN.

23 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.194.

24 Eccher/Umlauft, Bürgerliches Recht VI – Erbrecht7 (2020) Rz 4/111.

25 Verwiesen wird in § 611 S 2 ABGB auf § 22 ABGB.

26 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.213 f.

27 Unter Kryokonservierung versteht man das Einfrieren und Lagern von Zellen und Gewebe.

28 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13.

(15)

6 die Nacherbschaft zum Vorteil von Nichtzeitgenossen auf bis zu zwei Nacherbfälle wirksam zu verfügen. Bei unbeweglichem Vermögen ist die Einsetzung von Nichtzeitgenossen als Nacherben auf einen Nacherbfall begrenzt.29

Die unterschiedliche Betrachtung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen kann dazu führen, dass es selbst innerhalb einer Verlassenschaft zu verschiedenlangen Vermögensbindungen kommt. Zu beachten ist, dass auch eine nachträgliche Veränderung der Nacherbschaftsmasse – beispielsweise, wenn aufgrund einer Liegenschaftsveräußerung Geld anstelle der unbeweglichen Sache tritt – an der jeweiligen Bindungsdauer nichts ändert.30 Hat der letztwillig Verfügende sowohl Zeitgenossen als auch Nichtzeitgenossen als Nacherben eingesetzt, werden bei der Bestimmung der Nacherbfälle nur die Nichtzeitgenossen gezählt, die die Erbschaft annehmen, die Einsetzung von Zeitgenossen bleibt auch hier unbeschränkt, weshalb diese bei der Berechnung der Nacherbfälle nicht miteinbezogen werden.31

2.2.3 Auslegung

Herrscht Unklarheit über die Art und den Umfang einer bestehenden Nacherbschaft besagt § 614 ABGB, dass die Anordnung des letztwillig Verfügenden so zu interpretieren ist, sodass die Freiheit des Vorerben am wenigsten eingeschränkt ist. Das gleiche gilt – seit dem ErbRÄG 2015 auch ausdrücklich gesetzlich normiert32 – auch für den Fall, in dem es zu ermitteln gilt, ob überhaupt eine Nacherbschaft angeordnet worden ist.33

Nach Kletečka/Holzinger34 stellt § 614 ABGB nicht bloß eine allgemeine Auslegungsregel dar, viel mehr wird durch diese Regelung der Bestimmtheitsmaßstab für die Anordnung einer Nacherbschaft angehoben. Diese muss unzweifelhaft und mit voller Bestimmtheit verfügt werden, ein Befehlston ist jedoch nicht obligatorisch.35 Laut OGH36 handelt es sich bei einem bloßen Rat bzw einer einfachen Empfehlung an den Erben, die Verlassenschaft zu einem späteren Zeitpunkt einem anderen zu überlassen, nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft, denn diese muss, um Gültigkeit zu erlangen, erkennbar angeordnet sein.

29 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.213 mwN.

30 OGH 1 Ob 849/33 SZ 15/202; Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/111; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–

824 ABGB (2019) § 612 ABGB Rz 4 mwN.

31 OGH 7 Ob 88/65 SZ 38/65; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.215 mwN.

32 RIS-Justiz RS0012555; ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13.

33 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 1 (Stand 1.1.2018, rdb.at);

Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 614 ABGB Rz 1.

34 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 4 mwN.

35 RIS-Justiz RS0038393.

36 OGH 2 Ob 272/52 SZ 25/85 = JBl 1953, 125.

(16)

7 2.2.4 Erlöschen der Nacherbschaft

Vom Erlöschen einer Nacherbschaft ist nur dann die Rede, wenn diese vorzeitig unwirksam wird, nicht hingegen, wenn sie in Folge des Eintritts des Nacherbfalls beendet wird. Nach hA37 sind die Gründe für das Erlöschen im Gesetz nicht taxativ aufgezählt, neben den §§ 615 ff ABGB stellen unter anderem auch die einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft durch den Vor- und Nacherben, die gemeinsame Umwandlung38 einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest sowie die vom Vorerben vorgenommene Veräußerung des Vorerbrechts an den Nacherben Erlöschungsgründe dar.39

§ 615 Abs 1 S 2 ABGB zählt zwei Gründe auf, die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen.

Einerseits erlischt diese, wenn kein berufener Nacherbe mehr vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn der letzte Nacherbe, ohne Nachkommen zu hinterlassen, vor Eintritt des Nacherbfalls verstorben ist40 aber auch wenn alle zulässig berufenen Nacherben die Erbschaft angetreten haben, sie nicht mehr antreten können oder sie ausgeschlagen haben.41 Verstirbt der Nacherbe hingegen vor Eintritt des Nacherbfalls unter Hinterlassung von Erben, so geht auf diese gem Abs 2 leg cit im Zweifel das Recht des Nacherben über. Voraussetzung dafür ist, dass der verstorbene Nacherbe erst nach dem die Nacherbschaft letztwillig Verfügenden gestorben ist, sowie dass der Nacherbe terminisiert berufen worden ist, etwa wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll.42 Wurde der Nacherbe hingegen unter einer aufschiebenden Bedingung berufen, erhält er die Nacherbschaft erst mit Eintritt der Bedingung und er muss diesen Zeitpunkt erleben sowie dabei des Erbens fähig sein.43

Der OGH44 hat in einer Entscheidung ausgesprochen, dass, wenn der Nacherbe mit der Kinderlosigkeit des Vorerben aufschiebend bedingt berufen ist, nicht die Zweifelsregel gem § 615 Abs 2 ABGB zur Anwendung kommt, sondern iSd § 703 ABGB vorzugehen ist.

