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Vom Vorerben vorgenommene Veräußerungen

3 Rechtsstellung des Vorerben

3.5 Pflichten des Vorerben und Schranken des Vorerbrechts

3.5.2 Verfügungen des Vorerben

3.5.2.5 Vom Vorerben vorgenommene Veräußerungen

Veräußert der Vorerbe Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft ist zwischen einer zulässigen und einer unzulässigen Veräußerung insbesondere in Hinblick auf die Folgen der Veräußerung für den Nacherben zu differenzieren.

Von einer zulässigen Veräußerung ist die Rede, wenn der Vorerbe die Veräußerung innerhalb der Grenzen der ihm zustehenden Befugnisse tätigt – das sind die Rechte, die auch ein gewöhnlicher Fruchtnießer hätte. Diese Veräußerungen entfalten auch gegenüber dem Nacherben ihre Wirkung. Das gleiche gilt, wenn eine Ausnahme vom Verfügungsverbot gegeben ist. Die Auswirkung, die die Veräußerung auf den Nacherben hat, ist, dass er diese gegen sich gelten lassen muss und ihm auch kein Ersatzanspruch wegen der veräußerten Sache zusteht. Hat der Vorerbe Verbindlichkeiten aus der Veräußerung noch nicht erfüllt, so ist die Erfüllung dem Nacherben auferlegt.229

Unzulässig ist eine Veräußerung hingegen dann, wenn genau diese Ausnahmetatbestände nicht erfüllt sind oder der Vorerbe nicht im Sinne der ihm zustehenden Befugnisse – die auch ein Fruchtnießer hätte – handelt. In Folge ist sie sowohl gegenüber dem Nacherben als auch gegenüber dem Erwerber der Sache nichtig.230 Wie unter 3.5.2.1 schon erwähnt, bleibt das dem Verfügungsgeschäft vorausgehende Verpflichtungsgeschäft demgegenüber aber uneingeschränkt gültig.231

Wusste der Erwerber nicht, dass die zu erwerben gedachte Sache Teil der Nacherbschaftsmasse ist, kann er sich unter Umständen gegenüber dem Nacherben auf seine Gutgläubigkeit berufen.

Der Nacherbe hat infolgedessen Schadenersatzansprüche gegen den Vorerben.232

Hat der Erwerber jedoch nicht in gutem Glauben gehandelt, kommt dem Nacherben gegen den Erwerber die Eigentumsklage (auch rei vindicatio gem § 366 ABGB) auf Herausgabe der Sache bzw Räumung der Liegenschaft zu. Der Erwerber behält seine Ansprüche gegen den Vorerben, insbesondere Schadenersatzansprüche, wenn er die Sache herausgeben musste.233

228 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 12.

229 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 32.

230 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 33.

231 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 41.

232 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 33.

233 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 33.

41 3.5.2.6 Ausnahmen vom Verfügungsverbot

Durch das ErbRÄG 2015 wurden in § 613 Abs 2 ABGB Ausnahmen vom Verfügungsverbot gesetzlich normiert. Dadurch, dass die hL durch das ErbRÄG 2015 letztendlich Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat, ist nach Welser234 die bisherige Lehre und Rechtsprechung betreffend die Zulässigkeit von Verfügungen des Vorerben auch weiterhin heranzuziehen.

Der Vorerbe darf, der vormaligen Rechtsprechung folgend, gem § 613 Abs 2 ABGB über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft verfügen, wenn alle in Betracht kommenden Nacherben zustimmen. Überdies immer dann, sofern er dadurch Verbindlichkeiten der Verlassenschaft erfüllt, wenn die Verfügung der Vermeidung von Schäden an der Verlassenschaft dient oder wenn sie im Zuge der ordentlichen Verwaltung erfolgt.235

a. Zustimmung des Nacherben

Die Bestimmungen, dass der Vorerbe einem Verfügungsverbot unterliegt, haben den Zweck, den Nacherben in seinem Erbrecht zu schützen. Der Vorerbe ist somit zur Veräußerung der gesamten, von der Nacherbschaft erfassten, Verlassenschaft oder einzelner Gegenstände davon berechtigt, wenn der Nacherbe diesem Vorhaben zustimmt. Die Zustimmung ist an keine bestimmte Form gebunden, jedoch ist die Zustimmung aller in Betracht kommenden Nacherben, inklusive der Ersatzerben notwendig. Sind Ungeborene als Nacherben eingesetzt, hat auch der Substitutionskurator, mit Genehmigung des Gerichts, zuzustimmen.236 Das soeben Gesagte hat auch Bedeutung für die Verpfändung oder jede sonstige dingliche Belastung der Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft.237

