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3 Rechtsstellung des Vorerben

3.6 Die Rechtsstellung des befreiten Vorerben

3.6.2 Pflichten

3.6.2.2 Surrogationsgrundsatz

Um zu beurteilen, ob sich ein Gegenstand noch in der Verlassenschaft befindet, ist der Surrogationsgrundsatz heranzuziehen.262 Auf diesen wird unter 4.3.9 näher eingegangen.

Der hypothetische Willen des Verstorbenen ist zu ermitteln, wenn es darum geht, was mit Sachen passiert, die der Vorerbe berechtigterweise veräußert hat und die in Folge wieder an ihn zurückfallen, etwa weil er sie zurückerworben hat oder sie an ihn vererbt wurden. Hat der Vorerbe einem Dritten die Sache geschenkt und erlangt er als Erbe des Dritten die Sache zurück, ist, nach P.Bydlinski263 davon auszugehen, dass es dem Willen des Verstorbenen entspreche, dass das Substitutionsband wiederauflebt und die Sache in die von der Nacherbschaft erfasste Verlassenschaft zurückfällt. Des Weiteren werde für gewöhnlich bei einer entgeltlichen Veräußerung und einem unentgeltlichen Rückerwerb einer einst der Nacherbschaftsmasse zugehörigen Sache davon ausgegangen, dass die Sache wieder in die Verlassenschaft zurückfällt und folglich der Nacherbschaft unterworfen ist. Erlangt der Vorerbe einen entgeltlich veräußerten Gegenstand gegen Entgelt zurück, werde grundsätzlich nur dann im Sinne des oben Gesagten vorgegangen, wenn es sich bei dem, für den Rückerwerb aufgewendeten Entgelt um eine Sache der Nacherbschaftsmasse oder um eine Ersatzsache handelt.264

261 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 96.

262 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 97.

263 Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241.

264 P. Bydlinski, Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241.

48 4 Rechtsstellung des Nacherben

4.1 Anwartschaftsrecht des Nacherben

Der Nacherbe ist nach hM dinglich, und nicht bloß obligatorisch Berechtigter an dem der Nacherbschaft unterliegenden Vermögen. Da ihm jedoch bei Erbanfall die Voraussetzung der Herrschaft über die Sache fehlt, wird er ein dingliches Recht an der Verlassenschaft erst mit Einantwortung erwerben können. Nach Kletečka/Holzinger265 steht dem Nacherben zwar kein dingliches aber ein absolutes Anwartschaftsrecht zu, das er gegen jedermann durchzusetzen berechtigt ist. Dieses kann der Nacherbe veräußern, vererben und es ist pfändbar. Durch das Anwartschaftsrecht ist die Rechtsstellung des Vorerben mit absoluter Wirkung beschränkt.266 Dem Nacherben steht auch bereits vor dem Erwerb der Nacherbschaftsmasse – wie sonst einem dinglich Berechtigten – die Löschungsklage gem § 61 GBG gegen Eintragungen zu, die mit der Nacherbschaft nicht übereinstimmen.267

Das dem Nacherben zustehende Anwartschaftsrecht ist laut OGH268 der Exekution gem §§ 331 ff EO zugänglich und fällt überdies in seine Insolvenzmasse.269 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Exekution ist lediglich, dass dem Verpflichteten das zu pfändende Recht zur Zeit der Exekutionsführung zusteht, vom konkreten Umfang des Anwartschaftsrechts ist die Bewilligung der Exekution hingegen nicht abhängig.270

4.2 Eintritt des Nacherbfalls

4.2.1 Nacherbe als Erbe des Verstorbenen

Mit Eintritt des Nacherbfalls endet das Erbrecht des Vorerben und der Nacherbe erwirbt das Vollerbrecht. Damit kommt noch einmal deutlich zum Ausdruck, dass der römische Grundsatz

„semel heres, semper heres“ für das österreichische Erbrecht nicht mehr gilt. Der Nacherbe wird Erbe und somit Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen und ist dadurch kein Erbe des

265 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 6.

266 Müller/Aschauer, Aktuelle Bewertungsfragen im Pflichtteilsrecht bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge, JEV 2021, 4 (12).

267 RIS-Justiz RS0008192; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 6.

268 RIS-Justiz RS0122250, zuletzt OGH 3 Ob 75/07m SZ 2007/12 = JBl 2008, 44.

269 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 14.