37 RIS-Justiz RS0012573, zuletzt OGH 9 Ob 80/14a EvBl-LS 2015/105.

38 OGH 6 Ob 136/07d iFamZ 2009/174.

39 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.234; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB- ON1.04 § 615 ABGB Rz 7 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at) mwN.

40 RIS-Justiz RS0127621, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

41 RIS-Justiz RS0127621; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 615 ABGB Rz 2.

42 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

43 OGH 2 Ob 212/00s EFSlg 93.284; Apathy/Neumayr in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 608 ABGB Rz 4.

44 RIS-Justiz RS0127624, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Sailer in FS Eccher 995 (1011).

(17)

8 Andererseits kommt es zu einem Erlöschen der Nacherbschaft, wenn der Verstorbene diese unter einer aufschiebenden Bedingung errichtet hat und die Bedingung nunmehr endgültig nicht eintreten kann.

In § 616 ABGB wird die Nacherbschaft in Bezug auf eine testierunfähige Person als Vorerbe behandelt. Im Gesetz wird hierbei zwischen zwei verschiedenen Varianten differenziert:

Abs 1 leg cit behandelt den Fall, dass der Verstorbene den von ihm eingesetzten Vorerben irrtümlich für testierunfähig gehalten hat, dieser aber tatsächlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Es wird davon ausgegangen, dass für den letztwillig Verfügenden die Testierunfähigkeit des Vorerben kausal für die Errichtung einer Nacherbschaft war, weshalb die Nacherbschaft im Zweifel ungültig ist.

In der zweiten Variante gem Abs 2 leg cit ist der eingesetzte Vorerbe tatsächlich – wie vom letztwillig Verfügenden angenommen – testierunfähig. Erlangt der Vorerbe in weiterer Folge die Testierfähigkeit ist auch hier im Zweifel von einem Erlöschen der Nacherbschaft auszugehen. Einmal erloschen bleibt dies auch dann so, wenn der vormalige Vorerbe daraufhin seine Testierfähigkeit wieder verliert.45

Im Gegensatz dazu war vor dem ErbRÄG 2015 für das Erlöschen der Nacherbschaft von Bedeutung, ob die (vermeintlich) testierunfähige Person bei voller Besonnenheit selbst ein Testament errichtet.46

Eine weitere Zweifelsregel die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen kann stellt § 617 ABGB dar. In diesem Fall hat der Verstorbene seinem Kind eine Nacherbschaft angeordnet, dieses hatte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch keine (zumindest dem letztwillig Verfügenden bekannte) Kinder. Es wird angenommen, dass der letztwillig Verfügende die Nacherbschaft mit seinem Kind als Vorerben nur deshalb verfügt hat, da er sich in Unkenntnis über die künftige Entwicklung befunden hat. Wäre er sich hingegen im Klaren über die Zukunft gewesen, hätte er die Nacherbschaft nicht angeordnet. Somit erlischt im Zweifel die Nacherbschaft, wenn das Kind des Verstorbenen später doch eigene erbfähige Kinder hinterlässt.47

45 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 616 ABGB Rz 1 ff.

46 Welser in Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch4 (2014) § 616 ABGB Rz 2 ff.

47 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 617 ABGB Rz 2 f.

(18)

9 Zu beachten ist, dass sämtliche hier genannten Zweifelsregeln durch den Beweis des Gegenteils – eines anderen Willens des letztwillig Verfügenden – entkräftet werden können.48

2.2.4.1 Einvernehmliche Aufhebung

Wie bereits eingangs erwähnt kann die Nacherbschaft zudem durch den Vor- und die Nacherben einvernehmlich aufgehoben werden.49 Zu beachten ist, dass die Übereinkunft stets zwischen allen möglichen Nacherben getroffen werden muss, selbst der Ersatzerbe hat zuzustimmen. Die einvernehmliche Aufhebung kann durchaus auch gegen den Willen des Verstorbenen getroffen werden.50

2.2.4.2 Umwandlung in eine Nacherbschaft auf den Überrest

Einen zumindest teilweisen Verzicht auf die Nacherbschaft stellt die Umwandlung einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest dar. Durch diese Übereinkunft verzichtet der Nacherbe auf seine Rechtsstellung als „voller“ Nacherbe und der Vorerbe wird zum befreiten Vorerben.51

Zu seiner Rechtswirksamkeit bedarf diese Verfügung laut OGH eines Notariatsaktes oder gerichtlichen Protokolls gem § 1278 Abs 2 ABGB, wie dies auch für den Erbschaftskauf gilt.

Dieser Ansicht folgen auch einige Stimmen aus der Lehre: Weiß52 ist der Meinung, dass ein solches Rechtsgeschäft einem Zusammenfallen der Position des Berechtigten und Verpflichteten eines belasteten dinglichen Rechts gleichkomme und darin eine Veräußerung einer Erbschaft, die dem Nacherben angefallen sei oder dieser bereits angetreten habe, liege.

Dass eine einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft schon vor Eintritt des Nacherbfalls möglich sei, vertritt Ehrenzweig53. Der Nacherbe habe die Möglichkeit die Nacherbschaft auszuschlagen und sein unbedingtes Erbrecht dem Vorerben gem § 1278 ABGB abzutreten.

