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2 Nacherbschaft

2.2 Die Nacherbschaft

2.2.3 Auslegung

Herrscht Unklarheit über die Art und den Umfang einer bestehenden Nacherbschaft besagt § 614 ABGB, dass die Anordnung des letztwillig Verfügenden so zu interpretieren ist, sodass die Freiheit des Vorerben am wenigsten eingeschränkt ist. Das gleiche gilt – seit dem ErbRÄG 2015 auch ausdrücklich gesetzlich normiert32 – auch für den Fall, in dem es zu ermitteln gilt, ob überhaupt eine Nacherbschaft angeordnet worden ist.33

Nach Kletečka/Holzinger34 stellt § 614 ABGB nicht bloß eine allgemeine Auslegungsregel dar, viel mehr wird durch diese Regelung der Bestimmtheitsmaßstab für die Anordnung einer Nacherbschaft angehoben. Diese muss unzweifelhaft und mit voller Bestimmtheit verfügt werden, ein Befehlston ist jedoch nicht obligatorisch.35 Laut OGH36 handelt es sich bei einem bloßen Rat bzw einer einfachen Empfehlung an den Erben, die Verlassenschaft zu einem späteren Zeitpunkt einem anderen zu überlassen, nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft, denn diese muss, um Gültigkeit zu erlangen, erkennbar angeordnet sein.

29 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.213 mwN.

30 OGH 1 Ob 849/33 SZ 15/202; Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/111; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–

824 ABGB (2019) § 612 ABGB Rz 4 mwN.

31 OGH 7 Ob 88/65 SZ 38/65; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.215 mwN.

32 RIS-Justiz RS0012555; ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13.

33 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 1 (Stand 1.1.2018, rdb.at);

Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 614 ABGB Rz 1.

34 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 4 mwN.

35 RIS-Justiz RS0038393.

36 OGH 2 Ob 272/52 SZ 25/85 = JBl 1953, 125.

7 2.2.4 Erlöschen der Nacherbschaft

Vom Erlöschen einer Nacherbschaft ist nur dann die Rede, wenn diese vorzeitig unwirksam wird, nicht hingegen, wenn sie in Folge des Eintritts des Nacherbfalls beendet wird. Nach hA37 sind die Gründe für das Erlöschen im Gesetz nicht taxativ aufgezählt, neben den §§ 615 ff ABGB stellen unter anderem auch die einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft durch den Vor- und Nacherben, die gemeinsame Umwandlung38 einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest sowie die vom Vorerben vorgenommene Veräußerung des Vorerbrechts an den Nacherben Erlöschungsgründe dar.39

§ 615 Abs 1 S 2 ABGB zählt zwei Gründe auf, die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen.

Einerseits erlischt diese, wenn kein berufener Nacherbe mehr vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn der letzte Nacherbe, ohne Nachkommen zu hinterlassen, vor Eintritt des Nacherbfalls verstorben ist40 aber auch wenn alle zulässig berufenen Nacherben die Erbschaft angetreten haben, sie nicht mehr antreten können oder sie ausgeschlagen haben.41 Verstirbt der Nacherbe hingegen vor Eintritt des Nacherbfalls unter Hinterlassung von Erben, so geht auf diese gem Abs 2 leg cit im Zweifel das Recht des Nacherben über. Voraussetzung dafür ist, dass der verstorbene Nacherbe erst nach dem die Nacherbschaft letztwillig Verfügenden gestorben ist, sowie dass der Nacherbe terminisiert berufen worden ist, etwa wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll.42 Wurde der Nacherbe hingegen unter einer aufschiebenden Bedingung berufen, erhält er die Nacherbschaft erst mit Eintritt der Bedingung und er muss diesen Zeitpunkt erleben sowie dabei des Erbens fähig sein.43

Der OGH44 hat in einer Entscheidung ausgesprochen, dass, wenn der Nacherbe mit der Kinderlosigkeit des Vorerben aufschiebend bedingt berufen ist, nicht die Zweifelsregel gem § 615 Abs 2 ABGB zur Anwendung kommt, sondern iSd § 703 ABGB vorzugehen ist.

37 RIS-Justiz RS0012573, zuletzt OGH 9 Ob 80/14a EvBl-LS 2015/105.

38 OGH 6 Ob 136/07d iFamZ 2009/174.

39 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.234; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 7 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at) mwN.

