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Die Entwicklung der Nacherbschaft

2 Nacherbschaft

2.1 Die Entwicklung der Nacherbschaft

2 Nacherbschaft

2.1 Die Entwicklung der Nacherbschaft

Aufgrund des Widerspruchs zum leitenden Grundsatz des römischen Rechts „semel heres, semper heres“3 war im alten Rom die Anerkennung der Nacherbschaft im heutigen Sinne ausgeschlossen und dem Verstorbenen war es nicht erlaubt, nacheinander mehrere Erben einzusetzen. Obwohl sozialpolitische und wirtschaftliche Bedenken gehegt wurden, da durch die Einsetzung von Nacherben das von der Nacherbschaft erfasste Vermögen übermäßig lange gebunden werden könnte, folgte das ABGB diesem römischen Grundsatz nicht mehr und bildete die „fideikommissarische Substitution“4 zur wirklichen Nacherbfolge fort. Daraufhin blieben die Bestimmungen betreffend die Nacherbschaft im ABGB lange Zeit unverändert und es wurde lediglich die ein oder andere Norm im Zuge weiterer Reformen sporadisch geändert.5 Das österreichische Erbrecht geht zum größten Teil auf die Stammfassung des ABGB aus dem Jahr 1811 zurück.6 Mit der „großen“ Erbrechtsreform (dem ErbRÄG 2015), die größtenteils am 1. Jänner 2017 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Intention verfolgt, das Erbrecht des ABGB sowohl sprachlich als auch in seinen Regelungsinhalten an das 21. Jahrhundert anzupassen. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Anforderungen an das Erbrecht geändert, nicht zuletzt dadurch, dass der Durchschnittsmensch heutzutage viel länger lebt als beispielsweise im Jahr 1811, was wiederum dazu führt, dass das Erbrecht weniger der materiellen Versorgung der potenziellen Erben oder Pflichtteilsberechtigten dienen muss.

Trotzdem hat man bei der Erststellung des ErbRÄG 2015 darauf geachtet, dass die Modernisierung moderat erfolgte und Bestimmungen nur geändert wurden, wo dies wirklich notwendig war. Überwiegend wurde im Zuge der Erbrechtsreform die herrschende Rechtsprechung kodifiziert, was darauf zurückzuführen ist, dass besondere Aufmerksamkeit der „kontinuierlichen Rechtsentwicklung“ gegolten hat.7

3 Das heißt: „Wer einmal Erbe geworden ist, braucht die Erbschaft nicht mehr herauszugeben“; Meyers Großes Konversations-Lexikon, Semel heres semper heres, http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Semel+heres+semper+heres (abgefragt am 26. Mai 2021).

4 Erst seit dem ErbRÄG 2015 wird von der „Nacherbschaft“ gesprochen.

5 Sailer, Nacherbschaft im 21. Jahrhundert, in Schurr/Umlauft (Hrsg), Festschrift für Bernhard Eccher (2017) 995 (997 f) mwN.

6 Hofmair/Motal/Reiter/Schauer/Wöss, Erbrechtsreform: Paradigmenwechsel oder Window Dressing? JEV 2015, 40 (40).

7 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 1.

3 Bis auf sprachliche Veränderungen blieben die zentralen Bestimmungen der Sache nach überwiegend aufrecht. Der alte Begriff „fideikommissarische Substitution“ wurde mit dem ErbRÄG 2015 gänzlich durch den Terminus Nacherbschaft ersetzt, weshalb das Zehnte Hauptstück des ABGB nunmehr „Von der Ersatz- und Nacherbschaft“ spricht.

Die „Substitution auf den Überrest“, die nunmehr als Nacherbschaft auf den Überrest in § 609 ABGB gesetzlich normiert ist, war auch ohne ausdrückliche Verankerung im Gesetz schon vor dem ErbRÄG 2015 als allgemeine Regel anerkannt. Das gleiche gilt für das Surrogationsprinzip, das im Zuge der Erbrechtsreform 2015 in § 613 Abs 3 ABGB Eingang in die Gesetzordnung gefunden hat.8

