• Keine Ergebnisse gefunden

Vererblichkeit der Nacherbenstellung

4 Rechtsstellung des Nacherben

4.3 Rechte des Nacherben

4.3.3 Vererblichkeit der Nacherbenstellung

Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist gem § 615 Abs 2 ABGB im Zweifel vererblich, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll. In so einem Fall ist die Befristung des Nacherbrechts mit dem Tod des Vorerben nicht als Überlebensbedingung, sondern lediglich als Terminisierung zu verstehen, weshalb der Nacherbe diesen Zeitpunkt nicht erleben muss, damit das Nacherbrecht überhaupt entsteht.313

Eine Regelung des Verstorbenen betreffend die Vererblichkeit des Anwartschaftsrecht des Nacherben auf seine Nachkommen geht der Zweifelsregel des § 615 Abs 2 ABGB vor.314 Der OGH315 geht sogar so weit, dass er auch bei einer Nacherbeneinsetzung unter einer Bedingung annimmt, dass der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben muss, weil dies dem hypothetischen Willen des Verstorbenen entspricht.316

310 Erbschaftsklage 182.

311 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 28.

312 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 268 f.

313RIS-Justiz RS0127623, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Apathy/Neumayr in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 615 ABGB Rz 3.

314 RIS-Justiz RS0012368, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115.

315 OGH 6 Ob 1/90 JBl 1990, 581 (Eccher).

316 Apathy/Neumayr in KBB6 § 615 ABGB Rz 3.

57 4.3.4 Erbverzicht und Ausschlagungsrecht

Hinsichtlich des Erbverzichts ist zu beachten, dass es sich bei diesem um einen mit dem (noch nicht) Verstorbenen, zu Lebzeiten abgeschlossenen Vertrag handelt, wohingegen ein Verzicht des Nacherben gegenüber dem Vorerben auf seinen Herausgabeanspruch keinen Erbverzicht iSd § 551 ABGB, sondern möglicherweise eine Erbsausschlagung (§ 805 ABGB) oder einen Erbschaftsverkauf (§ 1278 ABGB) darstellt. Der Erbverzicht unterscheidet sich vom Erbschaftsverkauf dadurch, dass er sich auf ein zukünftiges, möglicherweise entstehendes, Erbrecht – die Erbaussicht – bezieht und den Erbanfall verhindern soll und nicht das Erbrecht selbst betrifft.317

Nach der hL hat der Nacherbe das Recht die Nacherbschaft auszuschlagen, selbst dann, wenn der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist.318 Bei der Nacherbschaft handelt es sich um ein zukünftiges Recht, wenn dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen wird, wie es bei einer befristeten Nacherbschaft der Fall ist. In einem solchen Fall sei die Zulässigkeit des Ausschlagungsrechts des Nacherben unproblematisch, meint Sailer319.

Ist die Nacherbschaft aufschiebend bedingt, besteht das Erbrecht des Nacherben erst mit Bedingungseintritt. Werde das Ausschlagungsrechts vor dem Bestehen des Nacherbrechts ausgeübt, mache der Nacherbe ein Recht geltend, dass ihm noch nicht zustehe. Dies sei nach Sailer320 nur insofern möglich, als man als Gegenstand der Ausschlagung sowohl ein gegenwärtiges als auch ein in der Zukunft liegendes Recht zulasse.

4.3.5 Erbschaftsklage des Nacherben

Die Erbschaftsklage gem § 823 ABGB dient der Ausübung eines in der Einantwortung unberücksichtigt gebliebenen oder nicht ausreichend berücksichtigten Erbrechts. Behauptet eine Person ein gleichwertiges oder besseres Erbrecht nach rechtskräftig abgeschlossenem Verlassenschaftsverfahren zu haben, kann sie den Erwerber der Verlassenschaft, den sog Scheinerben auf Herausgabe der ganzen Erbschaft oder eines bestimmten Teils klagen. Die klagende Person macht also einen Erbschaftsanspruch geltend, dieser liegt der Erbschaftsklage zugrunde. Nach hA kann die Erbschaftsklage nur dann erhoben werden, wenn keine Möglichkeit mehr zur Abgabe einer Erbantrittserklärung besteht und die Einantwortung bereits

317 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 8.71; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 20.