40 RIS-Justiz RS0127621, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

41 RIS-Justiz RS0127621; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 615 ABGB Rz 2.

42 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

43 OGH 2 Ob 212/00s EFSlg 93.284; Apathy/Neumayr in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 608 ABGB Rz 4.

44 RIS-Justiz RS0127624, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Sailer in FS Eccher 995 (1011).

8 Andererseits kommt es zu einem Erlöschen der Nacherbschaft, wenn der Verstorbene diese unter einer aufschiebenden Bedingung errichtet hat und die Bedingung nunmehr endgültig nicht eintreten kann.

In § 616 ABGB wird die Nacherbschaft in Bezug auf eine testierunfähige Person als Vorerbe behandelt. Im Gesetz wird hierbei zwischen zwei verschiedenen Varianten differenziert:

Abs 1 leg cit behandelt den Fall, dass der Verstorbene den von ihm eingesetzten Vorerben irrtümlich für testierunfähig gehalten hat, dieser aber tatsächlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Es wird davon ausgegangen, dass für den letztwillig Verfügenden die Testierunfähigkeit des Vorerben kausal für die Errichtung einer Nacherbschaft war, weshalb die Nacherbschaft im Zweifel ungültig ist.

In der zweiten Variante gem Abs 2 leg cit ist der eingesetzte Vorerbe tatsächlich – wie vom letztwillig Verfügenden angenommen – testierunfähig. Erlangt der Vorerbe in weiterer Folge die Testierfähigkeit ist auch hier im Zweifel von einem Erlöschen der Nacherbschaft auszugehen. Einmal erloschen bleibt dies auch dann so, wenn der vormalige Vorerbe daraufhin seine Testierfähigkeit wieder verliert.45

Im Gegensatz dazu war vor dem ErbRÄG 2015 für das Erlöschen der Nacherbschaft von Bedeutung, ob die (vermeintlich) testierunfähige Person bei voller Besonnenheit selbst ein Testament errichtet.46

Eine weitere Zweifelsregel die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen kann stellt § 617 ABGB dar. In diesem Fall hat der Verstorbene seinem Kind eine Nacherbschaft angeordnet, dieses hatte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch keine (zumindest dem letztwillig Verfügenden bekannte) Kinder. Es wird angenommen, dass der letztwillig Verfügende die Nacherbschaft mit seinem Kind als Vorerben nur deshalb verfügt hat, da er sich in Unkenntnis über die künftige Entwicklung befunden hat. Wäre er sich hingegen im Klaren über die Zukunft gewesen, hätte er die Nacherbschaft nicht angeordnet. Somit erlischt im Zweifel die Nacherbschaft, wenn das Kind des Verstorbenen später doch eigene erbfähige Kinder hinterlässt.47

45 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 616 ABGB Rz 1 ff.

46 Welser in Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch4 (2014) § 616 ABGB Rz 2 ff.

47 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 617 ABGB Rz 2 f.

9 Zu beachten ist, dass sämtliche hier genannten Zweifelsregeln durch den Beweis des Gegenteils – eines anderen Willens des letztwillig Verfügenden – entkräftet werden können.48

2.2.4.1 Einvernehmliche Aufhebung

Wie bereits eingangs erwähnt kann die Nacherbschaft zudem durch den Vor- und die Nacherben einvernehmlich aufgehoben werden.49 Zu beachten ist, dass die Übereinkunft stets zwischen allen möglichen Nacherben getroffen werden muss, selbst der Ersatzerbe hat zuzustimmen. Die einvernehmliche Aufhebung kann durchaus auch gegen den Willen des Verstorbenen getroffen werden.50

2.2.4.2 Umwandlung in eine Nacherbschaft auf den Überrest

Einen zumindest teilweisen Verzicht auf die Nacherbschaft stellt die Umwandlung einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest dar. Durch diese Übereinkunft verzichtet der Nacherbe auf seine Rechtsstellung als „voller“ Nacherbe und der Vorerbe wird zum befreiten Vorerben.51

Zu seiner Rechtswirksamkeit bedarf diese Verfügung laut OGH eines Notariatsaktes oder gerichtlichen Protokolls gem § 1278 Abs 2 ABGB, wie dies auch für den Erbschaftskauf gilt.

Dieser Ansicht folgen auch einige Stimmen aus der Lehre: Weiß52 ist der Meinung, dass ein solches Rechtsgeschäft einem Zusammenfallen der Position des Berechtigten und Verpflichteten eines belasteten dinglichen Rechts gleichkomme und darin eine Veräußerung einer Erbschaft, die dem Nacherben angefallen sei oder dieser bereits angetreten habe, liege.

