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Der Erbschaftserwerb durch den Nacherben

4 Rechtsstellung des Nacherben

4.3 Rechte des Nacherben

4.3.1 Der Erbschaftserwerb durch den Nacherben

Einhellig wird die Ansicht vertreten, dass mit Eintritt des Nacherbfalls und somit dem Ende des Erbrechts des Vorerben ipso iure aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Verlassenschaftsvermögen – das sich vormalig im beschränkten Eigentum des Vorerben befunden hat – wieder eine ruhende Verlassenschaft nach dem Verstorbenen wird.281

Wie oben schon erwähnt ist die Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen anzumerken. Nach heute hA hat die Anmerkung der Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss die Folge, dass bei Eintritt des Nacherbfalls die Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen, über den Teil der Verlassenschaft, der der Nacherbschaft unterliegt, von Amts wegen wiedereröffnet wird. Dabei erkennt auch das Verlassenschaftsgericht über den Eintritt des Nacherbfalls. Der Nacherbe erhält daraufhin nach Abgabe der Erbantrittserklärung – sofern dies nicht schon in der unmittelbar auf den Tod des Verstorbenen folgenden Verlassenschaftsabhandlung geschehen

278 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Handbuch Erbrecht2 (2020) Rz 8.6.

279 Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, HB Erbrecht2 Rz 8.9. ff.

280 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 20.

281 Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 26.

51 ist – und nach erfolgter Einantwortung an ihn den der Nacherbschaft unterliegenden Teil der Verlassenschaft.282

Der Nacherbe wird, wie oben bereits erwähnt, Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen, nicht jedoch des Vorerben. Das führt dazu, dass es zu zwei getrennten Verlassenschaftsabhandlungen kommt, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben aufschiebend bedingt war – dem fortgesetzten Verlassenschaftsverfahren nach dem Verstorbenen (das ist der die Nacherbschaft letztwillig Verfügende) und dem Verlassenschaftsverfahren nach dem Vorerben über dessen freies Vermögen.283

Ferrari-Hofmann-Wellenhof284 folgt der hM in der Ansicht, die Verlassenschaftsabhandlung wieder zu eröffnen. Anderenfalls würden dem Nacherben die Vorteile der Verlassenschaftsabhandlung genommen, wie etwa der Erwerb der Rechtsnachfolge im Außerstreitverfahren oder die Möglichkeit der Gläubigerkonvokation.

Manche Lehrmeinungen billigen dem Nacherben zu, zwischen dem Erbschaftserwerb im Wege der Verlassenschaftsabhandlung oder mithilfe der Erbschaftsklage zu wählen. Kletečka285 sieht in der Verlassenschaftsabhandlung die grundlegende Art des Erbrechtserwerbs, weshalb auch nach Eintritt des Nacherbfalls die Verlassenschaftsabhandlung fortzusetzen sei und der Nacherbe die Erbschaft durch Einantwortung erwerbe. Mithilfe der Erbschaftsklage sei nur vorzugehen, wenn nicht erreicht worden wäre, die Verlassenschaft dem wahren Erben einzuantworten. Die Erbschaftsklage setze einen formell rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss voraus, dieser sei jedoch unvereinbar mit dem geltend gemachten Erbschaftsanspruch. Hat die Nacherbschaft im Verlassenschaftsverfahren nach dem Verstorbenen Berücksichtigung gefunden, steht diese daher nicht mit dem Einantwortungsbeschluss im Widerspruch und es kann deshalb nicht mit der Erbschaftsklage vorgegangen werden. Solange der einfachere Weg des außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren noch nicht gänzlich ausgenützt ist, sei nicht auf den streitigen Rechtsweg zu wechseln.