b. Erfüllung von Verbindlichkeiten der Verlassenschaft

Der Vorerbe ist befugt, Verfügungen zur Deckung von Schulden der Verlassenschaft vorzunehmen, was damit begründet wird, dass das reine Verlassenschaftsvermögen, welches den alleinigen Gegenstand des Nacherbrechts darstellt, dadurch nicht geschmälert wird. Zur diesbezüglichen Exekutionsführung siehe oben unter 3.5.2.3.

Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, die der Vorerbe zu erfüllen befugt ist, können sein:

Pflichtteilsansprüche238, Schulden des Verstorbenen, Sachverständigengebühren oder der

234 Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 10.

235 RIS-Justiz RS0002521 [T2]; Welser, Erbrechts-Kommentar § 613 ABGB Rz 10.

236 RIS-Justiz RS0007732, zuletzt OGH 5 Ob 131/19d NZ 2020/136 (Bittner); Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 14.

237 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 16.

238 OGH 3 Ob 98/02m NZ 3003, 336.

42 Unterhalt der Witwe. Vertretungskosten des Erben im Verlassenschaftsverfahren fallen hingegen nicht in diese Kategorie.239

c. Erforderlichkeit der Verfügung zur Vermeidung von Schäden

Der Vorerbe kann zur Veräußerung einer Sache der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft schreiten, wenn die Verfügung aufgrund der Beschaffenheit der Sache oder aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist, insbesondere um Schäden an der Verlassenschaft zu vermeiden. Darüber hinaus können verbrauchbare oder rasch verderbliche Gegenstände eine Ausnahme vom Verfügungsverbot begründen.240

Verbrauchbare Gegenstände unterliegen nur wertmäßig dem Fruchtgenussrecht des Vorerben.

Nach hL sind diese bei Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben nach dem Wert, den sie im Zeitpunkt der Begründung des Erbrechts des Vorerben – dem Erbfall – hatten, zu ersetzen. Dies deshalb, da in diesem Fall der Surrogationsgrundsatz zur Anwendung kommt, auf den unter 4.3.9 noch eingegangen wird.241

3.5.3 Rechnungslegungspflicht des Vorerben

Kletečka242 vertritt die Meinung, dass der Vorerbe vor Eintritt des Nacherbfalls nicht verpflichtet sei, Auskünfte zu geben und Rechnungen zu legen, wenn er sich in den Grenzen seines Rechts bewege. Innerhalb dieses Raumes stehe es dem Vorerben völlig frei, wie er sein Recht ausübe. Da es sich um das Führen seiner eigenen Geschäfte und nicht der des Nacherben handle, habe Letzterer auch kein berechtigtes Interesse auf Information.

Anderes gelte hingegen, wenn der Vorerbe unberechtigterweise in die der Nacherbschaft unterliegenden Sachen eingreift, indem er seine Befugnisse etwa durch unerlaubte Verwaltungsmaßnahmen überschreitet. In diesem Fall beeinträchtige das Handeln des Vorerben das Recht des Nacherben auf Erhaltung der Nacherbschaftsmasse. Da sich hierbei der Vorerbe in fremde Angelegenheiten einmische sei die Situation vergleichbar mit einer (unechten243) Geschäftsführung ohne Auftrag iSd §§ 1035 ff ABGB. In analoger Anwendung des § 1039 ABGB habe der Vorerbe Rechnungen über die unerlaubten

239 OGH 8 Ob 682/88 ÖJZ 1990/20 (EvBl); Apathy/Neumayr in KBB6 § 613 ABGB Rz 7; Apathy in FS Eccher 31 (34 f).

240 Apathy/Neumayr in KBB6 § 613 ABGB Rz 7; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 13;

241 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 13.

242 Ersatz- und Nacherbschaft 295.

243 Unechte deshalb, weil dem Vorerben der Geschäftsführerwille fehle; Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 295.