270 RIS-Justiz RS0053189, OGH 3 Ob 75/07m SZ 2007/12 = JBl 2008, 44.

49 Vorerben.271 Der Nacherbe leitet sein Erbrecht schließlich vom Verstorbenen, nicht hingegen vom Vorerben, ab.272

Im Gegensatz zum Erbrecht des Vorerben ist jenes des Nacherben aufschiebend befristet bzw bedingt. Das heißt, dass der Nacherbe erst zum Erben des Verstorbenen wird, wenn der für den Nacherbfall bestimmte Zeitpunkt erreicht ist oder das für die Nacherbschaft als Bedingung festgelegte Ereignis eintritt.273 Ist das Nacherbrecht aufschiebend bedingt, ist offen, ob die Bedingung eintritt, also der Nacherbe jemals erben wird. Ist hingegen von einer aufschiebenden Befristung des Nacherbrechts die Rede, ist gewiss, dass der Zeitpunkt für den Eintritt des Nacherbfalls kommen wird, lediglich das „wann“ ist noch nicht sicher.274 Der letztwillig Verfügende hat grundsätzlich die Möglichkeit, jeden Umstand als Eintritt des Nacherbfalls festzulegen, sofern dieser nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ist der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vom Verstorbenen nicht bezeichnet worden, kommt die Zweifelsregel des § 608 Abs 2 ABGB zur Anwendung und der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.275 Zu einem vorzeitigen Eintritt des Nacherbfalls kommt es, wenn der Vorerbe zugunsten des Nacherben auf sein Vorerbrecht verzichtet.276

Voraussetzung für das Erwerben des Nacherbrechts ist – wie bei jedem Erbrecht gem § 536 Abs 2 ABGB –, dass der Nacherbe den Verstorbenen überlebt. Der Begriff des Nacherbrechts setzt auch voraus, dass es einen Vorerben gibt, der das Vorerbrecht so lange innehat, bis die Bedingung eintritt oder der bestimmte Zeitpunkt erreicht wird. Somit kann niemals bestimmt werden, dass es zum Nacherbfalls bereits mit Eintritt des Erbfalls kommt.277

4.2.2 Erbfähigkeit des Nacherben

Für die Erbfähigkeit einer Person sind gem § 538 ABGB die Rechtsfähigkeit und die Erbwürdigkeit ausschlaggebend. Da die Erbfähigkeit einen Teil der allgemeinen Rechtsfähigkeit darstellt, gilt grundsätzlich jede lebende Person als absolut erbfähig. Ist bei einer Person die Erbwürdigkeit nicht gegeben, ist von einer relativen Erbunfähigkeit die

271 RIS-Justiz RS0012564; Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 309.

272 Barth/Dokalik/Potyka (Hrsg), Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch ABGB samt den wichtigsten Nebengesetzen26 (2018) § 613 ABGB.

273 Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 1.

274 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 21.

275 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 309.

276 Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 1.

277 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 21.

50 Rede.278 Ob jemand erbunwürdig ist, hängt davon ab, ob einer der im Gesetz gem §§ 539 ff ABGB taxativ aufgezählten absoluten und relativen Erbunwürdigkeitsgründe zutrifft. Führt jemand zum Beispiel eine Straftat aus, die nur mit Vorsatz begangen werden kann und die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist und richtet diese gegen den Verstorbenen oder die Verlassenschaft, erfüllt er einen absoluten Erbunwürdigkeitsgrund. Diese Verhaltensweise entzieht – da sie so schwer wiegt – von Gesetzes wegen dem so Handelnden das Erbrecht, sofern keine Verzeihung stattgefunden hat. Anderes gilt, wenn ein relativer Erbunwürdigkeitsgrund verwirklicht wurde, wenn etwa dieselbe Straftat gegen einen nächsten Angehörigen des Verstorbenen begangen wird. In so einem Fall ist die Erbunwürdigkeit nur dann anzunehmen, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten keine Möglichkeit hatte, letztwillig die Entziehung des Erbrechts zu verfügen.279

Da der Nacherbe als Erbe des Verstorbenen und nicht des Vorerben gilt, ist seine Erbfähigkeit im Verhältnis zum Verstorbenen festzustellen.280