Nach Kralik54 könne eine Unwirksamkeit der Nacherbschaft vom Nacherben dadurch herbeigeführt werden, dass der Nacherbe sein noch nicht angefallenes Nacherbrecht für den Fall, dass es entstehen sollte, gem §§ 1278 ff ABGB auf den Vorerben übertrage.

48 § 615 ABGB: Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 2 mwN; § 616 ABGB: Welser, Erbrechts- Kommentar § 616 ABGB Rz 7; § 617 ABGB: OGH 7 Ob 733/86 SZ 60/7.

49 RIS-Justiz RS0012563, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner).

50 Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 4 mwN.

51 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

52 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

53 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

54 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

(19)

10 Eine andere Meinung vertritt diesbezüglich Welser55. Bei einer solchen Vereinbarung handle es sich um einen bloßen Verzicht und nicht um eine Erbschaftsveräußerung, da vor allem das wesentliche Kriterium, nämlich die Übertragung eines Erbrechts, nicht vorhanden sei. Deshalb bedürfe es zu ihrer Gültigkeit auch weder eines Notariatsakts noch ein gerichtlichen Protokolls iSd § 1278 ABGB. Durch den Verzicht auf oder die Aufhebung von Beschränkungen komme es nicht zu einem Rechtsübergang auf den Verpflichteten, viel eher führe dies zu einem Rechtsuntergang. Bei einer Aufhebung der Nacherbschaft behalte der Vorerbe sein Erbrecht in Umfang und Quote unverändert bei, lediglich die zeitliche Einschränkung und die Verfügungsbeschränkungen über die Nacherbschaftsmasse fielen weg. Die bessere Rechtsstellung des Vorerben resultiere schlichtweg aus dem Verzicht des Nacherben auf sein Erbrecht.56

Die Vereinbarung zwischen Vor- und Nacherben, wodurch der Nacherbe seine Rechtsposition als „voller“ Nacherbe verliert, birgt die Gefahr der Übereilung. Der Vorerbe hat die Möglichkeit durch ein Verschenken (von Teilen) der Nacherbschaftsmasse die Nacherbschaft auf den Überrest endgültig zu beseitigen. Dies macht den Nacherben schutzbedürftig, was eine Anwendung der Formvorschriften des § 1278 Abs 2 ABGB laut OGH nahelegt. Nicht zuletzt verfolgt die besondere Form auch einen Beweissicherungszweck.57

2.2.5 Behandlung der Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren

Den Kern des Verlassenschaftsverfahren stellt die Verlassenschaftsabhandlung (§§ 156 ff AußStrG) dar. Diese findet statt, wenn die Abhandlung nicht gem § 153 AußStrG unterbleibt, es nicht zu einer Überlassung an Zahlungs statt kommt und auch kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wird.58 Das Verlassenschaftsgericht hat die Nacherben, wenn zu ihren Gunsten eine Nacherbschaft angeordnet wurde, hiervon gem § 176 Abs 1 AußStrG zu verständigen.59

55 Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 3 mwN.

56 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

57 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz); Haunschmidt/Haunschmidt, Erbschaft und Testament6 (2020) 52.

58 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 12.15.

59 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/117; Holzner, Der Erbschaftserwerb des Nacherben, JBl 2020, 425 (425).

(20)

11 2.2.5.1 Inventarisierung der Verlassenschaft

§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG sieht vor, dass zwingend eine Inventarisierung der Verlassenschaft durchzuführen ist, wenn auf eine Nacherbschaft Bedacht genommen wird.60 Dasselbe gilt auch, wenn es sich um eine Nacherbschaft auf den Überrest handelt.61

Das Inventar stellt eine vollständige Aufzeichnung der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dar, soweit diese nicht höchstpersönlich sind.62 Sind jedoch nur gewisse Gegenstände von der angeordneten Nacherbschaft erfasst, sind auch nur diese zwingend in das Inventar aufzunehmen, es wird ein sog Teilinventar erstellt.63

Der Nacherbe ist als Erbe des Verstorbenen – und nicht des Vorerben – Partei im Verlassenschaftsverfahren nach diesem und somit auch zur Errichtung des Inventars zu laden.64 Die Errichtung des Inventars hat von Amts wegen zu erfolgen und fällt in die zwingende Zuständigkeit des Notars als Gerichtskommissär gem § 1 Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 GKG.65 Die Errichtungskosten des Inventars hat die Verlassenschaft iSd § 168 Abs 3 AußStrG zu tragen.66 Da die letztwillige Verfügung die Grundlage für eine zwingende Inventarisierung darstellt, können die Parteien nur sehr eingeschränkt darüber disponieren. Eine Möglichkeit die Anwendbarkeit des § 164 Abs 1 Z 4 AußStrG auszuschließen wäre ein gemeinsames Verzichten aller Nacherben auf die zu ihren Gunsten angeordnete Nacherbschaft.67

2.2.5.2 Aufnahme in den Einantwortungsbeschluss

Der Einantwortungsbeschluss hat neben einigen notwendigen Angaben auch den Umstand, dass die Rechte der Erben durch Nacherbschaften beschränkt sind, zu enthalten (§ 178 Abs 2 Z 1 AußStrG). Handelt es sich um eine Nacherbschaft auf den Überrest ist auch darauf hinzuweisen.68 Auch den Nacherben ist der Einantwortungsbeschluss zuzustellen.69

60 Oswald in Schneider/Verweijen (Hrsg), AußStrG Kommentar (2019) § 165 Rz 1.

61 Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth (Hrsg), Kommentar zum Außerstreitgesetz Band I2: JN & AußStrG (2019)

§ 165 Rz 6.