318 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 26 mwN.

319 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 26.

320 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 26.

58 rechtkräftig ist.321 Eine Person, die ein besseres Erbrecht behauptet könnte etwa ein gesetzlicher Erbe sein, der ein näherer Verwandter des Verstorbenen war als der Erbe, dem die Verlassenschaft eingeantwortet worden ist. Auf die Behauptung des gleichwertigen Erbrechts könnte sich etwa ein gesetzlicher Erbe, als sog Miterbe, stützen, der gleich nahe verwandt ist wie der Erbe, dem (allein) eingeantwortet worden ist.322

Der Erbschaftskläger hat überdies Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche gegen den Besitzer der Verlassenschaft.323

Aktivlegitimiert zur Erbschaftsklage aufgrund eines Anspruches auf die Verlassenschaft ist unter anderem auch der Nacherbe.324 Wie bereits oben erwähnt kann der Nacherbe die Erbschaftsklage gegenüber jedem erheben, der die Verlassenschaft (zum Teil) beansprucht, selbst dann, wenn er zuvor kein Rechtsmittel gegen die Einantwortung erhoben hatte.325 Schuldner des Erbschaftsanspruchs ist demnach derjenige, der die Nacherbschaftsmasse besitzt, obwohl es einen besser Berechtigten gibt. Das können Personen sein, denen die Verlassenschaft eingeantwortet wurde, wie etwa der Besitzer oder der Käufer der Verlassenschaft, aber auch solche, die bereits eine Erbschaftsklage erfolgreich erhoben haben, wenn der nunmehrige Kläger ein noch besser Berechtigter ist, sowie die Erben der bisher Genannten.326

Da man eine Erbschaftsklage zu erheben nur berechtigt ist, wenn eine Erbantrittserklärung nicht mehr abgegeben werden kann, steht diese Möglichkeit einem Nacherben nur offen, wenn die Anmerkung der Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss nicht erfolgt ist, weil bei der Einantwortung ein „Fehler“ gemacht wurde. Gäbe es eine Anmerkung, würde – wie bereits oben ausführlich erläutert – die Verlassenschaftsabhandlung fortgeführt werden und der Nacherbe hätte sehr wohl Gelegenheit zur Abgabe einer Erbantrittserklärung.327

Der Nacherbe ist erst ab dem Nacherbfall zur Erhebung der Erbschaftsklage berechtigt und nicht schon ab Rechtkraft der Einantwortung an den Vorerben. Dies deshalb, da er erst ab diesem Zeitpunkt Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen wird und die Übergabe der

321 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.141 f; Holzner, JBl 2020, 425 (431).

322 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 174.

323 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 402 mwN; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.142.

324 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.144.

325 Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 27.

326 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 12.145 mwN.

327 Holzner, JBl 2020, 425 (431).

59 Erbschaft verlangen kann. Zur Sicherung des Erbrechts stehen dem Nacherben jedoch bereits vor dem Eintritt des Nacherbfalls bestimmte Rechtsbehelfe zu, diese bewirken aber keine Gesamtrechtsnachfolge.328

Die Frage bezüglich der Rechtsnatur der Erbschaftsklage wird in der Rechtsprechung und der Lehre durchaus uneinheitlich beantwortet. In der vorliegenden Arbeit soll darauf nicht näher eingegangen werden. Betreffend die Wirkung der Erbschaftsklage ist kurz zusammengefasst zu sagen, dass der Kläger mit der Rechtskraft des stattgebenden Urteils rückwirkend die Stellung eines Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen erlangt und das Eigentum an den Gegenständen der Verlassenschaft, die der Nacherbschaft unterliegen, an ihn übergeht.329 Mit der ähnlich klingenden Erbrechtsklage hingegen, kann ein besser- oder gleichgestellter Erbe bereits vor der Einantwortung sein Erbrecht durchsetzen. Die Erbrechtsklage hat vorbereitende Wirkung für die Einantwortung – demjenigen, der den Erbrechtsprozess gewinnt wird die Verlassenschaft in Folge eingeantwortet.330