Durch eine Änderung in § 611 ABGB wurde klargestellt, dass nur natürliche Personen als Zeitgenossen uneingeschränkt als Nacherben eingesetzt werden können. In den § 613 Abs 2 bis 4 ABGB wurde die hM bezüglich wichtiger Grundfragen betreffend die Rechtsstellung des Vorerben kodifiziert, wie etwa die Verfügungsbefugnis des Vorerben mit Zustimmung des Nacherben, das Surrogationsprinzip und die Rechte des Vorerben bei einer befreiten Vorerbschaft. Neben vielen weiteren neu determinierten Zweifels- und Auslegungsregelungen hat der § 617 ABGB durch das Ersetzen des Wortes „Nachkommenschaft“ durch „Kinder“

nicht bloß eine sprachliche Modernisierung erfahren, sondern die Änderung hat auch dazu geführt, dass die strittige Frage, ob Adoptivkinder als Nachkommen in Frage kommen und zu einem Erlöschen der Nacherbschaft führen, in Zukunft klar beantwortet werden kann.9

Kritisiert wird, dass die Erbrechtsreform 2015 nicht dazu genutzt wurde die teilweise sogar seit der Stammfassung des ABGB bestehenden Regelungslücken zu schließen. Von Stimmen aus der Lehre kommt der Vorwurf, man hätte versäumt, die unklare Rechtsstellung zwischen Vor- und Nacherben zu klären sowie das Verfahrensrecht in Bezug auf die Nacherbschaft an die heutige Zeit anzupassen und gesetzlich zu normieren.10

Anwendung finden die neuen Bestimmungen betreffend die Ersatz- und Nacherbschaft in §§

604–617 ABGB, die mit 1. Jänner 2017 in Kraft getreten sind nur für Erbfälle, bei denen der Verstorbene nach dem 31. Dezember 2016 verstorben ist (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).11

8 Sailer in FS Eccher 995 (995) mwN.

9 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13; Sailer in FS Eccher 995 mwN.

10 Hofmair/Motal/Reiter/Schauer/Wöss, JEV 2015, 40 (40).

11 Sailer in FS Eccher 995 (995) mwN.

4 2.2 Die Nacherbschaft

2.2.1 Allgemeines

In den §§ 608 ff ABGB wird die Möglichkeit des Verstorbenen behandelt, festzulegen, dass nach12 dem ersteingesetzten Erben, dem Vorerben, noch weitere Erben an die Reihe kommen sollen.13 Die sog Nacherbschaft kann sich dabei auf die gesamte Verlassenschaft des letztwillig Verfügenden oder aber auch nur auf einen Teil beziehen.14

Der letztwillig Verfügende hat den Zeitpunkt, zu dem der Nacherbe die Erbschaft vom Vorerben übernehmen soll, zu verfügen. Hat der Verstorbene den Umstand, der die Nacherbfolge auslösen soll – den sog Nacherbfall – nicht festgelegt, tritt dieser gem § 608 Abs 2 ABGB mit dem Tod des Vorerben ein.15

Zu beachten ist, dass der letztwillig Verfügende die Auswahl der Nacherben – wie auch der Erben gem § 564 ABGB – selbst vornehmen muss und die Ernennung nicht anderen Personen, beispielsweise den Erben16, überlassen darf.17 Der OGH18 sagt, dass diesem Erfordernis auch dann nicht entsprochen sei, wenn der letztwillig Verfügende dem Vorerben die Auswahl des Nacherben aus einem bestimmten Personenkreis überlasse. Tue er dies trotzdem, versucht die Judikatur eine solche Anordnung als Auflage (Auftrag) iSd §§ 709 ff ABGB zu beurteilen, um die letztwillige Verfügung durch Umdeutung zumindest teilweise zu retten. Der OGH19 sprach jedoch, Kletečka20 folgend, aus, dass die Auflage, durch die auch außerhalb einer Nacherbschaft eine Nacherbschaft angeordnet werden soll – in diesem Fall, dass der Tod des Vorerben den Nacherbfall bildet – in unzulässiger Weise die Testierfreiheit des Vorerben beeinträchtigt und somit ungültig sei.

12 Im Gegensatz dazu bestimmt der letztwillig Verfügende bei der Ersatzerbschaft einen anderen Erben für den Fall, dass der ersteingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt - der Ersatzerbe tritt anstelle des ersteingesetzten Erben die Erbschaft an; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 5.194.

13 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.194.

14 OGH 1 Ob 243/72 SZ 45/118; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 608 ABGB Rz 1.

15 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.209 mwN.