Dass eine einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft schon vor Eintritt des Nacherbfalls möglich sei, vertritt Ehrenzweig53. Der Nacherbe habe die Möglichkeit die Nacherbschaft auszuschlagen und sein unbedingtes Erbrecht dem Vorerben gem § 1278 ABGB abzutreten.

Nach Kralik54 könne eine Unwirksamkeit der Nacherbschaft vom Nacherben dadurch herbeigeführt werden, dass der Nacherbe sein noch nicht angefallenes Nacherbrecht für den Fall, dass es entstehen sollte, gem §§ 1278 ff ABGB auf den Vorerben übertrage.

48 § 615 ABGB: Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 2 mwN; § 616 ABGB: Welser, Erbrechts-Kommentar § 616 ABGB Rz 7; § 617 ABGB: OGH 7 Ob 733/86 SZ 60/7.

49 RIS-Justiz RS0012563, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner).

50 Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 4 mwN.

51 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

52 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

53 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

54 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

10 Eine andere Meinung vertritt diesbezüglich Welser55. Bei einer solchen Vereinbarung handle es sich um einen bloßen Verzicht und nicht um eine Erbschaftsveräußerung, da vor allem das wesentliche Kriterium, nämlich die Übertragung eines Erbrechts, nicht vorhanden sei. Deshalb bedürfe es zu ihrer Gültigkeit auch weder eines Notariatsakts noch ein gerichtlichen Protokolls iSd § 1278 ABGB. Durch den Verzicht auf oder die Aufhebung von Beschränkungen komme es nicht zu einem Rechtsübergang auf den Verpflichteten, viel eher führe dies zu einem Rechtsuntergang. Bei einer Aufhebung der Nacherbschaft behalte der Vorerbe sein Erbrecht in Umfang und Quote unverändert bei, lediglich die zeitliche Einschränkung und die Verfügungsbeschränkungen über die Nacherbschaftsmasse fielen weg. Die bessere Rechtsstellung des Vorerben resultiere schlichtweg aus dem Verzicht des Nacherben auf sein Erbrecht.56

Die Vereinbarung zwischen Vor- und Nacherben, wodurch der Nacherbe seine Rechtsposition als „voller“ Nacherbe verliert, birgt die Gefahr der Übereilung. Der Vorerbe hat die Möglichkeit durch ein Verschenken (von Teilen) der Nacherbschaftsmasse die Nacherbschaft auf den Überrest endgültig zu beseitigen. Dies macht den Nacherben schutzbedürftig, was eine Anwendung der Formvorschriften des § 1278 Abs 2 ABGB laut OGH nahelegt. Nicht zuletzt verfolgt die besondere Form auch einen Beweissicherungszweck.57

2.2.5 Behandlung der Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren

Den Kern des Verlassenschaftsverfahren stellt die Verlassenschaftsabhandlung (§§ 156 ff AußStrG) dar. Diese findet statt, wenn die Abhandlung nicht gem § 153 AußStrG unterbleibt, es nicht zu einer Überlassung an Zahlungs statt kommt und auch kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wird.58 Das Verlassenschaftsgericht hat die Nacherben, wenn zu ihren Gunsten eine Nacherbschaft angeordnet wurde, hiervon gem § 176 Abs 1 AußStrG zu verständigen.59

55 Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 3 mwN.

56 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

57 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz); Haunschmidt/Haunschmidt, Erbschaft und Testament6 (2020) 52.

58 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 12.15.

59 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/117; Holzner, Der Erbschaftserwerb des Nacherben, JBl 2020, 425 (425).

11 2.2.5.1 Inventarisierung der Verlassenschaft

§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG sieht vor, dass zwingend eine Inventarisierung der Verlassenschaft durchzuführen ist, wenn auf eine Nacherbschaft Bedacht genommen wird.60 Dasselbe gilt auch, wenn es sich um eine Nacherbschaft auf den Überrest handelt.61

Das Inventar stellt eine vollständige Aufzeichnung der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dar, soweit diese nicht höchstpersönlich sind.62 Sind jedoch nur gewisse Gegenstände von der angeordneten Nacherbschaft erfasst, sind auch nur diese zwingend in das Inventar aufzunehmen, es wird ein sog Teilinventar erstellt.63