4.3.6 Schutz gegen Störungen des Nacherbrechts und Herausgabeansprüche vor Eintritt des Nacherbfalls

Der Nacherbe kann, wenn der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist, eine Besitzstörungsklage gem § 339 ABGB erheben.331 Das Besitzstörungsverfahren verfolgt das Ziel den letzten (ruhigen) Besitzstand wiederherzustellen, unabhängig von der materiellen Berechtigung der Beteiligten. Die Besitzstörungsklage ist ein Instrument gegen die eigenmächtige Veränderung der Besitzverhältnisse und ist binnen 30 Tagen ab Kenntnis des Besitzers von der Störung und dem Störer einzubringen. Da Titel und Redlichkeit des gestörten Besitzes nicht geprüft werden ist von einem schnellen Verfahren die Rede.332

Laut Kletečka333 könne sich der Nacherbe als werdender Eigentümer darüber hinaus vor Eintritt des Nacherbfalls Dritten gegenüber, die seinen Besitz stören, mit der actio Publiciana gem § 372 ABGB behelfen. Der rechtmäßige, redliche und echte Besitzer kann die Sache von jedem, der nicht oder schlechter berechtigt ist, herausverlangen. Die Klage richtet sich auf die

328 Holzner, JBl 2020, 425 (432).

329 RIS-Justiz RS0041407; RIS-Justiz RS0041426; Holzner, JBl 2020, 425 (431 f).

330 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 174.

331 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 15.

332 Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5 (2016) 428 f.

333 Ersatz- und Nacherbschaft 263 f.

60 Herausgabe einer körperlichen Sache oder die Abwehr von Störungen. Vorteilhaft ist bei ihr, dass sie nicht den schwierigen vollen Beweis des Eigentums des Klägers verlangt und somit unkomplizierter (auch für den wirklichen Eigentümer) ist.334

Ungeklärt ist, ob der Nacherbe auch gegen den Vorerben die actio Publiciana gem § 372 ABGB hat. Folgt man einem Teil der Lehre, indem man dem Vorerben das Eigentumsrecht zuerkennt, steht dieses als stärkstes Sachenrecht der actio Publiciana entgegen.335

Wegen Gefährdung der Substanz durch den Vorerben hat der Nacherbe gegen diesen jedenfalls Unterlassungsansprüche, wie dies der Eigentümer auch gegen einen Fruchtgenussberechtigten schon während des Bestehens des Fruchtgenusses hat. Aus diesem Grund sei es, nach Kletečka336 auch nicht notwendig zu klären, ob der Nacherbe auch gegen den Vorerben die actio Publiciana gem § 372 ABGB zu erheben befugt ist.

Gegen einen Dritten, der auflösend befristetes oder bedingtes Eigentum vom Vorerben verschafft bekommen hat oder welcher nach dem Willen des Vorerben die Sache in seinem Gewahrsam hat, habe der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls nach der Meinung Kletečkas337 keinen Herausgabeanspruch. Anderes gelte jedoch, wenn sich die Sache beim Dritten gegen den Willen des Vorerben befindet oder wenn durch die Übergabe an den Dritten die Substanz gefährdet sein könnte – der Nacherbe habe das Recht die Herausgabe an den Vorerben oder alternativ die gerichtliche Hinterlegung zu verlangen, da ihm selbst noch kein Recht zur Innehabung zustehe.

4.3.7 Schadenersatzanspruch des Nacherben

Die Frage ist, ob der Nacherbe als „werdender Eigentümer“ nach § 372 leg cit geschützt ist und somit Forderungen des Nacherben auf Schadenersatz gegen Dritte auch auf § 372 ABGB gestützt werden können. Nach Welser338 habe der Nacherbe grundsätzlich keinen Schadenersatzanspruch, wenn eine der Nacherbschaft unterliegende Sache vor Eintritt des Nacherbfalls durch einen Dritten beschädigt wird. Dies deshalb, weil beim Nacherben noch gar kein Schaden eingetreten ist. Kletečka/Holzinger339 sind hingegen der Meinung, dass diese

334 Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5 430 f; Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5. Glossar (2016) 7.

335 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 264.

336 Ersatz- und Nacherbschaft 264; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 15.

337 Ersatz- und Nacherbschaft 264 f; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 16.

338 Befreite Vorerbschaft und „Löschungsklage“ des Nacherben, NZ 1993, 140.

339 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 17.