4.3 Rechte des Nacherben

4.3.1 Der Erbschaftserwerb durch den Nacherben 4.3.1.1 Fortführung der Verlassenschaftsabhandlung

Einhellig wird die Ansicht vertreten, dass mit Eintritt des Nacherbfalls und somit dem Ende des Erbrechts des Vorerben ipso iure aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Verlassenschaftsvermögen – das sich vormalig im beschränkten Eigentum des Vorerben befunden hat – wieder eine ruhende Verlassenschaft nach dem Verstorbenen wird.281

Wie oben schon erwähnt ist die Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen anzumerken. Nach heute hA hat die Anmerkung der Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss die Folge, dass bei Eintritt des Nacherbfalls die Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen, über den Teil der Verlassenschaft, der der Nacherbschaft unterliegt, von Amts wegen wiedereröffnet wird. Dabei erkennt auch das Verlassenschaftsgericht über den Eintritt des Nacherbfalls. Der Nacherbe erhält daraufhin nach Abgabe der Erbantrittserklärung – sofern dies nicht schon in der unmittelbar auf den Tod des Verstorbenen folgenden Verlassenschaftsabhandlung geschehen

278 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 8.6.

279 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 8.9. ff.

280 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 20.

281 Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 26.

51 ist – und nach erfolgter Einantwortung an ihn den der Nacherbschaft unterliegenden Teil der Verlassenschaft.282

Der Nacherbe wird, wie oben bereits erwähnt, Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen, nicht jedoch des Vorerben. Das führt dazu, dass es zu zwei getrennten Verlassenschaftsabhandlungen kommt, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben aufschiebend bedingt war – dem fortgesetzten Verlassenschaftsverfahren nach dem Verstorbenen (das ist der die Nacherbschaft letztwillig Verfügende) und dem Verlassenschaftsverfahren nach dem Vorerben über dessen freies Vermögen.283

Ferrari-Hofmann-Wellenhof284 folgt der hM in der Ansicht, die Verlassenschaftsabhandlung wieder zu eröffnen. Anderenfalls würden dem Nacherben die Vorteile der Verlassenschaftsabhandlung genommen, wie etwa der Erwerb der Rechtsnachfolge im Außerstreitverfahren oder die Möglichkeit der Gläubigerkonvokation.

Manche Lehrmeinungen billigen dem Nacherben zu, zwischen dem Erbschaftserwerb im Wege der Verlassenschaftsabhandlung oder mithilfe der Erbschaftsklage zu wählen. Kletečka285 sieht in der Verlassenschaftsabhandlung die grundlegende Art des Erbrechtserwerbs, weshalb auch nach Eintritt des Nacherbfalls die Verlassenschaftsabhandlung fortzusetzen sei und der Nacherbe die Erbschaft durch Einantwortung erwerbe. Mithilfe der Erbschaftsklage sei nur vorzugehen, wenn nicht erreicht worden wäre, die Verlassenschaft dem wahren Erben einzuantworten. Die Erbschaftsklage setze einen formell rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss voraus, dieser sei jedoch unvereinbar mit dem geltend gemachten Erbschaftsanspruch. Hat die Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren nach dem Verstorbenen Berücksichtigung gefunden, steht diese daher nicht mit dem Einantwortungsbeschluss im Widerspruch und es kann deshalb nicht mit der Erbschaftsklage vorgegangen werden. Solange der einfachere Weg des außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren noch nicht gänzlich ausgenützt ist, sei nicht auf den streitigen Rechtsweg zu wechseln.

282 Holzner, JBl 2020, 425 (426); Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 182 f.

283 RIS-Justiz RS0007568; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 26.

284 Erbschaftsklage 184.

285 Ersatz- und Nacherbschaft 312 ff.

52 4.3.1.2 Keine Wiederaufnahme der Verlassenschaftsabhandlung

Nach der Judikatur ist das Verlassenschaftsverfahren jedoch endgültig beendet, wenn die Verlassenschaftsabhandlung stattgefunden hat, ohne dass die Nacherbschaft berücksichtigt worden ist. Dem Vorerben ist in Folge die Verlassenschaft rechtskräftig eingeantwortet worden, wobei kein Hinweis auf die Beschränkung der Rechte des Vorerben durch eine Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss erfolgt ist. Die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verlassenschaftsverfahren besteht nicht, da es in solchen Fällen an einem der Nacherbschaft unterliegenden Vermögen mangelt. Das führt dazu, dass der Nacherbe keine Erbantrittserklärung abgeben kann. Das Vermögen, das der Nacherbschaft unterliegt, fällt im Zeitpunkt des Versterbens des Vorerben in seine Verlassenschaft.286