282 Holzner, JBl 2020, 425 (426); Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 182 f.

283 RIS-Justiz RS0007568; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 26.

284 Erbschaftsklage 184.

285 Ersatz- und Nacherbschaft 312 ff.

52 4.3.1.2 Keine Wiederaufnahme der Verlassenschaftsabhandlung

Nach der Judikatur ist das Verlassenschaftsverfahren jedoch endgültig beendet, wenn die Verlassenschaftsabhandlung stattgefunden hat, ohne dass die Nacherbschaft berücksichtigt worden ist. Dem Vorerben ist in Folge die Verlassenschaft rechtskräftig eingeantwortet worden, wobei kein Hinweis auf die Beschränkung der Rechte des Vorerben durch eine Nacherbschaft im Einantwortungsbeschluss erfolgt ist. Die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verlassenschaftsverfahren besteht nicht, da es in solchen Fällen an einem der Nacherbschaft unterliegenden Vermögen mangelt. Das führt dazu, dass der Nacherbe keine Erbantrittserklärung abgeben kann. Das Vermögen, das der Nacherbschaft unterliegt, fällt im Zeitpunkt des Versterbens des Vorerben in seine Verlassenschaft.286

Der Nacherbe hat die Möglichkeit, sich gegen den Vorerben, oder – wenn als Nacherbfall der Tod des Vorerben bestimmt war – gegen die durch einen Kurator vertretene Verlassenschaft des Vorerben bzw jeden, der Anspruch auf die der Nacherbschaft unterliegenden Sachen erhebt, mit der Erbschaftsklage zu behelfen, auch wenn er gegen den Einantwortungsbeschluss kein Rechtsmittel erhoben hatte. Gibt es keine Erben kann die Erbschaftsklage auch gegen den Bund erhoben werden, im Falle, dass dieser sich die Erbschaft aneignen möchte.287

Vor Eintritt des Nacherbfalls kann sich der Nacherbe – wenn er vom Nacherbrecht nicht verständigt oder der Einantwortungsbeschluss ihm nicht zugestellt worden ist – gegen den Einantwortungsbeschluss, mangels Rechtskraft des Beschlusses ihm gegenüber, mittels Rekurses zur Wehr zu setzen und damit erreichen, dass die Nacherbschaft in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen wird. Ist dies der Fall steht einer Verlassenschaftsabhandlung im Falle des Eintritts des Nacherbfalls nichts mehr im Wege, da dieselbe Situation vorliegt, wie wenn die Nacherbschaft von Anfang an Berücksichtigung gefunden hätte.288

Das Recht zur Erhebung des Rekurses verliert der Nacherbe aber, der Rechtsprechung289 nach, mit Eintritt des Nacherbfalls.290 Ab diesem Zeitpunkt hat er kein Rechtsschutzbedürfnis mehr an der Bekämpfung der Einantwortung des Vorerben und er kann nur noch die Erbschaftsklage erheben.291

286 RIS-Justiz RS0008345; RIS-Justiz RS0008000; RIS-Justiz RS0006682; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 27; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 183.

287 RIS-Justiz RS0006394; RIS-Justiz RS0008000; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 27.

288 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 313; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 186.

289 RIS-Justiz RS0006543, zuletzt OGH 3 Ob 44/11h iFamZ 2011/176 (Tschugguel) = EF-Z 2011/139.

290 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 186 mwN.

291 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.04 § 608 ABGB Rz 18 (Stand 1.1.2018, rdb.at) mwN.

53 Laut Ferrari-Hofmann-Wellenhof292 könne das Rechtsschutzbedürfnis des Nacherben, das für die Erhebung des Rechtsmittels nötig ist, auch nach Eintritt des Nacherbfalls durchaus noch gegeben sein. Der Vorerbe könne sich schließlich nach wie vor des unkorrigierten Einantwortungsbeschlusses bedienen und sich beispielsweise Dritten gegenüber weiterhin als Eigentümer der Nacherbschaftsmasse ausgeben. Erwirbt der Dritte solche Gegenstände, ist er möglicherweise gem § 824 letzter S ABGB geschützt. Um eine missbräuchliche Verwendung des Einantwortungsbeschlusses hintan zu halten, könne der Nacherbe mittels Rekurses dessen Korrektur anstreben.