61 Ansicht einzuschränken sei, da der Nacherbe durchaus das Recht habe, sein Anwartschaftsrecht zu veräußern. Dieses werde durch den Schadenseintritt jedoch in seinem Wert gemindert, da der an die Stelle der zerstörten Sache tretende Schadenersatzanspruch in der Regel von geringerem Wert sein wird. Der Schaden sei dem Nacherben – schuldet der Dritte die Wiederherstellung des Zustandes – auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen. Wird mit der Naturalrestitution die Rückgabe der Sache begehrt, könne nur die Herausgabe an den Vorerben oder die gerichtliche Hinterlegung gefordert werden. Da bei einem Geldersatz bei leichter Fahrlässigkeit nur der gemeine Wert zu ersetzen ist und der Anspruch des Vorerben nicht gekürzt werden darf, stehe der Anspruch auf Geldersatz wegen Minderung des Wertes des Anwartschaftsrechts dem Nacherben hingegen nur zu, wenn der Schaden durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Dritten eingetreten ist. Der Schaden ist infolgedessen subjektiv-konkret zu berechnen, was dazu führt, dass neben dem gemeinen Wert der Sache auch die Wertminderung des Anwartschaftsrechts des Nacherben zu ersetzen sei.340 Im Innenverhältnis zwischen Vor- und Nacherben hat der Nacherbe das Recht zumindest nach Eintritt des Nacherbfalls Schadenersatz vom Vorerben zu begehren, wenn ein Schaden an den Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft entstanden ist und dieser auf ein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten des Vorerben zurückzuführen ist. Vor Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe vom Vorerben Naturalrestitution verlangen nicht jedoch Geldersatz, da er ansonsten finanziell begünstigt wäre, was die Schädigung für ihn als Glücksfall darstellen würde.341

4.3.8 Herausgabeanspruch des Nacherben

Der Nacherbe erwirbt sein Recht an der Nacherbschaftsmasse im Zeitpunkt der Einantwortung an ihn.342 Sind der Vorerbe oder seine Erben bei Eintritt des Nacherbfalls nicht gewillt, die der Nacherbschaft unterliegenden Gegenstände dem Nacherben herauszugeben, steht diesem die Eigentumsklage gem § 823 S 2 ABGB zu.343 Hat sich der Nacherbe der Klage beholfen, um sein Nacherbrecht geltend zu machen, erlangt der Nacherbe das Recht an den Gegenständen der Verlassenschaft im Zeitpunkt der erzwungenen Herausgabe der Sachen durch den Vorerben, nachdem das stattgebende Urteil rechtskräftig geworden ist.344

340 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 266 ff.

341 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 294.

342 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 29.

343 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 185.

344 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 29.

62 Der erbrechtliche Anspruch auf Herausgabe richtet sich nur gegen den Vorerben, nicht gegen jedermann. Auch inhaltlich unterliegt er gewissen Grenzen. Der Nacherbe kann nicht automatisch Anspruch auf die gesamte Verlassenschaft erheben, die der Vorerbe vom Verstorbenen erhalten hat. Viel eher bezieht er sich nur auf den Teil zu welchem der Nacherbe berufen ist, was der Vorerbe also aufgrund seiner Einsetzung als Vorerbe erhalten hat. Hat der Verstorbene nichts Gegenteiliges verfügt bezieht sich der Herausgabeanspruch des Nacherben nicht auf Vermächtnisse, die der Vorerbe bekommen hat und der Nacherbe hat nicht das Recht die Herausgabe des dem Vorerben gebührenden Pflichtteils zu verlangen. Im Gegensatz dazu fallen die Sachen, die der Vorerbe als Ersatzerbe erhalten hat grundsätzlich in die Nacherbschaft, ferner auch was diesem gem § 560 ABGB angewachsen ist.345

4.3.9 Surrogationsgrundsatz

Seit dem ErbRÄG 2015 ist das Prinzip der dinglichen Surrogation (auch Surrogationsgrundsatz genannt) als Zweifelsregel ausdrücklich in § 613 Abs 3 ABGB normiert. Darunter versteht man, dass, wenn ein Dritter gutgläubig Sachen der Nacherbschaftsmasse erwirbt, die vom Erwerber dafür geleistete Ersatzsache – beispielsweise der Kaufpreis – an die Stelle der veräußerten Sache in die Nacherbschaftsmasse gelangt. Soweit der veräußerte Gegenstand infolge der Einantwortung an den Nacherben herauszugeben gewesen wäre, tritt die Ersatzsache in das Eigentum des Nacherben.346