16 OGH 5 Ob 121/07s EF-Z 2008/20; RIS-Justiz RS0012394.

17 Welser, Erbrechts-Kommentar § 608 ABGB Rz 1.

18 RIS-Justiz RS0012394.

19 OGH 10 Ob 14/04p NZ 2006/34 = RZ-EÜ 2005/165.

20 Die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen, JBl 1999, 277 (288).

5 Ausreichend für die Annahme einer Nacherbschaft ist jedoch eine gewisse Bestimmbarkeit der Nacherben in letztwilligen Verfügungen21 oder wenn der letztwillig Verfügende einem Dritten die Auswahl des Nacherben nach sachlichen Kriterien überlässt.22

Gem § 608 Abs 1 S 2 ABGB hat der eingesetzte Nacherbe im Zweifel auch als Ersatzerbe zu gelten. Diese Zweifelsregel kommt in der Praxis etwa dann zum Tragen, wenn der Verstorbene A zu seinem Alleinerben erklärt und B als Nacherbe für den Zeitpunkt des Todes von A eingesetzt hat. A ist jedoch bereits vor dem letztwillig Verfügenden verstorben, was den Nacherben B zum Ersatzerben für A macht.23

2.2.2 Gesetzliche Grenzen

Um eine dauerhafte Bindung des Vermögens zu vermeiden, finden sich im Gesetz Grenzen, die der letztwillig Verfügende bei der Errichtung einer Nacherbschaft zu beachten hat.24 Dabei wird differenziert, ob es sich um Zeitgenossen des Verstorbenen handelt oder um Nacherben, die noch nicht geboren sind.

§ 611 ABGB erlaubt eine uneingeschränkte Einsetzung von Zeitgenossen als Nacherben und stellt klar, dass nur natürliche Personen als Zeitgenossen in Frage kommen können.

Voraussetzung ist, dass diese im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geboren oder zumindest gezeugt25 sind.26 Damit durch bereits gezeugte, kryokonservierte27 entwicklungsfähige Zellen der Zweck der Bestimmung, allzu lange Vermögensbindungen zu verhindern, nicht vereitelt wird, sind nur jene bereits gezeugten Personen vom Terminus

„Zeitgenossen“ erfasst, die „[...]nach einer – zeitlich gesehen – üblichen Schwangerschaft das Licht der Welt erblicken“.28

Die Einsetzung von Nichtzeitgenossen als Nacherben ist gem § 612 ABGB jedoch beschränkt.

Einer Unterscheidung bedarf es hierbei zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen.

Bei Geld oder sonstigen beweglichen Sachen hat der letztwillig Verfügende die Möglichkeit,

21 OGH 10 Ob 1517/93 NZ 1994, 115; RIS-Justiz RS0012380, zuletzt OGH 8 Ob 112/08s NZ 2009/55 = EvBl 2009/94.

22 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.210 mwN.

23 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.194.

24 Eccher/Umlauft, Bürgerliches Recht VI – Erbrecht7 (2020) Rz 4/111.

25 Verwiesen wird in § 611 S 2 ABGB auf § 22 ABGB.

26 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.213 f.

27 Unter Kryokonservierung versteht man das Einfrieren und Lagern von Zellen und Gewebe.

28 ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13.

6 die Nacherbschaft zum Vorteil von Nichtzeitgenossen auf bis zu zwei Nacherbfälle wirksam zu verfügen. Bei unbeweglichem Vermögen ist die Einsetzung von Nichtzeitgenossen als Nacherben auf einen Nacherbfall begrenzt.29

Die unterschiedliche Betrachtung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen kann dazu führen, dass es selbst innerhalb einer Verlassenschaft zu verschiedenlangen Vermögensbindungen kommt. Zu beachten ist, dass auch eine nachträgliche Veränderung der Nacherbschaftsmasse – beispielsweise, wenn aufgrund einer Liegenschaftsveräußerung Geld anstelle der unbeweglichen Sache tritt – an der jeweiligen Bindungsdauer nichts ändert.30 Hat der letztwillig Verfügende sowohl Zeitgenossen als auch Nichtzeitgenossen als Nacherben eingesetzt, werden bei der Bestimmung der Nacherbfälle nur die Nichtzeitgenossen gezählt, die die Erbschaft annehmen, die Einsetzung von Zeitgenossen bleibt auch hier unbeschränkt, weshalb diese bei der Berechnung der Nacherbfälle nicht miteinbezogen werden.31

2.2.3 Auslegung

Herrscht Unklarheit über die Art und den Umfang einer bestehenden Nacherbschaft besagt § 614 ABGB, dass die Anordnung des letztwillig Verfügenden so zu interpretieren ist, sodass die Freiheit des Vorerben am wenigsten eingeschränkt ist. Das gleiche gilt – seit dem ErbRÄG 2015 auch ausdrücklich gesetzlich normiert32 – auch für den Fall, in dem es zu ermitteln gilt, ob überhaupt eine Nacherbschaft angeordnet worden ist.33