Die Zulässigkeit eines Abänderungsantrages iSd § 72 AußStrG ist in diesem Fall nicht gegeben, da die Wirkungen des Beschlusses durch die Einleitung eines anderen Verfahrens beseitigt werden können.293

Wurde der Nacherbe hingegen den Vorschriften gemäß verständigt und hat man ihm den Einantwortungsbeschluss auch zugestellt, die Nacherbschaft aber versehentlich nicht darin vermerkt, so erlange, laut Ferrari-Hofmann-Wellenhof 294 die Einantwortung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist auch ihm gegenüber Rechtskraft und eine Verlassenschaftsabhandlung ist nicht durchzuführen. Seine Rechte durchzusetzen könne der Nacherbe daraufhin nur noch im streitigen Rechtsweg versuchen. Er könne den Vorerben auf Zustimmung in die Abänderung des Einantwortungsbeschlusses oder auf Feststellung, dass ein Teil seines Vermögens der ruhenden Verlassenschaft des Verstorbenen unterliegt, klagen. Hat er damit Erfolg, habe er die Möglichkeit zu beantragen, dass eine Verlassenschaftsabhandlung eröffnet werde.295

Kletečka296 gewährt dem Nacherben in diesem Fall nur noch die Erhebung der Erbschaftsklage – anstatt der beiden von Ferrari-Hofmann-Wellenhof zugebilligten Klagen –, um sein Erbrecht durchzusetzen. Ließe man die beiden Klagen zu, wäre dadurch die formelle Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses untergraben.

4.3.1.3 Abgabe der Erbantrittserklärung vor dem Eintritt des Nacherbfalls

Nicht völlig geklärt ist das Thema, ob bzw in welchen Fällen der Nacherbe bereits in der

„ersten“ – unmittelbar auf den Tod des die Nacherbschaft letztwillig Verfügenden folgenden – Verlassenschaftsabhandlung eine Erbantrittserklärung abgeben kann. Nach hA ist dies dann der

292 Erbschaftsklage 187.

293 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 608 ABGB Rz 18 mwN.

294 Erbschaftsklage 188 ff.

295 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 191.

296 Ersatz- und Nacherbschaft 314.

54 Fall, wenn der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben muss, ihm also das Erbrecht bereits mit dem Tod des Verstorbenen anfällt.297 Dieser Fall ist dann gegeben, wenn es sich nicht um eine Bedingung, sondern um eine bloße Zeitbestimmung handelt, beispielsweise wenn der Nacherbfall einmal eintreten muss, wie etwa der Tod des Vorerben. Einer fortgesetzten Verlassenschaftsabhandlung bedarf es in Folge nicht, da der Nacherbe automatisch, mit Eintritt des Nacherbfalls, Eigentum an den der Nacherbschaft unterliegenden Sachen erwirbt.298 Der Nacherbe muss aber nicht zwingend schon vor Eintritt des Nacherbfalls eine Erbantrittserklärung abgeben.299

Eine andere Meinung erlaubt generell die Abgabe der Erbantrittserklärung bereits vor dem Nacherbfall.300

Die Absicht hinter der vorweggenommenen Abgabe der Erbantrittserklärung ist die, dass Ersatzerben oder Anwachsungsberechtigte vom Erbrecht ausgeschlossen werden. Dies ist aber, wie gesagt, nur dann möglich, wenn das Erleben des Nacherbfalls nicht Bedingung für die Erlangung des Nacherbrechts darstellt. Anderenfalls fällt das Erbrecht dem Nacherben erst mit Bedingungseintritt an und eine frühzeitige Annahme ist nicht möglich.301

Umstritten ist, welche Wirkung die Erbantrittserklärung des Nacherben entfaltet. Ein Teil der Lehre, etwa Ehrenzweig, vertritt die Ansicht, dass dem Nacherben die Erbschaft bereits (mit der entsprechenden Bedingung oder Befristung) eingeantwortet werden könne. Mit dem Eintritt des Nacherbfalls erlange der Nacherbe in weiterer Folge von Gesetzes wegen die Stellung eines Gesamtrechtsnachfolgers des Verstorbenen und somit Eigentum an der Nacherbschaftsmasse.302Eccher303 ist der Meinung, dass, wenn die Erbantrittserklärung bereits in der „ersten“ Verlassenschaftsabhandlung abgegeben wurde, das Verlassenschaftsverfahren trotzdem mit dem Nacherbfall erneut zu öffnen, fortzuführen und nach der Einantwortung an den Nacherben wieder zu beenden sei.