62 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 1.

63 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 20.

64 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 16.

65 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 3, 5.

66 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.237.

67 Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 165 Rz 2.

68 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.238.

69 Holzner, JBl 2020, 425 (426).

(21)

12 2.2.5.3 Bestellung eines Substitutionskurators

Sind Ungeborene zu Nacherben berufen, ist von Amts wegen ein sog Substitutionskurator zu bestellen (§ 277 Abs 1 ABGB iVm § 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG). Dieser hat die Interessen der ungeborenen Nacherben zu wahren und sie in etwaigen Prozessen betreffend deren Rechte – der Kurator tritt in diesen in Vertretung der Ungeborenen als Partei auf – zu vertreten.70 In Bezug auf die Nacherbschaftsmasse kommt dem Kurator kein Vertretungs- oder Verwaltungsrecht zu und er hat auf diese keinen Einfluss.71

Eine andere Meinung vertritt hier Oswald72, der die zwingende Erforderlichkeit einer Bestellung eines Substitutionskurators bezweifelt. Seiner Meinung nach finde sich erstens keine gesetzliche Grundlage hierfür und zweitens wären die Rechte des ungeborenen Nacherben ohnehin ausreichend sichergestellt, da gem § 164 Abs 1 Z 4 AußStrG zwingend von Amts wegen ein Inventar zu errichten ist und die Beschränkung durch die Nacherbschaft in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen wird.

Kommen nur noch Personen als Nacherben infrage, die bereits geboren sind, endet die Tätigkeit des Substitutionskurators.73 Ab der Geburt hat der gesetzliche Vertreter die Interessenwahrung anstelle des Substitutionskurators zu übernehmen.74 Vorzeitig kann ein Substitutionskurator nur abberufen werden, wenn ohne jegliche Zweifel davon ausgegangen werden kann, dass ein nachfolgeberechtigter Nacherbe nicht mehr geboren wird.75

2.2.5.4 Sicherung der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft a. Anmerkung im Grundbuch und Eintragung im Firmenbuch

Obwohl in der geltenden Fassung des AußStrG76 und in § 20 lit a GBG nicht ausdrücklich genannt, ist bei einer Verlassenschaft, in der sich unbewegliche Sachen befinden, von Amts wegen die Anmerkung der Nacherbschaft im B-Blatt – dem Eigentumsblatt – des Grundbuchs vorzunehmen, das sog Substitutionsband. Die Eintragung der Nacherbschaft hat bei

70 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.241.

71 Welser, Erbrechts-Kommentar § 612 ABGB Rz 6 mwN.

72 Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 17.

73 Welser, Erbrechts-Kommentar § 612 ABGB Rz 6 mwN.

74 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/118.

75 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/118.

76 Gem § 158 Abs 1 S 1 AußStrG 1854 mussten Substitutionen auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden; RIS-Justiz RS0008149.

(22)

13 Einzelunternehmen sowie bei eingetragenen Personengesellschaften (OG, KG) gem § 4 Z 3 FBG im Firmenbuch zu erfolgen, bei Kapitalgesellschaften gem § 5 iVm § 4 Z 3 FBG.77 Das Substitutionsband hat die Wirkung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, welches sämtliche dingliche Verfügungen des Vorerben – auf die Ausnahmen wird unten eingegangen – die die Rechtsstellung des Nacherben nachteilig berühren, gegenüber Dritten nichtig macht.

Anderes gilt bezüglich einer Nacherbschaft auf den Überrest, bei welcher das Substitutionsband einer Veräußerung der Liegenschaft nicht im Wege steht. Da mit der Veräußerung das unbewegliche Vermögen nicht mehr Teil des „Überrests“ ist, fällt auch die Grundlage für eine Anmerkung der Nacherbschaft im Grundbuch weg und das Substitutionsband kann gelöscht werden.78 Die Entscheidung darüber, ob eine im Grundbuch eingetragene Nacherbschaft bereits erloschen ist, hat nicht das Grundbuchsgericht, sondern das Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde.79

Die Eintragung des Substitutionsbandes steht auch der Einverleibung eines sowohl vertraglichen als auch zwangsweise begründeten Pfandrechts entgegen, sofern der Nacherbe dieser nicht zustimmt.80

Ist die Nacherbschaft beendet, sind die Bindungen aufgehoben und das Substitutionsband im Grundbuch zu löschen.81

b. Sicherung des beweglichen Vermögens

Im Gegensatz zur alten Fassung des AußStrG82 enthält die derzeit geltende auch keine Regelungen bezüglich der Sicherung des beweglichen Vermögens zum Vorteil der Nacherben.

Jedoch vertritt Ferrari83 die Meinung, dass § 176 Abs 2 AußStrG zumindest auf minderjährige oder sonst schutzberechtigte Nacherben zur Anwendung kommt, was bedeutet, dass deren Rechte von Amts wegen sichergestellt werden müssen. Nach der Ansicht Verweijens84 wäre die

77 OGH 2 Ob 167/16x iFamZ 2017/102; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.239 mwN; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum ABGB Klang-Kommentar3 – §§ 552–646 (2017) § 613 ABGB Rz 10.

78 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.239 mwN; RIS-Justiz RS0006749.