43 Verwaltungsmaßnahmen zu legen, auch deshalb, weil dem Nacherben in diesem Fall ein berechtigtes Informationsrecht zuzuerkennen sei. Kommt es etwa zu einer rechtswidrigen Veräußerung einer der Nacherbschaft unterliegenden Sache, habe der Nacherbe ein Interesse daran, zu erfahren, was sich anstelle der veräußerten Sache durch die dingliche Surrogation in der Verlassenschaft befindet.244

Anderes gilt für die Zeit nach Eintritt des Nacherbfalls. Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich eine Pflicht zur Rechnungslegung für den Vorerben verankert ist, nimmt Kletečka245 an, dass der Nacherbe ein Recht auf Rechnungslegung habe. Das begründet er damit, dass der Verstorbene dem Vorerben – durch das Anordnen einer Nacherbschaft – die Verlassenschaft mit der Aufgabe überlässt, diese für den Nacherben in Verwahrung zu nehmen. Der Vorerbe habe bei der Nutzung der Nacherbschaftsmasse die Sorgfalt walten zu lassen und insbesondere darauf zu achten, dass er nicht in die Substanz eingreift. In gewissem Rahmen sei der Vorerbe jedoch befugt, mit der Verlassenschaft zu disponieren und Rechtsgeschäfte zu tätigen, die in weiterer Folge auch den Nacherben verpflichten. In diesen Rechten und Pflichten erkennt Kletečka246 Ähnlichkeiten zum Auftrag gem §§ 1002 ff ABGB. Der Auftragnehmer ist gem § 1012 ABGB zur Rechnungslegung verpflichtet, was analog auch auf den Vorerben Anwendung finde. Als Auftraggeber komme vorerst der Verstorbene bzw die ruhende Verlassenschaft nach diesem infrage. Durch die Einantwortung an den Vorerben falle die Position des Auftraggebers und des Auftragnehmers in dem Vorerben zusammen, da dieser Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen wird. Dadurch gäbe es niemanden, der den Vorerben auffordern könnte, Rechnungen zu legen. Aufgrund dessen sei eine Rechnungslegungspflicht des Vorerben im Sinne des oben Gesagten bis zum Eintritt des Nacherbfalls abzulehnen. Ab dem Zeitpunkt des Nacherbfalls habe jedoch die – aufgrund des Endes des Erbrechts des Vorerben nunmehr wieder – ruhende Verlassenschaft das Recht auf Rechnungslegung inne, ab der Einantwortung an den Nacherben dieser.

Zu beachten ist jedoch, dass gerade Ausgeführtes nur gilt, wenn der Vorerbe auf Rechnung des Nacherben tätig wird, nicht beispielsweise, wenn er die gezogenen Früchte (in rechtskonformer Weise) gebraucht. Dies ließe sich, so Kletečka247, trotzdem nicht auf die befreite Vorerbschaft umlegen. Obwohl der befreite Vorerbe grundsätzlich das Recht habe, innerhalb seiner

244 Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft 295.

245 Ersatz- und Nacherbschaft 319 f.

246 Ersatz- und Nacherbschaft 319 f.

247 Ersatz- und Nacherbschaft 320.

44 Befugnisse frei über die Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft zu disponieren, bestehe trotzdem immer noch der Surrogationsgrundsatz. Dem befreiten Vorerben stehe es nicht zu, von Todes wegen über die Nacherbschaftsmasse zu verfügen, weshalb auf die Rechnung des Nacherben gehandelt werde, wenn der Vorerbe Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft austauscht. Eine Rechnungslegungspflicht gem § 1012 ABGB analog sei deshalb, laut Kletečka248, auch bei der befreiten Vorerbschaft zu befürworten.

3.5.4 Herausgabepflicht des Vorerben

Der Vorerbe ist verpflichtet dem Nacherben mit Eintritt des Nacherbfalls die Nacherbschaft herauszugeben.249 Ist der Vorerbe der Ansicht, dass der Nacherbe eigentlich gar kein Recht auf das Erbrecht hat, so kann er, laut Ferrari-Hofmann-Wellenhof250, dem Nacherben, wenn nötig auch als Widerklage, mit der Erbschaftklage begegnen.