Damit das Prinzip der dinglichen Surrogation Anwendung findet sei es irrelevant, ob die Ersatzsache für die Verlassenschaft erworben wurde, es komme, nach der Meinung Kletečkas347 viel mehr darauf an, dass Mittel der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft dafür aufgewendet wurden. Würde man annehmen, dass darauf abzustellen sei, ob der Erwerb für die Verlassenschaft erfolgt ist, hätte es der Vorerbe in der Hand, die dingliche Surrogation zu beseitigen, indem er die Ersatzsache für sein Vermögen bestimmt.

Laut Kletečka348 falle beispielsweise die Ersatzsache, die der Vorerbe infolge der notwendigen Veräußerung der Sache im Zuge der ordentlichen Verwaltung der Verlassenschaft erhalten hat, unter das Surrogationsprinzip. Dem Grundsatz der Surrogation unterliegen auch Sachen, die

345 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 31.

346 RIS-Justiz RS0012225; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 43.

347 Ersatz- und Nacherbschaft 304.

348 Ersatz- und Nacherbschaft 305.

63 der Vorerbe aufgrund eines zur Nacherbschaftsmasse gehörenden Rechts (sog Rechtserwerbsklausel) erworben hat, sowie Schadenersatzforderungen, Versicherungssummen, Enteignungsentschädigungen, Bereicherungsansprüche oder die aus Zwangsversteigerungen hervorgehenden Hyperocha349, die anstelle einer Sache aus der Nacherbschaftsmasse getreten sind.350

Geht infolge des Surrogationsgrundsatzes eine Forderung mit der Einantwortung an den Nacherben auf diesen über, ist der Schuldner dem Risiko der Zahlung an einen Nichtberechtigten – dem Vorerben – ausgesetzt, wenn er vom Übergang der Forderung keine Kenntnis erlangt hat. Da Parallelen zur Zession bestünden, seien nach Kletečka351 die §§ 1395 f ABGB analog anzuwenden.

Zur dinglichen Surrogation kommt es einerseits nicht, wenn man einen anderen – mit dem Surrogationsgrundsatz im Widerspruch stehenden – Willen des Verstorbenen erkennen kann, andererseits wenn sich die Ersatzsache im freivererblichen Vermögen des Vorerben verteilt hat und nicht mehr von diesem zu unterscheiden ist. In diesem Zusammenhang können die Regelungen betreffend die Vereinigung und Verarbeitung gem §§ 414 ff, 371 ABGB zur Lösung des Problems herangezogen werden.352

4.4 Pflichten des Nacherben

4.4.1 Haftung für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft

Wie oben schon erwähnt, endet das Erbrecht des Vorerben mit dem Eintritt des Nacherbfalls.

Ab diesem Zeitpunkt haftet der Vorerbe weder für Schulden des Verstorbenen noch für Erbfalls- oder Erbgangsschulden. Vorerst hat die ruhende Verlassenschaft für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen zu haften.353 Apathy354 vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass eine Wertminderung der Verlassenschaft, ohne Verschulden des Vorerben, zwischen der Einantwortung an den Vorerben und der Einantwortung an den Nacherben zulasten der Verlassenschaftsgläubiger gehe. Erst mit der Einantwortung tritt der Nacherbe in die Aktiva aber auch Passiva ein. Hat der Nacherbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben, ist es hL, dass seine Haftung unbeschränkt ist.355

349 OGH 8 Ob 139/07k NZ 2009/12.

350 RIS-Justiz RS0012225; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 44.

351 Ersatz- und Nacherbschaft 305 f.

352 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 308.

353 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 320.

354 FS Eccher 31 (40).

355 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 320 mwN.