79 RIS-Justiz RS0007570.

80 RIS-Justiz RS0002605; RIS-Justiz RS0012560.

81 RIS-Justiz RS0127620.

82

83 Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.240.

84 Schneider/Verweijen, AußStrG Kommentar (2019) § 176 Rz 9.

(23)

14 Konsequenz bei Ferraris Meinung, dass der Vorerbe die gesamte Verlassenschaft gem § 56 ZPO bei Gericht erlegen müsste, was dazu führen würde, dass diesem die Nutzung unmöglich wäre und dies unabhängig davon, ob der Nacherbfall jemals eintrete.

Nach hM steht dem Nacherben, wenn die Substanz gefährdet ist, ein Sicherstellunganspruch gem § 520 ABGB zu, insoweit es sich nicht um eine befreite Vorerbschaft handelt.85

2.2.6 Nacherbschaft und Pflichtteilsrecht

Hat der Verstorbene über seine Verlassenschaft letztwillig verfügt und eine Nacherbschaft angeordnet ist trotzdem das Pflichtteilsrecht nicht außer Acht zu lassen. Dabei ist zwischen folgenden Konstellationen zu unterscheiden: Einerseits, wenn der letztwillig Verfügende eine pflichtteilsberechtigte Person nicht bedacht hat, andererseits, wenn ein Pflichtteilsberechtigter als Vorerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist.86

Im ersteren Fall muss der Vorerbe die Berichtigung des Pflichtteils vornehmen.87 Der Umstand, dass eine Nacherbschaft angeordnet ist, mindert nicht den Wert der Verlassenschaft, da die Nacherbschaft nicht in die Pflichtteilsberechnung miteinbezogen wird.88

Handelt es sich bei den Vor- oder Nacherben selbst um Pflichtteilsberechtigte gibt es verschiedene Auffassungen in der Lehre, wie dieser Umstand, insbesondere die sich vermeintlich widersprechenden § 762 ABGB und § 766 ABGB zu behandeln sind.

Vor dem ErbRÄG 2015 galt gem § 774 aF ABGB, dass der Pflichtteil ganz frei bleiben muss und jede, diesen einschränkende Bedingung oder Belastung ungültig ist. Im Gegensatz dazu hindern derartige Beschränkungen nach geltender Rechtslage gem § 762 ABGB nicht die Eignung zur Pflichtteilsdeckung, sie ziehen lediglich eine Wertminderung nach sich.89 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage90 ist als Beispiel unter anderem die Anordnung einer Nacherbschaft genannt, diese ist somit einer Anfechtung durch den Pflichtteilsberechtigten nicht zugänglich.

Gem § 766 ABGB hat der letztwillig Verfügende die Möglichkeit eine Stundung des Pflichtteilanspruchs bzw eine Zahlung in Teilbeträgen bis zu fünf Jahre nach seinem Tod

85 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/117; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.240 mwN.

86 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216.

87 RIS-Justiz RS0012558.

88 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216.

89 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 10.27.

90 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 25.

(24)

15 anzuordnen. Abs 1 S 1 leg cit gilt für den Geldpflichtteil, Abs 1 S 2 leg cit findet bei letztwillig hinterlassenen pflichtteilsdeckenden Zuwendungen Anwendung. Daraus lässt sich schließen, dass der gesamte Pflichtteil nach höchstens fünf Jahren (im Ausnahmefall nach zehn Jahren) vollständig gedeckt sein muss.91

Einerseits normiert § 766 Abs 1 S 2 ABGB, dass der Zufluss von Werten an die pflichtteilsberechtigte Person auf höchstens fünf Jahre erstreckt werden darf, andererseits erlaubt § 762 ABGB hingegen jede sukzessive Pflichtteilsdeckung ohne Befristung. Dieser vermeintliche Normenwiderspruch wird in der Lehre unterschiedlich interpretiert.92

Barth93 ist der Meinung, dass eine Zuwendung nach § 762 ABGB zu bewerten sei, dem Pflichtteilsberechtigten aber ein Ergänzungsanspruch zustehe, wenn der Pflichtteil nach Ablauf der Fünfjahresfrist noch nicht gänzlich erfüllt worden ist.94 Somit ergänzen sich § 762 ABGB und § 766 ABGB seiner Ansicht nach.

Nach Umlauft95 habe die pflichtteilsberechtigte Person nach Ablauf der fünf Jahre ein Wahlrecht zwischen der unmittelbaren Leistung des noch zu ergänzenden Pflichtteils in Geld oder auf Beibehaltung der ursprünglichen Art der sukzessiven Zuwendung.

Giller96 hingegen vertritt die Ansicht, dass § 762 ABGB Vorrang gegenüber § 766 ABGB genieße, da letztere Norm sich lediglich auf die Stundung des Geldpflichtteilanspruchs beziehe da § 766 Abs 1 S 2 ABGB – wonach sich die Regelung auch auf Zuwendungen bezieht, die den Pflichtteil decken – ein Redaktionsversehen darstelle. Somit kommt auf pflichtteilsdeckende letztwillige Zuordnungen nur § 762 ABGB zur Anwendung.

Im Ergebnis vertritt auch Tschugguel97 die zuletzt dargestellte Meinung und unterscheidet zwischen § 762 ABGB, der das Gestaltungsinteresse und § 766 Abs 1 S 2 ABGB, der das Stundungsinteresse des letztwillig Verfügenden betreffe. Somit hätten beide Normen einen unterschiedlichen Inhalt und welche Bestimmung anzuwenden sei, hänge von der Absicht des Verstorbenen ab. Diese Auffassung teilt auch Ferrari98, wonach bei der Anordnung einer Vor- oder Nacherbschaft – da der letztwillig Verfügende die Pflichtteilsdeckung primär gestalten

91 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 10.30.