Der Nacherbe hat die Möglichkeit, sich gegen den Vorerben, oder – wenn als Nacherbfall der Tod des Vorerben bestimmt war – gegen die durch einen Kurator vertretene Verlassenschaft des Vorerben bzw jeden, der Anspruch auf die der Nacherbschaft unterliegenden Sachen erhebt, mit der Erbschaftsklage zu behelfen, auch wenn er gegen den Einantwortungsbeschluss kein Rechtsmittel erhoben hatte. Gibt es keine Erben kann die Erbschaftsklage auch gegen den Bund erhoben werden, im Falle, dass dieser sich die Erbschaft aneignen möchte.287

Vor Eintritt des Nacherbfalls kann sich der Nacherbe – wenn er vom Nacherbrecht nicht verständigt oder der Einantwortungsbeschluss ihm nicht zugestellt worden ist – gegen den Einantwortungsbeschluss, mangels Rechtskraft des Beschlusses ihm gegenüber, mittels Rekurses zur Wehr zu setzen und damit erreichen, dass die Nacherbschaft in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen wird. Ist dies der Fall steht einer Verlassenschaftsabhandlung im Falle des Eintritts des Nacherbfalls nichts mehr im Wege, da dieselbe Situation vorliegt, wie wenn die Nacherbschaft von Anfang an Berücksichtigung gefunden hätte.288

Das Recht zur Erhebung des Rekurses verliert der Nacherbe aber, der Rechtsprechung289 nach, mit Eintritt des Nacherbfalls.290 Ab diesem Zeitpunkt hat er kein Rechtsschutzbedürfnis mehr an der Bekämpfung der Einantwortung des Vorerben und er kann nur noch die Erbschaftsklage erheben.291

286 RIS-Justiz RS0008345; RIS-Justiz RS0008000; RIS-Justiz RS0006682; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 27; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 183.

287 RIS-Justiz RS0006394; RIS-Justiz RS0008000; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 27.

288 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 313; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 186.

289 RIS-Justiz RS0006543, zuletzt OGH 3 Ob 44/11h iFamZ 2011/176 (Tschugguel) = EF-Z 2011/139.

290 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 186 mwN.

291 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 608 ABGB Rz 18 (Stand 1.1.2018, rdb.at) mwN.

53 Laut Ferrari-Hofmann-Wellenhof292 könne das Rechtsschutzbedürfnis des Nacherben, das für die Erhebung des Rechtsmittels nötig ist, auch nach Eintritt des Nacherbfalls durchaus noch gegeben sein. Der Vorerbe könne sich schließlich nach wie vor des unkorrigierten Einantwortungsbeschlusses bedienen und sich beispielsweise Dritten gegenüber weiterhin als Eigentümer der Nacherbschaftsmasse ausgeben. Erwirbt der Dritte solche Gegenstände, ist er möglicherweise gem § 824 letzter S ABGB geschützt. Um eine missbräuchliche Verwendung des Einantwortungsbeschlusses hintan zu halten, könne der Nacherbe mittels Rekurses dessen Korrektur anstreben.

Die Zulässigkeit eines Abänderungsantrages iSd § 72 AußStrG ist in diesem Fall nicht gegeben, da die Wirkungen des Beschlusses durch die Einleitung eines anderen Verfahrens beseitigt werden können.293

Wurde der Nacherbe hingegen den Vorschriften gemäß verständigt und hat man ihm den Einantwortungsbeschluss auch zugestellt, die Nacherbschaft aber versehentlich nicht darin vermerkt, so erlange, laut Ferrari-Hofmann-Wellenhof 294 die Einantwortung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist auch ihm gegenüber Rechtskraft und eine Verlassenschaftsabhandlung ist nicht durchzuführen. Seine Rechte durchzusetzen könne der Nacherbe daraufhin nur noch im streitigen Rechtsweg versuchen. Er könne den Vorerben auf Zustimmung in die Abänderung des Einantwortungsbeschlusses oder auf Feststellung, dass ein Teil seines Vermögens der ruhenden Verlassenschaft des Verstorbenen unterliegt, klagen. Hat er damit Erfolg, habe er die Möglichkeit zu beantragen, dass eine Verlassenschaftsabhandlung eröffnet werde.295

Kletečka296 gewährt dem Nacherben in diesem Fall nur noch die Erhebung der Erbschaftsklage – anstatt der beiden von Ferrari-Hofmann-Wellenhof zugebilligten Klagen –, um sein Erbrecht durchzusetzen. Ließe man die beiden Klagen zu, wäre dadurch die formelle Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses untergraben.