297 Apathy in FS Eccher 31 (36); Holzner, JBl 2020, 425 (427).

298 Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 183 mwN.

299 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

300 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

301 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 316 mwN.

302 Apathy in FS Eccher 31 (36) mwN.

303 Schwimann/Kodek, ABGB III4 § 613 ABGB Rz 21; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 24.

55 Im Gegensatz dazu vertreten der OGH304 und ein anderer Teil der Lehre, unter anderem Kletečka305, die Meinung, die (aufschiebend befristete oder bedingte) Einantwortung vor dem Nacherbfall abzulehnen.306 Ohne erkennbaren Sinn sei eine „vorzeitige“ Einantwortung an den Nacherben etwa bei einer bedingten Nacherbschaft, wenn diese in Folge des Nichterlebens des Bedingungseintritts durch den Nacherben erlöschen würde bzw bei einer befristeten Nacherbschaft die Erben des Nacherben zum Zug kommen würden. Des Weiteren ist anerkannt, dass es zu einer Wiedereröffnung der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Verstorbenen im Nacherbfall kommt, womit eine „frühzeitige“ Einantwortung ebenfalls im Widerspruch stünde.

Die ZPO – und das ist ebenfalls auf Beschlüsse im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden – kennt keine (aufschiebend) bedingten Urteile, was darüber hinaus gegen die Zulässigkeit der Einantwortung bereits vor Nacherbfall spreche.307 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ergebe sich dann, wenn es bei Eintritt des Nacherbfalls keine Nacherben mehr gäbe und somit die Verlassenschaft dem Vorerben (oder dessen Erben) gem § 615 Abs 1 ABGB verbleiben würde. Wäre dem Nacherben die Erbschaft nämlich schon vorweg eingeantwortet worden, so hätte, laut Apathy308, der Bund die Berechtigung, sich die Verlassenschaft gem § 750 ABGB anzueignen, was jedoch § 615 Abs 1 ABGB widersprechen würde.

Das Ziel einer Erbantrittserklärung sei, laut Holzner309, primär die Übergabe der Verlassenschaft in den Besitz des Erben als Gesamtrechtsnachfolger. Wird die Erbantrittserklärung bereits vor Nacherbfall abgegeben, kann der Nacherbe sein Erbrecht noch nicht erfolgreich geltend machen und genau dieses Ziel wäre somit nicht erreicht, was die Erbantrittserklärung rechtlich bedeutungslos sein lässt.

4.3.1.4 Überholte Ansichten

In der älteren Lehre folgte man einer anderen Ansicht: zu einer Fortführung des Verlassenschaftsverfahrens komme es nicht. Viel eher könne der Nacherbe seinen, ab Eintritt des Nacherbfalls bestehenden, erbrechtlichen Abtretungsanspruch gegen den Vorerben im Wege der Erbschaftsklage geltend machen. Andere Stimmen in der Lehre sahen außerdem noch einen obligatorischen Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben, laut

Ferrari-Hofmann-304 RIS-Justiz RS0007939, insb OGH 29.12.1950, 3 Ob 567/50.

305 Ersatz- und Nacherbschaft 310 f, 317 f; Apathy in FS Eccher 31 (37) mwN.

306 Holzner, JBl 2020, 425 (427).

307 RIS-Justiz RS0006324, insb OGH 8.11.1961, 6 Ob 416/61; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 24.

308 FS Eccher 31 (37 f).

309 JBl 2020, 425 (431).

56 Wellenhof310 sei aber nicht erkennbar, welche Bedeutung dieser zusätzliche Anspruch haben sollte.