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4 Rechtsstellung des Nacherben

4.4 Pflichten des Nacherben

4.4.1 Haftung für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft

Wie oben schon erwähnt, endet das Erbrecht des Vorerben mit dem Eintritt des Nacherbfalls.

Ab diesem Zeitpunkt haftet der Vorerbe weder für Schulden des Verstorbenen noch für Erbfalls- oder Erbgangsschulden. Vorerst hat die ruhende Verlassenschaft für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen zu haften.353 Apathy354 vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass eine Wertminderung der Verlassenschaft, ohne Verschulden des Vorerben, zwischen der Einantwortung an den Vorerben und der Einantwortung an den Nacherben zulasten der Verlassenschaftsgläubiger gehe. Erst mit der Einantwortung tritt der Nacherbe in die Aktiva aber auch Passiva ein. Hat der Nacherbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben, ist es hL, dass seine Haftung unbeschränkt ist.355

349 OGH 8 Ob 139/07k NZ 2009/12.

350 RIS-Justiz RS0012225; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 44.

351 Ersatz- und Nacherbschaft 305 f.

352 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 308.

353 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 320.

354 FS Eccher 31 (40).

355 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 320 mwN.

64 Dieses Ergebnis ist jedoch insofern unklar, da mit Errichtung eines Inventars – wie sie bei einer Nacherbschaft gem § 165 Abs 1 Z 4 AußStrG zwingend vorgenommen werden muss – alle Erben, unabhängig davon, ob sie eine unbedingte oder bedingte Erbantrittserklärung abgegeben haben, gem § 807 ABGB bloß beschränkt haften. Laut Kletečka356 überzeuge die Ansicht von Weiß nicht, dass die Erbantrittserklärung des Nacherben unabhängig von der des Vorerben sei und der Nacherbe die Erbschaft somit auch unbeschränkt annehmen könne, während die Haftung des Vorerben beschränkt sei. Ein Argument für die Begründung der unbeschränkten Haftung des Nacherben für die Passiva könnte hingegen nach Kletečka sein, dass das „erste“

Verlassenschaftsverfahren, in welchem dem Vorerben die Verlassenschaft eingeantwortet wird, völlig unabhängig von dem darauffolgenden Verlassenschaftsverfahren, in dem der Nacherbe sein Erbrecht erhält, sei und das errichtete Inventar in dieser „zweiten“

Verlassenschaftsabhandlung keine Feststellungswirkung mehr hätte. Jedoch wird, wie oben bereits erörtert, das „erste“ Verlassenschaftsverfahren infolge des Nacherbfalls lediglich wiederaufgenommen und kein gänzlich neues Verfahren eingeleitet. Kletečka357 vertritt somit die Ansicht, die Haftung des Nacherben mit dem ursprünglichen Wert der Verlassenschaft, im Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben358, zu beschränken. Ist der Wert der Verlassenschaft im Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben und jener an den Nacherben drastisch gesunken, sei die erneute Errichtung eines Inventars nicht ausgeschlossen, jedoch wäre aufgrund der Schutzwürdigkeit der Verlassenschaftsgläubiger der ursprüngliche Wert der Verlassenschaft betreffend die Haftung des Nacherben heranzuziehen.359

Für die von Kletečka vertretene Ansicht bezüglich der Haftung des Nacherben spreche nach Apathy360 auch, dass den Vor- und Nacherben gemeinsam die Stellung eines Vollerben zukommt. Da sie gem § 613 ABGB gemeinsam berechtigt sind, sollten sie auch – wenngleich zeitlich versetzt – gemeinsam haften.

Nach Apathy361sei die Haftung des Nacherben bei Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung mit dem Wert der ruhenden Verlassenschaft im Zeitpunkt der Rechtskraft der Einantwortung an ihn beschränkt. Den Verlassenschaftsgläubigern käme diese Ansicht bei einer Wertsteigerung im Vergleich zum Zeitpunkt der Einantwortung an den Vorerben zugute,

356 Ersatz- und Nacherbschaft 321.

357 Ersatz- und Nacherbschaft 322.

358 Apathy in FS Eccher 31 (39).

359 Apathy in FS Eccher 31 (39).

360 FS Eccher 31 (39).

361 FS Eccher 31 (40 f).

65 gleichfalls müssten sie eine Wertminderung und eine damit einhergehende Schmälerung des Haftungsfonds hinnehmen.