64 Dieses Ergebnis ist jedoch insofern unklar, da mit Errichtung eines Inventars – wie sie bei einer Nacherbschaft gem § 165 Abs 1 Z 4 AußStrG zwingend vorgenommen werden muss – alle Erben, unabhängig davon, ob sie eine unbedingte oder bedingte Erbantrittserklärung abgegeben haben, gem § 807 ABGB bloß beschränkt haften. Laut Kletečka356 überzeuge die Ansicht von Weiß nicht, dass die Erbantrittserklärung des Nacherben unabhängig von der des Vorerben sei und der Nacherbe die Erbschaft somit auch unbeschränkt annehmen könne, während die Haftung des Vorerben beschränkt sei. Ein Argument für die Begründung der unbeschränkten Haftung des Nacherben für die Passiva könnte hingegen nach Kletečka sein, dass das „erste“

Verlassenschaftsverfahren, in welchem dem Vorerben die Verlassenschaft eingeantwortet wird, völlig unabhängig von dem darauffolgenden Verlassenschaftsverfahren, in dem der Nacherbe sein Erbrecht erhält, sei und das errichtete Inventar in dieser „zweiten“

Verlassenschaftsabhandlung keine Feststellungswirkung mehr hätte. Jedoch wird, wie oben bereits erörtert, das „erste“ Verlassenschaftsverfahren infolge des Nacherbfalls lediglich wiederaufgenommen und kein gänzlich neues Verfahren eingeleitet. Kletečka357 vertritt somit die Ansicht, die Haftung des Nacherben mit dem ursprünglichen Wert der Verlassenschaft, im Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben358, zu beschränken. Ist der Wert der Verlassenschaft im Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben und jener an den Nacherben drastisch gesunken, sei die erneute Errichtung eines Inventars nicht ausgeschlossen, jedoch wäre aufgrund der Schutzwürdigkeit der Verlassenschaftsgläubiger der ursprüngliche Wert der Verlassenschaft betreffend die Haftung des Nacherben heranzuziehen.359

Für die von Kletečka vertretene Ansicht bezüglich der Haftung des Nacherben spreche nach Apathy360 auch, dass den Vor- und Nacherben gemeinsam die Stellung eines Vollerben zukommt. Da sie gem § 613 ABGB gemeinsam berechtigt sind, sollten sie auch – wenngleich zeitlich versetzt – gemeinsam haften.

Nach Apathy361sei die Haftung des Nacherben bei Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung mit dem Wert der ruhenden Verlassenschaft im Zeitpunkt der Rechtskraft der Einantwortung an ihn beschränkt. Den Verlassenschaftsgläubigern käme diese Ansicht bei einer Wertsteigerung im Vergleich zum Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben zugute,

356 Ersatz- und Nacherbschaft 321.

357 Ersatz- und Nacherbschaft 322.

358 Apathy in FS Eccher 31 (39).

359 Apathy in FS Eccher 31 (39).

360 FS Eccher 31 (39).

361 FS Eccher 31 (40 f).

65 gleichfalls müssten sie eine Wertminderung und eine damit einhergehende Schmälerung des Haftungsfonds hinnehmen.

4.4.2 Eintritt in vom Vorerben geschlossene Verträge und Haftung

Im Gegensatz zu oben behandelten Verbindlichkeiten der Verlassenschaft geht es hier um vom Vorerben geschlossene Verträge und inwieweit sie den Nacherben binden, er in weiterer Folge für diese haften muss. Da der Nacherbe, wie oben schon erwähnt, kein Erbe und somit auch nicht Gesamtrechtsnachfolger des Vorerben ist, tritt er nicht automatisch in die vom Vorerben begründeten Rechte und Pflichten ein. Ein Vertragsübergang aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge kann folglich nicht argumentiert werden.362

4.4.2.1 Gesetzliche angeordnete Vertragsübernahme

Von der Rechtsprechung und Lehre wird aber die Ansicht vertreten, dass die im Gesetz normierten Regelungen betreffend die Vertragsübernahme ex lege (insbesondere § 1120 ABGB, aber auch § 12a MRG), zum Schutz des Bestandnehmers, analog zur Anwendung kommen.363 Den Nacherben treffen nicht nur die durch das Vertragsverhältnis begründeten

Von der Rechtsprechung und Lehre wird aber die Ansicht vertreten, dass die im Gesetz normierten Regelungen betreffend die Vertragsübernahme ex lege (insbesondere § 1120 ABGB, aber auch § 12a MRG), zum Schutz des Bestandnehmers, analog zur Anwendung kommen.363 Den Nacherben treffen nicht nur die durch das Vertragsverhältnis begründeten