Der Nacherbe ist als Erbe des Verstorbenen – und nicht des Vorerben – Partei im Verlassenschaftsverfahren nach diesem und somit auch zur Errichtung des Inventars zu laden.64 Die Errichtung des Inventars hat von Amts wegen zu erfolgen und fällt in die zwingende Zuständigkeit des Notars als Gerichtskommissär gem § 1 Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 GKG.65 Die Errichtungskosten des Inventars hat die Verlassenschaft iSd § 168 Abs 3 AußStrG zu tragen.66 Da die letztwillige Verfügung die Grundlage für eine zwingende Inventarisierung darstellt, können die Parteien nur sehr eingeschränkt darüber disponieren. Eine Möglichkeit die Anwendbarkeit des § 164 Abs 1 Z 4 AußStrG auszuschließen wäre ein gemeinsames Verzichten aller Nacherben auf die zu ihren Gunsten angeordnete Nacherbschaft.67

2.2.5.2 Aufnahme in den Einantwortungsbeschluss

Der Einantwortungsbeschluss hat neben einigen notwendigen Angaben auch den Umstand, dass die Rechte der Erben durch Nacherbschaften beschränkt sind, zu enthalten (§ 178 Abs 2 Z 1 AußStrG). Handelt es sich um eine Nacherbschaft auf den Überrest ist auch darauf hinzuweisen.68 Auch den Nacherben ist der Einantwortungsbeschluss zuzustellen.69

60 Oswald in Schneider/Verweijen (Hrsg), AußStrG Kommentar (2019) § 165 Rz 1.

61 Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth (Hrsg), Kommentar zum Außerstreitgesetz Band I2: JN & AußStrG (2019)

§ 165 Rz 6.

62 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 1.

63 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 20.

64 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 16.

65 Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 3, 5.

66 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.237.

67 Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 165 Rz 2.

68 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.238.

69 Holzner, JBl 2020, 425 (426).

12 2.2.5.3 Bestellung eines Substitutionskurators

Sind Ungeborene zu Nacherben berufen, ist von Amts wegen ein sog Substitutionskurator zu bestellen (§ 277 Abs 1 ABGB iVm § 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG). Dieser hat die Interessen der ungeborenen Nacherben zu wahren und sie in etwaigen Prozessen betreffend deren Rechte – der Kurator tritt in diesen in Vertretung der Ungeborenen als Partei auf – zu vertreten.70 In Bezug auf die Nacherbschaftsmasse kommt dem Kurator kein Vertretungs- oder Verwaltungsrecht zu und er hat auf diese keinen Einfluss.71

Eine andere Meinung vertritt hier Oswald72, der die zwingende Erforderlichkeit einer Bestellung eines Substitutionskurators bezweifelt. Seiner Meinung nach finde sich erstens keine gesetzliche Grundlage hierfür und zweitens wären die Rechte des ungeborenen Nacherben ohnehin ausreichend sichergestellt, da gem § 164 Abs 1 Z 4 AußStrG zwingend von Amts wegen ein Inventar zu errichten ist und die Beschränkung durch die Nacherbschaft in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen wird.

Kommen nur noch Personen als Nacherben infrage, die bereits geboren sind, endet die Tätigkeit des Substitutionskurators.73 Ab der Geburt hat der gesetzliche Vertreter die Interessenwahrung anstelle des Substitutionskurators zu übernehmen.74 Vorzeitig kann ein Substitutionskurator nur abberufen werden, wenn ohne jegliche Zweifel davon ausgegangen werden kann, dass ein nachfolgeberechtigter Nacherbe nicht mehr geboren wird.75

2.2.5.4 Sicherung der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft a. Anmerkung im Grundbuch und Eintragung im Firmenbuch

Obwohl in der geltenden Fassung des AußStrG76 und in § 20 lit a GBG nicht ausdrücklich genannt, ist bei einer Verlassenschaft, in der sich unbewegliche Sachen befinden, von Amts wegen die Anmerkung der Nacherbschaft im B-Blatt – dem Eigentumsblatt – des Grundbuchs vorzunehmen, das sog Substitutionsband. Die Eintragung der Nacherbschaft hat bei

70 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.241.

71 Welser, Erbrechts-Kommentar § 612 ABGB Rz 6 mwN.

72 Schneider/Verweijen, AußStrG § 165 Rz 17.

73 Welser, Erbrechts-Kommentar § 612 ABGB Rz 6 mwN.

74 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/118.

75 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/118.