Mit dem Herausgabeanspruch des Nacherben soll erreicht werden, dass der Vorerbe tatsächlich herausgibt, was dem Nacherben im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls von selbst gehört.251 Der Vorerbe ist verpflichtet die Verlassenschaft – oder einen Teil der Verlassenschaft, wenn nur dieser der Nacherbschaft unterliegt – in der Lage herauszugeben, wie sie sich bei Eintritt des Nacherbfalls befunden hat, wenn der Vorerbe ordnungsgemäß gewirtschaftet hat. Andererseits ist auf die Lage abzustellen, in der sich die Verlassenschaft bei ordnungsgemäßem Wirtschaften befunden hätte.252

Im Falle einer Veräußerung des Vorerbrechts, hat der Vorerbe dem Erbschaftskäufer auflösend bedingtes Eigentum verschafft, dass Letzterer bei Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herausgeben muss. Um die Herausgabe der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft zu bewirken, können hierzu sowohl der eingesetzte Vorerbe als auch der Erbschaftskäufer vom Nacherben belangt wenden. Zwar ist der Nacherbe in § 1282 ABGB – der den Grundsatz beinhaltet, dass der Erbschaftskäufer für Dritte, die Ansprüche gegen den veräußernden Erben haben, neben dem Erben einen tauglichen Beklagten darstellt – nicht genannt, dennoch ist von einer analogen Anwendung der Norm bei den Ansprüchen des Nacherben gegen den

248 Ersatz- und Nacherbschaft 320.

249 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 29; zum Herausgabeanspruch des Nacherben siehe unter 4.3.8.

250 Die Erbschaftsklage: zugleich ein Beitrag zur Erbrechtsklage und Einantwortung (1991) 185.

251 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 51.

252 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 52.

45 Vorerbschaftskäufer und den Vorerben auszugehen. Nach Sailer253 kommen die Grenzen bezüglich der Haftung, wie sie in § 1409 ABGB normiert sind, für den Erbschaftskäufer nicht zur Anwendung. Überdies sei ausgeschlossen, dass sich der Käufer des Vorerbrechts in dem Falle, dass die den Vorerben treffenden Beschränkungen gegen ihn geltend gemacht würden, wirksam auf seinen gutgläubigen Erwerb berufen könne, da es der im Rechtsverkehr erforderlichen Sorgfalt entspreche, Einsicht in den Verlassenschaftsakt vor Abschluss des Erbschaftskaufs zu nehmen. Diesen Mangel müsse der Vorerbschaftskäufer gem § 1297 ABGB gegen sich gelten lassen.

3.6 Die Rechtsstellung des befreiten Vorerben 3.6.1 Keine Beschränkung des Eigentums

Die Rechte des Vorerben bei einer Nacherbschaft auf den Überrest, des sog befreiten Vorerben, unterscheiden sich wesentlich von jenen eines Vorerben bei einer Nacherbschaft darin, dass der Erstgenannte bezüglich seines Eigentums bzw seines Erbrechts keinen Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Trotz der oben erörterten Pflicht zur Eintragung des Substitutionsbandes in das Grundbuch ist von einem Wegfall des Verfügungsverbots sowie der Sorgfaltspflicht auszugehen.254

Der Vorerbe darf also nicht bloß die Früchte aus den der Nacherbschaft unterliegenden Verlassenschaftsgegenständen ziehen, sondern hat überdies die Möglichkeit, wie jeder Eigentümer, über die gesamte Nacherbschaftsmasse unter Lebenden frei zu verfügen (§ 613 Abs 4 ABGB) und darüber hinaus diese sogar zu verschenken.255

Der Vorerbe ist bei einer befreiten Vorerbschaft hinsichtlich des Inhalts seines Rechts, also der Beschaffenheit und der Art befreit. Allerdings bleibt die Beschränkung des Vorerben betreffend die Dauer seines Erbrechts aufrecht, sodass es bei Eintritt der Befristung oder Bedingung vom Erbrecht des Nacherben verdrängt wird.256

253 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 17.

254 RIS-Justiz RS0012535; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 86.

255 RIS-Justiz RS0012537; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 609 ABGB Rz 1 ff.

256 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 86.

46 3.6.1.1 Grenze: Rechtsmissbrauch

Eingeschränkt ist die Verfügungsmacht des Vorerben durch die Grenze des sittenwidrigen Rechtsmissbrauchs. Ein arglistiger Verbrauch der, sowie arglistige Handlungen gegen die Verlassenschaft, die absichtliche Zerstörung, böswillige Veräußerungen oder Versäumnisse und das Zuweisen von Gegenständen der Nacherbschaftsmasse zum freien Vermögen stellen Beispiele dar, die zu einer Schadenersatzpflicht des Vorerben gegenüber dem Nacherben gem