4.3.1.3 Abgabe der Erbantrittserklärung vor dem Eintritt des Nacherbfalls

Nicht völlig geklärt ist das Thema, ob bzw in welchen Fällen der Nacherbe bereits in der

„ersten“ – unmittelbar auf den Tod des die Nacherbschaft letztwillig Verfügenden folgenden – Verlassenschaftsabhandlung eine Erbantrittserklärung abgeben kann. Nach hA ist dies dann der

292 Erbschaftsklage 187.

293 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 608 ABGB Rz 18 mwN.

294 Erbschaftsklage 188 ff.

295 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 191.

296 Ersatz- und Nacherbschaft 314.

54 Fall, wenn der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben muss, ihm also das Erbrecht bereits mit dem Tod des Verstorbenen anfällt.297 Dieser Fall ist dann gegeben, wenn es sich nicht um eine Bedingung, sondern um eine bloße Zeitbestimmung handelt, beispielsweise wenn der Nacherbfall einmal eintreten muss, wie etwa der Tod des Vorerben. Einer fortgesetzten Verlassenschaftsabhandlung bedarf es in Folge nicht, da der Nacherbe automatisch, mit Eintritt des Nacherbfalls, Eigentum an den der Nacherbschaft unterliegenden Sachen erwirbt.298 Der Nacherbe muss aber nicht zwingend schon vor Eintritt des Nacherbfalls eine Erbantrittserklärung abgeben.299

Eine andere Meinung erlaubt generell die Abgabe der Erbantrittserklärung bereits vor dem Nacherbfall.300

Die Absicht hinter der vorweggenommenen Abgabe der Erbantrittserklärung ist die, dass Ersatzerben oder Anwachsungsberechtigte vom Erbrecht ausgeschlossen werden. Dies ist aber, wie gesagt, nur dann möglich, wenn das Erleben des Nacherbfalls nicht Bedingung für die Erlangung des Nacherbrechts darstellt. Anderenfalls fällt das Erbrecht dem Nacherben erst mit Bedingungseintritt an und eine frühzeitige Annahme ist nicht möglich.301

Umstritten ist, welche Wirkung die Erbantrittserklärung des Nacherben entfaltet. Ein Teil der Lehre, etwa Ehrenzweig, vertritt die Ansicht, dass dem Nacherben die Erbschaft bereits (mit der entsprechenden Bedingung oder Befristung) eingeantwortet werden könne. Mit dem Eintritt des Nacherbfalls erlange der Nacherbe in weiterer Folge von Gesetzes wegen die Stellung eines Gesamtrechtsnachfolgers des Verstorbenen und somit Eigentum an der Nacherbschaftsmasse.302Eccher303 ist der Meinung, dass, wenn die Erbantrittserklärung bereits in der „ersten“ Verlassenschaftsabhandlung abgegeben wurde, das Verlassenschaftsverfahren trotzdem mit dem Nacherbfall erneut zu öffnen, fortzuführen und nach der Einantwortung an den Nacherben wieder zu beenden sei.

297 Apathy in FS Eccher 31 (36); Holzner, JBl 2020, 425 (427).

298 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 183 mwN.

299 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

300 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

301 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 316 mwN.

302 Apathy in FS Eccher 31 (36) mwN.

303 Schwimann/Kodek, ABGB III4 § 613 ABGB Rz 21; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 24.

55 Im Gegensatz dazu vertreten der OGH304 und ein anderer Teil der Lehre, unter anderem Kletečka305, die Meinung, die (aufschiebend befristete oder bedingte) Einantwortung vor dem Nacherbfall abzulehnen.306 Ohne erkennbaren Sinn sei eine „vorzeitige“ Einantwortung an den Nacherben etwa bei einer bedingten Nacherbschaft, wenn diese in Folge des Nichterlebens des Bedingungseintritts durch den Nacherben erlöschen würde bzw bei einer befristeten Nacherbschaft die Erben des Nacherben zum Zug kommen würden. Des Weiteren ist anerkannt, dass es zu einer Wiedereröffnung der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen im Nacherbfall kommt, womit eine „frühzeitige“ Einantwortung ebenfalls im Widerspruch stünde.