76 Gem § 158 Abs 1 S 1 AußStrG 1854 mussten Substitutionen auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden; RIS-Justiz RS0008149.

13 Einzelunternehmen sowie bei eingetragenen Personengesellschaften (OG, KG) gem § 4 Z 3 FBG im Firmenbuch zu erfolgen, bei Kapitalgesellschaften gem § 5 iVm § 4 Z 3 FBG.77 Das Substitutionsband hat die Wirkung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, welches sämtliche dingliche Verfügungen des Vorerben – auf die Ausnahmen wird unten eingegangen – die die Rechtsstellung des Nacherben nachteilig berühren, gegenüber Dritten nichtig macht.

Anderes gilt bezüglich einer Nacherbschaft auf den Überrest, bei welcher das Substitutionsband einer Veräußerung der Liegenschaft nicht im Wege steht. Da mit der Veräußerung das unbewegliche Vermögen nicht mehr Teil des „Überrests“ ist, fällt auch die Grundlage für eine Anmerkung der Nacherbschaft im Grundbuch weg und das Substitutionsband kann gelöscht werden.78 Die Entscheidung darüber, ob eine im Grundbuch eingetragene Nacherbschaft bereits erloschen ist, hat nicht das Grundbuchsgericht, sondern das Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde.79

Die Eintragung des Substitutionsbandes steht auch der Einverleibung eines sowohl vertraglichen als auch zwangsweise begründeten Pfandrechts entgegen, sofern der Nacherbe dieser nicht zustimmt.80

Ist die Nacherbschaft beendet, sind die Bindungen aufgehoben und das Substitutionsband im Grundbuch zu löschen.81

b. Sicherung des beweglichen Vermögens

Im Gegensatz zur alten Fassung des AußStrG82 enthält die derzeit geltende auch keine Regelungen bezüglich der Sicherung des beweglichen Vermögens zum Vorteil der Nacherben.

Jedoch vertritt Ferrari83 die Meinung, dass § 176 Abs 2 AußStrG zumindest auf minderjährige oder sonst schutzberechtigte Nacherben zur Anwendung kommt, was bedeutet, dass deren Rechte von Amts wegen sichergestellt werden müssen. Nach der Ansicht Verweijens84 wäre die

77 OGH 2 Ob 167/16x iFamZ 2017/102; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.239 mwN; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum ABGB Klang-Kommentar3 – §§ 552–646 (2017) § 613 ABGB Rz 10.

78 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.239 mwN; RIS-Justiz RS0006749.

79 RIS-Justiz RS0007570.

80 RIS-Justiz RS0002605; RIS-Justiz RS0012560.

81 RIS-Justiz RS0127620.

82

83 Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.240.

84 Schneider/Verweijen, AußStrG Kommentar (2019) § 176 Rz 9.

14 Konsequenz bei Ferraris Meinung, dass der Vorerbe die gesamte Verlassenschaft gem § 56 ZPO bei Gericht erlegen müsste, was dazu führen würde, dass diesem die Nutzung unmöglich wäre und dies unabhängig davon, ob der Nacherbfall jemals eintrete.

Nach hM steht dem Nacherben, wenn die Substanz gefährdet ist, ein Sicherstellunganspruch gem § 520 ABGB zu, insoweit es sich nicht um eine befreite Vorerbschaft handelt.85

2.2.6 Nacherbschaft und Pflichtteilsrecht

Hat der Verstorbene über seine Verlassenschaft letztwillig verfügt und eine Nacherbschaft angeordnet ist trotzdem das Pflichtteilsrecht nicht außer Acht zu lassen. Dabei ist zwischen folgenden Konstellationen zu unterscheiden: Einerseits, wenn der letztwillig Verfügende eine pflichtteilsberechtigte Person nicht bedacht hat, andererseits, wenn ein Pflichtteilsberechtigter als Vorerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist.86

Im ersteren Fall muss der Vorerbe die Berichtigung des Pflichtteils vornehmen.87 Der Umstand, dass eine Nacherbschaft angeordnet ist, mindert nicht den Wert der Verlassenschaft, da die Nacherbschaft nicht in die Pflichtteilsberechnung miteinbezogen wird.88

Handelt es sich bei den Vor- oder Nacherben selbst um Pflichtteilsberechtigte gibt es verschiedene Auffassungen in der Lehre, wie dieser Umstand, insbesondere die sich vermeintlich widersprechenden § 762 ABGB und § 766 ABGB zu behandeln sind.