92 Tschugguel, Pflichtteilsdeckung neu – Zur Auflösung eines (scheinbaren) Normenwiderspruchs, EF-Z 2017, 111 (111).

93 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 10.31 mwN.

94 Tschugguel, EF-Z 2017, 111 (111).

95 Tschugguel, EF-Z 2017, 111 (111) mwN.

96 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 10.31 mwN; Tschugguel, EF-Z 2017, 111 (111).

97 EF-Z 2017, 111 (112).

98 Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216; Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 10.31.

(25)

16 wollte – wohl § 762 ABGB zur Anwendung komme und § 766 ABGB somit nicht heranzuziehen sei.

Da einem pflichtteilsberechtigten Vorerben – es sei denn es handelt sich um eine befreite Vorerbschaft – nur ein Fruchtgenussrecht an der Verlassenschaft gebührt99 ist gem § 762 iVm

§ 780 Abs 2 ABGB der Wert des Vorerbrechts zu ermitteln. Dieser lehnt sich am, dem Vorerben zustehenden, Wert des Fruchtgenussrechts an. Der pflichtteilsberechtigte Vorerbe kann gem § 763 ABGB eine Ergänzung in Geld fordern, wenn sein Pflichtteilsanspruch durch den Wert des ihm zustehenden Vorerbrechts nicht gedeckt ist.

Dasselbe gilt für einen pflichtteilsberechtigten Nacherben, für diesen der Wert des Nacherbrechts zu berechnen ist. Die Höhe des Wertes der Nacherbschaft hängt davon ab, ob diese nur unter einer Bedingung verfügt wurde oder eine Befristung in ferner Zukunft vorsieht.

Deshalb ist es auch möglich, dass die Nacherbschaft auch ohne jeglichen Wert ist. Ein ergänzender Geldpflichtteil ist gem § 763 iVm § 765 ABGB zu fordern.100

2.2.7 Konstruktive Nacherbfolge

Die Regelungen bezüglich der Nacherbschaft werden auch angewendet, wenn es zu einer bedingten oder befristeten Erbeinsetzung gem §§ 707 f ABGB kommt. Bei der sog konstruktiven Nacherbfolge sind die gesetzlichen Erben des Verstorbenen entweder Vor- oder Nacherben. Dies hängt davon ab, ob ein Erbe vom Verstorbenen aufschiebend bedingt oder befristet eingesetzt worden ist, oder es sich um eine Einsetzung unter einer auflösenden Bedingung oder Befristung handelt. Bei ersterer Variante stellen die gesetzlichen Erben des Verstorbenen Vorerben dar, bei letzterer sind sie Nacherben. Hat der Verstorbene eine noch nicht gezeugte Person aufschiebend bedingt mit ihrer Geburt als Erbe eingesetzt, treten die gesetzlichen Erben als Vorerben das Erbe an.101

Wird in die Testierfreiheit durch Testiergebote oder Testierverbote eingegriffen, sind diese Eingriffe ungültig. Im Zweifel werden sie jedoch in Nacherbschaften auf den Überrest umgedeutet. In diesem Fall ist auch von einer konstruktiven Nacherbfolge die Rede, die in § 610 Abs 1 ABGB gesetzlich normiert wird.102 Hat der Verstorbene dem Erben verboten, über die Verlassenschaft zu testieren, wird dies im Zweifel auf eine Nacherbschaft auf den Überrest

99 Siehe dazu unter 3.4.

100 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216.

101 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.217.

102 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 610 ABGB Rz 1.

(26)

17 zugunsten der gesetzlichen Erben des Vorerben umgedeutet. Wird vom Erben hingegen gefordert, zugunsten einer bestimmten Person über die Verlassenschaft zu testieren, handelt es sich im Zweifel um eine Nacherbschaft auf den Überrest zugunsten dieser bestimmten Person.103 Den Nacherbfall stellt der Tod des Vorerben dar.104

2.3 Nacherbschaft auf den Überrest

Wie bereits oben erwähnt wurde mit § 609 ABGB in der Fassung des ErbRÄG 2015 die Normierung der bereits in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Ansichten bezüglich der Nacherbschaft auf den Überrest nachgeholt und diese ausdrücklich anerkannt.

Eine Nacherbschaft auf den Überrest (auch bezeichnet als befreite Vorerbschaft oder fideicommissum eius quod supererit) verfügt der Verstorbene letztwillig, wenn er möchte, dass der Nacherbe nur das erhält, was von der Nacherbschaftsmasse im Zeitpunkt des Todes des Vorerben noch übrig ist. Bezüglich der Stellung des Vor- und Nacherben bei einer befreiten Vorerbschaft wird an entsprechender Stelle weiter unten eingegangen.105

Bevor die Nacherbschaft auf den Überrest mit dem ErbRÄG 2015 Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat, konnte durchaus eingewendet werden, dass diese dem Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit iSd § 564 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 widerspreche.