Nach Kletečka/Holzinger34 stellt § 614 ABGB nicht bloß eine allgemeine Auslegungsregel dar, viel mehr wird durch diese Regelung der Bestimmtheitsmaßstab für die Anordnung einer Nacherbschaft angehoben. Diese muss unzweifelhaft und mit voller Bestimmtheit verfügt werden, ein Befehlston ist jedoch nicht obligatorisch.35 Laut OGH36 handelt es sich bei einem bloßen Rat bzw einer einfachen Empfehlung an den Erben, die Verlassenschaft zu einem späteren Zeitpunkt einem anderen zu überlassen, nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft, denn diese muss, um Gültigkeit zu erlangen, erkennbar angeordnet sein.

29 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.213 mwN.

30 OGH 1 Ob 849/33 SZ 15/202; Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/111; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–

824 ABGB (2019) § 612 ABGB Rz 4 mwN.

31 OGH 7 Ob 88/65 SZ 38/65; Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.215 mwN.

32 RIS-Justiz RS0012555; ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 13.

33 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 1 (Stand 1.1.2018, rdb.at);

Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 614 ABGB Rz 1.

34 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 614 ABGB Rz 4 mwN.

35 RIS-Justiz RS0038393.

36 OGH 2 Ob 272/52 SZ 25/85 = JBl 1953, 125.

7 2.2.4 Erlöschen der Nacherbschaft

Vom Erlöschen einer Nacherbschaft ist nur dann die Rede, wenn diese vorzeitig unwirksam wird, nicht hingegen, wenn sie in Folge des Eintritts des Nacherbfalls beendet wird. Nach hA37 sind die Gründe für das Erlöschen im Gesetz nicht taxativ aufgezählt, neben den §§ 615 ff ABGB stellen unter anderem auch die einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft durch den Vor- und Nacherben, die gemeinsame Umwandlung38 einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest sowie die vom Vorerben vorgenommene Veräußerung des Vorerbrechts an den Nacherben Erlöschungsgründe dar.39

§ 615 Abs 1 S 2 ABGB zählt zwei Gründe auf, die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen.

Einerseits erlischt diese, wenn kein berufener Nacherbe mehr vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn der letzte Nacherbe, ohne Nachkommen zu hinterlassen, vor Eintritt des Nacherbfalls verstorben ist40 aber auch wenn alle zulässig berufenen Nacherben die Erbschaft angetreten haben, sie nicht mehr antreten können oder sie ausgeschlagen haben.41 Verstirbt der Nacherbe hingegen vor Eintritt des Nacherbfalls unter Hinterlassung von Erben, so geht auf diese gem Abs 2 leg cit im Zweifel das Recht des Nacherben über. Voraussetzung dafür ist, dass der verstorbene Nacherbe erst nach dem die Nacherbschaft letztwillig Verfügenden gestorben ist, sowie dass der Nacherbe terminisiert berufen worden ist, etwa wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintreten soll.42 Wurde der Nacherbe hingegen unter einer aufschiebenden Bedingung berufen, erhält er die Nacherbschaft erst mit Eintritt der Bedingung und er muss diesen Zeitpunkt erleben sowie dabei des Erbens fähig sein.43

Der OGH44 hat in einer Entscheidung ausgesprochen, dass, wenn der Nacherbe mit der Kinderlosigkeit des Vorerben aufschiebend bedingt berufen ist, nicht die Zweifelsregel gem § 615 Abs 2 ABGB zur Anwendung kommt, sondern iSd § 703 ABGB vorzugehen ist.

37 RIS-Justiz RS0012573, zuletzt OGH 9 Ob 80/14a EvBl-LS 2015/105.

38 OGH 6 Ob 136/07d iFamZ 2009/174.

39 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 5.234; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 7 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at) mwN.

40 RIS-Justiz RS0127621, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

41 RIS-Justiz RS0127621; Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 615 ABGB Rz 2.

42 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 615 ABGB Rz 8.

43 OGH 2 Ob 212/00s EFSlg 93.284; Apathy/Neumayr in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 608 ABGB Rz 4.

44 RIS-Justiz RS0127624, zuletzt OGH 2 Ob 58/11k JBl 2012, 249 = Zak 2012/258 = iFamZ 2012/115 = EF-Z 2012/115; Sailer in FS Eccher 995 (1011).