Die ZPO – und das ist ebenfalls auf Beschlüsse im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden – kennt keine (aufschiebend) bedingten Urteile, was darüber hinaus gegen die Zulässigkeit der Einantwortung bereits vor Nacherbfall spreche.307 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ergebe sich dann, wenn es bei Eintritt des Nacherbfalls keine Nacherben mehr gäbe und somit die Verlassenschaft dem Vorerben (oder dessen Erben) gem § 615 Abs 1 ABGB verbleiben würde. Wäre dem Nacherben die Erbschaft nämlich schon vorweg eingeantwortet worden, so hätte, laut Apathy308, der Bund die Berechtigung, sich die Verlassenschaft gem § 750 ABGB anzueignen, was jedoch § 615 Abs 1 ABGB widersprechen würde.

Das Ziel einer Erbantrittserklärung sei, laut Holzner309, primär die Übergabe der Verlassenschaft in den Besitz des Erben als Gesamtrechtsnachfolger. Wird die Erbantrittserklärung bereits vor Nacherbfall abgegeben, kann der Nacherbe sein Erbrecht noch nicht erfolgreich geltend machen und genau dieses Ziel wäre somit nicht erreicht, was die Erbantrittserklärung rechtlich bedeutungslos sein lässt.

4.3.1.4 Überholte Ansichten

In der älteren Lehre folgte man einer anderen Ansicht: zu einer Fortführung des Verlassenschaftsverfahrens komme es nicht. Viel eher könne der Nacherbe seinen, ab Eintritt des Nacherbfalls bestehenden, erbrechtlichen Abtretungsanspruch gegen den Vorerben im Wege der Erbschaftsklage geltend machen. Andere Stimmen in der Lehre sahen außerdem noch einen obligatorischen Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben, laut

Ferrari-Hofmann-304 RIS-Justiz RS0007939, insb OGH 29.12.1950, 3 Ob 567/50.

305 Ersatz- und Nacherbschaft 310 f, 317 f; Apathy in FS Eccher 31 (37) mwN.

306 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

307 RIS-Justiz RS0006324, insb OGH 8.11.1961, 6 Ob 416/61; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 24.

308 FS Eccher 31 (37 f).

309 JBl 2020, 425 (431).

56 Wellenhof310 sei aber nicht erkennbar, welche Bedeutung dieser zusätzliche Anspruch haben sollte.

4.3.2 Veräußerbarkeit der Nacherbenstellung

Wie der Vorerbe hat auch der Nacherbe nach hM die Möglichkeit, sein Erbrecht ab dem Tod des Verstorbenen zu veräußern.311 Die bereits unter 3.4.3 gemachten Ausführungen sind auch auf die Veräußerbarkeit der Nacherbenstellung anzuwenden, weshalb hier nicht noch einmal darauf eingegangen werden muss.

Die Gefahr, dass der Nacherbe die Erbschaft infolge ausschlagen und somit das Recht des Erbschaftskäufers vereiteln könnte, besteht nach hM nicht, da der Erbschaftskäufer derjenige ist, der die Erbantrittserklärung abgibt.312

4.3.3 Vererblichkeit der Nacherbenstellung

Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist gem § 615 Abs 2 ABGB im Zweifel vererblich, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll. In so einem Fall ist die Befristung des Nacherbrechts mit dem Tod des Vorerben nicht als Überlebensbedingung, sondern lediglich als Terminisierung zu verstehen, weshalb der Nacherbe diesen Zeitpunkt nicht erleben muss, damit das Nacherbrecht überhaupt entsteht.313

Eine Regelung des Verstorbenen betreffend die Vererblichkeit des Anwartschaftsrecht des Nacherben auf seine Nachkommen geht der Zweifelsregel des § 615 Abs 2 ABGB vor.314 Der OGH315 geht sogar so weit, dass er auch bei einer Nacherbeneinsetzung unter einer Bedingung annimmt, dass der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben muss, weil dies dem hypothetischen Willen des Verstorbenen entspricht.316

310 Erbschaftsklage 182.

311 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 28.

312 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 268 f.

312 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 268 f.