Mit dieser Norm war festgelegt, dass der Verstorbene die Erben und Nacherben selbst ernennen sowie die Festlegung der Erbportionen selbst vornehmen muss. Das Recht des Vorerben, auf das Ausmaß der Zuwendung Einfluss nehmen zu können, konnte als Widerspruch zu dieser Bestimmung interpretiert werden. Laut Kletečka106 sei das aber nicht der Fall, da der Vorerbe auch bei der befreiten Vorerbschaft keinerlei Einfluss auf die Gesamtrechtsnachfolge nehmen könne, auch weil er nicht berechtigt sei, die Erbquoten zu verändern. Selbst wenn er das gesamte, der Nacherbschaft unterliegende, Vermögen verschenke, würde der Nacherbe trotzdem mit Eintritt des Nacherbfalls Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen werden.

Wenn nach diesem Zeitpunkt ein Vermögen hervorkommen würde, gehöre dieses somit dem Nacherben. Folglich sei es in diesem Fall gestattet, das Prinzip der materiellen

103 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.217.

104 Welser, Erbrechts-Kommentar § 610 ABGB Rz 1.

105 RIS-Justiz RS0012537; Kletečka /Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.03 § 609 ABGB Rz 1 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at).

106 Ersatz- und Nacherbschaft (1999) 272.

(27)

18 Höchstpersönlichkeit als weniger streng zu betrachten, wenn ein Dritter befugt ist, nicht auf die Größe, sondern nur den Wert des Erbteils Einfluss zu nehmen.

2.3.1 Zweifelsregel gem § 614 ABGB

Da § 614 ABGB von einer möglichst uneingeschränkten Freiheit des Vorerben ausgeht ist im Zweifel von einer Nacherbschaft auf den Überrest, anstatt einer Nacherbschaft auszugehen. Es stellt jedoch nicht jede Nacherbschaft, bei der nichts Zusätzliches angeordnet wurde, eine Nacherbschaft auf den Überrest dar, sondern es müssen bestimmte Indizien vorliegen, die die Anordnung einer Nacherbschaft iSd § 608 ABGB in Frage stellen. Der angehobene Bestimmtheitsmaßstab ist nach Kletečka/Holzinger107 auch bei der Nacherbschaft auf den Überrest zu beachten, da auch diese die Verfügungsfreiheit des Vorerben – wenn auch nur im Falle des Todes – einschränkt.108

2.3.2 Behandlung der befreiten Vorerbschaft im Verlassenschaftsverfahren

Genau wie die Nacherbschaft ist auch die befreite Vorerbschaft in der Einantwortungsurkunde anzuführen, wobei auf den Umstand, dass es sich um eine Nacherbschaft iSd § 609 ABGB handelt, gesondert hinzuweisen ist. Gem § 165 Abs 1 Z 4 AußStrG ist von Amts wegen eine Inventarisierung109 vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung110 und der hM ist im Grundbuch und gegebenenfalls im Firmenbuch das Substitutionsband unter Hinweis auf die Befreiung einzutragen.111 Diese Ansicht wird von Kletečka112 jedoch kritisiert, da im Falle einer befreiten Vorerbschaft auch die Gläubiger des Vorerben das Recht haben, auf die Nacherbschaftsmasse zuzugreifen und somit der Sinn der grundbücherlichen Eintragung nicht einmal darin bestehen würde, Gläubiger des Vorerben vom Zugriff auszuschließen. Die hM rechtfertigt die Notwendigkeit einer Eintragung damit, dass Liegenschaften, die bei Eintritt des Nacherbfalls noch vorhanden sind, zum Schutz des Nacherben dem Zugriff der Gläubiger entzogen sein sollen. Diese Ansicht widerspreche, so Sailer113, der Berechtigung des befreiten Vorerben, über die Gegenstände der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft frei zu verfügen. Das

107 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 609 ABGB Rz 1; Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 4 f.

108 OGH 3 Ob 592/87 EvBl 1988/117; Welser, Erbrechts-Kommentar § 614 ABGB Rz 3 mwN.

109 RIS-Justiz RS0007776.

110 RIS-Justiz RS0008149, zuletzt OGH 5 Ob 148/19d NZ 2020/95 (Bonimaier) = Zak 2020/197.

111 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 83; Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/115; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 609 ABGB Rz 6 mwN.

112 Ersatz- und Nacherbschaft 275; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 609 ABGB Rz 3.

113 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 83.

(28)

19 eingetragene Substitutionsband gelte nicht als Hindernis für eine Veräußerung oder Belastung der Liegenschaft, und dieses darf im ersteren Fall auch gelöscht werden.114

2.4 Exkurs: Besitznachfolgerecht

Durch ein sog Besitznachfolgerecht kann unter Lebenden vertraglich eine Beschränkung des Eigentumsrechts des Erwerbers durch das Besitznachfolgerecht des Dritten vorgenommen werden.115 Die Lehre sieht dieses als von der Praxis entwickelte Nachbildung der Nacherbschaft an, welches die gleichen Rechtswirkungen wie die Nacherbschaft erzeugen soll – dem Besitznachfolgeberechtigten soll im Ergebnis die Stellung eines Nacherben zukommen. Bei der Besitznachfolge sind stets drei Personen involviert: der ursprüngliche Eigentümer – auch Übergeber genannt – derjenige, dem zeitliches Eigentum verschafft wird – der „zeitliche Eigentümer“ – und der Berechtigte des Besitznachfolgerechts der auf den „zeitlichen Eigentümer“ folgen soll – der Besitznachfolgeberechtigte.116