4.4.2 Eintritt in vom Vorerben geschlossene Verträge und Haftung

Im Gegensatz zu oben behandelten Verbindlichkeiten der Verlassenschaft geht es hier um vom Vorerben geschlossene Verträge und inwieweit sie den Nacherben binden, er in weiterer Folge für diese haften muss. Da der Nacherbe, wie oben schon erwähnt, kein Erbe und somit auch nicht Gesamtrechtsnachfolger des Vorerben ist, tritt er nicht automatisch in die vom Vorerben begründeten Rechte und Pflichten ein. Ein Vertragsübergang aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge kann folglich nicht argumentiert werden.362

4.4.2.1 Gesetzliche angeordnete Vertragsübernahme

Von der Rechtsprechung und Lehre wird aber die Ansicht vertreten, dass die im Gesetz normierten Regelungen betreffend die Vertragsübernahme ex lege (insbesondere § 1120 ABGB, aber auch § 12a MRG), zum Schutz des Bestandnehmers, analog zur Anwendung kommen.363 Den Nacherben treffen nicht nur die durch das Vertragsverhältnis begründeten Pflichten, er tritt überhaupt anstelle des Vorerben in dieses, mitsamt den daraus resultierenden Rechten und Pflichten ein.364

Kletečka365 stellt in diesem Zusammenhang die Überlegung an, dass die Normen betreffend die Vertragsübernahme nach hA bei Einzelrechtsnachfolge zur Anwendung kommen. Käme es zur Universalsukzession, wäre eine derartige Norm entbehrlich, da der Gesamtrechtsnachfolger auch ohne solche Bestimmungen die Vertragsposition erhalten würde. Betreffend die Nacherbschaft bestehe aber folgender Unterschied, den man an folgendem Beispiel erkennen könne: Der Nacherbe wird Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen, dieser war aber nicht Vermieter, dies ist der Vorerbe. Die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag gehen somit nicht im Wege der Universalsukzession auf den Nacherben über, weshalb es durchaus Normen betreffend die Vertragsübernahme bedürfe.

362 RIS-Justiz RS0021214; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 51 mwN.

363 OGH 7 Ob 89/16p ecolex 2016/341; RIS-Justiz RS0021214; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 51 mwN.

364 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 323.

365 Ersatz- und Nacherbschaft 323 f.

66 4.4.2.2 Haftung für vom Vorerben eingegangene Verbindlichkeiten

a. Ordnungsgemäße Verwaltung

Eine Haftung des Nacherben außerhalb des Anwendungsbereiches der gesetzlichen Vertragsübernahme-Normen für Schulden, die der Vorerbe begründet hatte, wurde von der älteren Lehre verneint. Hingegen ist nach Schauer366 durchaus von einer Haftung des Nacherben auszugehen, wenn der Vorerbe die Verbindlichkeit im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung eingegangen ist. Der Nacherbe wird insofern durch die vom Vorerben eingegangene Verpflichtung gebunden und hat für die Erfüllung des vom Vorerben abgeschlossenen Vertrages zu sorgen, wenn dieser sich bei dessen Abschluss nicht außerhalb seiner rechtlichen Grenzen befunden hatte.

Aus Gründen des Vertrauensschutzes erlischt die Haftung des Vorerben jedoch nicht mit Eintritt des Nacherbfalls, viel eher haften Vor- und Nacherben ab diesem Zeitpunkt solidarisch.367 Aufgrund dessen ist es auch irrelevant, ob der Vertragspartner des Vorerben erkannt hat, dass es sich um einen Gegenstand der Nacherbschaftsmasse handelt. Würde man eine Haftung des Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls verneinen, käme es zu einer Schuldübernahme, von der der Dritte nicht gewusst und welcher er nicht zugestimmt hatte. Der Gläubiger verliert seinen Vertragspartner, auf dessen Liquidität er vertraut hatte.368

Auch Kletečka369 folgt der Ansicht, dass der Nacherbe für die vom Vorerben übernommenen Schulden hafte, sofern der Vorerbe diese im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung begründet hat. In diesem Fall habe der Nacherbe den vom Vorerben eingegangenen Vertrag gegebenenfalls zu erfüllen, wenn die Sache bei Eintritt des Nacherbfalls noch nicht übergeben war.

b. Eingehen von Schulden außerhalb der ordnungsgemäßen Verwaltung Dass man eine Haftung des Nacherben für Schulden des Vorerben, die dieser außerhalb der ihm zustehenden Befugnisse begründet hatte, auf § 1409 ABGB stützt, wird von Kletečka370 abgelehnt. Der Zweck dieser Norm bestehe darin, Gläubiger vor einer Schmälerung ihres Haftungsfonds aufgrund einer Veräußerung eines Unternehmens oder Vermögens zu bewahren.

Der Gläubiger könne – da es sich nicht um eine im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung

366 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 52 mwN.

367 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 52 mwN.

368 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 330.