8 Andererseits kommt es zu einem Erlöschen der Nacherbschaft, wenn der Verstorbene diese unter einer aufschiebenden Bedingung errichtet hat und die Bedingung nunmehr endgültig nicht eintreten kann.

In § 616 ABGB wird die Nacherbschaft in Bezug auf eine testierunfähige Person als Vorerbe behandelt. Im Gesetz wird hierbei zwischen zwei verschiedenen Varianten differenziert:

Abs 1 leg cit behandelt den Fall, dass der Verstorbene den von ihm eingesetzten Vorerben irrtümlich für testierunfähig gehalten hat, dieser aber tatsächlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Es wird davon ausgegangen, dass für den letztwillig Verfügenden die Testierunfähigkeit des Vorerben kausal für die Errichtung einer Nacherbschaft war, weshalb die Nacherbschaft im Zweifel ungültig ist.

In der zweiten Variante gem Abs 2 leg cit ist der eingesetzte Vorerbe tatsächlich – wie vom letztwillig Verfügenden angenommen – testierunfähig. Erlangt der Vorerbe in weiterer Folge die Testierfähigkeit ist auch hier im Zweifel von einem Erlöschen der Nacherbschaft auszugehen. Einmal erloschen bleibt dies auch dann so, wenn der vormalige Vorerbe daraufhin seine Testierfähigkeit wieder verliert.45

Im Gegensatz dazu war vor dem ErbRÄG 2015 für das Erlöschen der Nacherbschaft von Bedeutung, ob die (vermeintlich) testierunfähige Person bei voller Besonnenheit selbst ein Testament errichtet.46

Eine weitere Zweifelsregel die zum Erlöschen der Nacherbschaft führen kann stellt § 617 ABGB dar. In diesem Fall hat der Verstorbene seinem Kind eine Nacherbschaft angeordnet, dieses hatte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch keine (zumindest dem letztwillig Verfügenden bekannte) Kinder. Es wird angenommen, dass der letztwillig Verfügende die Nacherbschaft mit seinem Kind als Vorerben nur deshalb verfügt hat, da er sich in Unkenntnis über die künftige Entwicklung befunden hat. Wäre er sich hingegen im Klaren über die Zukunft gewesen, hätte er die Nacherbschaft nicht angeordnet. Somit erlischt im Zweifel die Nacherbschaft, wenn das Kind des Verstorbenen später doch eigene erbfähige Kinder hinterlässt.47

45 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 616 ABGB Rz 1 ff.

46 Welser in Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch4 (2014) § 616 ABGB Rz 2 ff.

47 Welser, Der Erbrechts-Kommentar: §§ 531–824 ABGB (2019) § 617 ABGB Rz 2 f.

9 Zu beachten ist, dass sämtliche hier genannten Zweifelsregeln durch den Beweis des Gegenteils – eines anderen Willens des letztwillig Verfügenden – entkräftet werden können.48

2.2.4.1 Einvernehmliche Aufhebung

Wie bereits eingangs erwähnt kann die Nacherbschaft zudem durch den Vor- und die Nacherben einvernehmlich aufgehoben werden.49 Zu beachten ist, dass die Übereinkunft stets zwischen allen möglichen Nacherben getroffen werden muss, selbst der Ersatzerbe hat zuzustimmen. Die einvernehmliche Aufhebung kann durchaus auch gegen den Willen des Verstorbenen getroffen werden.50

2.2.4.2 Umwandlung in eine Nacherbschaft auf den Überrest

Einen zumindest teilweisen Verzicht auf die Nacherbschaft stellt die Umwandlung einer Nacherbschaft in eine Nacherbschaft auf den Überrest dar. Durch diese Übereinkunft verzichtet der Nacherbe auf seine Rechtsstellung als „voller“ Nacherbe und der Vorerbe wird zum befreiten Vorerben.51

Zu seiner Rechtswirksamkeit bedarf diese Verfügung laut OGH eines Notariatsaktes oder gerichtlichen Protokolls gem § 1278 Abs 2 ABGB, wie dies auch für den Erbschaftskauf gilt.

Dieser Ansicht folgen auch einige Stimmen aus der Lehre: Weiß52 ist der Meinung, dass ein solches Rechtsgeschäft einem Zusammenfallen der Position des Berechtigten und Verpflichteten eines belasteten dinglichen Rechts gleichkomme und darin eine Veräußerung einer Erbschaft, die dem Nacherben angefallen sei oder dieser bereits angetreten habe, liege.