Die Begründung dieses Nachfolgerechts basiert häufig auf einem Schenkungsvertrag117 – oftmals handelt es sich bei der geschenkten Sache um eine Liegenschaft – in welchem dem Geschenknehmer die Pflicht auferlegt wird, die Sache in Folge nur einer bestimmten Person, dem Besitznachfolger, zu übertragen oder von Todes wegen zu hinterlassen oder in welchem verfügt wird, dass bei Eintritt einer Bedingung oder Ablauf einer Frist die Sache an eine bestimmte Person übergehen soll. Überdies kommt es auch in Übergabsverträgen oder Erbteilungsübereinkommen zur Regelung eines Besitznachfolgerechts.118

In der Literatur durchaus strittig gesehen, erlaubt die Rechtsprechung hingegen aufgrund der Rechtsähnlichkeit zur Nacherbschaft eine Eintragung des Eigentumsrechts in das Grundbuch gem § 20 lit a GBG.119

Aufgrund der Nähe zum rechtlichen Instrument der Nacherbschaft wegen der Eigentumsbeschränkung wird das Besitznachfolgerecht auch als Quasi-Nacherbschaft bezeichnet und die Bestimmungen über die Nacherbschaft werden nach hA sinngemäß

114 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 83; Welser, Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 6;

115 RIS-Justiz RS0007955; Welser, Erbrechts-Kommentar § 608 ABGB Rz 8 mwN.

116 Kronthaler, Die Besitznachfolgerechte, JEV 2019, 63 (65).

117 OGH 2 Ob 231/15g iFamZ 2017/74 (Schweda)= NZ 2017/23 = JBl 2017, 261.

118 RIS-Justiz RS0007955; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.243 mwN.

119 RIS-Justiz RS0083800; RIS-Justiz RS0012539 [T4]; Welser, Erbrechts-Kommentar § 608 ABGB Rz 8 mwN.

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20 herangezogen.120 Je ähnlicher das Besitznachfolgerecht der Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft ist, desto zwingender ist die Analogie.121

Der OGH122 unterscheidet bei den Besitznachfolgrechten zwischen verschiedenen Fallgruppen:

Die erste Gruppe beinhält diejenigen Fälle, in denen vereinbart wird, dass das Eigentumsrecht des Erwerbers mit dessen Vorableben auflösend bedingt ist und die Sache daraufhin an den alten Eigentümer oder einen Dritten fällt. Die Verbücherung der Besitznachfolgerechte ist zulässig, was damit begründet wird, dass diese Fälle einer Nacherbschaft nahestehen.

Bei Fällen der zweiten Gruppe wird dem Erwerber aufgetragen sein Eigentumsrecht zu Lebzeiten oder von Todes wegen einer oder mehrerer bestimmten oder bestimmbaren Personen zu übergeben bzw zu überlassen. Die Judikatur123 behandelt eine solche Konstellation als

„echten“ Vertrag zugunsten Dritter in welchem der Übernehmer sich verpflichtet, die Sache dem Dritten und keinem anderen zu überlassen. Das Besitznachfolgerecht des Dritten hat seinen Ursprung im Vertrag zwischen Übergeber und Übernehmer, der daraus einen unmittelbaren Anspruch ableiten kann. Ähnelt das angeordnete oder vereinbarte Besitznachfolgrecht der Nacherbschaft iSd § 608 ABGB wird eine unmittelbare Berechtigung des begünstigten Dritten eher abzulehnen sein, wohingegen, wenn im Vertrag die Überlassung bzw die Übergabe an einen Dritten zu einem konkreten Zeitpunkt vereinbart wurde, eine unmittelbare Berechtigung des Dritten sehr wohl anzunehmen ist. Es muss im Zuge der Auslegung des Vertrages eruiert werden, ob der durch die Besitznachfolgevereinbarung begünstigte Dritte sein Forderungsrecht direkt aus dem Vertrag erwirbt und die Leistung vom Schuldner verlangen kann.

Die Rechtsprechung sieht das Besitznachfolgerecht des Dritten als – je nach Vereinbarung der Parteien des Schenkungsvertrages – aufhebbar, auch ohne die Zustimmung des begünstigten Dritten.124

Der Dritte, dem das Besitznachfolgerecht zusteht, hat bis zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts oder Fristablaufs nur ein aufschiebend bedingtes oder aufschiebend befristetes Eigentum inne. Laut Kronthaler125 sei die Rechtsposition des Besitznachfolgeberechtigten rechtlich gesichert und es könne von einem Anwartschaftsrecht die Rede sein. Im Zusammenhang damit könnte auch der „zeitliche Eigentümer“ nur

120 Welser, Erbrechts-Kommentar § 608 ABGB Rz 8 mwN.

121 RIS-Justiz RS0012539 [T3], zuletzt OGH 5 Ob 148/19d NZ 2020/95 (Bonimaier) = Zak 2020/197.

122 RIS-Justiz RS0017044; OGH 6 Ob 20/20i EvBl 2021/17 S 139 (Heil).

123 OGH 6 Ob 259/07t JEV 2008/9; RIS-Justiz RS0017098 [T3].

124 RIS-Justiz RS0012531; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.243.

125 JEV 2019, 63 (72).

(30)

21 eingeschränkt über die Sache verfügen, da er gem § 442 S 3 ABGB einer absolut wirkenden Verfügungsbeschränkung in Bezug auf die von dem Besitznachfolgerecht betroffene Sache unterliege und somit nicht einseitig die Rechtsstellung des Besitznachfolgeberechtigten beeinträchtigen könne.

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