§ 1295 Abs 2 ABGB führen können.257 Da dem Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls kein Schaden erwachsen ist, hat dieser auch keinen Schadenersatzanspruch, er kann sich aber einer vorbeugenden Unterlassungsklage bedienen.258

Der Vorerbe darf nicht von Todes wegen über die Nacherbschaftsmasse verfügen.259 Hat der Vorerbe Gegenstände der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft vermacht, ist diese Verfügung wirkungslos. Es kommen nicht die gesetzlichen Erben des Vorerben zum Zug, wenn Nacherben vorhanden sind und diese die Nacherbschaft auch nicht ausgeschlagen haben. Zwar könne, laut Sailer260, dem Verstorbenen unterstellt werden, dass es bei einer Nacherbschaft eher seinem Willen entspreche, dass der Vorerbe derjenige ist, der primär alles bekommen soll, jedoch liegt an nachfolgender Stelle der Nacherbe und nicht die vertraglichen, testamentarischen oder gesetzlichen Erben des Verstorbenen. Der Verstorbene kann diesbezüglich aber auch andere Verfügungen treffen.

3.6.2 Pflichten

3.6.2.1 Herausgabepflicht

Der Vorerbe ist verpflichtet die Nacherbschaftsmasse so herauszugeben, wie sie bei Eintritt des Nacherbfalls noch vorhanden ist. Dazu zählen auch vom Vorerben veräußerte Gegenstände, denen für das Ausscheiden aus der Verlassenschaft die dingliche Wirkung gem § 425 ABGB fehlt, da diese noch nicht übergeben wurden. Bei der Pflicht zur Übergabe des veräußerten Gegenstandes handelt es sich um eine auf der Verlassenschaft haftende Last gem § 549 ABGB, die zu den Erbfallsschulden zählt und für die sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe als Gesamtschuldner haften. Die § 891 ABGB und § 896 ABGB gelten sinngemäß. Da der Vorerbe befugt ist, Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft zu veräußern, ist in

257 RIS-Justiz RS0012537; Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 95; Welser, Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 1; Welser, Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 7.

258 Welser, Erbrechts-Kommentar § 609 ABGB Rz 1, 7 mwN.

259 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 609 ABGB Rz 2.

260 Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 93 f.

47 diesem Fall – anders hingegen bei der Nacherbschaft – nicht zu differenzieren, ob sich der befreite Vorerbe bei der Veräußerung innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft befunden hatte oder nicht.261

3.6.2.2 Surrogationsgrundsatz

Um zu beurteilen, ob sich ein Gegenstand noch in der Verlassenschaft befindet, ist der Surrogationsgrundsatz heranzuziehen.262 Auf diesen wird unter 4.3.9 näher eingegangen.

Der hypothetische Willen des Verstorbenen ist zu ermitteln, wenn es darum geht, was mit Sachen passiert, die der Vorerbe berechtigterweise veräußert hat und die in Folge wieder an ihn zurückfallen, etwa weil er sie zurückerworben hat oder sie an ihn vererbt wurden. Hat der Vorerbe einem Dritten die Sache geschenkt und erlangt er als Erbe des Dritten die Sache zurück, ist, nach P.Bydlinski263 davon auszugehen, dass es dem Willen des Verstorbenen entspreche, dass das Substitutionsband wiederauflebt und die Sache in die von der Nacherbschaft erfasste Verlassenschaft zurückfällt. Des Weiteren werde für gewöhnlich bei einer entgeltlichen Veräußerung und einem unentgeltlichen Rückerwerb einer einst der Nacherbschaftsmasse zugehörigen Sache davon ausgegangen, dass die Sache wieder in die Verlassenschaft zurückfällt und folglich der Nacherbschaft unterworfen ist. Erlangt der Vorerbe einen entgeltlich veräußerten Gegenstand gegen Entgelt zurück, werde grundsätzlich nur dann im Sinne des oben Gesagten vorgegangen, wenn es sich bei dem, für den Rückerwerb aufgewendeten Entgelt um eine Sache der Nacherbschaftsmasse oder um eine Ersatzsache handelt.264

261 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 96.

262 Sailer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 613 ABGB Rz 97.

263 Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241.