Dass eine einvernehmliche Aufhebung der Nacherbschaft schon vor Eintritt des Nacherbfalls möglich sei, vertritt Ehrenzweig53. Der Nacherbe habe die Möglichkeit die Nacherbschaft auszuschlagen und sein unbedingtes Erbrecht dem Vorerben gem § 1278 ABGB abzutreten.

Nach Kralik54 könne eine Unwirksamkeit der Nacherbschaft vom Nacherben dadurch herbeigeführt werden, dass der Nacherbe sein noch nicht angefallenes Nacherbrecht für den Fall, dass es entstehen sollte, gem §§ 1278 ff ABGB auf den Vorerben übertrage.

48 § 615 ABGB: Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 2 mwN; § 616 ABGB: Welser, Erbrechts-Kommentar § 616 ABGB Rz 7; § 617 ABGB: OGH 7 Ob 733/86 SZ 60/7.

49 RIS-Justiz RS0012563, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner).

50 Welser, Erbrechts-Kommentar § 615 ABGB Rz 4 mwN.

51 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

52 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

53 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

54 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz) mwN.

10 Eine andere Meinung vertritt diesbezüglich Welser55. Bei einer solchen Vereinbarung handle es sich um einen bloßen Verzicht und nicht um eine Erbschaftsveräußerung, da vor allem das wesentliche Kriterium, nämlich die Übertragung eines Erbrechts, nicht vorhanden sei. Deshalb bedürfe es zu ihrer Gültigkeit auch weder eines Notariatsakts noch ein gerichtlichen Protokolls iSd § 1278 ABGB. Durch den Verzicht auf oder die Aufhebung von Beschränkungen komme es nicht zu einem Rechtsübergang auf den Verpflichteten, viel eher führe dies zu einem Rechtsuntergang. Bei einer Aufhebung der Nacherbschaft behalte der Vorerbe sein Erbrecht in Umfang und Quote unverändert bei, lediglich die zeitliche Einschränkung und die Verfügungsbeschränkungen über die Nacherbschaftsmasse fielen weg. Die bessere Rechtsstellung des Vorerben resultiere schlichtweg aus dem Verzicht des Nacherben auf sein Erbrecht.56

Die Vereinbarung zwischen Vor- und Nacherben, wodurch der Nacherbe seine Rechtsposition als „voller“ Nacherbe verliert, birgt die Gefahr der Übereilung. Der Vorerbe hat die Möglichkeit durch ein Verschenken (von Teilen) der Nacherbschaftsmasse die Nacherbschaft auf den Überrest endgültig zu beseitigen. Dies macht den Nacherben schutzbedürftig, was eine Anwendung der Formvorschriften des § 1278 Abs 2 ABGB laut OGH nahelegt. Nicht zuletzt verfolgt die besondere Form auch einen Beweissicherungszweck.57

2.2.5 Behandlung der Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren

Den Kern des Verlassenschaftsverfahren stellt die Verlassenschaftsabhandlung (§§ 156 ff AußStrG) dar. Diese findet statt, wenn die Abhandlung nicht gem § 153 AußStrG unterbleibt, es nicht zu einer Überlassung an Zahlungs statt kommt und auch kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wird.58 Das Verlassenschaftsgericht hat die Nacherben, wenn zu ihren Gunsten eine Nacherbschaft angeordnet wurde, hiervon gem § 176 Abs 1 AußStrG zu verständigen.59

55 Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 3 mwN.

56 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz).

57 OGH 6 Ob 136/07d EvBl-LS 2009/100 = NZ 2009/102 = JEV 2009/20 (Bielesz); Haunschmidt/Haunschmidt, Erbschaft und Testament6 (2020) 52.

58 Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 12.15.

59 Eccher/Umlauft, Erbrecht7 Rz 4/117; Holzner, Der Erbschaftserwerb des Nacherben, JBl 2020, 425 (425).

11 2.2.5.1 Inventarisierung der Verlassenschaft

§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG sieht vor, dass zwingend eine Inventarisierung der Verlassenschaft durchzuführen ist, wenn auf eine Nacherbschaft Bedacht genommen wird.60 Dasselbe gilt auch, wenn es sich um eine Nacherbschaft auf den Überrest handelt.61

Das Inventar stellt eine vollständige Aufzeichnung der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dar, soweit diese nicht höchstpersönlich sind.62 Sind jedoch nur gewisse

Das Inventar stellt eine vollständige Aufzeichnung der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dar, soweit diese nicht höchstpersönlich sind.62 Sind jedoch nur gewisse