369 Ersatz- und Nacherbschaft 328 f.

370 Ersatz- und Nacherbschaft 331.

67 eingegangene Verbindlichkeit handelt – ohnehin nicht aus der Nacherbschaftsmasse befriedigt werden, somit bestehe auch die Gefahr einer Schmälerung des Haftungsfonds nicht. Die Anwendung des § 1409 ABGB führe nicht dazu, dass die Haftung erweitert wäre und kann deshalb nicht angewandt werden. Der Nacherbe haftet für die vom Vorerben außerhalb der ordnungsgemäßen Verwaltung eingegangenen Schulden nicht gem § 1409 ABGB.371

Die Haftung des Nacherben für eingegangene unternehmensbezogene Verbindlichkeiten des Vorerben – unabhängig davon, ob es sich um einen Akt der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt, oder nicht – ist anhand des § 40 UGB zu prüfen. Diese Norm ersetzt den bis zum 31.12.2006 gültigen § 27 HGB372. Welche der beiden Bestimmungen zur Anwendung kommt, hängt davon ab, wann der Erbanfall für den Nacherben eingetreten ist. Liegt der Zeitpunkt des Todes des Vorerben oder des sonst bestimmten Nacherbfalls nach dem 31.12.2006 kommt § 40 UGB zur Anwendung. Kam es vor dem 31.12.2006 oder an diesem Tag zum Erbanfall ist nach wie vor iSd §§ 25, 27 HGB vorzugehen.373

§ 40 UGB ist, unabhängig davon, aus welchem Rechtsgrund sie berufen sind, auf alle Erben des Verstorbenen anzuwenden, die ein zur Verlassenschaft gehörendes Unternehmen fortführen und damit operativ tätig werden. 374 Unter den „unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten“, für die der Erbe unbeschränkt – das heißt mit seinem ganzen Vermögen, unbeschadet seiner erbrechtlichen Haftung – zur Haftung verpflichtet ist, sind sowohl die vom Verstorbenen eingegangenen als auch die während des Verlassenschaftsverfahren begründeten Verbindlichkeiten zu verstehen. Der Nacherbe wird für die vom Vorerben begründeten Verbindlichkeiten gem § 40 UGB zur Haftung herangezogen.375

Nach Kletečka376 unterscheide sich §§ 25, 27 HGB von der Haftung nach § 1409 ABGB in ihrem Zweck. Da es nicht Sinn der §§ 25, 27 HGB sei, die Schmälerung des Haftungsfonds zu verhindern, können sie auf die Nacherbschaft angewendet werden. Meines Erachtens hat das von Kletečka Ausgeführte auch in Bezug auf den heute gültigen § 40 UGB Bedeutung.

Der Erbe hat die Möglichkeit einer Haftung zu entgehen, indem er binnen 3 Monaten ab der Einantwortung die Fortführung des Unternehmens endgültig einstellt. Bei der Nacherbschaft

371 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 53.

372 HGB dRGBl 1897, 219, in Kraft getreten am 1.1.1991 (aufgehoben durch BGBl I 2005/120).

373 V. Appl in Straube/Ratka/Rauter (Hrsg), Wiener Kommentar zum UGB – Band I: §§ 1–188, §§ 343–460 mit ausgewählten Nebengesetzen 4 (2020) § 40 UGB Rz 3; siehe zu §§ 25, 27 HGB auch: Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 331 f.

374 V. Appl in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 40 UGB Rz 6.

375 V. Appl in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 40 UGB Rz 9.

376 Ersatz- und Nacherbschaft 332.

68 ist darauf hinzuweisen, dass die Frist nicht schon mit der Einantwortung an den Vorerben, sondern erst im Zeitpunkt der Einantwortung an den Nacherben zu laufen beginnt.377 Ein Ausschluss der Haftung ist iSd § 38 Abs 4 UGB mithilfe eines Publizitätsaktes grundsätzlich möglich.378

4.4.3 Herausgabepflicht des Nacherben

Auch wenn die Rechtsprechung und hL der Ansicht sind, dass es einzig im Zeitpunkt des Nacherbfalls zu einem Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben komme, hält Sailer379 dagegen und vertritt die Ansicht, dass auch der Nacherbe der Belastung unterliegen könne, die Nacherbschaft an den Vorerben herauszugeben. Zu dieser Fallkonstellation komme es dann, wenn der – unbedingt eingesetzte – Nacherbe vorrübergehend zum Antritt des Vorerbrechts berufen wird, etwa weil der eigentliche Vorerbe nur bedingt eingesetzt wurde und die Bedingung noch nicht eingetreten ist. Kommt es zum Eintritt der Bedingung, unter der der Vorerbe sein Vorerbrecht erhält, ist der Nacherbe verpflichtet die Nacherbschaft herauszugeben.