264 P. Bydlinski, Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241.

48 4 Rechtsstellung des Nacherben

4.1 Anwartschaftsrecht des Nacherben

Der Nacherbe ist nach hM dinglich, und nicht bloß obligatorisch Berechtigter an dem der Nacherbschaft unterliegenden Vermögen. Da ihm jedoch bei Erbanfall die Voraussetzung der Herrschaft über die Sache fehlt, wird er ein dingliches Recht an der Verlassenschaft erst mit Einantwortung erwerben können. Nach Kletečka/Holzinger265 steht dem Nacherben zwar kein dingliches aber ein absolutes Anwartschaftsrecht zu, das er gegen jedermann durchzusetzen berechtigt ist. Dieses kann der Nacherbe veräußern, vererben und es ist pfändbar. Durch das Anwartschaftsrecht ist die Rechtsstellung des Vorerben mit absoluter Wirkung beschränkt.266 Dem Nacherben steht auch bereits vor dem Erwerb der Nacherbschaftsmasse – wie sonst einem dinglich Berechtigten – die Löschungsklage gem § 61 GBG gegen Eintragungen zu, die mit der Nacherbschaft nicht übereinstimmen.267

Das dem Nacherben zustehende Anwartschaftsrecht ist laut OGH268 der Exekution gem §§ 331 ff EO zugänglich und fällt überdies in seine Insolvenzmasse.269 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Exekution ist lediglich, dass dem Verpflichteten das zu pfändende Recht zur Zeit der Exekutionsführung zusteht, vom konkreten Umfang des Anwartschaftsrechts ist die Bewilligung der Exekution hingegen nicht abhängig.270

4.2 Eintritt des Nacherbfalls

4.2.1 Nacherbe als Erbe des Verstorbenen

Mit Eintritt des Nacherbfalls endet das Erbrecht des Vorerben und der Nacherbe erwirbt das Vollerbrecht. Damit kommt noch einmal deutlich zum Ausdruck, dass der römische Grundsatz

„semel heres, semper heres“ für das österreichische Erbrecht nicht mehr gilt. Der Nacherbe wird Erbe und somit Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen und ist dadurch kein Erbe des

265 Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 6.

266 Müller/Aschauer, Aktuelle Bewertungsfragen im Pflichtteilsrecht bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge, JEV 2021, 4 (12).

267 RIS-Justiz RS0008192; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 6.

268 RIS-Justiz RS0122250, zuletzt OGH 3 Ob 75/07m SZ 2007/12 = JBl 2008, 44.

269 Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 613 ABGB Rz 14.

270 RIS-Justiz RS0053189, OGH 3 Ob 75/07m SZ 2007/12 = JBl 2008, 44.

49 Vorerben.271 Der Nacherbe leitet sein Erbrecht schließlich vom Verstorbenen, nicht hingegen vom Vorerben, ab.272

Im Gegensatz zum Erbrecht des Vorerben ist jenes des Nacherben aufschiebend befristet bzw bedingt. Das heißt, dass der Nacherbe erst zum Erben des Verstorbenen wird, wenn der für den Nacherbfall bestimmte Zeitpunkt erreicht ist oder das für die Nacherbschaft als Bedingung festgelegte Ereignis eintritt.273 Ist das Nacherbrecht aufschiebend bedingt, ist offen, ob die Bedingung eintritt, also der Nacherbe jemals erben wird. Ist hingegen von einer aufschiebenden Befristung des Nacherbrechts die Rede, ist gewiss, dass der Zeitpunkt für den Eintritt des Nacherbfalls kommen wird, lediglich das „wann“ ist noch nicht sicher.274 Der letztwillig Verfügende hat grundsätzlich die Möglichkeit, jeden Umstand als Eintritt des Nacherbfalls festzulegen, sofern dieser nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ist der

Im Gegensatz zum Erbrecht des Vorerben ist jenes des Nacherben aufschiebend befristet bzw bedingt. Das heißt, dass der Nacherbe erst zum Erben des Verstorbenen wird, wenn der für den Nacherbfall bestimmte Zeitpunkt erreicht ist oder das für die Nacherbschaft als Bedingung festgelegte Ereignis eintritt.273 Ist das Nacherbrecht aufschiebend bedingt, ist offen, ob die Bedingung eintritt, also der Nacherbe jemals erben wird. Ist hingegen von einer aufschiebenden Befristung des Nacherbrechts die Rede, ist gewiss, dass der Zeitpunkt für den Eintritt des Nacherbfalls kommen wird, lediglich das „wann“ ist noch nicht sicher.274 Der letztwillig Verfügende hat grundsätzlich die Möglichkeit, jeden Umstand als Eintritt des Nacherbfalls festzulegen, sofern dieser nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ist der