Vor dem ErbRÄG 2015 galt gem § 774 aF ABGB, dass der Pflichtteil ganz frei bleiben muss und jede, diesen einschränkende Bedingung oder Belastung ungültig ist. Im Gegensatz dazu hindern derartige Beschränkungen nach geltender Rechtslage gem § 762 ABGB nicht die Eignung zur Pflichtteilsdeckung, sie ziehen lediglich eine Wertminderung nach sich.89 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage90 ist als Beispiel unter anderem die Anordnung einer Nacherbschaft genannt, diese ist somit einer Anfechtung durch den Pflichtteilsberechtigten nicht zugänglich.

Gem § 766 ABGB hat der letztwillig Verfügende die Möglichkeit eine Stundung des Pflichtteilanspruchs bzw eine Zahlung in Teilbeträgen bis zu fünf Jahre nach seinem Tod

85 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/117; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.240 mwN.

86 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216.

87 RIS-Justiz RS0012558.

88 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.216.

89 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 10.27.

90 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 25.

15 anzuordnen. Abs 1 S 1 leg cit gilt für den Geldpflichtteil, Abs 1 S 2 leg cit findet bei letztwillig hinterlassenen pflichtteilsdeckenden Zuwendungen Anwendung. Daraus lässt sich schließen, dass der gesamte Pflichtteil nach höchstens fünf Jahren (im Ausnahmefall nach zehn Jahren) vollständig gedeckt sein muss.91

Einerseits normiert § 766 Abs 1 S 2 ABGB, dass der Zufluss von Werten an die pflichtteilsberechtigte Person auf höchstens fünf Jahre erstreckt werden darf, andererseits erlaubt § 762 ABGB hingegen jede sukzessive Pflichtteilsdeckung ohne Befristung. Dieser vermeintliche Normenwiderspruch wird in der Lehre unterschiedlich interpretiert.92

Barth93 ist der Meinung, dass eine Zuwendung nach § 762 ABGB zu bewerten sei, dem Pflichtteilsberechtigten aber ein Ergänzungsanspruch zustehe, wenn der Pflichtteil nach Ablauf der Fünfjahresfrist noch nicht gänzlich erfüllt worden ist.94 Somit ergänzen sich § 762 ABGB und § 766 ABGB seiner Ansicht nach.

Nach Umlauft95 habe die pflichtteilsberechtigte Person nach Ablauf der fünf Jahre ein Wahlrecht zwischen der unmittelbaren Leistung des noch zu ergänzenden Pflichtteils in Geld oder auf Beibehaltung der ursprünglichen Art der sukzessiven Zuwendung.

Giller96 hingegen vertritt die Ansicht, dass § 762 ABGB Vorrang gegenüber § 766 ABGB genieße, da letztere Norm sich lediglich auf die Stundung des Geldpflichtteilanspruchs beziehe da § 766 Abs 1 S 2 ABGB – wonach sich die Regelung auch auf Zuwendungen bezieht, die den Pflichtteil decken – ein Redaktionsversehen darstelle. Somit kommt auf pflichtteilsdeckende letztwillige Zuordnungen nur § 762 ABGB zur Anwendung.

Im Ergebnis vertritt auch Tschugguel97 die zuletzt dargestellte Meinung und unterscheidet zwischen § 762 ABGB, der das Gestaltungsinteresse und § 766 Abs 1 S 2 ABGB, der das Stundungsinteresse des letztwillig Verfügenden betreffe. Somit hätten beide Normen einen unterschiedlichen Inhalt und welche Bestimmung anzuwenden sei, hänge von der Absicht des Verstorbenen ab. Diese Auffassung teilt auch Ferrari98, wonach bei der Anordnung einer Vor- oder Nacherbschaft – da der letztwillig Verfügende die Pflichtteilsdeckung primär gestalten

Im Ergebnis vertritt auch Tschugguel97 die zuletzt dargestellte Meinung und unterscheidet zwischen § 762 ABGB, der das Gestaltungsinteresse und § 766 Abs 1 S 2 ABGB, der das Stundungsinteresse des letztwillig Verfügenden betreffe. Somit hätten beide Normen einen unterschiedlichen Inhalt und welche Bestimmung anzuwenden sei, hänge von der Absicht des Verstorbenen ab. Diese Auffassung teilt auch Ferrari98, wonach bei der Anordnung einer Vor- oder Nacherbschaft – da der letztwillig Verfügende die Pflichtteilsdeckung primär gestalten